April 2, 2024 4:47 am

Im Urteil 2C_84/2023 vom 13. Februar 2024 aus dem Kanton Zürich ging es um die «Mandatsniederlegung» bzw. ursprüngliche Weigerung eines amtlichen Verteidigers, dem Klienten dass Urteil des Obergerichts zu erläutern. Es kam dann zur Anzeige des Anwalts bei der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte durch den Präsidenten der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Das Bundesgericht äusserte sich in diesem Urteil auch eingehend über die Sorgfaltspflichten des amtlichen Verteidigers, u.a. wie folgt: «In Bezug auf die Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht unterlag der Beschwerdeführer als amtlicher Verteidiger den gleichen Anforderungen an die Sorgfalt wie ein privat mandatierter Rechtsvertreter […]. Nach Kenntnisnahme des obergerichtlichen Urteils hätte er seinen Klienten umgehend über die Möglichkeiten, Risiken und Chancen eines Weiterzugs aufklären müssen. Diese Pflicht bestand allgemein und insbesondere im Hinblick auf die im Raum stehenden strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Klienten. Angesichts der laufenden Rechtsmittelfrist hätte die Aufklärung des Klienten zudem zeitnah geschehen müssen. Der Beschwerdeführer sah jedoch zunächst von einer Besprechung ab. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, hätte der Beschwerdeführer, um von seinen Pflichten als amtlicher Verteidiger befreit zu werden, die Verfahrensleitung um Entlassung ersuchen müssen (vgl. Art. 134 Abs. 2 StPO). Er war nicht berechtigt, das Mandat einseitig niederzulegen. […]. Vielmehr ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer offenbar aus Unzufriedenheit über die Entschädigung seiner Aufwendungen für das Verfahren nicht für eine Urteilserläuterung zur Verfügung stehen wollte. Dieses Verhalten verletzt mit Blick auf die im damaligen Zeitpunkt laufende Rechtsmittelfrist die Interessen des Klienten und verstösst gegen das Gebot des sorgfältigen Handelns nach Art. 12 lit. a BGFA.» (E.5.3).

März 27, 2024 1:29 pm

Um Konflikte zwischen Alpwirtschaft und Wolf zu mindern, revidierte das Parlament im Dezember 2022 das Jagdgesetz. Es beschloss dabei eine präventive Regulierung des Wolfbestands und stärkte Wildtierkorridore und -lebensräume. Der Bundesrat hat am 27. März 2024 die Vernehmlassung zur Änderung der Ausführungsbestimmungen des Jagdgesetzes eröffnet.

März 27, 2024 6:38 am

Im Urteil 7B_252/2024 vom 18. März 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem Haftgrund der Ausführungsgefahr (in der alten und neuen Fassung). Das Bundesgericht betonte, dass für diesen Haftgrund drohende schwere Verbrechen notwendig sind: «Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung von Delikten sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen allerdings nicht aus, um Präventivhaft zu begründen. Art. 221 Abs. 2 StPO setzt vielmehr sowohl in seiner alten als auch neuen Fassung ausdrücklich ein ernsthaft drohendes "schweres Verbrechen" voraus.» (E.2.4). Die Frage des Übergangsrechts (Haftgrund nach alter oder neuer StPO) beantwortet das Bundesgericht jedoch nicht abschliessend, da kein Unterschied für diesen Fall bestand (E.1.2).

März 26, 2024 8:08 am

Die Bundesanwaltschaft (BA) hat gegen einen 72-jährigen Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz im Kanton Thurgau und einen 49-jährigen Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz im Kanton Aargau Anklage beim Bundesstrafgericht eingereicht. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam im Kanton Zürich eine hochprofessionelle Falschgeldwerkstatt aufgebaut und betrieben zu haben. Dies mit dem Ziel, gefälschte 50-Dollar-Noten im Nennwert von insgesamt mindestens fünf Millionen USD herzustellen und diese im Anschluss in Umlauf zu bringen. Dem 49-jährigen Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, unbefugt Betäubungsmittel hergestellt und im Besitz von verschiedenen Typen verbotener Cannabisprodukte (Drogenhanf) von knapp 300 Kilogramm (kg) gewesen zu sein. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.      

