Sachverhalt
Die A. war Arbeitnehmerin der B. AG. Ihr werden Vermögensdelikte zum Nachteil der B. AG und der B. Pte Ltd vorgeworfen.
Instanzenzug
Gegen das erstinstanzliche Urteil des Strafgerichts des Kantons Zug vom 7. September 2021 gingen die Beschuldigte A. sowie die Privatklägerinnen B. AG und B. Pte Ltd in Berufung. Die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung.
Mit Entscheid vom 11. Juli 2022 stellte das Obergericht des Kantons Zug fest, dass der erstinstanzliche Freispruch wegen mehrfachen Betrugs und Gehilfenschaft dazu in Rechtskraft erwachsen war (Dispositiv-Ziffer 1).
Das Obergericht hiess die Berufungen und die Anschlussberufung teilweise gut (Dispositiv-Ziffer 2). Es befreite die Beschuldigte vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs und vom Eventualvorwurf der mehrfachen qualifizierten C. Ltd. über USD 35’000.– vom 4. Januar 2012 und über USD 18’335.– vom 26. August 2013, die Zahlung der D. Ltd. beziehungsweise der E. Pte Ltd über USD 19’500.– vom 17. Februar 2015 sowie sämtliche Zahlungen der F. Co. Ltd. betroffen waren (Dispositiv-Ziffer 3). Hingegen verurteilte das Obergericht die Beschuldigte wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung (Dispositiv-Ziffer 4) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 23 Monaten (Dispositiv-Ziffer 5).
Die Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Hauptverfahrens auferlegte das Obergericht im Umfang von Fr. 36’028.50 der Beschuldigten (Dispositiv-Ziffer 6) und sprach ihr eine Parteientschädigung von Fr. 25’831.– zu (Dispositiv-Ziffer 7). Es verpflichtete die Beschuldigte, der B. AG für das Vorverfahren und das erstinstanzliche Hauptverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 27’880.05 zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 8). Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 18’160.– auferlegte das Obergericht zu 60 % der Beschuldigten, zu 10 % der B. AG, zu 10 % der B. Pte Ltd und zu 20 % der Staatskasse (Dispositiv-Ziffer 9). Es sprach der Beschuldigten für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4’023.10 zu (Dispositiv-Ziffer 10). Das Obergericht ordnete an, dass das Guthaben der Beschuldigten auf dem beschlagnahmten Privatkonto xxx bei der Bank G. nach Einziehung des Betrags gemäss Dispositiv-Ziffer 19 zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet wird, soweit diese nicht mit den Parteientschädigungen verrechnet werden können (Dispositiv-Ziffer 11). Das Obergericht verpflichtete die B. AG (Dispositiv-Ziffer 12) und die B. Pte Ltd (Dispositiv-Ziffer 13), der Beschuldigten für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von je Fr. 500.– zu bezahlen. Die Beschuldigte wurde verpflichtet, der B. AG für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 7’570.35 zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 14).
Das Obergericht verwies die Zivilforderungen der B. AG (Dispositiv-Ziffer 15) und der B. Pte Ltd (Dispositiv-Ziffer 16) auf den Zivilweg. Zudem wies es deren Antrag ab, die bei der Beschuldigten sichergestellten und beschlagnahmten Vermögenswerte seien einzuziehen, soweit nötig zu verwerten und der Erlös sei ihnen gegen Abtretung ihrer Ersatzansprüche herauszugeben (Dispositiv-Ziffer 17). Hingegen bestimmte das Obergericht, dass vom Guthaben der Beschuldigten auf dem Privatkonto xxx bei der Bank G. Fr. 39’132.85 an die B. AG ausgehändigt werden (Dispositiv-Ziffer 18). Fr. 355’842.54 dieses Guthabens zog das Obergericht ein (Dispositiv-Ziffer 19). Zudem setzte es zu Lasten der Beschuldigten eine staatliche Ersatzforderung von Fr. 435’771.40 fest (Dispositiv-Ziffer 20). Schliesslich ordnete das Obergericht an, dass die Beschlagnahme diverser Vermögenswerte aufrechterhalten wird, bis die Ersatzforderung, die Einziehung und die Verfahrenskosten vollständig bezahlt sind oder bis in einem allfälligen Zwangsvollstreckungsverfahren über die Anordnung von Sicherungsmassnahmen gemäss Art. 98 ff. SchKG entschieden wurde oder bis zwölf Monate seit Ablauf der Rechtsmittelfrist oder Erledigung allfälliger Rechtsmittel (Dispositiv-Ziffer 21).
