Automatisiert verkehrende Fahrzeuge können die Verkehrssicherheit erhöhen und den Verkehrsfluss verbessern. Zudem eröffnen sie neue Möglichkeiten für die Wirtschaft und für Verkehrsdienstleister. An seiner Sitzung vom 13. Dezember 2024 hat der Bundesrat die Verordnung verabschiedet, mit denen er das automatisierte Fahren regelt. Sie tritt am 1. März 2025 in Kraft.
Keine Bestrafung von Journalistin für Pistole aus 3D-Drucker
Eine Journalistin von RTS hat mit dem für eine Reportage getätigten Erwerb, Besitz und Transport einer Pistole aus dem 3D-Drucker rechtmässig gehandelt. Eine Bestrafung wegen Verstosses gegen das Waffengesetz ist mit der Meinungsäusserungsfreiheit beziehungsweise der Medienfreiheit nicht vereinbar, entschied das Bundesgericht in Fünferbesetzung im Urteil 6B_650/2022, 6B_664/2022 vom 12. Dezember 2024. Sobald das schriftlich begründete Urteil vorliegt, erfolgt ein Update des Artikels.
Postulatsbericht (20.3009) des Bundesrates: Keine Besserstellung von Verurteilten bei Rückfall während der Probezeit
Straftäterinnen und Straftäter, die zu einer bedingten Strafe verurteilt wurden und bereits während der Probezeit erneut ein Delikt begehen, werden für diese Tat unter Umständen weniger streng bestraft, als wenn sie das Delikt erst nach der Probezeit begehen würden. Mit einer Anpassung im Strafgesetzbuch (StGB) liesse sich diese Ungleichbehandlung beseitigen. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in seinem Postulatsbericht.
Bestätigung der Praxisänderung zur einfachen Wiederholungsgefahr i.S.v. Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO
Im Urteil 7B_1134/2024 vom 27. November 2024 aus dem Kanton Schaffhausen befasste sich das Bundesgericht mit dem Haftgrund der einfachen Wiederholungsgefahr und bestätigte seine Praxisänderung betreffend Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO aus dem Leiturteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024. Der Beschwerdeführer obsiegte vor Bundesgericht aber hier dennoch nicht bzw. nur teilweise. Das Bundesgericht hielt den Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1bis StPO für möglich und wies die Angelegenheit zur Prüfung dieses Haftgrunds an die Vorinstanz zurück: «Das Bundesgericht substituiert indessen nur in Ausnahmefällen selber Haftgründe, zumal diesfalls das rechtliche Gehör des Inhaftierten gewahrt bleiben muss […]. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zur Prüfung des Haftgrunds der qualifizierten Wiederholungsgefahr zurückzuweisen.» (E.4.3).
Im Urteil 6B_346/2024 vom 8. November 2024 aus dem Kanton Aargau, welches in Fünferbesetzung erging, befasste sich das Bundesgericht mit der Verwertbarkeit von Aufnahmen der Videoüberwachung bei SVG-Delikten im Rahmen der nationalen Rechtshilfe. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau gut und hob den Freispruch des Obergerichts des Kantons Aargau auf. Dabei machte es u.a. die folgenden Ausführungen: «Es ist unbestritten, dass die zur Diskussion stehenden Videoaufnahmen rechtmässig erstellt wurden. Gemäss der Vorinstanz erfolgten sie gestützt auf die kantonale Datenschutzgesetzgebung, welche die Aufnahmen zur Verkehrsüberwachung gestattet […]. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bedarf es für die Weitergabe der rechtmässig erfassten Daten an die Strafverfolgungsbehörden keiner zusätzlichen ausdrücklichen Norm in den von ihr genannten Gesetzen. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht rügt, stellen die Bestimmungen über die nationale Rechtshilfe eine solche Norm und eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Weitergabe der Videoaufnahmen dar. […].» (E.2.3.1). «[…] Wer am Strassenverkehr teilnimmt, muss sowohl damit rechnen, dass er resp. sein Fahrzeug von Verkehrskameras bildlich erfasst werden, als auch damit, dass die Daten in einem Strafverfahren, jedenfalls einem wegen Widerhandlungen, die mit dem Verkehr bzw. der Strassenverkehrsordnung in Zusammenhang stehen, verwendet werden können. Soweit die Vorinstanz als Begründung für die Widerrechtlichkeit der Datenweitergabe anführt, das kantonale Datenschutzgesetz diene nicht der Strafverfolgung und gestatte daher die Weitergabe der erfassten Daten nicht, ist ihr entgegenzuhalten, dass damit die Durchsetzung eidgenössischen Rechts unterlaufen würde. Die Beschwerdeführerin rügt in diesen Zusammenhang zu Recht eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) bzw. eine Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz. Die von dieser zitierte Rechtsprechung zum kantonalen Datenschutzrecht und zum Reglement Videoüberwachung der Strasseninfrastruktur ist insoweit nicht massgebend.» (E.2.3.2).
