April 8, 2024 12:21 pm

Im Urteil 7B_7/2023 vom 8. März 2024 aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden ging es um einen Baustellenunfall bzw. Arbeitsunfall (Sturz). In diesem Fall geht das Bundesgericht im Detail auch auf das Arbeits- und Arbeitsschutzrecht ein. Hier ist die Schlussfolgerung des Bundesgerichts: «Fraglich ist, ob und inwieweit den Beschwerdegegner 2 als Polier eine strafrechtlich relevante Verantwortung für die mutmassliche Sorgfaltspflichtverletzung trifft. Er ist nicht Arbeitgeber des Beschwerdeführers, sondern selber Angestellter der C. AG. Zweifellos kann bzw. muss die Arbeitgeberin bestimmte Aufgaben auch im Bereich Arbeitssicherheit an einen Arbeitnehmer delegieren (vgl. Art. 7 VUV, Art. 7 ArGV 3 und Art. 4 Abs. 1 aBauAV). In welchem Umfang dies vorliegend der Fall war, lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen. Dieser genügt somit den Vorgaben von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG, der verlangt, dass Entscheide, die der Beschwerde ans Bundesgericht unterliegen, die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten müssen, nicht (siehe dazu BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweisen). Der vorinstanzliche Entscheid ist deshalb in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG zurückzuweisen. Bei der Neubeurteilung wird die Vorinstanz zu prüfen haben, wie weit der Aufgaben- und somit der Verantwortungsbereich des Beschwerdegegners 2 reichte. Dies bestimmt sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften, vertraglicher Abmachungen oder der ausgeübten Funktionen sowie nach den jeweiligen konkreten Umständen (Urteile 7B_194/2022 vom 9. Oktober 2023 E. 3.3.1; 6B_315/2020 vom 18. Mai 2022 E. 6.3; je mit Hinweisen). Sollte sich ergeben, dass der Beschwerdegegner 2 mit der Einhaltung einer der unter E. 2.5.1 erläuterten Pflichten der Arbeitgeberin betraut war, verletzt die zu seinen Gunsten ergangene Verfahrenseinstellung Bundesrecht.» (E.2.5.3). 

April 4, 2024 1:45 pm

Im Berufungsverfahren gegen Joseph S. Blatter und Michel Platini werden alle Richterinnen und Richter der (ordentlichen) Berufungskammer des Bundesstrafgerichts in den Ausstand versetzt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von Michel Platini im Urteil 7B_173/2023 vom 15. März 2024 gut. Das Bundesgericht erklärt zunächst generell-abstrakt zum Thema Ausstand (E.2.2). Fallbezogen geht es dann im Detail auf den Fall und die Argumentation des Beschwerdeführers ein und kommt zur folgenden Schlussfolgerung: «Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände kann von aussen und objektiv betrachtet durchaus der Eindruck entstehen, die ordentlichen und nebenamtlichen Richter und Richterinnen der Berufungskammer könnten die in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gemachten Aussagen von K. nicht ausreichend unabhängig und unbefangen würdigen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob K. im Berufungsverfahren erneut - ob von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei hin - als Zeuge vorzuladen ist (vgl. Art. 389 StPO). Die Richter und Richterinnen der (ordentlichen) Berufungskammer wären schliesslich gehalten, Aussagen ihres eigenen Kammerpräsidenten zu beurteilen, wobei dieser nicht neutraler Zeuge ist, sondern - zumindest zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses - als beschuldigte Person in ein mit der vorliegenden Sache zusammenhängendes Verfahren involviert war. Er riskiert (e), sich mit seinen Zeugenaussagen im eigenen Verfahren auch selbst zu belasten. Selbst wenn unter den betroffenen ordentlichen und nebenamtlichen Berufungsrichtern und -richterinnen über die kollegiale Zusammenarbeit hinaus keine näheren Beziehungen zu K. vorliegen, besteht in dieser spezifischen Konstellation der Anschein, die Richter und Richterinnen könnten über das Zeugnis ihres Kammerpräsidenten nicht völlig frei nach rein verfahrensbezogenen Kriterien befinden.» (E.2.5.5). 

April 2, 2024 10:29 am

Das Bundesgericht weist im Urteil 2C_33/2023 vom 28. Februar 2024 die Beschwerde einer Mutter ab, die mit 250 Franken gebüsst wurde, weil sie ihre Tochter während der Corona-Pandemie wiederholt ohne Maske die Primarschule hatte besuchen lassen. Es stützt sich dabei auf seine Praxis, wonach Disziplinarmassnahmen grundsätzlich keine Strafen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind. Das Bundesgericht bezog sich auch auf die "Engel-Kriterien" und führte u.a. aus: «Dass Disziplinarmassnahmen grundsätzlich keine Strafen im Sinne von Art. 6 EMRK darstellen, wurde auch anderweitig durch das Bundesgericht entschieden (BGE 135 I 313 E. 2.3; 128 I 346 E. 2.3 und 2.4; Urteile 2C_507/2019 vom 14. November 2019 E. 4; 2C_933/2018 vom 25. März 2019 E. 4.1; 1C_500/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 3.3; 2C_344/2007 vom 22. Mai 2008 E. 1.3). Daran ändert nichts, dass im früheren BGE 128 I 346 E. 2.3 noch offengelassen wurde, ob die Disziplinarmassnahme - in jenem Fall eine Busse von Fr. 5'000.-- - aufgrund ihrer Höhe eine Strafe im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK darstellen könnte. Auch dass das Bundesgericht im zur Publikation vorgesehen Entscheid 2C_694/2021 offengelassen hat, ob es sich bei der in Frage stehenden Disziplinarmassnahme in Form einer Geldleistung bis zu einem Höchstbetrag von Fr. 4'000.-- um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt (Urteil 2C_694/2021 vom 8. September 2023 E. 5.5 [zur Publikation bestimmt]), ändert nichts an der stehenden Rechtsprechung betreffend Ordnungsbussen bis Fr. 1'000.-- im Schulrecht.  Es entspricht zudem der herrschenden Lehre, dass Disziplinarmassnahmen in der Regel keinen strafrechtlichen Charakter haben und Art. 6 EMRK auf sie nicht anwendbar ist […].» (E.5.4).

