Im Urteil 7B_654/2024 vom 1. Oktober 2024 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) äussert sich das Bundesgericht zu Art. 429 StPO, d.h. den Ansprüchen der beschuldigten Person bei Einstellung des Verfahrens. Im vorliegenden Fall ging es um eine Entschädigung von CHF 298.-- für die Kosten der Wahlverteidigung durch einen Fachanwalt SAV Strafrecht, welchen der Klient im eigenen Namen geltend machte. Das Bundesgericht äussert sich wie folgt: «Wie der Beschwerdeführer zu Recht beanstandet, findet die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Rechtsmittellegitimation der Verteidigung an die Stelle von derjenigen der beschuldigten Person getreten sei, in den Gesetzgebungsmaterialien keine Stütze und entspricht auch nicht dem Regelungszweck der neuen Bestimmung. Im Gegenteil hat die beschuldigte Person ein selbständiges Interesse daran, den Entschädigungsentscheid überprüfen zu lassen: Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Strafbehörden bei der Festlegung der Entschädigung nicht an Honorarvereinbarungen zwischen der beschuldigten Person und ihrer Verteidigung gebunden, weshalb die beschuldigte Person dazu verpflichtet sein kann, der Wahlverteidigung die Differenz zwischen der in Anwendung von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO zugesprochenen Parteientschädigung und dem vertraglich vereinbarten Honorar zu bezahlen […]. Die Situation ist somit nicht mit derjenigen bei der amtlichen Verteidigung zu vergleichen, bei der die beschuldigte Person kein eigenes (rechtlich geschütztes) Interesse an der Erhöhung der Entschädigung hat […]. Unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ist Art. 429 Abs. 3 StPO dahingehend auszulegen, dass er eine zusätzliche Befugnis der Wahlverteidigung statuiert, den Entscheid über ihre Entschädigung gemäss Abs. 1 lit. a anzufechten. Das gilt unabhängig davon, dass die Entschädigung gegebenenfalls - gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 429 Abs. 3 StPO - direkt der Wahlverteidigung zuzusprechen ist. Dass der Beschwerdeführer im hier zu beurteilenden Fall verlangt, die Entschädigung sei ihm zuzusprechen, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Bereits mit Blick auf den Wortlaut von Art. 429 Abs. 1 StPO wäre es überspitzt formalistisch, auf die Beschwerde mit der Begründung nicht einzutreten, es werde eine Entschädigung an die nicht berechtigte Person verlangt. Indem die Vorinstanz davon ausgeht, der Beschwerdeführer sei als beschuldigte Person angesichts des Beschwerderechts seines Wahlverteidigers persönlich nicht zur Beschwerde legitimiert und auf seine Beschwerde nicht eintritt, verstösst sie gegen Bundesrecht.» (E.2.3).
Dauer einer Vergewaltigung nie zu Gunsten des Täters zu werten
Das Bundesgericht stellt im Urteil 6B_612/2024 vom 18. September 2024 aus dem Kanton Wallis (zur amtl. Publ. bestimmt) klar, dass der isolierten und unangemessenen Formulierung zur «relativ kurzen Dauer» einer Vergewaltigung in einem Entscheid vom vergangenen Jahr für die Rechtsprechung keine Bedeutung zukommt. Im Gegensatz dazu, was die fragliche Passage vermuten lassen könnte, darf die Dauer einer Vergewaltigung bei der Strafzumessung in keinem Fall zu Gunsten des Täters berücksichtigt werden. Umgekehrt kann es sich durchaus erschwerend auf die Schuld des Täters auswirken, wenn die Länge der Tat auf eine erhöhte kriminelle Energie schliessen lässt.