Persönlicher Härtefall bei Landesverweisung und Interessenabwägung
Das Bundesgericht heisst im in Fünferbesetzung ergangenen Urteil 6B_1272/2023 vom 30. Oktober 2024 (zur amtl. Publ. vorgesehen) die Beschwerde eines kosovarischen Staatsangehörigen teilweise gut, der wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt wurde. In Bezug auf die angeordnete Landesverweisung liegt ein persönlicher Härtefall vor, da der Mann in diesem Fall seinen im Heim lebenden schwerstbehinderten Sohn nicht mehr besuchen könnte. Das Solothurner Obergericht muss neu entscheiden und eine Interessenabwägung vornehmen; dabei hat es insbesondere zu prüfen, ob vom Betroffenen eine konkrete Rückfallgefahr für Gewaltdelikte ausgeht. Das Bundesgericht äussert sich u.a. wie folgt: «Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren […]. Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der öffentlichen Interessen an der Landesverweisung […]. Erforderlich ist, dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird […].» (E.5.8.1). Das Urteil kann bei einer ersten Lektüre auch als allgemeine Erhöhung der Hürde der strafrechtlichen Landesverweisung interpretiert werden. Einzelfallbezogen dürfte hier das Kriterium von Art. 8 EMRK und des schwerstbehinderten Halbweisen-Sohnes offensichtlich (mit-)entscheidend sein.
Ausländerrechtliche Situation von Opfern häuslicher Gewalt verbessert
Die ausländerrechtliche Situation von Opfern häuslicher Gewalt soll verbessert werden. Mit diesem Ziel hat das Parlament in der Sommersession eine Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) beschlossen. Der Bundesrat hat diese Änderung sowie die erforderlichen Verordnungsanpassungen an seiner Sitzung vom 27. November 2024 auf den 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt. Zudem zieht der Bundesrat den Vorbehalt der Schweiz zur Anwendung der Istanbul-Konvention zurück.
Covid-19-Härtefallhilfen: Liquidationsgewinne von Einzelunternehmen gelten nicht mehr als Verstösse
Unternehmen, die eine Covid-19-Härtefallunterstützung erhalten haben, dürfen während vier Jahren keine Dividenden ausschütten. Mit der Annahme der Motion 23.3842 Gapany hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, Liquidationsdividenden von diesem Verbot auszunehmen. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 27. November 2024 beschlossen, die Motion so umzusetzen, dass auf Bundesebene sämtliche Liquidationsdividenden bei Einzelunternehmen nicht mehr als Verstoss gegen das Dividendenverbot gelten.
