August 26, 2024 10:48 am

Im Urteil 6B_370/2024 vom 5. August 2024 aus dem Kanton Aargau hatte sich das Bundesgericht bei einem SVG-Delikt mit der Strafzumessung, dem Anklagegrundsatz und der Unschuldsvermutung zu befassen. Im relativ kurzen, aber komplexen Urteil äussert sich das Bundesgericht auch zur Konkurrenz von Art. 91 SVG und Art. 91a SVG: «Art. 91 SVG und Art. 91a SVG schützen unterschiedliche Rechtsgüter, nämlich die Sicherheit des Verkehrs einerseits und den geordneten Gang der Rechtspflege andererseits. Deshalb können die beiden Bestimmungen miteinander in echter Konkurrenz stehen, wenn die Fahrunfähigkeit des Täters, trotz seiner Vereitelungshandlung - z.B. aufgrund von Zeugenaussagen - festgestellt werden kann […]» (E.2.3.3). Das Bundesgericht hies die Beschwerde gut wegen Verletzung der Unschuldsvermutung bei der Strafzumessung: «Wäre die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass genügend Hinweise für eine Fahrunfähigkeit bestünden, so hätte sie dies - zusätzlich zur Vereitelungshandlung - so angeklagt. Mit ihrer Formulierung, der Umstand, dass vorliegend - aus welchen Gründen auch immer - keine Anklage wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand erhoben worden sei, führe nicht dazu, dass deshalb im Rahmen der Strafzumessung keine Feststellungen zur Fahrfähigkeit getroffen werden dürften und der darauf folgenden Feststellung, es bestünden erhebliche Hinweise auf eine eingeschränkte Fahrfähigkeit, verletzt die Vorinstanz die Unschuldsvermutung. Aus den Erwägungen zur Strafzumessung ergibt sich auch, dass dieser Umstand zu Ungunsten der Beschwerdeführerin in die Strafzumessung eingeflossen ist. Zufolge Verletzung der Unschuldsvermutung erweist sich die Strafzumessung der Vorinstanz somit als bundesrechtswidrig. Die weiteren Rügen hinsichtlich der Strafzumessung brauchen somit nicht geprüft zu werden […]» (E.2.3.4).  

August 26, 2024 4:14 am

Im Urteil 6B_317/2024 vom 5. August 2024 aus dem Kanton Aargau ging es um einen Freispruch bezüglich des Vorwurfs der Schändung sowie der sexuellen Handlungen mit einem Kind (die Beschwerdeführerin war im relevanten Zeitpunkt 15 Jahre und 8 Monate alt). In diesem Urteil wird die Beweisführung durch die Vorinstanz im Detail durch das Bundesgericht dargestellt (E.4 und E.5). Bezüglich der «Nachforschungen» über das Alter der Frau durch den Freigesprochenen, eine amtlicher Ausweis wurde vor dem Akt nicht eingesehen, erklärt das Bundesgericht u.a. Folgendes: ««Die Vorinstanz hält mit der Erstinstanz fest, dass der Beschwerdegegner 2 nach den gegebenen Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen seiner Sorgfaltspflicht hinreichend nachgekommen ist, indem er bei mehreren Personen nach dem Alter der Beschwerdeführerin gefragt und anschliessend auf die übereinstimmenden Antworten vertraut habe. Die Beschwerdeführerin sei beinahe 15 Jahre und 8 Monate alt gewesen und der Beschwerdegegner 2 19 Jahre und 1 Monat alt. Damit habe ein Altersunterschied von weniger als dreieinhalb Jahren bestanden. Folgerichtig legte die Vorinstanz keinen allzu strengen Massstab an (BGE 119 IV 138 E. 3e; Urteil 6B_214/2007 vom 13. November 2007 E. 3.3).» (E.5.4).  «Die Vorinstanz prüft das äussere Erscheinungsbild der Beschwerdeführerin im November 2019 und hält fest, auf den Fotos ihres lnstagram-Profils wirke sie nicht wie eine unter 16 Jahre alte Jugendliche. Auch ihre Körpergrösse von damals ungefähr 1.73 Meter spreche für eine älter wirkende Erscheinung. Sie sei in der Nacht des Vorfalls stark geschminkt gewesen, was ebenfalls für eine ältere Erscheinung spreche. Daraus zieht die Vorinstanz den Schluss, dass den Beschwerdegegner 2 keine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen habe. Er habe die Beschwerdeführerin vor dem Treffen per Textnachricht gefragt, wie alt sie sei, worauf sie ihm mitgeteilt habe, sie sei 16 Jahre alt. Er habe es jedoch nicht auf dieser einen Antwort beruhen lassen und zusätzlich bei C. nachgefragt, wie alt die Beschwerdeführerin sei. Auch dieser habe ihm versichert, sie sei 16 Jahre alt. Der Beschwerdegegner 2 habe bei C. deutlich klargestellt, dass er nichts mit jemandem unter 16 Jahren haben wolle. Die Vorinstanz berücksichtigt, dass der Beschwerdegegner 2 damals ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Cou-Cousin C. gehabt habe. Daher habe er ihm vertrauen dürfen. Dies umso mehr, als sich dessen Aussage mit den Angaben der Beschwerdeführerin gedeckt habe. Dem Beschwerdegegner 2 könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er nicht noch zusätzlich die Identitätspapiere der Beschwerdeführerin verlangt habe.» (E.5.5). Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab soweit es darauf eintrat.

