Haft
Juni 11, 2025 1:16 pm

Im Urteil 7B_358/2025 vom 28. Mai 2025 aus dem Kanton Basel-Stadt (amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht mit den Modalitäten der Haftverlängerung (E.2) sowie mit dem rechtlichen Gehör (E.3). Das Bundesgericht entschied erstens, dass die Haftverlängerung weder eines Haftverlängerungsantrags bedarf noch die Anordnung der Sicherheitshaft befristet sein muss: «Sobald das Verfahren bei ihr hängig ist, hat die Berufungsinstanz demnach ex officio darüber zu befinden, ob eine vorbestehende, jedoch auslaufende Sicherheitshaft zu verlängern ist oder nicht. Dies folgt auch aus Art. 388 Abs. 1 lit. b StPO. Der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach die Vorinstanz ohne Haftverlängerungsantrag keine Haftanordnung hätte treffen dürfen, kann demnach nicht gefolgt werden. Art. 227 Abs. 1 und 2 StPO gelangen bei Haftverlängerungen des Berufungsgerichts somit nicht zur Anwendung. Hingegen liefert Art. 227 Abs. 4 StPO zusätzlich zu Art. 388 Abs. 1 lit. b StPO die Grundlage für die provisorische Fortdauer der Haft bis zum Entscheid. Gestützt auf diese Bestimmungen war die Verfahrensleitung der Vorinstanz (Art. 364b Abs. 2 StPO) befugt, mit Verfügung vom 14. März 2025 bis zum angefochtenen Entscheid über die Sicherheitshaft vom 24. März 2025 deren provisorische Verlängerung anzuordnen […], sodass stets ein Hafttitel vorlag.» (E.2.4.1). «Nicht durchzudringen vermag im Weiteren der Einwand, dass die Sicherheitshaft zu befristen gewesen wäre.  Gemäss Art. 227 Abs. 7 StPO wird die Verlängerung der Untersuchungshaft jeweils für längstens drei Monate, in Ausnahmefällen für längstens sechs Monate bewilligt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erfolgt indes mangels Verweises in den Art. 231 f. StPO auf diese Bestimmung keine periodische Überprüfung der Sicherheitshaft, sobald das Berufungsgericht mit der Sache befasst ist. Dieses kann Sicherheitshaft bis zum Berufungsurteil anordnen. Geschützt wird die inhaftierte Person über Art. 233 StPO, wonach sie jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen kann […]. Per 1. März 2021 hat der Gesetzgeber mit Art. 364a f. StPO eine explizite gesetzliche Grundlage für die Anordnung von Sicherheitshaft im Verfahren auf Erlass eines selbstständigen nachträglichen Entscheids nach Art. 363 ff. StPO geschaffen. Wie vorstehend erläutert, enthält der für Haftverlängerungen vor dem Berufungsgericht einschlägige Art. 364b Abs. 4 StPO keinen Verweis auf Art. 227 Abs. 7 StPO. Aus dem Gesetz ergibt sich somit nicht explizit, dass im Berufungsverfahren betreffend einen selbstständigen nachträglichen Entscheid eine Befristung der Sicherheitshaft vorzunehmen wäre. Solches ist auch der Botschaft nicht zu entnehmen […]. Entsprechend kann die zu Art. 231 f. StPO entwickelte Rechtsprechung, wonach das Berufungsgericht die Sicherheitshaft nicht zu befristen hat […] (neu) auch im Verfahren auf Erlass eines selbstständigen nachträglichen Entscheids Geltung beanspruchen. Gründe, das gewöhnliche Berufungsverfahren und jenes auf Erlass eines selbstständigen nachträglichen Entscheids in der Frage der Sicherheitshaft anders zu behandeln, sind nicht ersichtlich.» (E.2.4.2). Zweitens bejahte das Bundesgericht die Verletzung des rechtlichen Gehörs: «Der Beschwerdeführer hatte somit vor Erlass der angefochtenen Verfügung keine (vollständige) Einsicht in das der Vorinstanz vorliegende Aktenfundament und entsprechend keine Möglichkeit, sich dazu zu äussern. Dies verletzt sein Recht auf Replik und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.» (E.3.3.1).

