Urteile
April 23, 2025 12:31 pm

Im Urteil 7B_921/2023 vom 8. April 2025 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit einem Siegelungsantrag, der sich auf die folgenden Punkte stützte: Aussageverweigerungsrecht, fehlender Untersuchungsrelevanz und Vorliegen "persönlich schützenswerter Daten". Das Bundesgericht schützt die Beschwerde und erklärt u.a.: «Nach der Rechtsprechung wird nicht verlangt, dass die betroffene Person die Siegelungsgründe bereits im Rahmen ihres Antrags im Detail begründet. Erforderlich ist nur (aber immerhin), dass sie sinngemäss einen spezifischen Siegelungsgrund anruft (Urteil 7B_318/2023 vom 27. Dezember 2023 E. 3.2 mit Hinweis). Dies hat der Beschwerdeführer vorliegend mit der Berufung auf "persönlich schützenswerte Daten", also Privatgeheimnisse im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO, getan, zumal bei der vollständigen Durchsuchung von privat genutzten Smartphones ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO tangiert sind (Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 E. 2.7, zur Publikation bestimmt, mit Hinweisen). Die Beschwerde ist demnach insoweit begründet, als die Vorinstanz mit ihrer Feststellung, es liege kein gültiges Siegelungsgesuch vor, Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG).» (E.2.2).

April 22, 2025 10:26 am

Im Urteil 7B_692/2024 vom 8. April 2025 aus dem Kanton Obwalden befasst sich das Bundesgericht im Rahmen eines schweren Schlittel-Unfalls mit dem elementaren Grundsatz von «in dubio pro duriore». In Gutheissung der Beschwerde und Anweisung der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung erklärte es u.a.: «Eine Verfahrenseinstellung hat nach Art. 319 Abs. 1 StPO namentlich dann zu erfolgen, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b). Die Entscheidung über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren nur bei offensichtlicher Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen einstellen (BGE 146 IV 68 E. 2.1; 143 IV 241 E. 2.2.1; je mit Hinweisen).» (E.2.2). «Die Vorinstanz verletzt erneut Bundesrecht, wenn sie von einer klaren Beweislage und von einem klaren Fall von Straflosigkeit ausgeht. Aufgrund der vorliegenden zweifelhaften Beweislage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht […]. Dieses wird das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht des Beschwerdegegners 2 beurteilen und bejahendenfalls die Frage einer Verletzung dieser Pflicht (namentlich aufgrund einer allfälligen mangelhaften Signalisation oder Präparierung des Schlittelwegs) beantworten sowie die weiteren Strafbarkeitsvoraussetzungen prüfen müssen. […].» (E.2.6).

April 17, 2025 12:45 pm

Im Urteil 7B_1450/2024 vom 7. April 2025 aus dem Kanton Thurgau befasste sich das Bundesgericht mit dem Anspruch auf Rückerstattung einer Sicherheitsleistung, welche die Ehefrau des Beschuldigten von ihrem Konto geleistet hatte. Das Bundesgericht erklärt u.a.: «Die Annahme der Vorinstanz, B. habe die Sicherheitsleistung selbst erbracht, und ihr Schluss, sie könne im Sinne von Art. 239 Abs. 2 StPO verwendet werden, hält vor Bundesrecht nicht stand: […]. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz nicht davon ausgehen, B. habe die Sicherheitsleistung selber erbracht, und den Anspruch auf Freigabe mit den diesem auferlegten Verfahrenskosten verrechnen […]. Namentlich durfte sie nicht darauf abstellen, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht die Herausgabe der Sicherheitsleistung verlangt hat. Die Beschwerdeführerin weist nämlich zu Recht darauf hin, dass sie im Berufungsverfahren vor dem Obergericht nicht als Partei beteiligt war […]. Daran ändert auch nichts, dass sie heute durch dieselbe Rechtsanwältin vertreten wird wie damals B. Die Vorinstanz argumentiert in ihrer Vernehmlassung, alleine daraus, dass die verfügte Sicherheitsleistung von einem Konto einer Drittperson beglichen werde, lasse sich noch nicht schliessen, dass die Sicherheitsleistung (alleine) aus dem Vermögen dieser Drittperson stamme. Es wäre zumindest denkbar beziehungsweise sei nicht auszuschliessen, dass die Beschwerdeführerin die Sicherheitsleistung mit Mitteln von B. erbracht habe. Indessen durfte die Vorinstanz jedenfalls nicht gestützt auf derartige Überlegungen die Verwendung der Sicherheitsleistung gemäss Art. 239 Abs. 2 StPO anordnen, ohne vorgängig die Beschwerdeführerin als mutmasslich andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO zur Stellungnahme einzuladen […]» (E.2.4).

