Sachverhalt
Mit Strafbefehl des Oberamtmanns des Sensebezirks vom 8. Juli 2021 wurde A. wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 2 SVG durch Nichtgewähren des Vortritts beim Verlassen einer mit dem Signal „Kein Vortritt“ bezeichneten Strasse gemäss Art. 14 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR. 741.11] und Art. 36 Abs. 2 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 [SSV; SR 741.21]) mit einer Busse von Fr. 200.– belegt. Dagegen erhob A. am 13. Juli 2021 Einsprache.
Die Polizeirichterin des Sensebezirks sprach A. am 24. Februar 2022 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln, begangen am 26. April 2021 in Flamatt, schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 200.–.
Instanzenzug
Gegen dieses Urteil meldete A. am 11. Februar 2022 die Berufung an. Das begründete Urteil wurde ihm am 14. April 2022 zugestellt. Mit Berufungserklärung vom 4. Mai 2022 focht er das Urteil vollumfänglich beim Kantonsgericht Freiburg an. Er beantragte die Durchführung eines mündlichen Verfahrens, einschliesslich Konfrontation mit der Auskunftsperson B., und stellte weitere Beweisanträge. Am 7. Juni 2022 teilte das Kantonsgericht A. mit, dass das Verfahren in Anwendung von Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO schriftlich durchgeführt werde. Mit Urteil vom 21. September 2022 wies das Kantonsgericht die Berufung vollumfänglich ab und bestätigte das erstinstanzliche Erkenntnis.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A. dem Bundesgericht, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei vom Vorwurf der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Subsidiär sei die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_186/2022 vom 14. August 2023
Wir schauen uns in diesem Urteil 7B_186/2022 vom 14. August 2023 nur einige ausgewählte Punkte an.
Anspruch auf Konfrontation mit Auskunftsperson und falsche Sachverhaltsfeststellung
Zunächst macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht eine Verletzung seines Anspruchs auf Konfrontation mit der Auskunftsperson B. sowie – im gleichen Zusammenhang – eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und eine „Feststellung des Sachverhalts beruhend auf einer Rechtsverletzung“ geltend. (E.2)
Das Bundesgericht erklärt im Urteil 7B_186/2022 vom 14. August 2023 hierzu generell-abstrakt Folgendes:
«Die beschuldigte Person hat gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ein Recht darauf, dem Belastungszeugen Fragen zu stellen. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 140 IV 172 E. 1.3; 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; Urteile 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3; 6B_1320/2020 vom 12. Januar 2022 E. 4.2.2, nicht publ. in: BGE 148 IV 22; je mit Hinweisen). Auf die Teilnahme resp. Konfrontation kann vorgängig oder auch im Nachhinein ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet werden. Ein Verzicht ist namentlich anzunehmen, wenn die beschuldigte Person es unterlässt, rechtzeitig und formgerecht entsprechende Anträge zu stellen (vgl. BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 125 I 127 E. 6c/bb; Urteile 6B_130/2022 vom 8. Dezember 2022 E. 2.4; 6B_1320/2020 vom 12. Januar 2022 E. 4.2.3, nicht publ. in: BGE 148 IV 22; je mit Hinweisen). Der Verzicht auf das Anwesenheitsrecht schliesst eine Wiederholung der Beweiserhebung aus (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1 mit Hinweisen; Urteil 6B_130/2022 vom 8. Dezember 2022 E. 2.4). Die Annahme eines (gültigen) Verzichts auf Teilnahme und Konfrontation steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Behörden die erforderlichen Beweise von Amtes wegen zu erheben haben (siehe Art. 6, Art. 343 und Art. 389 Abs. 3 StPO; Urteile 6B_665/2022 vom 14. September 2022 E. 3.3.2; 6B_100/2017 vom 9. März 2017 E. 3.2; zum Ganzen: Urteil 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3 mit Hinweisen).» (E.2.1)
Die Vorinstanz erörtert hinsichtlich des Konfrontationsanspruchs des Beschwerdeführers gemäss dem Bundesgericht Folgendes: Mit der Vorladungsverfügung der Polizeirichterin des Sensebezirks sei dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, dass er über eine Frist verfüge, um allfällige Beweisanträge zu stellen und zu begründen. Der Beschwerdeführer, dessen Rechtsschutzversicherungsgesellschaft im Vorfeld der Sitzung der Polizeirichterin Einsicht in die Verfahrensakten genommen habe, habe von dieser Möglichkeit mit Eingabe vom 20. September 2021 Gebrauch gemacht und den Beweisantrag gestellt, es sei der Unfall-Experte der Versicherung C., D., als Auskunftsperson betreffend den Zustand des Fahrzeugs von B. einzuladen. Obwohl der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 20. September 2021 ausführlich auf das Unfallverhalten von B. und dessen bei der Polizei gemachten Aussagen eingegangen sei, habe er es unterlassen, auch dessen Vorladung als Auskunftsperson zu beantragen. Angesichts dieser Umstände sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer stillschweigend auf die Ausüb