Im Urteil 7B_1035/2024 vom 19. November 2024 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) ändert das Bundesgericht seine Praxis zum Haftgrund der einfachen Wiederholungsgefahr von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, und zwar mit den folgenden Ausführungen: «Die Auslegung von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO ergibt, dass die beschuldigte Person nur wegen einfacher Wiederholungsgefahr inhaftiert werden kann, wenn sie bereits zuvor wegen mindestens zwei gleichartigen Straftaten verurteilt worden ist. Die in BGE 137 IV 84 E. 3.2 etablierte Rechtsprechung lässt sich unter dem neuen Recht nicht weiterführen.» (E.2.11). Das Bundesgericht kam erst nach einem epischen Auslegungsmarathon zu dieser Schlussfolgerung, bei dem es auch die Materialien der jüngsten StPO-Revision akribisch analysierte. Das Urteil ist mithin ein doppeltes Leiturteil, für das Strafrecht und für die Methodenlehre. Trotz des wertvollen wissenschaftlichen Beitrags gab es für den Beschwerdeführer aber kein Happy End der Freilassung. Die Vorinstanz hatte nicht alle Haftgründe geprüft, was das Bundesgericht monierte (E.3.1 f.).
Verwertbarkeit von Zufallsfunden im Strafverfahren gegenüber Anwältin unter Kollusionsverdacht
Im Urteil 7B_990/2024 vom 31. Oktober 2024 aus dem Kanton Solothurn geht es um Zufallsfunde im Rahmen einer Echtzeitüberwachung, wo sich der Verdacht ergab, dass die amtliche Verteidigerin der Beschuldigten Person 1 der beschuldigten Person 2 mit telefonischen Kontakten hat «kollusive Informationen» zukommen lassen, was zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die Rechtsanwältin wegen Verdachts auf Begünstigung führte. Das Bundesgericht äusserte sich hierzu u.a. wie folgt: «Als Anwaltskorrespondenz (im Sinne der Beschlagnahmehindernisse nach Art. 264 Abs. 1 StPO lit. a, c und d StPO) gilt nach der Rechtsprechung alles, was in das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Anwältin oder dem Anwalt und der Klientschaft eingebracht wird, in ihm entsteht oder aus ihm hervorgeht […] Geschützt ist mit anderen Worten nur die direkte Kommunikation zwischen der beschuldigten Zielperson und der Berufsgeheimnisträgerin […]. «Diese an den Materialien orientierte Auffassung ist zutreffend, während sich die Lesart der Beschwerdeführerin als überschiessend erweist. […] ist die Beschwerdeführerin in den Telefongesprächen mit B.B. als normale Drittperson zu betrachten. Mitteilungen an Dritte gelten jedoch nicht als Anwaltskorrespondenz, und zwar auch dann nicht, wenn der Inhalt der Mitteilung eine grundsätzlich geheimnisgeschützte Information betrifft. Vielmehr verlassen grundsätzlich geheime Informationen durch die freiwillige und bewusste Kundgabe an einen Dritten das durch das Anwaltsgeheimnis geschützte Mandatsverhältnis […]. Nicht anders verhält es sich, wenn die Kundgabe wie hier durch die Rechtsanwältin selbst erfolgt. Gibt sie geheimnisgeschützte Informationen aus einem Mandatsverhältnis an eine Dritte weiter, kann sie sich in der Folge nicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach Art. 271 Abs. 3 i.V.m. Art. 171 Abs. 1 StPO berufen. Hinzu kommt, dass der Schutz von Berufsgeheimnissen grundsätzlich dann nicht greift - so macht Art. 271 Abs. 2 lit. a StPO klar - wenn der dringende Tatverdacht gegen die Trägerin des Berufsgeheimnisses selber besteht. Warum dies anders sein sollte, wenn nicht sie, sondern eine Drittperson überwacht wird und entsprechend ein Anwendungsfall von Art. 271 Abs. 3 StPO vorliegt, leuchtet nicht ein […]. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies im Ergebnis, dass die Kommunikation zwischen der Beschwerdeführerin und B.B., die in keinem Mandatsverhältnis zueinander standen und zwischen denen folglich kein besonderes Vertrauensverhältnis im Sinne der Materialien bestand, nicht unter Art. 271 Abs. 3 StPO fällt. Der Vorinstanz ist damit vollumfänglich zu folgen - die Genehmigung der Verwendung der Zufallsfunde erweist sich als rechtskonform.» (E.2.5).»
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