April 16, 2025 2:06 pm

Im Urteil 6B_1000/2024 vom 28. März 2025 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit einer versuchten Nötigung durch ein Schreiben betreffend Aufforderung zum Rückzug einer Baueinsprache. Das Bundesgericht schützte die Verurteilung und führte u.a. aus: «Abschliessend erwägt die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe alles unternommen, was ihm zur Erreichung seines Ziels zweckmässig erschienen sei. Weil C. die Einsprache trotz des Briefs nicht zurückgezogen habe, sei der Erfolg nicht eingetreten. Es liege ein vollendeter Versuch vor. Die Vorinstanz verwirft die in der vorliegenden Beschwerde wiederholte Darstellung des Beschwerdeführers, wonach er nur das Gespräch mit C. gesucht habe, nachvollziehbar. Es sei ihm darum gegangen, C. zum Rückzug der Einsprache zu bringen, indem er ihm ernstliche Nachteile angedroht habe, die mit der Einsprache nichts zu tun haben. C. habe die Einsprache als Privatperson und nicht als Arbeitnehmer erhoben. Dem Beschwerdeführer stehe es frei, welche Unternehmen er bei seinen Bauprojekten berücksichtige. Auch sei es nicht zu beanstanden, wenn man jemanden zum Rückzug einer Einsprache bewegen wolle. Doch zwischen der implizit in Aussicht gestellten Gefährdung der Arbeitsstelle von C. und dem Rückzug der Einsprache bestehe kein Zusammenhang. Die Rechtswidrigkeit sei folglich gegeben. Denn die Verknüpfung eines zulässigen Mittels mit einem erlaubten Zweck sei rechtsmissbräuchlich, wenn zwischen dem Gegenstand der Drohung und der beabsichtigten Forderung kein Zusammenhang bestehe. Dem ist zuzustimmen. Die Vorinstanz verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die ständige Praxis des Bundesgerichts und die herrschende Lehre, wonach die Tatbestandsmässigkeit der Nötigung entgegen den allgemeinen Grundsätzen die Rechtswidrigkeit noch nicht indiziert. Diese muss vielmehr positiv begründet werden […]» (E.2.4.5).

April 13, 2025 10:58 am

Im Urteil 1C_103/2024 vom 20. März 2025 aus Basel (zur amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht mit dem Thema des Polizeigewahrsams und seiner Qualifizierung als Freiheitsentzug. Auch wenn das Bundesgericht die Beschwerde abwies, machte es sehr wichtigen Ausführungen zum Thema, u.a. wie folgt: «Der Polizeigewahrsam ist eine verwaltungsrechtliche Massnahme, auf welche die Garantien von Art. 5 Abs. 4 EMRK und Art. 31 Abs. 4 BV anwendbar sind […]. Nach Art. 5 Abs. 4 EMRK hat jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug nicht rechtmässig ist. Diese Garantie bestimmt grundsätzlich nicht den Rechtsmittelweg zur Überprüfung der Rechtmässigkeit eines bereits abgeschlossenen Freiheitsentzugs, wenn die betroffene Person noch vor der gerichtlichen Prüfung innerhalb kurzer Frist freigelassen wird […]. Generell schliesst sie zudem nicht aus, dass vor der Beurteilung durch ein Gericht zusätzlich eine Administrativbehörde die Freiheitsentziehung prüft, soweit gesamthaft das Erfordernis der kurzen Frist im Sinne von Art. 5 Abs. 4 EMRK eingehalten wird […].» (E.3.1). «Gleich wie Art. 5 EMRK schützt auch Art. 31 BV vor ungerechtfertigter Inhaftierung und räumt prozessuale Garantien ein. Nach Art. 31 Abs. 4 BV hat jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen (Satz 1). Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs (Satz 2). Die Bestimmung ist nach der Rechtsprechung im Unterschied zu Art. 5 Abs. 4 EMRK so zu verstehen, dass das Gericht direkt soll angerufen werden können, nicht bloss auf indirektem Weg nach Durchlaufen von weiteren Administrativinstanzen. Sie stellt eine besondere Rechtsweggarantie dar, die weiter reicht als die allgemeine Rechtsweggarantie von Art. 29a BV. Dies dient Personen, denen die Bewegungsfreiheit entzogen ist und die wegen ihrer Situation eines besonderen Schutzes bedürfen. Das angerufene Gericht wird unmittelbar in die Lage versetzt, den Freiheitsentzug einer Prüfung zu unterziehen und allenfalls schon im Voraus vorsorgliche Massnahmen zu treffen […].» (E.3.2). «Ob ein Polizeigewahrsam als Freiheitsentzug zu qualifizieren ist, entscheidet sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls; zu berücksichtigen sind vor allem Art, Wirkung, Modalitäten und Dauer der Massnahme […]. Die Praxis des Bundesgerichts und des EGMR sind in dieser Hinsicht allerdings nicht deckungsgleich. Während der EGMR die konkrete Gefahrenlage (insbesondere das Risiko gewalttätiger Ausschreitungen) bereits im Rahmen der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines Freiheitsentzugs berücksichtigt, ist dieser Umstand nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stattdessen erst bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der Freiheitsbeschränkung von Bedeutung […]» (E.3.3). 