Weiterzug ans Bundesgericht
Die Beschuldigte beantragt im Verfahren 6B_1084/2022 mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und sie sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Privatklägerinnen beantragen im Verfahren 6B_1096/2022 mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositiv-Ziffern 9, 11, 15, 16, 17, 19, 20 und 21 des obergerichtlichen Urteils seien aufzuheben. Das Obergericht sei anzuweisen, auf ihre Zivilklagen einzutreten und diese zu beurteilen. Eventualiter sei das Obergericht anzuweisen, ihnen den im Zusammenhang mit dem Schuldspruch wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung festgestellten Deliktsbetrag zuzusprechen, nämlich USD 918’472.32, umgerechnet in Schweizerfranken und abzüglich der bereits zugesprochenen Fr. 39’132.85. Zudem seien die restlichen Zivilforderungen im Grundsatz gutzuheissen und im Übrigen auf den Zivilweg zu verweisen. Das Obergericht sei anzuweisen, die bei der Beschuldigten beschlagnahmten Vermögenswerte einzuziehen und diese Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös der B. AG und der B. Pte Ltd zur Deckung ihrer Zivilansprüche zuzusprechen, dies unter Abtretung des entsprechenden Teils der Forderungen der B. AG und der B. Pte Ltd an den Staat. Eventualiter sei das Obergericht anzuweisen, der B. AG und der B. Pte Ltd Frist anzusetzen, um ihre Schadenersatzansprüche gegen die Beschuldigte in einem Zivilprozess geltend zu machen und ihnen die beschlagnahmten und eingezogenen Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös in jenem Umfang zuzusprechen, in dem sie im Zivilprozess rechtskräftig obsiegen, dies unter Abtretung des entsprechenden Teils der Forderungen der B. AG und der B. Pte Ltd an den Staat. Subeventualiter sei die Einziehung der beschlagnahmten Vermögenswerte und die Ersatzforderung zugunsten des Staates unter der Bedingung festzusetzen, dass diese Vermögenswerte in jenem Umfang ihnen herauszugeben seien, in dem sie im Zivilprozess gegen die Beschuldigte obsiegen, dies gegen Abtretung der entsprechenden Teile ihrer Forderungen. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Zug.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023
Wir schauen uns hier nur drei Punkte aus dem Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 an. Erstens die Ausführungen des Bundesgerichts zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung. Zweitens die Ausführungen zu den adhäsionsweisen Ansprüchen der Privatklägerschaft, das «Filetstück» dieses Urteils. Drittens geht es zum die Einziehung.
Zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung
Die Beschuldigte beanstandet ihre Verurteilung wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der B. AG und bestreitet ihre Stellung als Geschäftsführerin im Sinne von Art. 158 StGB (E.4).
Das Bundesgericht äusserte sich im Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung wie folgt:
«Den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) erfüllt, wer aufgrund des Gesetzes, eines behördlichen Auftrags oder eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, das Vermögen eines anderen zu verwalten oder eine solche Vermögensverwaltung zu beaufsichtigen, und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt oder zulässt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird. Handelt der Täter mit unrechtmässiger Bereicherungsabsicht, liegt nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 StGB eine qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung vor.
