Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg wirft A. vor, am 24. Mai 2020 von Frankreich herkommend an einem unbekannten Grenzübergang rechtswidrig in die Schweiz eingereist zu sein, nachdem ihm mit Einreisesperre vom 14. März 2019 untersagt worden sei, vom 28. März 2019 bis am 27. März 2022 in die Schweiz einzureisen. Noch gleichentags habe A. in Basel den Zug mit dem Ziel Zürich bestiegen, wobei er schliesslich in Frick von der Transportpolizei SBB angehalten worden sei.
Instanzenzug
Am 7. Januar 2021 erkannte das Bezirksgericht Laufenburg A. schuldig der rechtswidrigen Einreise gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. a AIG sowie des rechtswidrigen Aufenthalts gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG. Es verurteilte ihn unter Widerruf des bedingten Vollzugs dreier von den Staatsanwaltschaften der Kantone Zürich und Tessin ausgesprochenen Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 150 Tagen.
Auf Berufung von A. hin bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 19. August 2021 den erstinstanzlichen Schuldspruch. Ebenso verurteilte es ihn unter Widerruf derselben bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 150 Tagen. Zudem stellte es fest, dass der Vollzug der Haft vom 12. August 2020 bis 18. September 2020 formell rechtswidrig war, wofür es A. eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 500.– zusprach.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. gelangt mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, es sei eine Geldstrafe von maximal 20 Tagessätzen à Fr. 30.– auszusprechen, die Strafe sei bedingt auszusprechen und vom Widerruf der Vorstrafen sei abzusehen. Zudem sei ihm für die unrechtmässige Haft eine Genugtuung von Fr. 200.– pro Tag (total Fr. 7’600.–) plus Zinsen à 5 % seit mittlerem Verfall zuzusprechen. Eventualiter sei die Gesamtstrafe angemessen zu reduzieren; subeventualiter sei der Fall zur vertieften Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
Sowohl das Obergericht als auch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1153/2021 vom 29. März 2023
Der Beschwerdeführer beanstandet vor Bundesgericht zunächst das von der Vorinstanz festgelegte Strafmass sowie die Art und den unbedingten Vollzug der Strafe hinsichtlich der Schuldsprüche wegen Art. 115 Abs. 1 lit. a und b AIG (E.2.1).
Das Bundesgericht bemerkt hierzu einleitend, dass nach Art. 115 AIG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer Einreisevorschriften nach Art. 5 dieses Gesetzes verletzt (lit. a) oder sich rechtswidrig, namentlich nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts, in der Schweiz aufhält (lit. b).
Bestimmt es das Gesetz nicht anders, so beträgt die Geldstrafe mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze (vgl. Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 Abs. 1 StGB). Der Strafrahmen bei einem Verstoss gegen Art. 115 AIG reicht mithin von drei Tagessätzen Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. (E.2.3.1)
Zur Strafzumessung nimmt das Bundesgericht dann allgemein im Urteil 6B_1153/2021 vom 29. März 2023 wie folgt Stellung:
Allgemeine Grundsätze der Strafzumessung
«Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens richtet sich gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB nach der Schwere der Verletzung oder der Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen (Art. 49 Abs. 1 StGB).
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und der Gesamtstrafenbildung nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips wiederholt dargelegt (BGE 144 IV 313 E. 1.1; 141 IV 61 E. 6.1.2; 136 IV 55 E. 5.4; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; Urteil 6B_91/2022 vom 18. Januar 2023 E. 3.2.2 mit Hinweisen).
Gemäss Art. 50 StGB hat das Gericht, sofern es sein Urteil zu begründen hat, die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten. Es hat seine Überlegungen in den Grundzügen wiederzugeben, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 142 IV 365 E. 2.4.3; 136 IV 55 E. 5.5; je mit Hinweisen). Alleine einer besseren Begründung wegen hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform ist (BGE 127 IV 101 E. 2c; Urteil 6B_91/2022 vom 18. Januar 2023 E. 3.2.3; je mit Hinweisen).»(E.2.3.2)
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe
«Nach Art. 41 Abs. 1 StGB kann das Gericht statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn (lit. a) eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten oder (lit. b) eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen (Art. 41 Abs. 2 StGB; BGE 144 IV 313 E. 1.2; Urteil 6B_93/2022 vom 24. November 2022 E. 1.3.3 mit Hinweis).