April 2, 2024 4:47 am

Im Urteil 2C_84/2023 vom 13. Februar 2024 aus dem Kanton Zürich ging es um die «Mandatsniederlegung» bzw. ursprüngliche Weigerung eines amtlichen Verteidigers, dem Klienten dass Urteil des Obergerichts zu erläutern. Es kam dann zur Anzeige des Anwalts bei der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte durch den Präsidenten der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Das Bundesgericht äusserte sich in diesem Urteil auch eingehend über die Sorgfaltspflichten des amtlichen Verteidigers, u.a. wie folgt: «In Bezug auf die Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht unterlag der Beschwerdeführer als amtlicher Verteidiger den gleichen Anforderungen an die Sorgfalt wie ein privat mandatierter Rechtsvertreter […]. Nach Kenntnisnahme des obergerichtlichen Urteils hätte er seinen Klienten umgehend über die Möglichkeiten, Risiken und Chancen eines Weiterzugs aufklären müssen. Diese Pflicht bestand allgemein und insbesondere im Hinblick auf die im Raum stehenden strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Klienten. Angesichts der laufenden Rechtsmittelfrist hätte die Aufklärung des Klienten zudem zeitnah geschehen müssen. Der Beschwerdeführer sah jedoch zunächst von einer Besprechung ab. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, hätte der Beschwerdeführer, um von seinen Pflichten als amtlicher Verteidiger befreit zu werden, die Verfahrensleitung um Entlassung ersuchen müssen (vgl. Art. 134 Abs. 2 StPO). Er war nicht berechtigt, das Mandat einseitig niederzulegen. […]. Vielmehr ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer offenbar aus Unzufriedenheit über die Entschädigung seiner Aufwendungen für das Verfahren nicht für eine Urteilserläuterung zur Verfügung stehen wollte. Dieses Verhalten verletzt mit Blick auf die im damaligen Zeitpunkt laufende Rechtsmittelfrist die Interessen des Klienten und verstösst gegen das Gebot des sorgfältigen Handelns nach Art. 12 lit. a BGFA.» (E.5.3).

März 27, 2024 1:29 pm

Um Konflikte zwischen Alpwirtschaft und Wolf zu mindern, revidierte das Parlament im Dezember 2022 das Jagdgesetz. Es beschloss dabei eine präventive Regulierung des Wolfbestands und stärkte Wildtierkorridore und -lebensräume. Der Bundesrat hat am 27. März 2024 die Vernehmlassung zur Änderung der Ausführungsbestimmungen des Jagdgesetzes eröffnet.

März 27, 2024 6:38 am

Im Urteil 7B_252/2024 vom 18. März 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit dem Haftgrund der Ausführungsgefahr (in der alten und neuen Fassung). Das Bundesgericht betonte, dass für diesen Haftgrund drohende schwere Verbrechen notwendig sind: «Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung von Delikten sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen allerdings nicht aus, um Präventivhaft zu begründen. Art. 221 Abs. 2 StPO setzt vielmehr sowohl in seiner alten als auch neuen Fassung ausdrücklich ein ernsthaft drohendes "schweres Verbrechen" voraus.» (E.2.4). Die Frage des Übergangsrechts (Haftgrund nach alter oder neuer StPO) beantwortet das Bundesgericht jedoch nicht abschliessend, da kein Unterschied für diesen Fall bestand (E.1.2).

März 26, 2024 8:08 am

Die Bundesanwaltschaft (BA) hat gegen einen 72-jährigen Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz im Kanton Thurgau und einen 49-jährigen Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz im Kanton Aargau Anklage beim Bundesstrafgericht eingereicht. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam im Kanton Zürich eine hochprofessionelle Falschgeldwerkstatt aufgebaut und betrieben zu haben. Dies mit dem Ziel, gefälschte 50-Dollar-Noten im Nennwert von insgesamt mindestens fünf Millionen USD herzustellen und diese im Anschluss in Umlauf zu bringen. Dem 49-jährigen Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, unbefugt Betäubungsmittel hergestellt und im Besitz von verschiedenen Typen verbotener Cannabisprodukte (Drogenhanf) von knapp 300 Kilogramm (kg) gewesen zu sein. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.      

März 26, 2024 4:54 am

Die Banque Audi (Suisse) SA hat ihre Pflichten in der Geldwäschereiprävention verletzt und damit schwer gegen Finanzmarktrecht verstossen. Dies stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA im Rahmen eines Enforcementverfahrens fest. Die Bank hat im nun abgeschlossenen Verfahren mit der FINMA kooperiert und Massnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands ergriffen. Die FINMA ordnet zusätzlich eine Gewinneinziehung von 3,9 Millionen Franken sowie einen Eigenmittelzuschlag von 19 Millionen Franken an.