Verwaltungs­strafrecht
Mai 3, 2024 10:00 am

Im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 aus dem Kanton Zürich ging es im Verwaltungsstrafrecht um die Frage des nicht wieder gutzumachenden Nachteil betreffend eines Entsiegelungsverfahrens. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts im Fall der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann […]. Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein fehlender hinreichender Tatverdacht oder ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil […]. Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist […].» (E.1.3).

März 4, 2024 9:12 am

Im Urteil 6B_1005/2021 vom 29. Januar 2024 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) bestätigte das Bundesgericht, nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Thema, seine Praxis, dass eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich einem erstinstanzlichen Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB gleichzustellen ist: «Im Falle von Strafsachen, die zunächst in einem Verwaltungsstrafverfahren im Sinne des VStrR behandelt wurden, ist die Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verjährungsrechtlich einem erstinstanzlichen Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB gleichzustellen. Der Strafbescheid im Sinne von Art. 64 VStrR vermag den Verjährungseintritt hingegen nicht zu hindern. Dies wird daraus abgeleitet, dass jeder Strafverfügung zwingend ein Strafbescheid vorangeht, der wie ein Strafbefehl auf summarischer Grundlage getroffen werden kann, während die Strafverfügung - gleich wie ein erstinstanzliches Urteil - auf einer umfassenden Grundlage beruht und in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen wird. Der Erlass eines Strafbescheids weist bei dieser Betrachtungsweise Parallelen zu einem Strafbefehl auf, wohingegen die Strafverfügung im Ergebnis - jedenfalls mit Blick auf die Verjährung - einem gerichtlichen Urteil näher steht» (E.1.3.3). «Es besteht daher kein Anlass, die konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich als erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB zu qualifizieren ist, mit deren Erlass die Verjährung nicht mehr eintritt, zu überprüfen.» (E.1.3.4).

Januar 31, 2024 1:23 pm

Das Verwaltungsstrafrecht soll weiterhin in einem Spezialgesetz geregelt werden. Der Bundesrat schlägt vor, die Bestimmungen nicht ins Strafgesetzbuch (StGB) und in die Strafprozessordnung (StPO) zu überführen. Dem Modernisierungsbedarf des Verwaltungsstrafrechts will der Bundesrat mit einer Totalrevision des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes (VStrR) Rechnung tragen. So schlägt er insbesondere vor, das Verwaltungsstrafverfahren effizienter zu gestalten und der StPO anzugleichen. Er hat dazu an seiner Sitzung vom 31. Januar 2024 die entsprechende Vernehmlassung eröffnet. Sie dauert bis am 10. Mai 2024.

November 30, 2023 3:12 am

Der Bundesrat hat beschlossen, eine Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) per 1. Februar 2024 in Kraft zu setzen. Künftig wird mit Busse bestraft, wer in einem Angebotsprospekt oder in einer Voranmeldung eines öffentlichen Kaufangebots unwahre oder unvollständige Angaben macht. Damit wird eine Strafbarkeitslücke geschlossen.

November 29, 2023 1:08 pm

Das geltende Geldspielrecht weist eine Lücke auf: Es regelt nicht, wer für die Aufhebung von Spielsperren zuständig ist, die von einer nicht mehr existierenden Spielbank ausgesprochen wurden. Um diese Lücke zu schliessen, hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 29. November 2023 eine Änderung der Geldspielverordnung (VGS) beschlossen. Ab dem 1. Januar 2024 wird in solchen Fällen die nächstgelegene Spielbank für die Aufhebung einer Spielsperre zuständig sein.

August 18, 2023 1:19 pm

Im Urteil 6B_1186/2022, 6B_1193/2022 des Bundesgerichts vom 12. Juli 2023 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht ausführlich mit der Strafzumessung bei MWST-Delikten. Darin äussert sich das Bundesgericht u.a. wie folgt: «Dem Gesetzgeber war es ein Anliegen, unter neuem Recht bei der Berechnung der Mehrwertsteuerbusse vermehrt auch den finanziellen Verhältnissen der beschuldigten Person Rechnung zu tragen. Damit wollte er insbesondere sicherstellen, dass ohne Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, des Grundbedarfs sowie allfälliger Familien- und Unterstützungspflichten keine die wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohende Mehrwertsteuerbusse ausgesprochen wird bzw. die Mehrwertsteuerbusse auch in dieser Hinsicht verhältnismässig ist, was er mit dem Verweis in Art. 97 Abs. 1 MWSTG auf Art. 34 Abs. 2 StGB zum Ausdruck brachte. Gesetzgeberisches Ziel war es demgegenüber nicht, dass die Bussen neurechtlich automatisch tiefer auszufallen haben (BISCHOF, a.a.O., S. 495) und finanziell leistungsstarke Straftäter künftig milder zu bestrafen sind.» (E.10.3.2).