August 22, 2024 2:54 pm

Im Urteil 7B_874/2023 vom 6. August 2024 aus dem Kanton Zürich ging es um Entsiegelungsgesuch betreffend von der FINMA beschlagnahmten Dokumenten. Das Bundesgericht äusserte sich wie folgt: «Nicht um Anwaltskorrespondenz im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. a, c oder d StPO handelt es sich demgegenüber bei Mitteilungen an Dritte (z.B. Mitteilung an eine Versicherung oder Behörde), was auch dann gilt, wenn der Inhalt dieser Mitteilung eine grundsätzlich geheimnisgeschützte Information betrifft. Vielmehr verlassen grundsätzlich geheime Informationen durch die freiwillige und bewusste Kundgabe an einen Dritten das durch das Anwaltsgeheimnis geschützte Mandatsverhältnis. Das Anwaltsgeheimnis steht einer Zeugnis- oder Herausgabepflicht des Dritten daher nicht entgegen […]» (E.3.1). «Schliesslich ist auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die "institutionellen Eigenheiten des Aufsichtsverfahrens" unbehelflich. Zwar mag es zutreffen, dass finanzmarktrechtlich eine "offene Kommunikation zwischen Beaufsichtigten und der Aufsichtsbehörde" gewünscht ist und diese voraussetzt, dass "Beaufsichtigte vertraulich mit der FINMA kommunizieren können". Diesem Erfordernis trägt indessen bereits Art. 40 FINMAG Rechnung, wonach die FINMA die Bekanntgabe von nicht öffentlich zugängliche Informationen und die Herausgabe von Akten gegenüber Strafverfolgungsbehörden und anderen inländischen Behörden verweigern kann, soweit deren Bekannt- oder Herausgabe die Erfüllung ihrer Aufsichtstätigkeit beeinträchtigen würde (lit. b; vgl. dazu Ziff. 4.3 der Leitlinien zur Rechtshilfe gegenüber inländischen Strafbehörden der FINMA; für ein entsprechendes Beispiel siehe BGE 142 IV 207 E. 8.14). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ausserdem, dass die FINMA der Staatsanwaltschaft gerade nicht die ihr offengelegten vertraulichen Dokumente ausgehändigt hat, sondern lediglich den eigenen behördlichen Untersuchungsbericht respektive die von ihr erlassene behördliche Verfügung. Der Informationsaustausch zwischen der FINMA und den Strafverfolgungsbehörden ist vom Gesetzgeber ausdrücklich […]. Werden der FINMA seitens des Geheimnisträgers freiwillig vom Anwaltsgeheimnis geschützte Informationen preisgegeben, etwa um weitergehenden und allenfalls einschneidenderen Untersuchungsmassnahmen vorzubeugen […].Denn ohne diese freiwillige Kooperation müsste die FINMA den Sachverhalt selbstständig mit den ihr zur Verfügung stehenden (Zwangs-) Mitteln erheben […], gestützt darauf ihre Verfügung erlassen und wie gesetzlich vorgesehen mit den Strafbehörden kooperieren.» (E.3.2).