Neue Regelung zur Mindeststrafe für Ersttäter bei Raserdelikten
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_1379/2023 vom 11. September 2024 aus dem Kanton Tessin (zur amtl. Publ. bestimmt) zur neuen Regelung bezüglich des Strafrahmens für Ersttäter bei Raserdelikten. Es bestätigt die vom Tessiner Appellationsgericht ausgesprochene bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen für einen Autolenker, der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 88 km/h überschritten hat. Der Autolenker hatte 2020 auf der Autobahn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 88 km/h überschritten. In erster Instanz wurde er für dieses Raserdelikt (Überschreitung von mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt, Artikel 90 des Strassenverkehrsgesetzes, SVG) im Januar 2023 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einer Busse von 500 Franken verurteilt.
Im Urteil 7B_469/2023 vom 3. September 2024 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit der Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem «Verbot der reformatio in peius» nach Art. 391 Abs. 2 StPO im Berufungsverfahren (bei fehlender Berufung oder Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft). Das Bundesgericht entschied den Fall mit den folgenden zwei Absätzen: «Nach Art. 391 Abs. 1 StPO ist die Rechtsmittelinstanz bei ihrem Entscheid nicht gebunden an die Begründungen der Parteien (lit. a) und an die Anträge der Parteien, ausser wenn sie Zivilklagen beurteilt (lit. b). Sie darf gemäss Absatz 2 derselben Bestimmung Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist. Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten. Weiter darf sie gemäss Art. 391 Abs. 3 StPO Entscheide im Zivilpunkt nicht zum Nachteil der Privatklägerschaft abändern, wenn nur von dieser ein Rechtsmittel ergriffen worden ist. Das Bundesgericht hat in BGE 147 IV 167 erwogen, die in Art. 391 Abs. 2 StPO vorgesehene Schutzwirkung würde vereitelt, wenn die Anschlussberufung das Schlechterstellungsverbot überschiessend - über die zulasten des Beschuldigten gestellten Anträge hinaus - beseitigen würde. Dies gelte sinngemäss auch, wenn zulasten der beschuldigten Person eigenständig Berufung erhoben werde. Ein zulasten des Beschuldigten erhobenes Rechtsmittel mache den erstinstanzlichen Entscheid im Rahmen der gestellten Anträge zum Gegenstand des zweitinstanzlichen Prozesses (a.a.O. E. 1.5.3 mit Hinweisen; etwa bestätigt in: Urteile 6B_1524/2022 vom 7. Juni 2024 E. 3.2.2; 6B_652/2023 vom 11. Dezember 2023 E. 5.3.2; vgl. zum Verbot der "reformatio in peius" auch BGE 149 IV 91).» (E.2.2). «Die Staatsanwaltschaft hat die erstinstanzliche Strafzumessung weder selbständig noch mit Anschlussberufung angefochten, was ihr frei gestanden wäre. Sie hat sich vor Vorinstanz einzig gegen die erstinstanzlich nicht angeordnete Landesverweisung gewendet. Insoweit steht es in Einklang mit Bundesrecht, wenn sich die Vorinstanz für die Frage der Strafzumessung an die vom Beschuldigten gestellten Anträge und somit an das Verbot der "reformatio in peius" nach Art. 391 Abs. 2 StPO gebunden sieht. Denn die Anträge des Beschuldigten zielten einzig auf eine Reduktion der Strafe, und nicht etwa auf eine Erhöhung, ab.» (E.2.3).