Juli 5, 2023 8:26 am

Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts spricht den 2020 des qualifizierten Waschens von rund 194 Mio. Euro angeklagten ehemaligen CEO A. der Schweizer Bank B. mangels genügender Beweise für das Bestehen der angeblichen Vortat (Veräusserung der vom arabischen Geschäftsmann X. und zugleich Verwaltungsrat bzw. Verwaltungsratspräsident des arabischen Finanzinstituts C. privat gehaltenen Y-Aktien und «Certain Rights» an dieselbe C. zu einem überhöhten Preis im Sinne einer ungetreuen Geschäftsbesorgung) in dubio pro reo frei. Zufolge des Fehlens einer Geldwäscherei-Vortat und damit einer Anlasstat gemäss Art. 102 StGB erfolgt zweitinstanzlich auch für die Schweizer Bank B., der vorgeworfen wurde, die angeklagten Geldwäschereihandlungen wegen Desorganisation ermöglicht bzw. nicht verhindert zu haben, ein Freispruch.

Januar 31, 2023 12:01 pm

Das Urteil 6B_444/2021 vom 9. Dezember 2022 behandelte einen Zuger Fall aus dem Verwaltungsstrafrecht (VStrR). Es ging dabei um Widerhandlungen gegen das UWG. Im Vordergrund stehen Ausführungen des Bundesgerichts zum VStrR, namentlich zu Art. 6 Abs. 2 VStrR: «Nach Art. 6 Abs. 2 VStrR ist für die Strafbarkeit des Geschäftsherrn allein entscheidend, ob eine Widerhandlung, mithin objektiv eine Straftat vorliegt […]. Die Bestrafung des Geschäftsherrn tritt neben eine allfällige Bestrafung der Person, die die Widerhandlung selbst verübt hat […].» (E.5.2).

Januar 6, 2023 7:34 am

Im Urteil 6B_144/2021 vom 9. Dezember 2022 aus dem Gebiet des Glücksspiels bzw. des Verwaltungsstrafrechts befasste sich das Bundesgericht mit diversen Spielen, welche in einem Lokal im Bezirk Dietikon angeboten wurden. Zum Thema «lex mitior» bestätigte das Bundesgericht hier seine Praxis wie folgt: «Habe der Gesetzgeber bei einer Gesetzesänderung jedoch gezielt eine Strafschärfung vorgesehen und altrechtliche Übertretungen bewusst zu Vergehen oder gar Verbrechen hochgestuft, wie dies bei der Einführung des Geldspielgesetzes der Fall gewesen sei, stelle die altrechtliche Busse, mit welcher eine Übertretung sanktioniert werde, unabhängig von der Strafvollzugsmodalität und der Höhe des Betrags stets die mildere Strafe als die neurechtliche Geldstrafe dar.» (E.2.4.3). Weiter äusserte sich das Bundesgericht zur, im Einzelfall kniffligen, Frage, ob ein bestimmtes Gerät als Glücksspielautomat im Sinne des Spielbankengesetzes zu qualifizieren sei, was von verschiedenen Umständen und deren Gewichtung abhänge. Der Entscheid könne unter Umständen schwierig sein. (E.3.3.2). Dazu kamen noch Ausführungen zum Legalitätsprinzip sowie zur Strafmessung. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der ESBK vollumfänglich ab (E.5), sie wurde der Beschwerdegegnerin nicht einmal zur Vernehmlassung zugestellt.

Dezember 18, 2022 12:09 pm

Im Urteil 1B_604/2021 vom 23. November 2022 zum Verwaltungsstrafrecht (VStR), im Zentrum steht die Bestimmung von Art. 50 Abs. 3 VStrR, befasste sich das Bundesgericht mit der Legitimation zur Stellung eines Siegelungsbegehrens und den dabei von potentiell Siegelungsberechtigten zu erfüllenden (formellen) Voraussetzungen. Das sehr lesenswerte Urteil geht dabei im Detail auf die materiellen und formellen Voraussetzungen des Siegelungsrechts sowie den notwendigen Zeitpunkt und die formellen Anforderungen zur Geltendmachung des Siegelungsrechts ein (E.5.3, E.5.4, E.5.5).