April 11, 2023 1:08 pm

Im Urteil 6B_532/2022 vom 20. März 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem Rechtsmittelweg, den eine amtliche Verteidigerin einzuschlagen hatte, um die Festsetzung bzw. massive Kürzung des Honorars durch das Bezirksgericht Meilen anzufechten. Das Bundesgericht erklärte, dass die Festsetzung der Höhe der Entschädigung der amtlichen Verteidigung grundsätzlich nur deren eigenen Interessen betrifft. Die amtliche Verteidigung ist gemäss Art. 135 Abs. 3 StPO zur Beschwerde im eigenen Namen befugt. Die amtliche Verteidigung kann (und muss) daher gegen den erstinstanzlichen Entschädigungsentscheid in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte in eigenem Namen strafprozessuale Beschwerde führen. Die 10-tägige Frist zur Beschwerde gegen ein Urteil (vgl. Art. 396 Abs. 1 StPO) beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (E.2.1). Die neue Regelung in der revStPO zeitigt noch keine Vorwirkungen.

April 11, 2023 5:33 am

Im Urteil 1B_387/2022 vom 22. Februar 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem Thema der Ausstandspflicht eines Bezirksrichters als Einzelrichter. Als Ausstandsgrund wurde angegeben, dass der betreffende Bezirksrichter bereits bereits im Jahr 2020 in einem die Beschuldigte verurteilenden erstinstanzlichen Urteil als Richter mitgewirkt habe. Das Bundesgericht äussert sich zunächst generell-abstrakt zum Thema Ausstand (E.3.1 bis E.3.3). Nach eingehender Prüfung verneint das Bundesgericht das Vorliegen eines Ausstandsgrundes im vorliegenden Fall. Insbesondere lag keine rechtliche relevante Vorbefassung im Sinne von Art. 56 lit. b StPO vor (E.4.2 und E.4.3).

April 10, 2023 10:08 am

Das Bundesgericht heisst im Urteil 1C_537/2021 vom 13. März 2023 eine Beschwerde gegen das partielle Bettelverbot des Kantons Basel-Stadt teilweise gut. Das Bettelverbot in öffentlichen Parks hebt es als unverhältnismässig auf. Die übrigen Bestimmungen können grundrechtskonform angewendet werden; gegenüber passiv bettelnden Menschen darf eine Busse nur verhängt werden, wenn vorangehende mildere Massnahmen erfolglos geblieben sind.

April 4, 2023 12:41 pm

Das Bundesgericht hebt im Urteil 6B_627/2022 vom 6. März 2023 (zur amtl. Publ. vorgesehen) die Landesverweisung eines Mannes tibetischer Ethnie auf. Die vom Waadtländer Kantonsgericht angeordnete Landesverweisung in ein «Drittland mit Ausnahme der Volksrepublik China» ist bundesrechtswidrig, da ungeklärt ist, ob der Betroffene von einem Drittland überhaupt aufgenommen würde.

April 4, 2023 5:38 am

Im Urteil 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 aus dem Kanton Basel-Stadt ging es u.a. um den Anspruch auf Haftentschädigung für rechtswidrige Zwangsmassnahmen. Das Bundesgericht macht sehr ausführliche allgemeingültige Ausführungen zum Thema (E.2.3.1, E.2.3.2., E.2.3.3). Im vorliegenden Fall entscheidet das Bundesgericht wie folgt: «Indem die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Entschädigung verweigert und dies damit begründet, das vorübergehende Fehlen eines gültigen Hafttitels und die damit verbundene formelle Rechtswidrigkeit sei unter den vorliegenden Umständen stark zu relativieren und überdies habe die formelle Rechtswidrigkeit der angeordneten Sicherheitshaft in casu keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Beschwerdeführer gehabt, verletzt sie Bundesrecht. Die Vorinstanz hat den an den Beschwerdeführer auszurichtenden Anspruch festzusetzen.» (E.2.4)