Die Geldstrafe ist im Bereich leichter Kriminalität die Regelsanktion (BGE 144 IV 217 E. 3.3.3) bzw. die Hauptsanktion für die „petite et moyenne criminalité“ (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1). Wenn sowohl eine Geldstrafe wie eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen und beide Strafarten in äquivalenter Weise das Verschulden sanktionieren, ist generell dem Verhältnismässigkeitsprinzip folgend der Geldstrafe die Priorität einzuräumen. Freiheitsstrafen sollen in diesem Bereich nur verhängt werden, wenn dem Staat keine anderen Mittel offenstehen, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten; eine Freiheitsstrafe kann dann etwa notwendig erscheinen, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen und Vergehen abzuhalten (zum Ganzen: Urteile 6B_93/2022 vom 24. November 2022 E. 1.3.4 ff.; 6B_918/2020 vom 19. Januar 2021 E. 6.4.2; je mit Hinweisen).» (E.2.3.2)
Vollzug
«Der Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren ist in der Regel aufzuschieben, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Demzufolge ist der Strafaufschub die Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf (BGE 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 1 E. 4.2.2, 97 E. 7.3; Urteile 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 3.2; 6B_1/2020 vom 6. Mai 2021 E. 5.3; je mit Hinweisen). Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind nebst den Tatumständen namentlich das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Relevante Prognosekriterien sind insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (BGE 144 IV 277 E. 3.2; 135 IV 180 E. 2.1; 134 IV 1 E. 4.2.1; Urteile 6B_881/2021 vom 27. Juni 2022 E. 3.4; 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 3.2; je mit Hinweisen). Einschlägige Vorstrafen sind bei der Prognosestellung erheblich zu gewichten; sie schliessen den bedingten Vollzug aber nicht notwendig aus (Urteile 6B_881/2021 vom 27. Juni 2022 E. 3.4; 6B_1213/2020 vom 30. September 2021 E. 2.2; 6B_1300/2020 vom 2. September 2021 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Auch bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens steht dem Sachgericht ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn das Sachgericht sein Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 145 IV 137 E. 2.2; 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 140 E. 4.2).» (E.2.3.3)
Entscheid in casu
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe nicht erwähnt, weshalb sie auf die Strafart der Freiheitsstrafe erkenne, ist die Beschwerde gemäss dem Bundesgericht begründet. Weder ist dem vorinstanzlichen Urteil (explizit), wie das Bundesgericht betont, zu entnehmen, für die fraglichen Delikte gemäss Art. 115 AIG, für welche die Vorinstanz eine Gesamtstrafe von 60 Tagen Freiheitsstrafe als angemessen erachtet, erscheine eine Freiheitsstrafe spezialpräventiv zweckmässig, noch geht daraus hervor, eine Geldstrafe könne voraussichtlich nicht vollzogen werden. Wie erwähnt, hat das Gericht im Bereich, wo sich Geld- und Freiheitsstrafe überschneiden, die Wahl der Freiheitsstrafe gemäss Art. 41 Abs. 2 StGB besonders zu begründen, erläutert das Bundesgericht. (E.2.4.1).
Was sodann einen allfälligen Vollzug einer Geldstrafe betreffen würde, wäre gemäss dem Bundesgericht zu berücksichtigen, dass die Gerichte im Rahmen des Prognoseurteils auf den zu erwartenden Vollzug vorausblicken müssen, um die Vollzugschancen abschätzen zu können. (E.2.4.4).
Die Vorinstanz legt gemäss dem Bundesgericht nicht (rechtsgenüglich) dar, gestützt auf welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Überlegungen sie eine Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe ausspricht. Das angefochtene Urteil genügt den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG insofern nicht, fährt das Bundesgericht fort. Die Vorinstanz wird ihren Entscheid entsprechend zu begründen haben (vgl. Art. 112 Abs. 3 BGG). Überdies wird sie auch über die weiteren Straffolgen erneut zu entscheiden haben. (E.2.5)
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. August 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.