Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung betreffend Betrug etc. gegen A. (nachfolgend: Beschuldigter). Dieser ist alleiniger Verwaltungsrat der B. AG. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zusammengefasst vor, er habe durch fiktive Rechnungen der vom Mitbeschuldigten C. verwalteten D. AG die Bank E.) am 9. Februar 2015 zur Vergabe eines durch ein Grundpfand auf seiner Liegenschaft U. gesicherten Baukredits im Betrag von Fr. 446’000.– veranlasst. Zudem habe der Beschuldigte den am 17. März 2015 durch die Bank E. direkt auf das Konto der D. AG bei der Bank F. ausgezahlten Teilbeitrag von Fr. 312’750.10 auf kompliziertem Weg über mehrere durch C. verwaltete Scheinunternehmen bis auf einige tausend Franken an sich zurück transferieren lassen und keinen Anteil des Kreditbetrags für die Finanzierung von Bauleistungen verwendet. Zwar hätten im Jahr 2014 Bauleistungen an der betroffenen Liegenschaft stattgefunden, doch seien – abgesehen von der Erstellung einer Baueingabe – bislang keinerlei Hinweise bekannt, wer diese erbracht habe und mit welchem Geld diese finanziert worden seien. Es bestünden Verdachtsgründe dafür, dass diese Bauleistungen nur einen Bruchteil der Kreditsumme abdecken würden.
Instanzenzug
Die aufwendige Verheimlichung der Finanzierung der realen Bauleistungen in Verbindung mit der Vorstrafe des Beschuldigten im Betäubungsmittelhandel begründe zudem einen zumindest hinreichenden Anfangstatverdacht dafür, dass er den Umbau mit aus Verbrechen stammendem Geld finanziert habe und die Ermittlung dieses Umstandes durch die fiktiven Rechnungen und den Baukredit habe erschweren wollen. Der Tatverdacht beruhe im Wesentlichen auf dem Geldfluss, den Verdachtsgründen gegen C. aufgrund der gesamten Ermittlungen in der verzweigten Untersuchung xxx sowie den Verhältnissen des Beschuldigten und der B. AG.
Am 29. Juni 2022 führte die Staatsanwaltschaft am Wohnort des Beschuldigten, in den Büroräumlichkeiten der B. AG und an deren Domizil Hausdurchsuchungen durch und stellte Papiere und Speichergeräte mit Aufzeichnungen sicher.
Im Anschluss an die delegierte Einvernahme des Beschuldigten vom 29. Juni 2022 stellte dessen Verteidiger ein umfassendes Siegelungsbegehren.
Am 14. Juli 2022 ersuchte die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, um Entsiegelung der sichergestellten Papiere und Speichergeräte.
Mit Verfügung vom 6. September 2022 wies das Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, das Entsiegelungsgesuch mangels hinreichenden Tatverdachts ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Dagegen gelangt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht, vom 6. September 2022 und die Gutheissung des Entsiegelungsgesuchs der Staatsanwaltschaft vom 14. Juli 2022.
Das Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, verzichtet auf eine Stellungnahme. Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Staates. Die Oberstaatsanwaltschaft hat auf die Einreichung einer Stellungnahme zur Vernehmlassung des Beschwerdegegners verzichtet.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_172/2022 vom 21. März 2024
Zum intertemporalen Recht erklärt das Bundesgericht: «Die hier streitige Verfügung datiert vom 6. September 2022, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde altrechtlich zu beurteilen ist. Es handelt sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid betreffend eine Strafsache (vgl. Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. aArt. 248 Abs. 3 lit. a StPO und Art. 380 StPO).» (E.1).
Die Vorinstanz stellt gemäss Bundesgericht im Wesentlichen auf den Beschluss vom 3. August 2022 ab, mit dem das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts verneint und die Beschwerde des Beschwerdegegners gegen die Anordnung von Untersuchungshaft gutheisst (E.2.1). Das Bundesgericht stellte diese Erwägungen der Vorinstanz und die Argumentationen der Parteien im Verfahren vor Bundesgericht anschliessend im Detail dar (E.2.1.1 ff. und E.2).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_172/2022 vom 21. März 2024 generell-abstrakt zunächst wie folgt:
«Zwangsmassnahmen können nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO). Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das für die Beurteilung von Zwangsmassnahmen im Vorverfahren zuständige Gericht bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Bestreitet eine betroffene Person den Tatverdacht, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung der beschuldigten Person an dieser Tat vorliegen. Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht begründen zu können (BGE 141 IV 87 E. 1.3.1; Urteile 7B_128/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 2.1; 7B_184/2022 vom 30. November 2023 E. 2.1.1; je mit weiteren Hinweisen). Zur Frage des Tatverdachts bzw. zur Schuldfrage hat das Bundesgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen noch dem erkennenden Sachgericht vorzugreifen (Urteile 7B_161/2022 vom 5. Oktober 2023 E. 2.2; 1B_208/2022 vom 14. April 2023 E. 3.1; vgl. BGE 143 IV 330 E. 2.1 betreffend den dringenden Tatverdacht im Haftverfahren).» (E.3.2).