Mai 30, 2025 12:21 pm

Im Urteil 7B_369/2025 vom 16. Mai 2025 aus dem Kanton Luzern bejahte das Bundesgericht bei einem 82 Jahre alten Beschuldigten die Weiterführung der Untersuchungshaft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr Art. 221 Abs. 1bis StPO wegen des Verdachts hinsichtlich schwerer Sexualdelikte zu Lasten von mehreren Frauen. Es lag eine forensisch-psychiatrische Vorabstellungnahme vor, welche über ein blosses Aktengutachten hinausging. Das Bundesgericht bestätigte seien bisherige Praxis zu diesem besonderen Haftgrund wie folgt: «Die Beschwerde erweist sich auch als unbegründet, soweit der Beschwerdeführer das Bestehen einer qualifizierten Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1bis StPO bestreitet. Das Bundesgericht hat sich in jüngster Vergangenheit mehrfach zu den Anordnungsvoraussetzungen des per 1. Januar 2024 gesetzlich neu eingeführten Haftgrundes der qualifizierten Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1bis StPO geäussert (siehe BGE 150 IV 360 E. 3.2.2 ff.; 150 IV 149 E. 3.2.; Urteil 7B_1124/2024 vom 29. November 2024 E. 4.4 und E. 4.6.1). Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden und es besteht vorliegend kein Anlass für weitere Bemerkungen.» (E.4.1).

April 17, 2025 12:07 pm

Im Urteil 7B_248/2025 vom 7. April 2025 aus dem Kanton Basel-Stadt befasste sich das Bundesgericht mit der Zuständigkeit für eine beantragte superprovisorische vorsorgliche Massnahme (umgehende Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Massnahmenvollzug bzw. richterliche Überprüfung des Entlassungsgesuchs). Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Soweit der Beschwerdeführer mit seinem superprovisorischen Antrag eine richterliche Überprüfung seines Entlassungsgesuchs verlangte, ist dazu Folgendes festzuhalten: Die gegenüber dem Beschwerdeführer zu vollziehende stationäre therapeutische Massnahme wurde gerichtlich angeordnet. Der entsprechende Vollzugsbefehl vom 3. Januar 2025 - mit welchem der Beschwerdeführer ausdrücklich zum Antritt des Massnahmenvollzugs im Untersuchungsgefängnis U. aufgeboten wurde - erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Damit besteht grundsätzlich ein Rechtstitel für den mit dem Massnahmenvollzug verbundenen Freiheitsentzug des Beschwerdeführers. Dieser erfolgt mit anderen Worten am Ende eines gerichtlichen Verfahrens, in welchem der Beschwerdeführer zu einer freiheitsentziehenden Massnahme verurteilt wurde. Der in Art. 5 Abs. 4 EMRK statuierte Anspruch auf richterliche Haftprüfung wird damit von vornherein von der gerichtlichen Verurteilung absorbiert […]. Mit dem Appellationsgericht Basel-Stadt ist zudem bereits eine unabhängige gerichtliche Instanz im Hauptverfahren mit der vorliegenden Sache bzw. dem Entlassungsgesuch des Beschwerdeführers befasst. Inwieweit darüber hinaus ein anderes Gericht den Freiheitsentzug überprüfen sollte, erschliesst sich nicht. Beim Beschwerdeführer handelt es sich - entgegen seiner Auffassung - nicht um einen Beschuldigten in Untersuchungshaft, sondern um einen rechtskräftig verurteilten Massnahmeunterworfenen. Die Schweizerische Strafprozessordnung im Allgemeinen und die Bestimmungen über die strafprozessuale Untersuchungshaft (Art. 220 ff. StPO) im Besonderen sind demnach im vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl. Art. 1 Abs. 1 StPO und Art. 439 Abs. 1 StPO). Damit fällt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - insbesondere ein Haftverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht im Sinne von Art. 225 StPO ausser Betracht. Nachdem sich mit dem Appellationsgericht Basel-Stadt ein Gericht mit dem Vollzug der gegenüber dem Beschwerdeführer angeordneten freiheitsentziehenden Massnahme bzw. dessen in diesem Zusammenhang gestellten Entlassungsgesuch befasst, ist dem entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers auf richterliche Überprüfung seines Entlassungsantrags bereits Genüge getan. […].» (E.4.3.2). Das Bundesgericht fügt aber dann noch an: «[…] Es bleibt indes darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz das Verfahren in der Hauptsache angesichts der bestehenden freiheitsentziehenden Massnahme und der konkreten Umstände im vorliegenden Fall besonders vordringlich durchzuführen hat (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV).»  (E.4.3.3). 