April 10, 2025 1:19 pm

Im Urteil 7B_231/2025 vom 2. April 2025 aus dem Kanton Zürich mit Verdacht auf qualifizierte Veruntreuung, verneinte das Bundesgericht den Haftgrund der Kollusionsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO. Es führte u.a. aus:  «Strafprozessuale Haft wegen Kollusions- bzw. Verdunkelungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO) soll verhindern, dass die beschuldigte Person die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts vereitelt oder gefährdet. Die theoretische Möglichkeit, dass der Beschuldigte kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Das Vorliegen des Haftgrunds ist nach Massgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich namentlich aus dem bisherigen Verhalten der beschuldigten Person im Strafprozess, aus ihren persönlichen Merkmalen, aus ihrer Stellung und ihren Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihr und den sie belastenden Personen ergeben […].» (E.4.1). «Bei den untersuchten Straftaten handelt es sich weder um Vier-Augen-Delikte noch um solche im familiären oder nahen Freundeskreis, bei denen auch niederschwellige Beeinflussungen oder Druckausübungen denkbar wären […]. Wie der Beschwerdeführer insoweit zutreffend vorbringt, wurden die mutmasslichen Veruntreuungen auch nicht in einem Umfeld begangen, in dem notorisch mit Beeinflussungsversuchen zu rechnen wäre, wie etwa im Drogenhandel […]. Möglich wären Kollusionshandlungen vorliegend in erster Linie bei (ehemaligen) Kunden, Geschäftspartnern oder Arbeitnehmerinnen des Beschwerdeführers.» (E.4.4.3). «Nach dem Gesagten sind dem Beschwerdeführer zwar theoretisch Verdunkelungshandlungen möglich, es besteht aber keine konkrete Kollusiongefahr. Bereits das Zwangsmassnahmengericht hat den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO) geprüft und verneint. Damit besteht kein Haftgrund. Die Beschwerde erweist sich als begründet.» (E.4.4.7).

April 10, 2025 7:56 am

Im Urteil 7B_384/2024 vom 18. März 2025 aus dem Kanton Schaffhausen gibt es um die Entsiegelung eines Mobiltelefons beim Vorwurf eines grösseren Diebstahldelikts (E-Bikes, Velos, Baumaschinen). Das Bundesgericht äusserte sich u.a. Geheimhaltungsinteressen wie folgt: «Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts obliegt es der siegelungsberechtigten Person, die von ihr angerufenen Geheimhaltungsinteressen im Entsiegelungsverfahren ausreichend zu substanziieren, damit das Gericht eine sachgerechte und gezielte Triage vornehmen und die geheimnisgeschützten Gegenstände und Aufzeichnungen aussondern kann. Dazu muss sie ihre rechtlich geschützten Geheimnisse inhaltlich zwar nicht offenlegen, aber sie muss ihre Geheimhaltungsinteressen wenigstens kurz umschreiben und glaubhaft machen […]. Zudem muss sie dem Gericht mitteilen, welche Aufzeichnungen und Gegenstände im Einzelnen dem von ihr geltend gemachten Geheimnisschutz unterliegen […]. Bei elektronischen Dateien muss sie dem Gericht den Speicherort der dem Beschlagnahmeverbot unterliegenden Daten mitteilen. Ruft sie Berufsgeheimnisse (wie etwa das Anwalts- oder Arztgeheimnis) an, ohne selbst Träger dieses Berufsgeheimnisses zu sein, hat sie dem Gericht in der Regel zumindest den Namen des Trägers des betreffenden Berufsgeheimnisses, also etwa ihres Rechtsanwaltes oder ihrer Ärztin, mitzuteilen und sie muss spezifizieren, in welchem Zeitraum sie mit diesem Geheimnisträger korrespondiert hat, damit die fraglichen Unterlagen ohne unverhältnismässigen Aufwand gefunden und aussortiert werden können […]. Kommt sie dieser Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit nicht nach, ist das Gericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu […].» (E.4.1). «In der Regel ist davon auszugehen, dass die siegelungsberechtigte Person den Inhalt ihrer eigenen Aufzeichnungen und Gegenstände kennt. Nach der Rechtsprechung ist ihr deshalb (und aus Gründen der Kollusionsgefahr) nur zurückhaltend Einsicht in die sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände zu gewähren, und nur unter der Voraussetzung, dass sie begründet, weshalb sie ohne Durchsicht der sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen überhaupt nicht in der Lage wäre, ihre mit Anfangshinweisen bereits soweit möglich plausibilisierten Geheimnisinteressen ausreichend zu substanziieren […].» (E.4.2). Zum Verhältnismässigkeitsprinzip erklärte es: Schliesslich muss die Entsiegelung, insbesondere im Verhältnis zur Bedeutung der untersuchten Straftat, angemessen sein. Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Entsiegelung ist deshalb auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Es ist zwischen dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse und den Interessen der betroffenen Person abzuwägen. Persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person dürfen deshalb nicht beschlagnahmt werden, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (siehe Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO). Das für die Entsiegelung zuständige Gericht verfügt bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit über einen gewissen Ermessensspielraum […]» (E.5.1). 

