Februar 6, 2025 1:40 pm
Im Urteil 7B_1075/2024 vom 27. Januar 2025 (zur amtl. Publ. Vorgesehen) aus dem Kanton Zürich äusserte sich das Bundesgericht ausführlich zum revidierten Art. 236 StPO (u.a. Entscheid über Vollzugslockerungen im vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzug). Hier sind einige Ausführungen des Bundesgerichts: «Der Gesetzgeber hat Art. 236 Abs. 1 und 4 StPO per 1. Januar 2024 in der Überlegung geändert, es sei den Vollzugsorganen nicht möglich, verschiedene Vollzugsregime, also ein Regime für verurteilte Straftäter und ein Regime für lediglich beschuldigte Personen, die aufgrund eines besonderen Haftgrundes inhaftiert sind, nebeneinander zu führen (Botschaft vom 28. August 2019 zur Änderung der Strafprozessordnung, BBl 2019 6750). Aus diesem Grund sieht Art. 236 Abs. 1 StPO in seiner heutigen Fassung vor, dass der vorzeitige Straf- oder Massnahmenvollzug neu nur noch unter der zusätzlichen Bedingung gewährt werden darf, dass der Zweck, zu dem die strafprozessuale Haft angeordnet wurde, dem vorzeitigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Bundesgericht hat diese Bestimmung bereits dahingehend ausgelegt, dass mit der Revision die Voraussetzungen für die Gewährung des vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzugs geändert wurden (Urteil 7B_1098/2024 vom 31. Oktober 2024 E. 2.1.1 mit Hinweisen). Nach neuem Recht darf demnach der vorzeitige Strafvollzug bei Kollusionsgefahr grundsätzlich nicht mehr gewährt werden, sondern nur noch bei Flucht-, Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr (BENJAMIN F. BRÄGGER, Analyse, a.a.O., S. 411 und 420; PALUMBO/PERESSIN/EGOND, Réforme du CPP: quels changements en matière de détention?, Anwaltsrevue 4/2024 S. 163).» (E.3.5). «Durch die Revision von Art. 236 StPO ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Zuständigkeit über den Entscheid von Vollzugslockerungen im vorzeitigen Straf- oder Massnahmenvollzug überholt. Hat die Verfahrensleitung mit der Gewährung des vorzeitigen Vollzugs bereits entschieden, dass der Haftzweck letzterem nicht entgegensteht, gibt es keinen Grund mehr, dass sie im Nachgang dieses Entscheids auch für Gesuche betreffend Vollzugslockerungen zuständig sein müsste, um die Vereinbarkeit der beantragten Vollzugslockerung mit dem Haftzweck zu prüfen. Die kantonalen Vollzugsbehörden verfügen über Fachwissen und Erfahrung in diesem Gebiet und können effektiv auf allfällige Änderungen der Verhältnisse reagieren (vgl. Urteil 1B_122/2022 vom 20. April 2022 E. 3.4). Der Entscheid über Vollzugslockerungen im vorzeitigen Straf- oder Massnahmenvollzug obliegt somit neu den kantonalen Vollzugsbehörden nach Massgabe der kantonalen Bestimmungen. Damit die kantonalen Vollzugsbehörden über die beantragten Vollzugslockerungen entscheiden können, sind ihnen von der Verfahrensleitung alle dafür benötigten Informationen zu übermitteln, darunter insbesondere die Erkenntnisse betreffend Flucht-, Wiederholungs- und Ausführungsgefahr. Sie können vor einem Entscheid über Vollzugslockerungen die Verfahrensleitung zur Stellungnahme auffordern (vgl. BENJAMIN F. BRÄGGER, Vollzugslexikon, a.a.O., S. 724 f.). Die Verfahrensleitung darf die im vorzeitigen Strafvollzug befindliche beschuldigte Person - nach altem und neuem Recht - von Amtes wegen zurück in die Untersuchungs- oder Sicherheitshaft versetzen, wenn die Voraussetzungen für den vorzeitigen Vollzug nachträglich wegfallen, etwa weil eine neue Kollusionsgefahr aufgetaucht ist (ADRIAN BERLINGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2023, N. 24 zu Art. 236 StPO; RONC/VAN DER STROOM, Der vorzeitige Straf- und Massnahmenvollzug, AJP 2020 S. 434). Dasselbe muss gelten, wenn einer beschuldigten Person, welcher der vorzeitige Strafvollzug unter altem Recht gewährt wurde, nach neuem Recht nicht mehr bewilligt werden könnte.» (E.3.7).
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