April 3, 2023 9:54 am

Im Urteil 1B_332/2022 vom 2. Februar 2023 aus dem Kanton Zürich entschied das Bundesgericht, dass die Entsiegelung und Durchsuchung von in einem Hotelzimmer sichergestellten privaten Aufzeichnungen in diesem Fall nicht zulässig sei (betroffen war eine nicht beschuldigte Person und ein Fall des Nebenstrafrechts). Das Bundesgericht hat die Unterscheidung nach den Eigentumsverhältnissen zwischen «privaten» und «geschäftlichen» Datenträgern bzw. Unterlagen weder als lebensfremd noch als sachwidrig angesehen (E.2.2). Das Bundesgericht erklärte allgemein Folgendes: «Die Durchsuchung von Aufzeichnungen nach Art. 246 StPO ist als strafprozessuale Zwangsmassnahme nur zulässig, wenn sie verhältnismässig ist. Erforderlich ist insbesondere, dass die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO); zudem muss die Bedeutung der Straftat die Massnahme rechtfertigen (Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO). Zwangsmassnahmen, die in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO).» (E.2.1 a.E.).

März 31, 2023 10:36 am

Im Urteil 6B_1301/2021 vom 9. März 2023 aus dem Kanton Zürich behandelte das Bundesgericht einen Fall eines Polizisten nach mehrfacher Schussabgabe auf einen Verdächtigen. Rechtlich bzw. methodisch ist das Urteil 6B_1301/2021 vom 9. März 2023 sehr interessant, weil es im Detail auf die Unterscheidung des Grundsatzes von «in dubio pro reo» als einerseits Beweiswürdigungsregel, mit beschränkter Kognition des Bundesgerichts, und andererseits als Beweislastregel, mit freier Kognition des Bundesgerichts, eingeht (E.2.3.2). Im Ergebnis bestätigt das Bundesgericht den Freispruch des Polizisten durch das Obergericht des Kantons Zürich wegen entschuldigender Notwehr (Art. 15 StGB).

März 31, 2023 9:59 am

Als Reaktion auf die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit, die ChatGPT zuteil wird, hat das Europol Innovation Lab eine Reihe von Workshops mit Fachexperten aus ganz Europol organisiert, um zu untersuchen, wie Kriminelle grosse Sprachmodelle («Large Language Models», «LLMs») wie ChatGPT missbrauchen können und wie es Ermittlern bei ihrer täglichen Arbeit helfen kann.

März 29, 2023 1:18 pm

Im Urteil 6B_63/2023 vom 10. März 2023 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit einer Einsprache gegen einen SVG-Strafbefehl und dem unentschuldigten Nichterscheinen des Beschuldigten bei der Berufungsverhandlung. Das Bundesgericht erklärte, dass es der Verteidigung obliegt, das Nichterscheinen zu begründen um die Anwendung der Rückzugsfiktion der Einsprache allenfalls zu verhindern: «Erscheint nur die Verteidigung zur Verhandlung, darf diese an der Verhandlung dennoch teilnehmen und insbesondere darlegen, weshalb die Rückzugsfiktion von Art. 356 Abs. 4 StPO trotz Abwesenheit der beschuldigten Person nicht zum Tragen kommen soll. Die Verteidigung ist an der Verhandlung daher insbesondere zu den Gründen für die Abwesenheit anzuhören, wobei sie ein entschuldigtes Fernbleiben der beschuldigten Person geltend machen und begründen kann.» (E.1.3). Im vorliegenden Fall ist dies nicht gelungen.

März 28, 2023 5:37 am

Im Jahr 2022 registrierte die Polizei erstmals seit zehn Jahren eine Zunahme der Einbruch- und Einschleichdiebstähle. Mit einem Plus von 14% wurde ein ähnlicher Wert wie vor der Pandemie verzeichnet. Zugenommen haben im Vergleich zum Vorjahr die schweren Gewaltdelikte (+16,6%), insbesondere die Straftatbestände schwere Körperverletzung und Vergewaltigung. Soweit einige Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundesamtes für Statistik (BFS).