Diskriminierung und Aufruf zu Hass wegen sexueller Orientierung: Schuldspruch gegen Alain Soral bestätigt

Das Bundesgericht bestätigt im Urteil 6B_1323/2023 vom 11. März 2024 (zur amtl. Publ. vorgesehen) den Schuldspruch gegen Alain Soral wegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass aufgrund der sexuellen Orientierung. Er hat sich in einem 2021 im Internet veröffentlichten Film-Interview in strafbarer Weise über eine Journalistin und die homosexuelle und lesbische Gemeinschaft geäussert. In Bezug auf die Ausgestaltung der Strafe wird seine Beschwerde durch das Bundesgericht teilweise gutgeheissen.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, in der Öffentlichkeit bekannt als Alain Soral, veröffentlichte 2021 ein Film-Interview mit sich im Internet. Anlass war ein kritischer Zeitungsartikel, den eine Journalistin über ihn publiziert hatte. Er äusserte zunächst, dass der Artikel von einer „queeren Aktivistin“ stamme. Weiter führte er aus „voilà face à quoi on est“ (sinngemäss: das ist es nun, mit was wir konfrontiert sind); er sei ein Schweizer in seinem Land, der die Schweizer Seele und den Schweizer Geist verteidige und stehe einer extremen Minderheit gegenüber. „Queer“ bedeute seines Wissens auf Englisch „désaxé“ (sinngemäss: gestört, verdreht). Er denke also, das beim Vergleich seiner Weltanschauung mit derjenigen einer „fetten aktivistischen Lesbe“ eher er ein Kämpfer für Frieden und Brüderlichkeit sei als diejenigen, die ihm heute gegenüberstehen und ihn belästigen würden.

Instanzenzug

Das Polizeigericht des Bezirks Lausanne verurteilte ihn 2022 wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft sprach ihn das Kantonsgericht des Kantons Waadt 2023 zusätzlich der Diskriminierung und des Aufrufs zu Hass wegen der sexuellen Orientierung schuldig und legte die Gesamtstrafe auf 60 Tage Freiheitsentzug fest.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1323/2023 vom 11. März 2024

Das Bundesgericht weist im Urteil 11. März 2024 die Beschwerde des Mannes ab, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Seit dem 1. Juli 2020 kann sich eine Diskriminierung oder ein Auf[1]ruf zu Hass auch auf die sexuelle Orientierung einer Person oder einer Personengruppe beziehen (Art. 261bis StGB).

Zunächst steht es gemäss Bundesgericht fest, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Wortwahl auf die sexuelle Orientierung der Journalistin bezogen hat und nicht allgemein auf ihre Genderidentität. Entgegen seiner Behauptung ging es bei seinen Aussagen sodann ganz offensichtlich nicht nur um eine wertneutrale Verwendung bestimmter Begriffe wie „queer“ oder „lesbisch“. Mit der verwendeten Sprache wie dem herabsetzenden Ausdruck „désaxé“, dem entmenschlichenden „voilà face à quoi on est“ und dem unverschämten „fette Lesbe“ lud er die Internetnutzer dazu ein, die Journalistin insbesondere wegen ihrer sexuellen Orientierung zu verachten. Die so bewirkte Feindseligkeit und Homophobie wird verstärkt durch die Präsentation der Journalistin sowie der lesbischen und homosexuellen Gemeinschaft insgesamt als Feinde der von ihm vertretenen Werte („Kämpfer für Frieden, Brüderlichkeit und die Schweizer Seele“). Insgesamt kann gemäss Bundesgericht kein Zweifel darüber bestehen, dass die Botschaft des Beschwerdeführers darauf ausgerichtet war, Hassgefühle aufgrund der sexuellen Orientierung zu wecken und zu schüren. Zur Interpretation seiner Botschaft durfte das Kantonsgericht auch die Reaktionen im Internet berücksichtigen, um so die Wirkung seiner Worte auf eine durchschnittliche Drittperson zu erfassen. Nicht zu beanstanden ist gemäss Bundesgericht weiter die Feststellung des Kantonsgerichts, dass er mit Vorsatz gehandelt hat. Die Verurteilung des Betroffenen ist auch unter dem Blickwinkel der Meinungsäusserungsfreiheit nicht zu beanstanden (Artikel 16 Bundesverfassung, Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention). Der Betroffene beruft sich auf die journalistische Freiheit und den (weitreichenden) Schutz von Äusserungen, die im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung gemacht werden. Er macht aber weder eine Anstellung bei einem Presseorgan geltend noch die Ausübung eines öffentlichen Mandats. Sein Film-Interview ist denn auch in keinem politischen Kontext erschienen, sondern einzig als Reaktion auf den kritischen Presseartikel zu seiner Person.

Teilweise gutgeheissen hat das Bundesgericht die Beschwerde in Bezug auf die Ausgestaltung der Strafe. Aus prozessualen Gründen bleibt die in erster Instanz rechtskräftig verhängte Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen übler Nachrede bestehen, kombiniert mit einer Freiheitsstrafe von 40 Tagen wegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass.

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