Mai 5, 2023 3:04 pm

Im Urteil 6B_156/2023 vom 3. April 2023 aus dem Kanton St. Gallen (amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht in einer grossen Breite und Tiefe mit Hinweisen auf Materialien und Literatur mit dem Thema Tätigkeitsverbot nach Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB sowie der Ausnahmen davon nach Art. 67 Abs. 4bis StGB  sowie dem unbestimmten Rechtsbegriff des «besonderes leichten Falles». Dieses Leiturteil ist eine absolute Pflichtlektüre für die Strafverteidigung, wenn die Anordnung von Tätigkeitsverboten zur Diskussion stehen.

Mai 4, 2023 2:19 pm

Das Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 aus dem Kanton Zug ist ein Leiturteil für das Wirtschaftsstrafrecht und für die Privatklägerschaft. Das Bundesgericht äussert sich einerseits ausführlich zur adhäsionsweisen Geltendmachung von Ansprüchen der Privatklägerschaft. Andererseits entschied es, dass das Strafgericht nach Art. 126 Abs. 1 lit. a StPO über ausservertragliche Schadenersatzansprüche entscheiden muss, auch wenn diese allenfalls mit vertraglichen konkurrieren (E.6.3). Wenn nötig, hat das Strafgericht ein Beweisverfahren durchzuführen: «Die Vorinstanz verurteilte die Beschuldigte wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung. Anders als bei einem Freispruch (vgl. Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO) hatte die Vorinstanz daher auf die Zivilklage einzutreten, selbst wenn ihr der Sachverhalt nicht spruchreif erschien. Die Vorinstanz hätte in diesem Fall, gestützt auf die rechtzeitig gestellten Beweisanträge der Privatklägerinnen, nötigenfalls ein Beweisverfahren durchführen müssen.» (E.6.2.5). Weiter äusserte sich das Bundesgericht zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (E.4) sowie zur Einziehung nach Art. 73 Abs. 1 StGB (E.7).

Mai 3, 2023 2:19 pm

Das Genfer Kantonsgericht muss die Strafe gegen einen Mann neu festsetzen, der bei einem «Marsch für das Klima» rote Handabdrücke auf die Fassade eines Bankgebäudes gemalt hat. Gemäss Urteil 6B_620/2022 vom 30. März 2023 des Bundesgerichts hat das Kantonsgericht ihm insbesondere zu Unrecht zugebilligt, aus «achtenswerten Beweggründen» gehandelt zu haben.

Mai 3, 2023 7:00 am

Im Urteil 1B_473/2022 vom 12. April 2023 aus dem Kanton Basel-Landschaft befasste sich das Bundesgericht mit einem Entsiegelungsverfahren und der Substanttierungspflicht betreffend Anwaltskorrespondenz. Dazu äusserte sich das Bundesgericht: «Angesichts des in Art. 6 StPO für den Strafprozess normierten Untersuchungsgrundsatzes dürfen die Anforderungen an die Mitwirkungs- und Substanziierungspflicht im Entsiegelungsverfahren nicht übertrieben hoch bzw. überspitzt formalistisch angesetzt werden […]. Im Zusammenhang mit der Anrufung des Anwaltsgeheimnisses ist es deshalb nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausreichend, wenn der Speicherort der geheimnisgeschützten Dateien und die Namen der Anwältinnen und Anwälte bekannt sind. Dadurch ist es mittels Suchfunktion ohne Weiteres möglich, nach der geschützten Anwaltskorrespondenz zu suchen und ist damit deren Aussonderung ohne grossen Aufwand bzw. aufwändige Nachforschungen möglich […]. Voraussetzung für eine hinreichende Substanziierung des Anwaltsgeheimnisses ist zudem, dass für den von der Staatsanwaltschaft umschriebenen Durchsuchungszeitraum ein tatsächliches anwaltliches Vertretungsverhältnis plausibel aufgezeigt wird.» (E.3.3.1)