Geschäftsführer im Sinne von Art. 158 StGB ist, wer in tatsächlich oder formell selbstständiger und verantwortlicher Stellung im Interesse eines anderen für einen nicht unerheblichen Vermögenskomplex zu sorgen hat. Die Stellung als Geschäftsführer fordert ein hinreichendes Mass an Selbständigkeit, mit welcher dieser über das fremde Vermögen oder über wesentliche Bestandteile desselben, über Betriebsmittel oder das Personal eines Unternehmens verfügen kann. Der Tatbestand ist namentlich anwendbar auf selbstständige Geschäftsführer sowie auf operationell leitende Organe von juristischen Personen bzw. Kapitalgesellschaften. Geschäftsführer ist aber auch, wem die Stellung nur faktisch zukommt und ihm nicht formell eingeräumt worden ist (BGE 142 IV 346 E. 3.2 mit Hinweisen).
Geschütztes Rechtsgut ist das anvertraute Vermögen des Geschäftsherrn bzw. Treugebers (vgl. BGE 81 IV 276 E. 2a; Urteile 6B_645/2022 vom 7. Oktober 2022 E. 3.1.1; 6B_1422/2019 vom 28. Mai 2021 E. 5.3.1). Der Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter in der Stellung eines Geschäftsführers treuwidrig eine Schutzpflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen verletzt hat und es dadurch zu einer Schädigung des anvertrauten Vermögens gekommen ist. Ein Vermögensschaden liegt vor bei tatsächlicher Schädigung durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nicht-Verminderung der Passiven oder Nicht-Vermehrung der Aktiven sowie dann, wenn das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist. Letzteres ist der Fall, wenn der Gefährdung im Rahmen einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung oder Rückstellung Rechnung getragen werden muss (BGE 142 IV 346 E. 3.2; 129 IV 124 E. 3.1; 122 IV 279 E. 2a).
Auf der subjektiven Seite ist Vorsatz erforderlich, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 142 IV 346 E. 3.2; 129 IV 124 E. 3.1).» (E.4.1)
Die Beschuldigte zählt vor Bundesgericht verschiedene Umstände auf, die ihrer Ansicht gegen ihre Stellung als Geschäftsführerin im Sinne von Art. 158 StGB sprechen. So sei sie bei den relevanten Rohstoffverkäufen eingeschränkt gewesen durch die Richtwerte und den erwarteten Preis. Zudem habe sie ihre Vorgesetzten über Zwischenergebnisse der Verhandlungen orientiert. Schliesslich hätten ihre Vorgesetzten das von ihr ausgehandelte Verhandlungsergebnis genehmigen müssen, wobei die Zustimmung teilweise verweigert worden sei, während die Beschuldigte über keine Zeichnungsberechtigung verfügt habe. (E.4.2).
Diese Rügen sind gemäss dem Bundesgericht unbegründet (E.4.3). Dazu erklärt das Bundesgericht im Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 u.a.:
«Die Vorinstanz übersieht nicht, dass die Beschuldigte keine Zeichnungsberechtigung hatte. Doch sie hält zu Recht fest, dass die Zeichnungsberechtigung höchstens ein Indiz für die Selbständigkeit eines Geschäftsführers ist. Geschäftsführer im Sinne von Art. 158 StGB kann man auch ohne Zeichnungsberechtigung sein (vgl. das unlängst ergangene Urteil 6B_645/2022 vom 7. Oktober 2022 E. 3.3.1). Die Vorinstanz hält denn auch fest, dass es der Geschäftspolitik des B.-Konzerns entsprach, die Zeichnungsberechtigung auf wenige Personen zu beschränken. Zudem führt die Vorinstanz aus, die Beschuldigte habe zumindest nach innen eine Art Zeichnungsberechtigung gehabt. Gemäss übereinstimmenden Aussagen des damaligen CEO, einer Zeugin und der Beschuldigten selbst habe die Beschuldigte die Verträge visieren müssen, bevor sie dem damaligen CEO zur Unterschrift vorgelegt worden seien.» (E.4.3.5)
«Nach dem Gesagten qualifiziert die Vorinstanz die Beschuldigte zu Recht als Geschäftsführerin im Sinne von Art. 158 StGB. Sie kommt zum zutreffenden Schluss, dass die Beschuldigte in der Aushandlung der Verträge weitgehend frei war. Die Beschuldigte musste sich nur an einen Richtwert für den Preis halten und eine Schlussgenehmigung einholen. Im Übrigen war sie selbständig und in verantwortlicher Stellung tätig. Bei der Menge hatte sie volle Kompetenz und beim Preis einen Spielraum. Auf diese Weise verfügte sie über nicht unerhebliche Vermögenswerte.» (E.4.3.6)
Auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin wird hier nicht eingegangen.
