Sachverhalt
Am 6. August 2021 reichte A. beim Untersuchungsamt St. Gallen Strafanzeige gegen B. wegen Verdachts der Veruntreuung, der versuchten Nötigung und allfälliger weiterer Delikte ein.
In der Strafanzeige wird zusammengefasst ausgeführt, dass sich A. mit Vertrag vom 4. März 2019 verpflichtet habe, B. 5’000 Namenaktien der C. AG mit einem Nennwert von je Fr. 1.– zu übertragen, sobald die Gründung der C. AG erfolgt sei. Mit Zession vom 2. September 2019 habe A. die Namenaktien mit allen Rechten und Pflichten und mit sofortiger Wirkung an B. abgetreten. Am 6. Dezember 2019 hätten die Parteien sodann eine weitere schriftliche Vereinbarung getroffen, in der sich B. verpflichtet habe, 5’000 Namenaktien mit einem Nennwert von je Fr. 1.– zum Kaufpreis von Fr. 0.– an A. zu verkaufen, sobald dieser Fr. 250’000.– des bestehenden Darlehens zurückbezahlt habe.
Hinter- und Rechtsgrund für die Übertragung der Aktien an B. sei eine Sicherungsabrede gewesen. A. habe die 5’000 Namenaktien im Rahmen eines Sicherungsgeschäftes an B. übertragen. B. habe die Aktien als Sicherheit für eine Darlehensforderung von Fr. 250’000.– verwendet, weshalb er sich verpflichtet habe, die Aktien nach Rückzahlung des Darlehens an A. zurückzuübertragen. B. sei treuhänderischer Eigentümer der Aktien geworden und aufgrund der Sicherungszession als Aktionär im Aktienbuch der C. AG eingetragen worden. Wirtschaftlich Berechtigter und damit Inhaber aller über den Sicherungszweck hinausgehenden Rechte sei indessen A. geblieben. B. habe in verschiedenen Schreiben wiederholt bestätigt, dass es sich um eine Sicherungsübereignung handle. Erst nachdem A. am 2. Februar 2021 mitgeteilt habe, dass der aktuelle Preis der Aktien der C. AG Fr. 400.– pro Aktie betrage, habe B. mit Schreiben vom 10. Februar 2021 an den damals aus A. und D. bestehenden Verwaltungsrat der Gesellschaft klargestellt, dass die Aktien nie sicherungsübereignet gewesen seien und A. rechtmässiger und uneingeschränkter Eigentümer der 5’000 Namenaktien sei.
Aufgrund dieses widersprüchlichen Verhaltens habe sich der Verwaltungsrat der C. AG gezwungen gesehen, den Eintrag betreffend B. im Sinne von Art. 686a OR im Aktienbuch zu streichen, da er durch falsche Angaben zustande gekommen sei. In der Folge habe B. den Verwaltungsrat der C. AG mit Schreiben vom 18. Mai 2021 aufgefordert, schriftlich zu bestätigen, dass er nach wie vor als Inhaber von 5’000 Namenaktien im Aktienbuch eingetragen sei, ansonsten ohne weitere Korrespondenz strafrechtliche Schritte eingeleitet würden. Der Verwaltungsrat sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Dem C. werde deshalb vorgeworfen, sich der Veruntreuung schuldig gemacht zu haben, indem er sich als rechtmässiger und unbelasteter Eigentümer der 5’000 Aktien ausgegeben habe, die frei von Rechten Dritter sein sollen. Weiter wird B. vorgeworfen, sich der versuchten Nötigung schuldig gemacht zu haben, indem er dem Verwaltungsrat mit einer Strafanzeige gedroht habe, falls dieser seiner Forderung, ihn als rechtmässigen Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigten der 5’000 Aktien im Aktienbuch der C. AG einzutragen, nicht nachkomme.
Mit Verfügung vom 16. August 2021 nahm das Untersuchungsamt St. Gallen die Strafanzeige gegen B. nicht anhand, weil die fraglichen Tatbestände offensichtlich nicht erfüllt seien.
Mit Entscheid vom 23. Mai 2022 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die von A. gegen die Nichtanhandnahmeverfügung eingereichte Beschwerde ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A. dem Bundesgericht, es sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und die Staatsanwaltschaft St. Gallen sei anzuweisen, gegen B. eine Strafuntersuchung zu eröffnen und durchzuführen.
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023
Im Vordergrund steht in diesem Urteil die Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft bei der Anfechtung der Nichtanhandnahme. Dazu führt das Bundesgericht aus:
«Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG legitimiert, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat oder nicht teilnehmen konnte (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft ist dann legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid für die Beurteilung ihrer Zivilansprüche von Bedeutung sein kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Zivilansprüche im Sinne dieser Bestimmung sind Ansprüche, die sich unmittelbar aus der Straftat ergeben und vor den Zivilgerichten geltend zu machen sind, in erster Linie Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche nach Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_787/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2.1; jeweils mit Hinweisen).
Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft im Strafverfahren nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. Im Verfahren vor Bundesgericht muss sie deshalb darlegen, weshalb und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilansprüche auswirken kann (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen ohne vertiefte materielle Prüfung und stellt an deren Begründung strenge Anforderungen (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 6B_1244/2021 vom 12. April 2022 E. 1.1.1; 6B_787/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2.2; jeweils mit Hinweisen).» (E.1.1)
Zur Beschwerdelegitimation macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend, eine widerrechtlich zugefügte, zivilrechtliche Ansprüche begründende Schädigung liege vorliegend darin, dass der Beschwerdegegner 2 die Sicherungseigenschaft der ihm vom Beschwerdeführer übergebenen 5’000 Aktien der C. AG in Abrede gestellt habe, um sich diese zu unbeschränktem Eigentum anzueignen. Zudem bestünden Genugtuungsansprüche gegen den Beschwerdegegner 2 wegen Persönlichkeitsverletzung in der Höhe von Fr. 1’000.–, indem der Beschwerdegegner 2 in einem an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben diesem mit einer Strafanzeige wegen „Urkundenfälschung“ und allenfalls „Diebstahls und unrechtmässiger Aneignung“ gedroht habe, falls dieser nicht einen für ihn günstigen Eintrag im Aktienbuch der C. AG vornehme. Die Auswirkungen dieser Drohung würden über das Mass einer alltäglichen Aufregung oder Besorgnis hinausgehen. Der Beschwerdeführer sei Verwaltungsrat des Startups C. AG, das seine Haupterwerbsquelle darstelle. Durch die Androhung einer (ungerechtfertigten) Strafanzeige wegen Urkundenfälschung müsse der Beschwerdeführer befürchten, dass sich Investoren aus der Finanzierung zurückziehen und dadurch sein Unternehmen wirtschaftlich gefährdet und damit seine gesamte wirtschaftliche Existenz vernichtet werde. (E.1.2).
Das Bundesgericht verwirft diese Argumente im Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023 mit den folgenden Ausführungen:
«Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner 2 5’000 Namenaktien der C. AG zwecks Sicherung eines Darlehens von Fr. 250’000.– übereignet hat. Eine Simulation macht der Beschwerdeführer nicht geltend.
Wesensmerkmal einer Sicherungsübereignung ist, dass die Sicherungsobjekte vom Sicherungsnehmer treuhänderisch gehalten werden und nach Rückzahlung des Kredites ins Eigentum des Sicherungsgebers rückübertragen werden sollen; der Sicherungsnehmer ist deshalb im Innenverhältnis durch das pactum fiduciae obligatorisch gebunden (Urteil 5A_420/2008 vom 28. Mai 2009 E. 5 mit Hinweisen). Nichtsdestotrotz führt die Sicherungsübereignung nach ständiger Rechtsprechung zum vollen Rechtserwerb des Sicherungsnehmers, sofern sie ernsthaft gewollt und nicht bloss simuliert ist (BGE 117 II 463 E. 3). Der Sicherungsnehmer wird dadurch gegenüber Dritten, die sich um die internen Rechtsbeziehungen zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer nicht zu kümmern haben (BGE 115 II 468 E. 2c), als Rechtsträger legitimiert und zu Verfügungen berechtigt (BGE 117 II 463 E. 3 mit weiteren Hinweisen).
Die Aktiengesellschaft führt über die Namenaktien ein Aktienbuch, in welches die Eigentümer und Nutzniesser mit Namen und Adresse eingetragen werden (Art. 686 Abs. 1 Satz 1 OR). Die Eintragung in das Aktienbuch setzt einen Ausweis über den Erwerb der Aktie zu Eigentum oder die Begründung einer Nutzniessung voraus (Art. 686 Abs. 2 OR).
Damit ist es aber zivil- und handelsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beschwerdegegner 2 während der Zeit, in der ihm die Aktien sicherungshalber – also fiduziarisch ( fiducia cum creditore) – übertragen sind, die Eintragung ins Aktienbuch verlangt, da er während dieser Zeit nach der Theorie des vollen Rechtserwerbs Eigentümer der Aktien ist. Inwiefern dem Beschwerdeführer dadurch ein wie auch immer gearteter Schaden im Sinne der obligationenrechtlichen Differenzhypothese entstanden sein soll, ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch nach Art. 41 OR scheidet somit bereits mangels Schaden aus.» (E.1.3.1)
Zum Thema des Genugtuungsanspruchs und der Sitten in der Gründerszene bemerkt das Bundesgericht im Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023:
«Nach Art. 49 OR ist eine Genugtuung nur geschuldet, sofern die Schwere der Verletzung dies rechtfertigt. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen. Leichte Persönlichkeitsverletzungen, wie beispielsweise unbedeutende Ehrverletzungen, rechtfertigen keine finanzielle Genugtuung. Dass die angebliche Persönlichkeitsverletzung sodann objektiv und subjektiv schwer wiegt (vgl. Urteile 6B_515/2021 vom 2. November 2021 E. 1.1; 6B_880/2020 vom 1. Februar 2021 E. 1.3), behauptet der Beschwerdeführer zwar, ist aber keineswegs ersichtlich. Es ist notorisch, dass in der kompetitiven Gründerszene auch juristisch mit harten Bandagen gekämpft wird; selbst wenn sich die Anzeige wegen Urkundenfälschung als ungerechtfertigt erweisen sollte, vermag dies einen zivilrechtlichen Genugtuungsanspruch noch nicht zu indizieren.» (E.1.3.2).