April 4, 2025 3:28 pm

Im Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. bestimmt) befasste sich das Bundesgericht mit dem Entsiegelungsrecht, genauer mit der Frage des Schutzes von persönlichen Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, angerufen wurden in diesem Fall intime Fotos und Videos. Das Bundesgericht äusserte sich wie folgt: «Damit ist zugleich aber auch gesagt, dass der Gesetzgeber - trotz der durch ihn vorgenommenen grundsätzlichen Eingrenzung der gesetzlichen Entsiegelungshindernisse - mit dem vorbehaltlosen Verweis auf Art. 264 StPO ohne Einschränkung an der Möglichkeit festhalten wollte, sich im Entsiegelungsverfahren betreffend persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz auf Privatgeheimnisse zu berufen.» (E.2.6).  «Persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person sind wie gesehen gerade nicht absolut geschützt, sondern nur dann, wenn das Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt. Daraus folgt, dass auf eine Beschwerde gegen die Entsiegelung eines Mobiltelefons nur dann gestützt auf Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO eingetreten werden kann, wenn die beschwerdeführende Partei dartut oder ohne Weiteres erkennbar ist, dass das Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen könnte […]. Andernfalls droht von vornherein keine Offenbarung eines geschützten Geheimnisses und damit auch kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.» (E.2.7).

April 4, 2025 1:24 pm

Im wirtschaftsstrafrechtlichen Urteil 6B_530/2024 vom 10. März 2025 aus dem Kanton Bern ging es vor Bundesgericht u.a. um die Veruntreuung von Geldern durch einen Bankmitarbeiter (aus Kontokorrentbeziehung) sowie die Frage der Stellung der Bank als Privatklägerin. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Veruntreuung kein Auffangtatbestand für Betrug, wenn der Betrugstatbestand aufgrund mangelnder Arglist nicht erfüllt ist […]. Sind beide Tatbestände erfüllt, so stehen Betrug und Veruntreuung grundsätzlich in einem Verhältnis unechter Konkurrenz zueinander, bei dem der Betrug die Veruntreuung konsumiert […]. Anders verhält es sich jedoch, wenn nicht die Einwirkung auf die Willensbildung, sondern die Übertragung der Verfügungsmacht im Zentrum des Sachverhaltes steht. In diesem Fall steht einer Verurteilung wegen Veruntreuung auch dann nichts im Weg, wenn der Betrugstatbestand aufgrund mangelnder Arglist nicht erfüllt ist […]. Dem ist hinzuzufügen, dass dasselbe gilt, wenn der Schwerpunkt des massgeblichen Sachverhaltes auf dem Missbrauch der Verfügungsmacht liegt.» (E.2.1).  «Die Legitimation des Privatklägers zur Ergreifung von Rechtsmitteln der StPO setzt voraus, dass er im Sinn von Art. 115 Abs. 1 StPO geschädigt, das heisst durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt ist (vgl. Art. 382 Abs. 1 StPO). Die betreffende Handlung muss straf- und zivilrechtlich zugleich relevant sein […]. Deswegen ist im Sinn von Art. 115 Abs. 1 StPO in eigenen Rechten nur betroffen, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist […]. Bei Straftaten gegen das Vermögen gilt der Träger des geschädigten Vermögens als geschädigte Person […]. Im Urteil […] hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Veruntreuung u.a. durch weisungswidrige Barbezüge der Schaden primär bei der Bank entstehe, aber auch der Kunde einen Schaden habe, weil er zumindest vorübergehend (bis die Bank ihn entschädigt) nicht über sein (gesamtes) Vermögen verfügen könne. Ausschlaggebend ist, ob eine tatsächliche Schädigung durch Verminderung von Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nichtvermehrung der Aktiven oder Nichtverminderung der Passiven vorliegt, oder ob das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist […]» (E.3.2).