August 22, 2024 2:00 pm

Im Urteil 7B_158/2023 vom 6. August 2024 (zur amtl. Publ. bestimmt) aus dem Kanton Zürich behandelt verschiedene Fragen aus dem Siegelungsrecht. Das Bundesgericht schütze das Anwaltsgeheimnis im Entscheid. Hier sind einige der Ausführungen des Bundesgerichts: «Vielmehr ist unbestritten, dass die zu beurteilende Sachverhaltsermittlung im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung bezüglich bereits bestehender und noch drohender Rechtsstreitigkeiten erfolgt ist. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz sie als klassische und damit vom Anwaltsgeheimnis erfasste Anwaltstätigkeit qualifiziert. Dagegen muss vorliegend nicht abschliessend darüber entschieden werden, ob komplexe interne Untersuchungen (insbesondere mit umfassenden Befragungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Unternehmung) - oder Aufträge, die sich allenfalls gar auf die reine Ermittlung des Sachverhalts begrenzen - generell als anwaltstypische Tätigkeiten qualifiziert werden können.» (E.3.3). «Als Anwaltskorrespondenz im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. a, c und d StPO gilt alles, was in das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Anwältin oder dem Anwalt und der Klientschaft eingebracht wird, in ihm entsteht oder aus ihm hervorgeht. Geschützt sind somit zum einen Dokumente bei der Rechtsvertretung, etwa Korrespondenz zwischen dieser und der Klientschaft oder Dritten, oder Dokumente, die der Rechtsvertretung im Zusammenhang mit dem Mandat übergeben wurden oder welche die Rechtsvertretung eingeholt hat. Zum anderen sind auch Dokumente bei der Klientschaft erfasst, die diese von ihrer Rechtsvertretung erhalten hat. Die Form der Unterlagen ist nicht von Bedeutung. Anwaltskorrespondenz kann körperlich oder bloss in elektronischer Form bestehen. Erfasst sind somit namentlich E-Mails und deren Anhänge […]» (E.4.1). «Dass die internen Bankunterlagen, die von den Anwälten zwecks Erstellung des Untersuchungsberichts gesichtet bzw. analysiert worden sind, als solche nicht vom Anwaltsgeheimnis geschützt sind, ist unbestritten. Dagegen übersieht die Beschwerdeführerin, dass es sich bei den vorliegend streitigen Unterlagen lediglich um Kopien der genannten Bankunterlagen handelt. Die Gefahr, dass Beweismittel dem Zugriff der Strafbehörden definitiv entzogen werden, ist in einer solchen Konstellation grundsätzlich ausgeschlossen […].» (E.4.3).

August 22, 2024 7:59 am

Das Prozessieren vor Bundesgericht richtet sich nach Massgabe der Regeln des BGG und nicht der StPO. Die Prozessregeln des BGG zeitigen jedoch eine faktische Vorwirkung weit in das Strafverfahren nach StPO hinein. Ein Weiterzug an das Bundesgericht in Strafsachen muss mithin deutlich vorher strategisch eingeplant werden. In diesem neuen Format Praxisseminar mit Workshop werden mit dem Referenten Dr. Kenad Melunović Marini, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht, die daraus sich ergebenden verschiedenen theoretischen (dogmatischen) und praktischen Aspekte anhand von Urteilen des Bundesgerichts erarbeitet und diskutiert. 