Adhäsionsweise Geltendmachung von Ansprüchen der Privatklägerinnen
Die Privatklägerinnen machen vor Bundesgericht geltend, die Vorinstanz habe Art. 126 StPO verletzt, weil sie nicht über die adhäsionsweise geltend gemachten Zivilforderungen entschieden habe. (E.6).
Die Vorinstanz verweist die Zivilklagen der B. AG und der B. Pte Ltd mangels hinreichender Begründung auf den Zivilweg. Die Frage der Verjährung lässt sie deshalb offen. Die Vorinstanz weist den Privatklägerinnen die Beweislast für den Eintritt und die Höhe des Schadens zu. Sie erwägt, dass die Beschuldigte teilweise zur Herausgabe verpflichtet sei. Deshalb hätten die Privatklägerinnen für diesen Teil aus Vertrag klagen müssen und nicht aus unerlaubter Handlung. Ein Schaden im Rechtssinne liege nicht vor. Denn solange die Erfüllung möglich sei, hätten die Privatklägerinnen eine entsprechende Forderung gegenüber der Beschuldigten. Die Privatklägerinnen hätten nicht geltend gemacht, die Erfüllung der Herausgabepflicht durch die Beschuldigte sei unmöglich, weshalb ihnen ein Schaden entstanden sei. Vielmehr seien sie der Ansicht, dass die Erfüllung der Herausgabepflicht möglich sei, denn im Schlichtungsgesuch vom 11. März 2022 verlangten sie die Herausgabe. Die Zivilklage erweise sich diesbezüglich als nicht hinreichend begründet.
Weiter erwägt die Vorinstanz, selbst wenn von einem Schaden auszugehen wäre, müsste die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen werden. Denn die Privatklägerinnen würden die von der Beschuldigten vereinnahmten Geldbeträge ihrem Schaden gleichsetzen. Damit würden sie implizit behaupten, ihnen sei ein Gewinn exakt in der Höhe dieses Totalbetrags entgangen. Die Vorinstanz erwähnt die Schwierigkeiten, welche vorliegend mit dem Schadensnachweis verbunden sind. Daher sei nicht ausgeschlossen, im Sinne einer natürlichen Vermutung von der mutmasslichen „Bestechungsleistung“ auf die Höhe des Schadens zu schliessen. (E.6.1)
Gemäss dem Bundesgericht sind die Rügen der Privatklägerinnen berechtigt (E.6.2)
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 dazu wie folgt:
«Die geschädigte Person kann als Privatklägerin zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 1 StPO). Die Zivilforderung ist spätestens im Parteivortrag zu beziffern und, unter Angabe der angerufenen Beweismittel, zu begründen (Art. 123 StPO). Dem Wesen des Adhäsionsprozesses entsprechend muss der Kläger allerdings nur jene Tatsachen ausführen und beweisen, welche sich nicht bereits aus den Akten ergeben (BGE 146 IV 211 E. 3.1; Urteil 6B_152/2018 vom 23. November 2018 E. 4 mit Hinweis).