April 3, 2025 2:18 pm

Im Urteil 6B_1005/2023 vom 10. März 2025 aus dem Kanton Zürich ging es um einen zu schnell fahrenden BMW. Zur Diskussion standen dabei auch technische Details des Messgeräts. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gewährleistet das Eichzertifikat grundsätzlich das vorschriftsgemässe und zuverlässige Funktionieren eines Messgeräts […]. Vorliegend wird nicht bestritten, dass das verwendete Messmittel zum Zeitpunkt der Messung geeicht war. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, die Visiereinrichtung sei vor der Messung nicht wie vom Hersteller vorgeschrieben getestet worden, weshalb das Gerät nicht hätte eingesetzt werden dürfen. Diesbezüglich ist den vorinstanzlichen Erwägungen zu entnehmen, die Ausrichtung des Fadenkreuzes der Visiervorrichtung werde bei der jährlichen Eichung überprüft und der Messbeamte nehme vor jeder Messserie "den Gerätetest" vor; auch im vorliegenden Fall habe der zuständige Beamte, B., die Durchführung "des vorgeschriebenen Gerätetests" unterschriftlich auf dem Messprotokoll bestätigt. Zwar bringt der Beschwerdeführer dagegen vor, nach der Bedienungsanleitung des Geräts müsse bei der Prüfung der Visiereinrichtung auch das Fadenkreuz auf dem Monitor justiert werden, was gemäss angefochtenem Urteil nicht Gegenstand der jährlichen Eichprüfung ist. Ob alle erforderlichen Funktionstests nachgewiesenermassen durchgeführt wurden, kann aber letztlich offenbleiben, da das fehlerfreie Funktionieren des Messgeräts erstellt ist […]: Der Sachverständige bestätigte in seinem Gutachten die technische Korrektheit und Plausibilität der Messung. Gestützt auf dieses Gutachten legt die Vorinstanz nachvollziehbar dar, dass die vom Beschwerdeführer beanstandete Verschiebung des auf dem Messvideo sichtbaren Fadenkreuzes die Messung nicht beeinflusse […]. Mangels Hinweisen für eine Fehlfunktion oder -bedienung durfte die Vorinstanz somit auf eine Einvernahme des Messbeamten verzichten und auf die vorgenommene Geschwindigkeitsmessung abstellen.» (E.1.3.2).  Weiter wollte sich der Beschwerdeführer auf Notstand berufen, was das Bundesgericht ablehnte, u.a. wie folgt: «Mit der Vorinstanz erscheint bereits fraglich, ob sich der Beschwerdeführer überhaupt in einer Notstandslage befand, was aber letztlich offenbleiben kann, weil jedenfalls die weiteren Voraussetzungen des Notstands nicht erfüllt sind: Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hätte der Beschwerdeführer das Überholmanöver ohne Weiteres abbrechen können, als er merkte, dass der überholte Lenker beschleunigte. Was er dagegen unter Berufung auf BGE 97 IV 161 E. 3 einwendet, überzeugt nicht. Zwar ist es nach der Rechtsprechung entschuldbar, wenn der Fahrzeugführer, der sich durch das Verhalten eines anderen plötzlich in eine gefährliche Lage versetzt sieht, von verschiedenen möglichen, annähernd gleichwertigen Massnahmen nicht diejenige ergreift, welche bei nachträglicher längerer Überlegung als die objektiv zweckmässigere erscheint (vgl. BGE 97 IV 161 E. 3; 83 IV 84; Urteile 6B_58/2024 vom 8. August 2024 E. 1.3.2; 6B_982/2023 vom 3. April 2024 E. 1.3.2; 6B_351/2017 vom 1. März 2018 E. 1.4; vgl. auch BGE 95 IV 84 E. 2b; je mit Hinweisen). Die vom Beschwerdeführer ergriffene Massnahme - noch stärkeres Beschleunigen - war aber nicht, wie er vorbringt, "mindestens" oder auch nur annähernd gleichwertig wie das offensichtlich naheliegende Abbrechen des Überholmanövers und Einscheren hinter dem anderen Fahrzeug, sondern erschien von vornherein als gefährlich. Entsprechend verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie den Beschwerdeführer der groben Verkehrsregelverletzung schuldig erklärt.» (E.3.3.2).