April 13, 2025 10:58 am

Im Urteil 1C_103/2024 vom 20. März 2025 aus Basel (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht mit dem Thema des Polizeigewahrsams und seiner Qualifizierung als Freiheitsentzug. Auch wenn das Bundesgericht die Beschwerde abwies, machte es sehr wichtigen Ausführungen zum Thema, u.a. wie folgt: «Der Polizeigewahrsam ist eine verwaltungsrechtliche Massnahme, auf welche die Garantien von Art. 5 Abs. 4 EMRK und Art. 31 Abs. 4 BV anwendbar sind […]. Nach Art. 5 Abs. 4 EMRK hat jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist. Diese Garantie bestimmt grundsätzlich nicht den Rechtsmittelweg zur Überprüfung der Rechtmässigkeit eines bereits abgeschlossenen Freiheitsentzugs, wenn die betroffene Person noch vor der gerichtlichen Prüfung innerhalb kurzer Frist freigelassen wird […]. Generell schliesst sie zudem nicht aus, dass vor der Beurteilung durch ein Gericht zusätzlich eine Administrativbehörde die Freiheitsentziehung prüft, soweit gesamthaft das Erfordernis der kurzen Frist im Sinne von Art. 5 Abs. 4 EMRK eingehalten wird […].» (E.3.1). «Gleich wie Art. 5 EMRK schützt auch Art. 31 BV vor ungerechtfertigter Inhaftierung und räumt prozessuale Garantien ein. Nach Art. 31 Abs. 4 BV hat jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen (Satz 1). Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs (Satz 2). Die Bestimmung ist nach der Rechtsprechung im Unterschied zu Art. 5 Abs. 4 EMRK so zu verstehen, dass das Gericht direkt soll angerufen werden können, nicht bloss auf indirektem Weg nach Durchlaufen von weiteren Administrativinstanzen. Sie stellt eine besondere Rechtsweggarantie dar, die weiter reicht als die allgemeine Rechtsweggarantie von Art. 29a BV. Dies dient Personen, denen die Bewegungsfreiheit entzogen ist und die wegen ihrer Situation eines besonderen Schutzes bedürfen. Das angerufene Gericht wird unmittelbar in die Lage versetzt, den Freiheitsentzug einer Prüfung zu unterziehen und allenfalls schon im Voraus vorsorgliche Massnahmen zu treffen […].» (E.3.2). «Ob ein Polizeigewahrsam als Freiheitsentzug zu qualifizieren ist, entscheidet sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls; zu berücksichtigen sind vor allem Art, Wirkung, Modalitäten und Dauer der Massnahme […]. Die Praxis des Bundesgerichts und des EGMR sind in dieser Hinsicht allerdings nicht deckungsgleich. Während der EGMR die konkrete Gefahrenlage (insbesondere das Risiko gewalttätiger Ausschreitungen) bereits im Rahmen der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines Freiheitsentzugs berücksichtigt, ist dieser Umstand nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stattdessen erst bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der Freiheitsbeschränkung von Bedeutung […]» (E.3.3). 

April 10, 2025 1:19 pm

Im Urteil 7B_231/2025 vom 2. April 2025 aus dem Kanton Zürich mit Verdacht auf qualifizierte Veruntreuung, verneinte das Bundesgericht den Haftgrund der Kollusionsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO. Es führte u.a. aus:  «Strafprozessuale Haft wegen Kollusions- bzw. Verdunkelungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO) soll verhindern, dass die beschuldigte Person die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts vereitelt oder gefährdet. Die theoretische Möglichkeit, dass der Beschuldigte kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Das Vorliegen des Haftgrunds ist nach Massgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich namentlich aus dem bisherigen Verhalten der beschuldigten Person im Strafprozess, aus ihren persönlichen Merkmalen, aus ihrer Stellung und ihren Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihr und den sie belastenden Personen ergeben […].» (E.4.1). «Bei den untersuchten Straftaten handelt es sich weder um Vier-Augen-Delikte noch um solche im familiären oder nahen Freundeskreis, bei denen auch niederschwellige Beeinflussungen oder Druckausübungen denkbar wären […]. Wie der Beschwerdeführer insoweit zutreffend vorbringt, wurden die mutmasslichen Veruntreuungen auch nicht in einem Umfeld begangen, in dem notorisch mit Beeinflussungsversuchen zu rechnen wäre, wie etwa im Drogenhandel […]. Möglich wären Kollusionshandlungen vorliegend in erster Linie bei (ehemaligen) Kunden, Geschäftspartnern oder Arbeitnehmerinnen des Beschwerdeführers.» (E.4.4.3). «Nach dem Gesagten sind dem Beschwerdeführer zwar theoretisch Verdunkelungshandlungen möglich, es besteht aber keine konkrete Kollusiongefahr. Bereits das Zwangsmassnahmengericht hat den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO) geprüft und verneint. Damit besteht kein Haftgrund. Die Beschwerde erweist sich als begründet.» (E.4.4.7).