Gemäss Art. 126 Abs. 1 StPO entscheidet das Strafgericht zusammen mit dem Strafurteil materiell über die adhäsionsweise anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht (lit. a) oder wenn es sie freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist (lit. b). Spruchreif ist der Sachverhalt, wenn aufgrund der im bisherigen Verfahren gesammelten Beweise ohne Weiterungen über den Zivilanspruch entschieden werden kann, er mithin ausgewiesen ist (BGE 146 IV 211 E. 3.1; Urteile 6B_75/2018 vom 23. November 2018 E. 3.1; 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.1; je mit Hinweisen). Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, wenn die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet oder beziffert (lit. b; vgl. auch Art. 84 Abs. 2 und Art. 221 Abs. 1 lit. c und d ZPO; BGE 148 III 322 E. 3.2; 142 III 102 E. 5.3.1) oder die beschuldigte Person freigesprochen, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist (lit. d; BGE 146 IV 211 E. 3.1;).» (E.6.2.1)
«Die Vorinstanz verurteilte die Beschuldigte wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung mit einem Deliktsbetrag von USD 918’472.32. Gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. a StPO hatte die Vorinstanz grundsätzlich über die geltend gemachten Schadenersatzforderungen der Privatklägerinnen zu entscheiden (BGE 146 IV 211 E. 3.1; vgl. auch Urteil 6B_1216/2015 vom 21. September 2016 E. 9). Der Entscheid über die anhängig gemachte Zivilklage ist, soweit sie hinreichend begründet und beziffert ist, bei dieser Konstellation zwingend (BGE 146 IV 211 E. 3.1; Urteile 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3; 6B_604/2012 vom 16. Januar 2014 E. 6.2.2; 6B_75/2014 vom 30. September 2014 E. 2.4.3 und 2.4.4).» (E.6.2.2)
«Nach Art. 41 Abs. 1 OR wird zum Ersatz verpflichtet, wer einem anderen widerrechtlich einen Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit. Die Schadenszufügung ist widerrechtlich, wenn sie gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht verstösst, das heisst, wenn entweder ein absolutes Recht der geschädigten Person verletzt (Erfolgsunrecht) oder eine reine Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm bewirkt wird (Verhaltensunrecht). Da das Vermögen kein absolutes subjektives Rechtsgut darstellt, sind reine Vermögensschädigungen nur widerrechtlich, wenn sie auf einen Verstoss gegen eine Verhaltensnorm zurückgehen, welche dem Schutz vor Schädigungen der eingetretenen Art dient (BGE 146 IV 211 E. 3.2; 144 I 318 E. 5.5; 141 III 527 E. 3.2; 139 IV 137 E. 4.2; 129 IV 322 E. 2.2.2; 119 II 127 E. 3; je mit Hinweisen).» (E.6.2.3)
«Die Privatklägerinnen machen geltend, sie hätten ihre Zivilforderung hinreichend beziffert und begründet. Zur Substantiierung hätten sie Aufstellungen für sämtliche Kommissionszahlungen eingereicht, je mit den jeweiligen Umrechnungskursen von USD in Schweizerfranken. Zusätzlich hätten sie einen USB-Stick mit sämtlichen Aufstellungen hinterlegt, sodass die Berechnungen im Einzelnen hätten überprüft werden können.
Auch die Vorinstanz hält fest, dass sich die von der B. AG geltend gemachte Schadenersatzforderung wie folgt zusammensetzt: Fr. 741’885.30 als Summe der von der Beschuldigten erhaltenen Zahlungen chinesischer Gesellschaften inklusive Zins zu 5 % bis 23. Juni 2021; Fr. 337’236.– als Entschädigung für die Rechtsvertretung der Privatklägerinnen im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren sowie Zins zu 5 % auf Fr. 854’500.15 ab 24. Juni 2021. Die von der B. Pte Ltd geltend gemachte Schadenersatzforderung von Fr. 566’878.90 nebst Zins zu 5 % auf Fr. 407’644.10 ab 24. Juni 2021 setze sich aus den von der Beschuldigten erhaltenen Zahlungen chinesischer Gesellschaften inklusive Zins zu 5 % bis 23. Juni 2021 zusammen.