Gegen diese Erwägungen wendet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht im Wesentlichen ein, er sei im erstinstanzlichen Verfahren vor der Polizeirichterin nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe mit seiner Strafanzeige gegen B. zum Ausdruck gebracht, dass er auf dessen parteiöffentlicher Einvernahme bestehe. Diese Einwände sind nicht stichhaltig und ändern nichts daran, dass der Beschwerdeführer auf die ausdrückliche und klare Aufforderung, Beweisanträge zu stellen, gerade keinen Antrag auf Einvernahme von B. gestellt hat. Die Vorinstanz durfte daher zu Recht von einem entsprechenden Verzicht auf das Konfrontationsrecht ausgehen, womit sich auch die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie der auf einer Rechtsverletzung beruhenden Feststellung des Sachverhalts gemäss dem Bundesgericht als unbegründet erweist. (E.2.3)
Durchführung von schriftlichem Berufungsverfahren und Vereinbarkeit mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK
In formeller Hinsicht bringt der Beschwerdeführer sodann vor Bundesgericht vor, die Vorinstanz hätte kein schriftliches Berufungsverfahren durchführen dürfen. Sie habe es unterlassen, im Einzelfall zu prüfen, ob der Verzicht auf die öffentliche Verhandlung auch mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar war. In der Berufungserklärung seien die Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie des Konfrontationsrechts vorgebracht worden. Ein Teil der vorgebrachten Rügen habe deshalb die eigentliche Substanz des streitigen Verfahrens betroffen. Folglich habe die Vorinstanz nicht ohne Weiteres auf eine mündliche Verhandlung verzichten können. (E.4)
Das Bundesgericht äusserte sich im Urteil 7B_186/2022 vom 14. August 2023 hierzu nächste wie folgt generell-abstrakt:
«Das Berufungsverfahren ist grundsätzlich mündlich. Es kann nur schriftlich durchgeführt werden, wenn einer der in Art. 406 StPO abschliessend umschriebenen Ausnahmefälle gegeben ist (BGE 143 IV 483 E. 2.1.1; 139 IV 290 E. 1.1; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO kann das Berufungsgericht die Berufung in einem schriftlichen Verfahren behandeln, wenn ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bilden und mit der Berufung nicht ein Schuldspruch wegen eines Verbrechens oder Vergehens beantragt wird. Ob die Voraussetzungen für die Durchführung des schriftlichen Verfahrens vorliegen, ist von der Berufungsinstanz von Amtes wegen zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen des schriftlichen Verfahrens nicht vor, kann auf die Durchführung eines mündlichen Verfahrens nicht gültig verzichtet werden (vgl. BGE 147 IV 127 E. 2.2.3 mit Hinweisen). Im Übrigen hat das Berufungsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob der Verzicht auf die öffentliche Verhandlung auch mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist. Diese Bestimmung gibt der beschuldigten Person im Strafverfahren – als Teilgehalt der umfassenden Garantie auf ein faires Verfahren – Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung. Ob vor einer Berufungsinstanz eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden muss, ist insbesondere unter Beachtung des Verfahrens als Ganzes und der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) muss selbst ein Berufungsgericht mit freier Kognition hinsichtlich Tat- und Rechtsfragen nicht in allen Fällen eine Verhandlung durchführen, da auch andere Gesichtspunkte, wie die Beurteilung der Sache innert angemessener Frist, mitberücksichtigt werden dürfen. Von einer Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz kann etwa abgesehen werden, soweit die erste Instanz tatsächlich öffentlich verhandelt hat, wenn allein die Zulassung eines Rechtsmittels, nur Rechtsfragen oder aber Tatfragen zur Diskussion stehen, die sich leicht nach den Akten beurteilen lassen, ferner, wenn eine reformatio in peius ausgeschlossen oder die Sache von geringer Tragweite ist und sich etwa keine Fragen zur Person und deren Charakter stellen. Für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann dagegen der Umstand sprechen, dass die vorgetragenen Rügen die eigentliche Substanz des streitigen Verfahrens betreffen. Sodann soll der Beschuldigte grundsätzlich erneut angehört werden, wenn in der Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil aufgehoben wird und der Aufhebung eine andere Würdigung des Sachverhalts zugrunde liegt. Der EGMR hat zudem wiederholt festgehalten, dass die beschuldigte Person grundsätzlich von jenem Gericht anzuhören ist, das sie verurteilt. Gesamthaft kommt es entscheidend darauf an, ob die Angelegenheit unter Beachtung all dieser Gesichtspunkte sachgerecht und angemessen beurteilt werden kann (zum Ganzen: BGE 147 IV 127 E. 2.3. mit Hinweisen, namentlich auf die Rechtsprechung des EGMR; ferner BGE 143 IV 483 E. 2.1.2 mit Hinweisen).» (E.4.1)
«Die Vorinstanz führt aus, dass das Berufungsgericht in Anwendung von Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO in einem schriftlichen Verfahren behandeln könne, wenn ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bilden und mit der Berufung nicht ein Schuldspruch wegen eines Verbrechens oder Vergehens beantragt wird. Eine Einzelfallprüfung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK nimmt sie nicht vor.» (E.4.2)
«Das ist aber im vorliegenden Fall unschädlich: Zur Beurteilung stand eine Übertretung, für die erstinstanzlich eine Busse von gerade einmal Fr. 200.– ausgesprochen worden ist. Es handelt sich also um eine Sache von geringer Tragweite. Zudem wurde in der ersten Instanz öffentlich verhandelt und die Sachverhaltskognition der Berufungsinstanz war eingeschränkt. Die Beweisanträge waren zudem entweder unzulässig oder konnten abgewiesen werden. Auch mit Blick auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK drängte sich mithin keine öffentliche Verhandlung auf, womit sich die Rüge als unbegründet erweist.» (E.4.3)