April 1, 2025 2:08 pm

Im Urteil 7B_1295/2024 vom 19. März 2025 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob ein Anspruch auf telefonische Kontakte des Beschuldigten mit seiner Verteidigung besteht. Das Bundesgericht äussert sich einleitend wie folgt: «Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 10 Abs. 1 StPO). Dementsprechend darf die strafprozessual inhaftierte beschuldigte Person in ihrer persönlichen Freiheit nicht stärker eingeschränkt werden, als es der Haftzweck sowie die Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt erfordern (Art. 235 Abs. 1 StPO). Die Kontakte zwischen der inhaftierten Person und anderen Personen bedürfen der Bewilligung der Verfahrensleitung. Besuche finden wenn nötig unter Aufsicht statt (Art. 235 Abs. 2 StPO). Die inhaftierte Person kann indessen nach Art. 235 Abs. 4 Satz 1 StPO frei und ohne inhaltliche Kontrolle mit der Verteidigung verkehren. Bei der Verteidigung handelt es sich demnach nicht um eine "andere Person" im Sinne von Art. 235 Abs. 2 StPO, deren Kontakt mit der inhaftierten Person durch die Verfahrensleitung zu bewilligen ist […]. Eine (befristete) Einschränkung dieses freien Verkehrs zwischen der inhaftierten Person und ihrer Verteidigung durch die Verfahrensleitung ist nach Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO nur bei begründetem Verdacht auf Missbrauch und mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts zulässig. Von einer eigentlichen Einschränkung des freien Verkehrs im Sinne von Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO zu unterscheiden sind administrative und organisatorische Schutzvorkehren zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt, welche lediglich die Modalitäten des Verkehrs mit der Verteidigung beschlagen […]. Die konkrete Ausgestaltung des Verkehrs der inhaftierten Person mit ihrer Verteidigung richtet sich nach kantonalem Vollzugsrecht (vgl. Art. 235 Abs. 5 StPO), wobei aber die bundesrechtlichen Vorgaben gewahrt werden müssen […]» (E.4). Im vorliegenden Fall schützt das Bundesgericht die Beschwerde wie folgt: Die Abweisung des Gesuchs des Beschwerdeführers um Erteilung einer "Dauertelefonbewilligung" durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerde durch die Vorinstanz ist bundesrechtswidrig. Der Beschwerdeführer verfügt gestützt auf Art. 235 Abs. 4 StPO über einen grundsätzlichen Anspruch auf telefonischen Verkehr mit seiner Verteidigung, weshalb sein Antrag auf Erteilung einer "Dauertelefonbewilligung" mit seiner Verteidigung gutzuheissen ist (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Die konkrete Ausgestaltung der Modalitäten des telefonischen Kontakts mit der Verteidigung obliegt den nach Massgabe des kantonalen Rechts zuständigen Vollzugsbehörden (Art. 235 Abs. 5 StPO).» (E.6.4).

März 30, 2025 12:15 pm

Das Bundesgericht präzisiert im Urteil 7B_136/2025 vom 4. März 2025 (zur amtl. Publ. vorgesehen) seine Rechtsprechung zur Anordnung von Haft (Untersuchungs- oder Sicherheitshaft) wegen Wiederholungsgefahr gegenüber verdächtigten Personen, die bisher noch nicht zweimal wegen gleichartiger Straftaten verurteilt wurden. Bei Betäubungsmitteldelikten fällt in solchen Fällen eine Inhaftierung wegen (qualifizierter) Wiederholungsgefahr in der Regel nicht in Betracht. Hier sind einige Ausführungen des Bundesgerichts: «Als Zwischenfazit ergibt sich, dass Haft wegen qualifizierter Wiederholungsgefahr nur zulässig ist, wenn die untersuchte Anlasstat gegen hochwertige Individualrechtsgüter gerichtet war und eine gleichartige Beeinträchtigung ernsthaft zu befürchten ist.» (E.2.3.8). «Widerhandlungen gegen das BetmG sind grundsätzlich keine Gewalthandlungen, aus denen konkrete Opfer hervorgehen. Sie sind in erster Linie gegen die öffentliche Gesundheit und somit nicht gegen ein Individualrechtsgut gerichtet […]. Zwar ist nicht auszuschliessen, dass Widerhandlungen gegen das BetmG, vordergründig solche nach Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, allenfalls in Verbindung mit einem qualifizierenden Merkmal nach Abs. 2, zu einer konkreten Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität einer Person führen können. Solche Fälle ausgenommen ist die Anwendung von Art. 221 Abs. 1bis StPO auf Betäubungsmitteldelinquenz nach der vorstehenden Auslegeordnung jedoch ausgeschlossen.» (E.2.4.1).  