August 21, 2024 12:00 pm

Im Urteil 6B_476/2024 vom 8. August 2024 aus dem Kanton Bern ging es um die offenbar von einem ausländischen Anwalt verpasste Frist für die Berufungserklärung und ein entsprechendes, ebenfalls gescheitertes, Fristwiederherstellungsgesuch. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. zum Thema des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers und dem fehlenden Schutz vor Nichtwissen: ««Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer nicht um die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung gewusst haben will ("Nichtwissen schützt nicht"; BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1) und er "über die Möglichkeit der Behebung der angeblich verspäteten Einreichung des Rechtsmittels" nicht informiert worden sein soll. Der Beschwerdeführer war und ist anwaltlich vertreten. Nach der Rechtsprechung verletzt es weder die Verfahrensfairness noch die behördliche Informationspflicht, einen anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nicht auf die Möglichkeit eines Fristwiederherstellungsgesuchs hinzuweisen (vgl. Urteil 6B_1095/2017 vom 2. März 2018 E. 4.3). Dies gilt auch dann, wenn es, wie hier, um eine Vertretung durch einen ausländischen Rechtsanwalt geht. Wer als Rechtsanwalt in der Schweiz auftritt, hat die schweizerische Rechtsordnung einschliesslich die gängige Rechtsprechung zu kennen (vgl. BGE 142 IV 299 E. 1, namentlich E. 1.2).» (E.5.4).

August 19, 2024 4:19 pm

Im Urteil 1C_231/2023 vom 27. Mai 2024 aus dem Kanton Fribourg befasste sich das Bundesgericht mit dem Administrativverfahren und dem verkehrsmedizinischen Gutachten, insbesondere der Haaranalyse, nach einer Fahrt im angetrunkenen Zustand. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Das Bundesgericht anerkennt die Haaranalyse als geeignetes Mittel sowohl zum Nachweis eines übermässigen Alkoholkonsums als auch der Einhaltung einer Abstinenzverpflichtung. Biochemische Analyseresultate von Haarproben betreffend das Trinkalkohol-Stoffwechselprodukt Ethylglucuronid (EtG) erlauben objektive Rückschlüsse auf den Alkoholkonsum eines Probanden während einer bestimmten Zeit. Die Haaranalyse gibt direkten Aufschluss über den Alkoholkonsum. Nach dem Alkoholgenuss wird das Abbauprodukt EtG im Haar eingelagert und erlaubt über ein grösseres Zeitfenster als bei einer Blutuntersuchung Aussagen über den erfolgten Konsum. Die festgestellte EtG-Konzentration korreliert mit der aufgenommenen Menge an Trinkalkohol. Aufgrund des Kopfhaar-Längenwachstums von rund einem Zentimeter pro Monat lassen sich Aussagen über den Alkoholkonsum während der entsprechenden Zeitspanne vor der Haarentnahme machen. EtG-Werte ab 7 pg/mg, aber unterhalb von 30 pg/mg sprechen für einen moderaten, Werte oberhalb von 30 pg/mg für einen übermässigen Alkoholkonsum. Das Ergebnis einer gutachterlichen Haaranalyse ist für die Behörden grundsätzlich verbindlich. Ein Abweichen davon ist nur zulässig, wenn die Zuverlässigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft in Frage gestellt wird (zum Ganzen: BGE 140 II 334 E. 3 und 7 mit Hinweisen).» (E.3.3). Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab (E.3.6).