Die Vorinstanz erwägt, die Privatklägerinnen würden Schadenersatz verlangen für sämtliche Zahlungen, welche die Beschuldigte von den chinesischen Gesellschaften erhalten habe, dies unter Berücksichtigung von Währungsverlusten und inklusive Zins zu 5 % bis zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung. Der Rechtsvertreter der Privatklägerinnen habe ausgeführt, dass die Beschuldigte durch den Bezug der Kommissionen den Ertrag der B. AG verkürzt habe und dass die Kommissionen dem entgangenen Gewinn entsprechen würden; die B. Pte Ltd habe er nicht ausdrücklich erwähnt. An der Berufungsverhandlung habe der Rechtsvertreter ausgeführt, der Anspruch der Privatklägerinnen beschränke sich nicht bloss auf die Vertragserfüllung, das heisst auf die Herausgabe der auf den Konten der Beschuldigten gutgeschriebenen Kommissionen. Die Privatklägerinnen hätten darüber hinaus Anspruch auf Ausgleich des übrigen Schadens, der ihnen durch die strafbaren Handlungen der Beschuldigten entstanden sei. Dieser Vermögensschaden errechne sich aus der Differenz des Vermögens der Privatklägerinnen mit und ohne strafbare Handlungen der Beschuldigten. Diese Differenz basiere zwar hauptsächlich auf den von der Beschuldigten abgezweigten Kommissionen, beinhalte aber auch Verluste, die den Privatklägerinnen entstanden seien, weil sich der USD gegenüber dem Schweizerfranken inzwischen abgewertet habe.
Damit haben die Privatklägerinnen ihre Zivilforderung im kantonalen Verfahren hinreichend beziffert und begründet. Für die Vorinstanz war ersichtlich, auf welche rechtlichen und tatsächlichen Gründe die Zivilforderung gestützt wird. Sie hatte daher über die Zivilforderung selbst zu urteilen und auf der Grundlage der Rechtsbegehren zu entscheiden, in welchem Umfang die Privatklägerinnen durch die strafbaren Handlungen der Beschuldigten geschädigt worden waren.» (E.6.2.4)
«Ob die Vorinstanz zu Recht davon ausging, dass der Sachverhalt nicht spruchreif war, kann vorliegend offenbleiben. Denn sie scheint zu übersehen, dass sie unabhängig davon auf die Zivilklage der Privatklägerinnen hätte eintreten müssen. Die Vorinstanz verurteilte die Beschuldigte wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung. Anders als bei einem Freispruch (vgl. Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO) hatte die Vorinstanz daher auf die Zivilklage einzutreten, selbst wenn ihr der Sachverhalt nicht spruchreif erschien. Die Vorinstanz hätte in diesem Fall, gestützt auf die rechtzeitig gestellten Beweisanträge der Privatklägerinnen, nötigenfalls ein Beweisverfahren durchführen müssen (BGE 146 IV 211 E. 3.1; Urteil 6B_1401/2017 vom 19. September 2018 E. 4.3 mit Hinweis).» (E.6.2.5)
«Nach dem Gesagten hätte die Vorinstanz über die Zivilforderungen der Privatklägerinnen entscheiden müssen. Indem sie die Zivilforderungen dennoch auf den Zivilweg verweist, verletzt sie Art. 126 StPO. Die Beschwerde der Privatklägerinnen ist daher in diesem Punkt gutzuheissen. Die Dispositiv-Ziffern 15 und 16 des angefochtenen Urteils sind aufzuheben und die Sache ist zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist bereits jetzt darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz im angefochtenen Urteil von einem falschen Verständnis der Anspruchskonkurrenz ausgeht. Sie erwägt, die Beschuldigte sei aus Vertrag verpflichtet, den Privatklägerinnen die vereinnahmten Kommissionen herauszugeben. Insoweit hätten die Privatklägerinnen gemäss Vorinstanz „auf Erfüllung oder auf Leistung an Erfüllungs Statt“ klagen müssen und nicht auf Schadenersatz. Geht es nach der Vorinstanz, so liegt kein Schaden im Rechtssinne vor, solange die Privatklägerinnen einen vertraglichen Anspruch gegen die Beschuldigte haben und dessen Erfüllung möglich ist.