Februar 21, 2025 2:24 pm

Im Urteil 7B_41/2025 vom 13. Februar 2025 aus dem Kanton Schaffhausen befasste sich das Bundesgericht mit Art. 233 StPO. Eine Verletzung der Fünftagesfrist führt nicht automatisch zu einer Haftentlassung, wie das Bundesgericht erklärt: «Nach der Rechtsprechung führt die Nichteinhaltung der Fünftagefrist gemäss Art. 233 StPO nicht automatisch zu einer sofortigen Haftentlassung (Urteil 7B_750/2023 vom 3. November 2023 E. 3.4.4 mit Hinweisen). Abgesehen davon, dass diese Frist an den Abschluss des Schriftenwechsels anknüpft […], kann die Verletzung des Beschleunigungsgebots nur zur Haftentlassung führen, wenn die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft in Frage zu stellen. Das ist nur der Fall, wenn sie besonders schwer wiegt und die Straf (verfolgungs) behörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben (vgl. BGE 140 IV 74 E. 3.2; 137 IV 92 E. 3.1 mit Hinweis; 137 IV 118 E. 2.2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt […].» (E.2.3.2).  

Februar 19, 2025 11:41 am

Die bedingte Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe soll künftig erstmals nach 17 Jahren überprüft werden können. Ausserdem soll beim Zusammentreffen von lebenslanger Freiheitsstrafe und Verwahrung der Vollzug klar geregelt werden. Diese Änderungen des Strafgesetzbuches (StGB) schlägt der Bundesrat im Auftrag des Parlaments in der Botschaft zur Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe vor, die er an seiner Sitzung vom 19. Februar 2025 verabschiedet hat.

Februar 18, 2025 8:16 am

Im Urteil 7B_1440/2024, 7B_1443/2024 vom 5. Februar 2025 aus dem Kanton Schaffhausen (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht erneut emit dem neuen Haftgrund von Art. 221 Abs. 1bis StPO (qualifizierte Wiederholungsgefahr). Der Beschuldigte hatte bei einem Raubdelikt eine Handklappsäge mitgeführt und damit und den Worten «I kill you» zwei Personen massiv bedroht, wenn auch nicht verletzt. Bundesgericht bejahte im vorliegenden Fall den Haftgrund u.a. wie folgt: «Zwar ist nach dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1bis StPO vorausgesetzt, dass die qualifizierte Anlasstat die "physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt" hat. Damit wird die in Frage kommende Anlasstat auf Verbrechen und schwere Vergehen gegen hochwertige Rechtsgüter eingeschränkt (z.B. Leib und Leben oder sexuelle Integrität). Das zusätzliche Erfordernis der "schweren Beeinträchtigung" soll darüber hinaus sicherstellen, dass nicht nur der abstrakte Strafrahmen der Anlasstat, sondern auch die Umstände des Einzelfalls bei der Haftprüfung berücksichtigt werden […]. Vorausgesetzt ist somit, dass sich der dringende Tatverdacht nicht nur auf ein abstrakt schweres Delikt bezieht, sondern die Anlasstat auch aufgrund der konkreten Tatbegehung als (gegen hochwertige Rechtsgüter gerichtetes) schweres Delikt zu qualifizieren ist […]. Demgegenüber kann nicht erheblich sein, ob dieses schwere Delikt auch tatsächlich zu einer schweren Beeinträchtigung der physischen, psychischen oder sexuellen Integrität einer Person geführt hat oder derartige Auswirkungen der Tat - aufgrund glücklicher Umstände - ausgeblieben sind […].» (E.4.4). Bezüglich des Prognoseelementes lag ein Gutachten vor (E.5.2).