März 26, 2024 4:54 am

Die Banque Audi (Suisse) SA hat ihre Pflichten in der Geldwäschereiprävention verletzt und damit schwer gegen Finanzmarktrecht verstossen. Dies stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA im Rahmen eines Enforcementverfahrens fest. Die Bank hat im nun abgeschlossenen Verfahren mit der FINMA kooperiert und Massnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands ergriffen. Die FINMA ordnet zusätzlich eine Gewinneinziehung von 3,9 Millionen Franken sowie einen Eigenmittelzuschlag von 19 Millionen Franken an.

März 25, 2024 9:36 am

Mit einem Total von 522 558 Straftaten gemäss Strafgesetzbuch (StGB) wurden 2023 im Vergleich zum Vorjahr 14,0% mehr Straftaten polizeilich registriert. Die Zunahme ist insbesondere auf die Vermögensstraftaten (+17,6%) zurückzuführen, welche bereits das zweite Jahr in Folge zugenommen haben. Ein Anstieg wurde auch bei der digitalen Kriminalität verzeichnet (+31,5%). Wie bereits im vergangenen Jahr wurden 2023 erneut mehr schwere Gewaltstraftaten (+5,9%) registriert. Bei den beschuldigten Personen gab es einen Anstieg um 4,3%. Dies geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

Grenzen des Anklageprinzips

Lesezeit: 4 Min
März 25, 2024 4:05 am

Im Urteil 7B_226/2022 vom 14. Februar 2024 aus dem Kanton Aargau ging es um einen Verkehrsunfall in einem Kreisverkehr (SVG-Delikte). In diesem Urteil nahm das Bundesgericht zum Anklageprinzip wie folgt Stellung: «Die Anklageschrift bezeichnet gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und in Art. 9 Abs. 1 und Art. 325 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Zugleich bezweckt der Anklagegrundsatz den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 147 IV 439 E. 7.2; 144 I 234 E. 5.6.1; 143 IV 63 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die beschuldigte Person muss aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Das bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Sie darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweisen). Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO).» (E.2.1.2). Zur Grenze des Anklageprinzips äusserte es sich wie folgt: «Allerdings hindert der Anklagegrundsatz das Gericht nicht, die beschuldigte Person aufgrund des abgeänderten Sachverhalts zu verurteilen, sofern die Änderungen für die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts nicht ausschlaggebende Punkte betreffen und die beschuldigte Person Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen (Urteil 6B_239/2022 vom 22. März 2023 E. 4.3 mit Hinweisen).» (E.2.3.2).