Inkasso von ausländischen Verkehrsbussen und Art. 271 StGB Verbotene Handlungen für eine fremden Staat
Im Urteil 7B_686/2023 vom 23. September 2024 aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesanwaltschaft und des Bundesstrafgerichts ging es Zahlungsaufforderungen und Mahnungen in der Schweiz betreffend Bussen (inkl. Losten) wegen Verkehrsregelverletzungen in Italien. Das Bundesgericht verneinte aufgrund des Legalitätsprinzips von Art. 1 StGB eine Verurteilung wegen der Verletzung von Art. 271 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (Verbotenen Handlungen für einen fremden Staat). Es äusserte sich wie folgt: «Mit Urteil 7B_72/2023 vom 29. April 2024 hatte das Bundesgericht einen ähnlich gelagerten Fall zu beurteilen, bei dem es ebenfalls um das Inkasso von Bussengeldern italienischer Gemeindebehörden durch ein privates Unternehmen auf schweizerischem Territorium ging. Nach einlässlicher Auseinandersetzung mit dem internationalen Rechtshilferecht kam das Bundesgericht dabei zum Schluss, dass der Schuldspruch wegen verbotener Handlungen für einen fremden Staat das Legalitätsprinzip verletze. […] Ob die Zustellung von Schreiben, mit welchen die Adressaten zur Bezahlung italienischer Bussengelder aufgefordert werden, nach internationalem Rechtshilferecht zulässig sei, scheine nicht restlos klar. Dies hänge davon ab, ob die Schreiben als direkte Zustellung eines italienischen Urteils über eine Übertretung von Strassenverkehrsvorschriften […] zu betrachten seien. In Ermangelung einer hinreichend klaren Antwort im internationalen Rechtshilferecht sei es für die Rechtsunterworfenen nicht möglich, die Folgen ihres Verhaltens mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen […]» (E.2.3). «Gründe, den vorliegenden Fall anders zu behandeln, sind keine ersichtlich. Es ist umstritten und lässt sich ohne vertiefte juristische Abklärung nicht beurteilen, ob die Zahlungsaufforderungen bzw. Mahnungen als direkte Vollstreckung des italienischen Bussenbescheids oder lediglich als Fortsetzung der ursprünglichen Zustellung dieses Entscheids im Sinne eines Erinnerungsschreibens zu sehen sind. Insbesondere fehlt den umstrittenen Schreiben ein hinreichender Bezug zum Zwangsvollstreckungsrecht […]. Diese unklaren, nur schwer zu überschaubaren rechtlichen Voraussetzungen stehen einem Schuldspruch entgegen. Daran ändert nichts, dass die B. AG vom Bundesamt für Justiz wiederholt darauf hingewiesen worden ist, dass das Busseninkasso zugunsten ausländischer Behörden in der Schweiz nicht erlaubt sei. Die entsprechenden Hinweise in Form dreier E-Mails vermögen die fehlende Bestimmtheit der Strafbestimmung nicht zu heilen. Das vorinstanzliche Erkenntnis verletzt demnach das Legalitätsprinzip gemäss Art. 1 StGB, was zum Freispruch des Beschwerdeführers führt.» (E.2.4).
Im Urteil 7B_459/2024 vom 5. September 2024 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit der oberflächlichen Leibesvisitation eines Verwahrten nach jedem Besuch. Das Bundesgericht setzte sich in diesem Fall im Detail mit den Rechtsgrundlagen und der Praxis zu Leibesvisitationen und anderen Kontrollmassnahmen im Vollzug auseinander (E.3). Nach eingehender Prüfung der Ausführungen der Vorinstanz (E.4) bestätigte das Bundesgericht die Zulässigkeit dieser Massnahme und führte u.a. aus: «Massnahmen wie Leibesvisitationen müssen verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV; vgl. etwa BGE 146 I 97 E. 2.3), will sagen: sie müssen geeignet sein, den damit verfolgten Zweck zu erreichen (Eignung). Sodann müssen sie erforderlich sein (Erforderlichkeit). Daran fehlt es, wenn mildere Massnahmen zur Erreichung des angestrebten Zwecks genügen. Schliesslich müssen sie zumutbar sein (Zumutbarkeit). Von diesen anerkannten Grundsätzen lässt sich die Vorinstanz leiten. Sie hält fest, die Eignung der Leibesvisitationen zur Erreichung der Sicherheitsanforderungen sei offensichtlich. Sodann prüft sie eingehend, ob die Leibesvisitationen auch erforderlich seien. Dabei übersieht sie nicht, dass die systematische Durchsuchung des nackten Körpers einen Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers bedeutet. Dieser mache geltend, es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn ein bis zwei Mal pro Jahr eine Zufallskontrolle durchgeführt werde. Dem hält die Vorinstanz zu Recht entgegen, dass damit die notwendige Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt Thorberg massiv beeinträchtigt würde. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den bereits mehrfach zitierten BGE 141 I 141. Dort hielt das Bundesgericht fest, dass neben Leibesvisitationen durchaus andere Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit bestünden. Es nannte beispielhaft Trennscheiben, Metalldetektoren und die Abtastung oder eine verstärkte Kontrolle der Besucher vor und während des Besuchs. Wie das Bundesgericht bereits damals erklärte, mag auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, dass die Gesamtheit solcher Massnahmen weniger stark in die Menschenwürde eingreift ("l'ensemble de ces instruments peuvent de prime abord apparaître moins attentatoires à la dignité"). Allerdings gab das Bundesgericht zu bedenken, dass auch solche Massnahmen Nachteile hätten. Dies gelte sowohl für die Sicherheit wie auch für den Schutz des Privat- und Familienlebens und der persönlichen Freiheit (E. 6.5.3). Die Vorinstanz stützt sich zu Recht auf diese Rechtsprechung. Weiter hält sie in vertretbarer Weise fest, die mildere Massnahme einer Kontrolle über der Unterwäsche scheine nicht hinreichend wirksam.» (E.4.8).
Die Hilfsangebote für Opfer insbesondere von häuslicher und sexueller Gewalt sollen ausgebaut werden. An seiner Sitzung vom 9. Oktober 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung für eine entsprechende Teilrevision des Opferhilfegesetzes (OHG) eröffnet. Er schlägt vor, die medizinische Hilfe und den Zugang zur rechtsmedizinischen Dokumentation zu verbessern. Die Vernehmlassung dauert bis am 24. Januar 2025.
Haftgrund der Ausführungsgefahr i.S.v. Art. 221 Abs. 2 StPO – «Abstechen» der Staatsanwältin
Im Urteil 7B_965/2024 vom 30. September 2024 aus dem Kanton Zürich geht es um den Haftgrund der Ausführungsgefahr i.S.v. Art. 221 Abs. 2 StPO. Im vorliegenden Fall ging es um den mutmasslichen Wunsch des Beschwerdeführers die fallführende Staatsanwältin abzustechen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und äussert sich u.a. wie folgt: «Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung von Delikten sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen nicht aus, um Haft wegen Ausführungsgefahr zu begründen. Bei der Annahme, dass eine Person ein schweres Verbrechen begehen könnte, ist Zurückhaltung geboten. Erforderlich ist eine sehr ungünstige Prognose. Nicht Voraussetzung ist hingegen, dass die verdächtige Person bereits konkrete Anstalten getroffen hat, um die befürchtete Tat zu vollenden. Vielmehr genügt es, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ausführung aufgrund einer Gesamtbewertung der persönlichen Verhältnisse sowie der Umstände als sehr hoch erscheint. Besonders bei drohenden schweren Gewaltverbrechen ist dabei auch dem psychischen Zustand der verdächtigen Person bzw. ihrer Unberechenbarkeit oder Aggressivität Rechnung zu tragen. Je schwerer die angedrohte Straftat ist, desto eher rechtfertigt sich eine Inhaftierung, wenn die vorhandenen Fakten keine genaue Risikoeinschätzung erlauben […]. Insbesondere bei einer zu befürchtenden vorsätzlichen Tötung darf an die Annahme der Ausführungsgefahr kein allzu hoher Massstab angelegt werden. Anders zu entscheiden hiesse, das potenzielle Opfer einem nicht verantwortbaren Risiko auszusetzen […]. Es braucht in solchen Fällen keine maximal ausgeprägte ungünstige Prognose, sondern es genügt eine deutliche Ausführungsgefahr […]» (E.5.1). Die Haft konnte auch ohne Vorliegen eines Kurzgutachtens angeordnet werden (E.6).