Diese Auffassung geht fehl. Bei Haftungskonkurrenz aus unerlaubter Handlung und aus Vertrag stehen dem geschädigten Vertragspartner beide Rechtsgründe gegen den Haftpflichtigen alternativ zur Verfügung (vgl. nur BGE 113 II 246 E. 3; Urteil 4A_261/2015 vom 30. Oktober 2015 E. 4.1). Ein Haftpflichtiger kann gleichzeitig aus mehreren Haftungsgründen für denselben Schaden einstehen müssen. So ist es denkbar, dass der Verursacher einer unerlaubten Handlung gleichzeitig eine Vertragsverletzung begeht. Beide Schadenersatzansprüche, der vertragliche aus Nicht- oder Schlechterfüllung von Verträgen und der ausservertragliche, bestehen nebeneinander (ROLAND BREHM, in: Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, 5. Aufl. 2021, N. 54 zu Art. 51 OR; vgl. auch N. 11 zu Art. 60 OR).» (E.6.3)
Regel über die Einziehung von Art. 73 Abs. 1 StGB
Schliesslich machen die Privatklägerinnen vor Bundesgericht geltend, die Vorinstanz habe die Art. 70 ff. StGB über die Einziehung von Vermögenswerten verletzt. (E.7)
Allgemein äussert sich das Bundesgericht Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 zur Einziehung wie folgt:
«Gemäss Art. 73 Abs. 1 StGB („Verwendung zu Gunsten des Geschädigten“) spricht das Gericht der geschädigten Person, die durch ein Verbrechen oder Vergehen einen Schaden erleidet, welcher nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes beziehungsweise der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt wurde, unter anderem die vom Verurteilten bezahlte Geldstrafe oder Busse (lit. a), die eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten (lit. b) oder die Ersatzforderungen (lit. c) zu, wenn anzunehmen ist, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird.
Der Anspruch der geschädigten Person auf Verwendung zu seinen Gunsten nach Art. 73 StGB beschlägt nur Vermögenswerte, die das Ergebnis einer gegen ihn gerichteten Straftat darstellen. Die Bestimmung sieht keine Solidarität zwischen den geschädigten Personen vor (BGE 122 IV 365 E. III.2b; Urteile 6B_1126/2013 vom 21. Juli 2014 E. 2.3; 6B_659/2012 vom 8. April 2013 E. 3.1; je mit Hinweisen).» (E.7.1)
Fallbezogen nimmt das Bundesgericht wie folgt Stellung:
«Die Vorinstanz äussert sich ausführlich zu den beschlagnahmten Gegenständen und Vermögenswerten.
Im Einzelnen hält sie fest, dass die Beschuldigte durch ungetreue Geschäftsbesorgung Vermögenswerte von USD 918’472.32 erlangt hat. Ungetreue Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 StGB stelle eine Anlasstat für die Ausgleichseinziehung dar.
Die Vorinstanz spricht der B. AG USD 40’050.– oder umgerechnet Fr. 39’132.85 zu, weil dieser Betrag deliktischer Herkunft sei.
Die Vorinstanz erwägt, das Guthaben auf dem Konto xxx bei der Bank G. sei im Umfang von Fr. 394’975.39 durch Straftaten erlangt worden. Davon seien die an die Privatklägerschaft ausgerichteten Fr. 39’132.85 abzuziehen und der Restbetrag von Fr. 355’842.54 sei gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB einzuziehen.
Sodann setzt die Vorinstanz eine Ersatzforderung von Fr. 435’771.40 fest. Sie begründet dies damit, dass von den deliktisch erlangten USD 918’472.32 nur noch USD 394’975.39 vorhanden seien. Nach diversen Berechnungen unter Anwendung des für die Beschuldigten günstigsten Wechselkurses gelangt die Vorinstanz zum erwähnten Betrag.