Mai 1, 2023 10:28 am

Das Bundesgericht befasste sich im Urteil 1B_643/2022, 1B_645/2022 vom 6. April 2023 (zur amtl. Publ. vorgesehen) aus dem Kanton Zürich mit dem Thema der Beschwerdelegitimation des aus den Massenmedien bekannten Richters Roger Harris gegen ihn betreffende Ausstandsgesuche. Dazu das Bundesgericht: «[…], dass ein Richter gegen die Gutheissung eines gegen ihn eingereichten Ablehnungsbegehrens ebensowenig zur Beschwerde befugt sei wie gegen die Aufhebung eines von ihm erlassenen Entscheids durch die Rechtsmittelinstanz […]. An dieser Rechtsprechung, die unter der Geltung des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (BS 3 531) zur staatsrechtlichen Beschwerde erging, ist auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) vom 17. Juni 2005 festzuhalten.» (E.2).

Mai 1, 2023 9:22 am

Im Urteil 6B_1201/2022 vom 3. April 2023 aus dem Kanton Basel-Landschaft befasste sich das Bundesgericht mit einem Arbeitsunfall auf der Baustelle und der Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Bauarbeiters. Das Bundesgericht äussert sich eingehend zu Art. 125 StGB (E.2.1.1) sowie zu Art. 229 Abs. 2 StGB und diversen Arbeitsschutznormen aus verschiedenen Rechtsgebieten (E.2.1.2). In der Sache entscheidet das Bundesgericht abweichend von der Vorinstanz und bejaht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit (E.2.3.2).

April 26, 2023 1:44 pm

Im Urteil 6B_79/2023 vom 5. April 2023 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit der Qualifikation eines Tötungsdelikts (die Vorinstanz nahm einen Mord an). Dabei machte das Bundesgericht lehrbuchartige Ausführungen zu den Tatbeständen der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), des Mordes (Art. 112 StGB) sowie des Totschlags (Art. 113 StGB). Das Urteil ist ein «must-read» bei Tötungsdelikten.

April 26, 2023 12:41 pm

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 26. April 2023 den Bericht «Public Private Partnership (PPP) zum Informationsaustausch für die Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung und Geldwäscherei in der Schweiz» zur Kenntnis genommen. Gestützt auf den Bericht wird die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) des Bundesamtes für Polizei (fedpol) eine strategisch orientierte Partnerschaft zum Informationsaustausch zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und Geldwäscherei erarbeiten.

April 25, 2023 11:01 am

Im Urteil 6B_1153/2021 vom 29. März 2023 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit den Grundsätzen der Strafzumessung, der Frage der Ausfällung einer Geldstrafe oder einer Freiheitstrafe, dem bedingten Vollzug sowie der Begründungspflicht der Gerichte. Dabei erklärte es u.a. auch: «Wenn sowohl eine Geldstrafe wie eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen und beide Strafarten in äquivalenter Weise das Verschulden sanktionieren, ist generell dem Verhältnismässigkeitsprinzip folgend der Geldstrafe die Priorität einzuräumen. Freiheitsstrafen sollen in diesem Bereich nur verhängt werden, wenn dem Staat keine anderen Mittel offenstehen, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten; eine Freiheitsstrafe kann dann etwa notwendig erscheinen, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen und Vergehen abzuhalten.» (E.2.3.2)

April 24, 2023 6:50 am

Im Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023 aus dem Kanton St. Gallen befasste sich das Bundesgericht mit der Beschwerde gegen Nichtanhandnahmeverfügung bei Differenzen aus der Start-up-Szene. Das Bundesgericht erklärt u.a.: «Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft im Strafverfahren nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. Im Verfahren vor Bundesgericht muss sie deshalb darlegen, weshalb und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilansprüche auswirken kann (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen ohne vertiefte materielle Prüfung und stellt an deren Begründung strenge Anforderungen.» (E.1.1). Nach eingehender Prüfung, inbesondere von Themen des Aktienrechts, trat das Bundesgericht nicht auf die Beschwerde ein. Betreffend der geltend gemachten Genugtuung bemerkte es: «Es ist notorisch, dass in der kompetitiven Gründerszene auch juristisch mit harten Bandagen gekämpft wird; selbst wenn sich die Anzeige wegen Urkundenfälschung als ungerechtfertigt erweisen sollte, vermag dies einen zivilrechtlichen Genugtuungsanspruch noch nicht zu indizieren.» (E.1.3.2 a.E).