«Die Anordnung von Untersuchungs- und Sicherheitshaft setzt das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts voraus (Art. 221 Abs. 1 Ingress StPO). Erforderlich sind konkrete Verdachtsmomente, wonach das untersuchte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 143 IV 330 E. 2.1, 316 E. 3.1; 137 IV 122 E. 3.2; Urteile 7B_53/2024 vom 7. Februar 2024 E. 6.1; 7B_1028/2023 vom 12. Januar 2024 E. 7.1; je mit Hinweisen). In einzelnen nicht amtlich publizierten Urteilen hat das Bundesgericht dieselbe Formulierung auch bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts (im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) im Entsiegelungsverfahren verwendet (vgl. z.B. Urteile 1B_273/2022 vom 22. November 2022 E. 6.1; 1B_656/2021 vom 4. August 2022 E. 9.2; 1B_427/2021 vom 21. Januar 2022 E. 4.2; 1B_435/2021 vom 8. Dezember 2021 E. 2.1), was in der Lehre teils auf Kritik gestossen ist. Konkret wurde dagegen eingewendet, dass das Erfordernis von „konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte“, ein zu hoher Standard sei. Da die Entsiegelung deutlich weniger eingriffsintensiv sei als die Untersuchungshaft, seien hier an den Tatverdacht weniger hohe Anforderungen zu stellen. Es sei daher sachgerechter, darauf abzustellen, dass aufgrund einer vorläufigen Einschätzung von einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Strafhandlungen ausgegangen werden könne (DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, Rz. 473 mit Verweis auf die Urteile 1B_322/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 2.2 und 1B_439/2020 vom 21. Januar 2021 E. 7.1).» (E.3.3).
«In der Tat setzen nichtfreiheitsentziehende strafprozessuale Zwangsmassnahmen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht die gleich hohe Intensität eines Tatverdachts voraus wie Untersuchungs- und Sicherheitshaft (so etwa ausdrücklich Urteile 1B_691/2021 vom 21. Juli 2022 E. 2.2; 1B_193/2017 vom 24. August 2017 E. 3.3; 1B_516/2011 vom 17. November 2011 E. 2.1; 1B_212/2010 vom 22. September 2010 E. 3.1; 1B_120/2008 vom 24. Oktober 2008 E. 4). Vor diesem Hintergrund ist es ungenau, bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO auf das Kriterium abzustellen, das in der publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts im Zusammengang mit der Überprüfung des dringenden Tatverdachts im Haftverfahren entwickelt worden ist. Richtigerweise ist für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts im Entsiegelungsverfahren nur, aber immerhin das Vorliegen erheblicher und konkreter Hinweise auf eine strafbare Handlung verlangt.» (E.3.4).
Das Bundesgericht äussert sich anschliessend zu den Tatbeständen des Betrugs (E.4.1) und der Geldwäscherei (E.4.2).
Fallbezogen kommt dann das Bundesgericht im Urteil 7B_172/2022 vom 21. März 2024 zu den Schlussfolgerungen:
«Es trifft zwar zu, dass das Obergericht bei der Beurteilung des Antrags auf Anordnung von Untersuchungshaft einen dringenden Tatverdacht gegen den Beschwerdegegner in Bezug auf Betrug und Geldwäscherei verneint hat (vgl. oben E. 2.1.1 f.). Dieser Entscheid war für die Vorinstanz jedoch nicht bindend, zumal es sich beim Entsiegelungsverfahren um ein eigenständiges Verfahren handelt und für die Entsiegelung im Gegensatz zur Untersuchungshaft ein hinreichender statt ein dringender Tatverdacht genügt (vgl. oben E. 3.2 f.; vgl. dazu auch Urteil 1B_193/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 5.3 betreffend Überwachung des Fernmeldeverkehrs). Aus den obergerichtlichen Ausführungen (vgl. oben E. 2.1.1) geht hervor, dass das Obergericht durchaus von erheblichen und konkreten Hinweisen auf strafbare Handlungen ausging. So führte es aus, es lasse sich nicht von der Hand weisen, dass die von der Staatsanwaltschaft im Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft angeführten Umstände den Eindruck vertuschender Aktivitäten erwecken würden. Es sei unklar, ob die der Bank E. anlässlich der Hypothekenaufstockung vorgelegten sechs Baurechnungen der D. AG vom 30. Januar 2015 im Betrag von Fr. 312’750.10 echt gewesen seien und dem Gegenwert der tatsächlich erbrachten Bauleistungen entsprochen hätten. Ebenso falle auf, dass kurz nach Auszahlung des Kredits ein ähnlich hoher Betrag wieder an den Beschwerdegegner (bzw. die G. AG) zurückgeflossen und verdachtsweise nicht bei der D. AG (als Entgelt für die angeblich ausgeführten Bauleistungen) verblieben sei. Aufgrund dieser obergerichtlichen Ausführungen, auf welche die Vorinstanz „vollumfänglich“ verweist (vgl. oben E. 2.1.3), hätte sie das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts nicht ohne Weiteres verneinen dürfen.» (E.4.3.1).