Schliesslich weist die Vorinstanz den Antrag der Privatklägerinnen ab, die bei der Beschuldigten sichergestellten und beschlagnahmten Vermögenswerte seien einzuziehen, soweit nötig zu verwerten und der Erlös sei ihnen gegen Abtretung ihrer Ersatzansprüche herauszugeben (Dispositiv-Ziffer 17).» (E.7.2)
Die Rügen der Privatklägerinnen sind gemäss Bundesgericht berechtigt (E.7.3).
Dazu äussert sich das Bundesgericht im Detail wie folgt:
«Die Privatklägerinnen beanstanden zu Recht, dass die Vorinstanz der B._ AG trotz eines Deliktsbetrags von USD 918’472.32 bloss Fr. 39’132.85 zuspricht, während die B. Pte Ltd nichts erhält.
In der Tat spricht die Vorinstanz alle weiteren Vermögenswerte dem Staat zu. So ordnet sie an, dass vom beschlagnahmten Privatkonto xxx bei der Bank G. Fr. 355’842.54 eingezogen werden (Dispositiv-Ziffer 19) und dann zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet werden, soweit diese nicht mit den Parteientschädigungen verrechnet werden können (Dispositiv-Ziffer 11). Zudem setzt sie zu Lasten der Beschuldigten eine staatliche Ersatzforderung von Fr. 435’771.40 fest (Dispositiv-Ziffer 20).
Die Privatklägerinnen machen geltend, sie hätten durch die strafbaren Handlungen der Beschuldigten einen Schaden erlitten, der nicht durch eine Versicherung gedeckt sei, und es sei anzunehmen, dass die Beschuldigte den Schaden nicht ersetzen werde. Gemäss Art. 73 Abs. 1 StGB seien ihnen daher die eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten (lit. b) sowie die Ersatzforderung (lit. c) bis zur Höhe des Schadenersatzes zuzusprechen.» (E.7.3.1)
«Von der Verwendung zu Gunsten der geschädigten Person darf nur dann abgesehen werden, wenn die Wiedereinbringung beim Täter einigermassen sicher erscheint (FLORIAN BAUMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 14 zu Art. 73 StGB). Aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich ohne weiteres, dass zwischen dem geltend gemachten Schaden und der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung ein Konnex besteht. Die Privatklägerinnen wiederholen auch vor Bundesgericht, sie seien bereit, den beglichenen Teil ihrer Schadenersatzforderung im Sinne von Art. 73 Abs. 2 StGB an den Staat abzutreten. Dies steht im Einklang mit den Anträgen, welche sie bereits im kantonalen Verfahren gestellt haben (vgl. Dispositiv-Ziffer 17).
Die Privatklägerinnen bringen zu Recht vor, dass sich die Vorinstanz im angefochtenen Urteil nicht hinreichend zur Anwendung von Art. 73 StGB äussert. Sie begründet nicht, weshalb sie von einer Verwendung zu Gunsten der Privatklägerinnen absieht.» (E.7.3.2)
«Nach dem Gesagten genügt das angefochtene Urteil den Anforderungen an die Begründungspflicht im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Aufgrund der vorinstanzlichen Erwägungen lässt sich nicht beurteilen, ob der angefochtene Entscheid mit Art. 73 StGB mit Bundesrecht in Einklang steht. Daher sind auch die Dispositiv-Ziffern 17, 19, 20 und 21 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird zu prüfen haben, inwiefern die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte zur Deckung der Zivilansprüche der Privatklägerinnen zu verwenden sind.» (E.7.3.3)
Entscheid des Bundesgerichts
Das Bundesgericht urteilt Urteil 6B_1084/2022, 6B_1096/2022 vom 5. April 2023 wie folgt:
Die Beschwerde der Beschuldigten im Verfahren 6B_1084/2022 wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Beschwerde der Privatklägerinnen im Verfahren 6B_1096/2022 wird gutgeheissen. Die Dispositiv-Ziffern 15, 16, 17, 19, 20 und 21 des angefochtenen Urteils werden aufgehoben und die Sache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Dabei wird sie auch über die Regelung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfolgen gemäss Dispositiv-Ziffern 6 bis 14 neu zu befinden haben.