März 21, 2024 2:50 pm

Im Urteil 1C_543/2023 vom 7. März 2024 (zur amtl. Publ. vorgesehen), in welchem es um ein russisches Rechtshilfeersuchen, was dann im Jahr 2015 zu Sperren von diversen Bankkonten führte. Das Bundesgericht wertete den Fall als «besonders bedeutenden Fall» (E.1.2). Das Bundesgericht äusserte sich dann zu Art. 2 IRSG u.a. wie folgt: «Im vorliegenden Rechtshilfeverfahren geht es weder um eine Auslieferung noch um eine Herausgabe von Bankunterlagen oder Vermögenswerten, sondern lediglich um die Aufrechterhaltung einer Kontosperre. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdegegner nicht auf dem Gebiet des ersuchenden Staats aufhält. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen ist gestützt auf seine eigenen Angaben vielmehr davon auszugehen, dass er sich im Vereinigten Königreich aufhält, wo ihm Asyl gewährt worden sei. Unter diesen Voraussetzungen ist es ihm nach der dargelegten Rechtsprechung verwehrt, sich auf Art. 2 IRSG zu berufen. Indem das Bundesstrafgericht diese Bestimmung dennoch anwendete, setzte es sich über die bundesgerichtliche Praxis zu deren Anwendungsbereich hinweg.» (E.4.3). Weiter ging das Bundesgericht auf die maximale Dauer der Beschlagnahme bzw. Kontensperre und die Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie ein, u.a. wie folgt: «Die rechtshilfeweise Sperre des Kontos des Beschwerdegegners wurde vor mehr als acht Jahren angeordnet (während sie im in BGE 149 IV 144 beurteilten Fall erst zweieinhalb Jahre gedauert hatte). Der damit einhergehende Eingriff in die Eigentumsgarantie ist einerseits nicht geringfügig, selbst wenn es sich nur um eine vorläufige Massnahme handelt. Andererseits sind die den Interessen des Beschwerdegegners entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen an der angeordneten Massnahme erheblich, weil die Gefahr besteht, dass die spätere Einziehung der Vermögenswerte mit mutmasslich deliktischem Ursprung bzw. ihre Aushändigung an geschädigte Personen im Falle einer Aufhebung der Kontosperre vereitelt werden könnte (vgl. Urteil 1B_570/2012 vom 25. März 2013 E. 6.2). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner nicht geltend macht, auf die gesperrten Gelder angewiesen zu sein (vgl. Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023 E. 4.6). Hinzu kommt, dass das Bundesgericht eine Dauer, wie sie hier in Frage steht (insbesondere wenn das ausländische Strafverfahren beförderlich geführt worden war), in anderen Fällen nicht beanstandet hat (vgl. etwa BGE 126 II 462 E. 5e, Urteil 1C_239/2014 vom 18. August 2014 E. 3.3.2, TPF 2007 124 E. 8.2.3 sowie die Übersicht über die Rechtsprechung bei ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl. 2019, Rz. 721). Schliesslich legen weder die Vorinstanz noch die Verfahrensbeteiligten dar, dass das russische Strafverfahren nicht hinreichend vorangetrieben worden wäre. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie ist deshalb zu verneinen. Allerdings wird das BJ den Fortgang des russischen Strafverfahrens aktiv beobachten, das heisst, sich unbesehen eines entsprechenden Antrags des Beschwerdegegners nach dessen Stand erkundigen müssen. Gegebenenfalls wird es den russischen Behörden zur Wahrung der Verhältnismässigkeit eine Frist zur Vorlage eines rechtskräftigen russischen Strafurteils ansetzen müssen (vgl. BGE 149 IV 144 E. 2.6).» (E.5.2).

März 19, 2024 8:56 am

Im Urteil 7B_728/2023 vom 30. Januar 2024 aus dem Kanton Zürich (qualifizierte Betäubungsmitteldelikte etc.) ging es um die strafrechtliche Landesverweisung, insbesondere betreffend EMRK-Konformität. Das Bundesgericht machte in diesem Urteil auch zahlreiche generell-abstrakte Aussagen. Hier sind einige Ausführungen des Bundesgerichts: «Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens gilt nicht absolut: Liegt eine Landesverweisung im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sie sich als zulässig, falls sie gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist […].  Bei der Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK sind folgende Elemente zu beachten: (1) die Art und Schwere der begangenen Straftat und ob sie als Jugendlicher oder Erwachsener verübt wurde; (2) die Aufenthaltsdauer des Betroffenen im Land; (3) die seit der Tatbegehung vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers während dieser; (4) die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufnahmestaat und zum Herkunftsland; (5) der Gesundheitszustand sowie (6) die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der […]. Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall. Das Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK gilt in seiner verfahrensrechtlichen Tragweite als verletzt, wenn keine umfassende, faire Interessenabwägung vorgenommen. […]» (E.3.5.1). Das Bundesgericht schützte in diesem Fall die Landesverweisung.