«Die Staatsanwaltschaft hat im Entsiegelungsgesuch ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie bei der vorliegenden Sachlage den Beschwerdegegner des Betrugs verdächtigt. Dabei war sie (insbesondere angesichts des frühen Untersuchungsstadiums) nicht gehalten, alle Tatbestandsmerkmale von Art. 146 StGB detailliert abzuhandeln (vgl. Urteile 1B_395/2022 vom 23. Juni 2023 E. 3.5; 1B_656/2021 vom 4. August 2022 E. 9.5). Vielmehr hatte die Staatsanwaltschaft darzulegen, ob erhebliche und konkrete Hinweise auf eine strafbare Handlung vorlagen (vgl. oben E. 3.4), und das hat sie getan. Die Beschwerdeführerin bringt betreffend den Vermögensschaden zutreffend vor, dass Anlass bestehe, die in den Akten der Bank E. und im privaten Gutachten des Beschwerdegegners erfolgte Bewertung des Marktwertes der fraglichen Liegenschaft durch geeignete Ermittlungen zu hinterfragen, bevor entlastend darauf abgestellt werden könne, wenn eine Strafuntersuchung – wie vorliegend – durch den dringenden Tatverdacht auf aufwendig inszenierte täuschende Machenschaften ausgelöst worden sei (vgl. oben E. 2.2). Ziel des Entsiegelungsgesuches ist es, die dargelegten Verdachtsgründe mithilfe der versiegelten Unterlagen zu erhellen. Der Strafbehörde, welche den Endentscheid zu fällen haben wird, ist dabei nicht vorzugreifen (vgl. oben E. 3.2). Indem die Vorinstanz unter Verweis auf den obergerichtlichen Beschluss vom 3. August 2022 das Vorliegen eines Vermögensschadens bei der Bank E. verneint, überspannt sie im vorliegenden Fall die Anforderungen an den Nachweis eines hinreichenden Tatverdachts.» (E.4.3.2).
«Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Geldwäschereiverdacht insbesondere vorliegen, wenn von den Strafbehörden eine auffällige Verknüpfung geldwäschereitypischer Vorkehren dargetan wird. Dies ist etwa der Fall, wenn hohe Geldbeiträge über komplexe Kontenbewegungen unter zahlreichen involvierten Personen und Firmen in verschiedenen Ländern (darunter typischerweise „Offshore“-Domizilien) verschoben wurden und für diese komplizierten Transaktionen kein plausibler wirtschaftlicher Grund ersichtlich ist (BGE 129 II 97 E. 3.3; siehe auch BGE 142 IV 207 E. 7.2.2; 120 IV 323 E. 3d; Urteile 1B_125/2022 vom 6. Dezember 2022 E. 4.2; 1B_564/2021 vom 31. August 2022 E. 3.4 mit Hinweisen). Zwar liegt im vorliegenden Fall kein grenzüberschreitender Sachverhalt im Sinne der zitierten Rechtsprechung vor. Da der Tatbestand der Geldwäscherei jedoch zwei voneinander unabhängige Elemente enthält (Vereitelungshandlung einerseits und Vortat andererseits), reicht es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in einer ersten Phase der Strafuntersuchung aus, dass ein hinreichender Tatverdacht bloss bezüglich einem der beiden Elemente besteht, es jedoch aufgrund der besonderen Umstände im Sinne eines Anfangsverdachts naheliegt, dass auch das andere Tatbestandsmerkmal erfüllt sein dürfte (Urteil 1P.64/2007 vom 29. Mai 2007 E. 5.1; vgl. auch Urteil 1B_195/2018 vom 7. Juni 2018 E. 3.2).
Die Staatsanwaltschaft hat im Entsiegelungsgesuch – insbesondere aufgrund der erfolgten verdächtigen Geldflüsse – das Vorliegen geldwäschereitypischer Vorkehren nachvollziehbar dargelegt. Dass sie in diesem frühen Zeitpunkt der Strafuntersuchung aufgrund der einschlägigen Vorstrafe des Beschwerdegegners wegen des Kaufs von 170 kg Marihuana-Stauden von einem hinreichenden Tatverdacht betreffend gewerbsmässigen Betäubungsmittelhandel ausgeht, steht im Einklang mit der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung und ist nicht zu beanstanden. Das Obergericht, auf dessen Erwägungen die Vorinstanz „vollumfänglich“ verweist, hat im Übrigen erwogen, dass die Staatsanwaltschaft als Vortat gewerbsmässigen Drogenhandel vermute, welcher „aber noch geprüft werden müsse“. Daraus folgt, dass auch nach Einschätzung des Obergerichts für die Beurteilung bzw. den Nachweis der Geldwäschereivortat weitere Untersuchungen erforderlich sind. Indem die Vorinstanz (implizit) zum Ergebnis gelangt, mangels Nachweises der Vortat sei das Vorliegen eines hinreichenden Geldwäschereiverdachts zu verneinen, überspannt sie die Anforderungen an den Nachweis eines hinreichenden Tatverdachts im Untersuchungsstadium.» (E.4.3.3).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. Die Vorinstanz hat die weiteren Entsiegelungsvoraussetzungen zu prüfen (E.5).