Zusammensetzung der beiden strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts ab 2025
Am Bundesgericht kommt es ab 2025 zu verschiedenen personellen Rochaden. Hier erfahren Sie die Zusammensetzung der beiden strafrechtlichen Abteilungen, wo es aber bei den Abteilungspräsidien von Laura Jacquemoud-Rossari (Erste strafrechtliche Abteilung) und Bernard Abrecht (Zweite strafrechtliche Abteilung) zu keinen Änderungen kommt.
Urteilskompetenz des Einzelgerichts i.S.v. Art. 19 Abs. 2 StPO
Im Urteil 6B_1377/2023 vom 4. September 2024 aus dem Kanton Bern (zur amtl. Publ. vorgesehen) äusserte sich das Bundesgericht ausführlich zur Urteilskompetenz des Einzelgerichts i.S.v. Art. 19 Abs. 2 StPO. Hier sind die Schlüsselaussagen dieses Leiturteils: «Folglich richtet sich die Urteilskompetenz des Einzelgerichts i.S.v. Art. 19 Abs. 2 lit.b StPO zunächst nach dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Im weiteren Verlauf des Verfahrens letztlich aber danach, welche Strafe und/oder Massnahme für das Einzelgericht konkret in Frage kommt (in Präzisierung von BGE 147 IV 329 E. 2.8, der lediglich festhält, für die Grenze von Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO sei massgebend, welchen Freiheitsentzug der Betroffene aufgrund des Urteils des Einzelgerichts insgesamt zu erdulden habe; […].» (E.2.4.3). «Zusammengefasst legen die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut von Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO (d.h. die fehlende explizite Regelung, wie sie in Art. 352 Abs. 2 StPO besteht) sowie letztlich auch der systematische Kontext nahe, dass bei der Einhaltung der Maximalgrenze von zwei Jahren nicht auf die Gesamtheit der Sanktionen abzustellen ist. Die Einhaltung dieser Obergrenze richtet sich, ungeachtet einer zugleich beantragten bzw. ausgefällten Geldstrafe, somit alleine nach der Dauer der von der Staatsanwaltschaft beantragten bzw. vom Einzelgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe, wobei einer allenfalls zugleich zu widerrufenden bedingten freiheitsentziehenden Sanktion und/oder zu widerrufenden bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug Rechnung zu tragen ist (vgl. BGE 147 IV 329 E. 2.8 f.). Dass die Geldstrafe mangels unmittelbar freiheitsentziehenden Charakters nicht einzubeziehen ist, drängt sich auch deshalb auf, weil der Gesetzgeber die Grenze von zwei Jahren in Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO bewusst an Art. 42 Abs. 1 StGB angelehnt und sich die Urteilskompetenz des Einzelgerichts folglich am unmittelbaren Freiheitsentzug zu orientieren hat, der abstrakt noch bedingt ausgesprochen werden kann. Das Einzelgericht soll keine Strafe aussprechen können, die abstrakt zwingend immer eine freiheitsentziehende Wirkung hat, wie dies bei Freiheitsstrafen über zwei Jahren und freiheitsentziehenden Massnahmen der Fall ist. In concreto hängt die Zuständigkeit des Einzelgerichts jedoch nicht von der Möglichkeit des bedingten Vollzugs ab […]. Eine solche Auslegung von Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO dient sodann nicht nur der Rechtssicherheit sondern letzten Endes auch dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck, die Kollegialgerichte zu entlasten. […]» (E.2.6). Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich mithin ohne Weiteres, dass sich die Urteilskompetenz des Einzelgerichts i.S.v. Art. 19 Abs. 2 StPO grundsätzlich auch auf die Anordnung von Massnahmen - ausser der Verwahrung (Art. 64 StGB) sowie der stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 3 StGB) - und damit ebenso auf das Aussprechen einer Landesverweisung, die primär als sichernde Massnahme zu verstehen ist […], erstreckt. Auch wenn eine Landesverweisung von der Intensität her vergleichbar mit einer freiheitsentziehenden Sanktion von einem Jahr sein […], dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass auch ein Einzelgericht eine Landesverweisung aussprechen kann.» (E.2.7).
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