August 19, 2024 3:55 am

Im Urteil 6B_1068/2023 vom 18. Juli 2024 aus dem Kanton Fribourg befasste sich das Bundesgericht mit dem Grundsatz «ne bis in idem». Das Bundesgericht äusserte sich in diesem sehr lesenswerten Urteil zunächst ausführlich über den Grundsatz «ne bis in idem», seine Rechtsprechung hierzu und die Praxis des EGMR (E.1.1 ff.). Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Der ausgesprochene Freispruch geht nicht mit der Entscheidbegründung einher, sondern es wurde ein prozessual unnötiger Freispruch ausgesprochen, für den kein Raum bestand. Es lag ein widersprüchliches Dispositiv vor, das allenfalls von der zuständigen Instanz unter dem Titel von Art. 83 Abs. 1 StGB zu prüfen wäre […]. Zentral ist, dass der Beschwerdeführer in der vorliegenden Konstellation weder mehrfach den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt war noch die Strafverfolgungsbehörden durch eine Mehrfachverfolgung in ihrer Effizienz tangiert waren. Die Anwendung des Doppelverfolgungsverbots in der vorliegenden Konstellation entspricht nicht dem von Art. 11 Abs. 1 StPO verfolgten Zweck. Im Einklang mit der dargelegten Rechtsprechung des EGMR, wonach die Rechtskraft einer Entscheidung in Bezug auf den Grundsatz "ne bis in idem" nicht entscheidend ist, wenn kein erneutes Strafverfahren im Sinne des Doppelverfolgungsverbots durchgeführt wurde, steht im vorliegenden Fall die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs vom Vorwurf der Hinderung einer Amtshandlung der ausgesprochenen Verurteilung wegen einer Übertretung nach Art. 64 Abs. 1 lit. f LMG nicht entgegen.» (E.1.5.3). Das Bundesgericht wies die Beschwerde wie folgt ab:  «Zusammengefasst steht die Sperrwirkung eines in Rechtskraft erwachsenen Freispruchs einem Schuldspruch hinsichtlich desselben Sachverhaltes nicht entgegen, sofern aus dem Urteil hervorgeht, dass der Freispruch lediglich in Bezug auf eine rechtliche Norm ausgesprochen wurde und der Schuldspruch nicht in einem weiteren, unabhängigen Strafverfahren erging. Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" erweist sich demnach als unbegründet und die geltend gemachte Rechtsverletzung ist zu verneinen.» (E.1.6).  

August 16, 2024 2:43 pm

Im Urteil 7B_214/2023 vom 8. Juli 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht in einem Wirtschaftsrechtsstraffall mit dem Thema Akteneinsicht durch die Privatklägerschaft und deren Beschränkungen. Das Bundesgericht äusserte sich dabei u.a. wie folgt: «Nach Art. 102 Abs. 1 StPO entscheidet die Verfahrensleitung über die Akteneinsicht; sie trifft dabei die erforderlichen Massnahmen, um Missbräuche und Verzögerungen zu verhindern und berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu schützen. Diese Bestimmung stellt einen besonderen Anwendungsfall der in Art. 108 StPO vorgesehenen Einschränkungen des rechtliches Gehörs dar (Urteil 1B_43/2023 vom 13. Juni 2023 E. 2.1 mit Hinweis). Art. 108 Abs. 1 StPO sieht vor, dass die Strafbehörden das rechtliche Gehör einschränken können, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht (lit. a), oder dies für die Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist (lit. b). Einschränkungen gegenüber Rechtsbeiständen sind dabei nur zulässig, wenn der Rechtsbeistand selbst Anlass für die Beschränkung gibt (Abs. 2). Die Einschränkungen sind zu befristen oder auf einzelne Verfahrenshandlungen zu begrenzen (Abs. 3). Wer die Akteneinsicht durch eine Partei des Strafverfahrens verhindern will, hat seine Geheimhaltungsinteressen nicht nur pauschal zu behaupten, sondern muss diese ausreichend substanziieren (vgl. Urteil 7B_112/2022 vom 22. November 2023 E. 2.2.2 mit Hinweisen). Eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts ist nur mit Zurückhaltung und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit anzuordnen (BGE 146 IV 218 E. 3.1.2 mit Hinweisen).» (E.3.2). Das Bundesgericht schützte im vorliegenden Fall die Akteneinsicht der Privatklägerschaft und wies die Beschwerde ab (E.3.3 und E.4).