Februar 24, 2023 2:42 pm

Das Bundesgericht weist im Urteil 1B_22/2023 vom 13. Februar 2023 die Beschwerde gegen Bestätigung von Untersuchungshaft betreffend «Brian» durch Zürcher Obergericht ab. Dabei macht es eingehende Ausführungen zum besonderen Haftgrund der Wiederholungsgefahr (E.2.3). Kurz erwähnt es (nicht entscheidungsrelevant) auch die anstehende Revision: «An den Erfordernissen drohender Verbrechen oder schwerer Vergehen und einer erheblichen unmittelbaren Sicherheitsgefährdung sowie am Vortatenerfordernis wurde auch in der erfolgten Revision von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO (neue Fassung vom 17. Juni 2022, BBl 2022 1560, 7) grundsätzlich festgehalten.» (E.2.3)

Februar 23, 2023 11:50 am

Der Bundesrat hat am 22. Februar 2023 die Vernehmlassung zur Verordnung über die Finanzierung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (FV-ÜPF) eröffnet. Die Vorlage sieht die Einführung von Pauschalen vor. Damit soll das heutige Finanzierungs- und Rechnungsstellungssystem vereinfacht werden. Gleichzeitig soll der Kostendeckungsgrad beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) angehoben werden. Die Kantone sollen gegenüber heute doppelt so viel zur Deckung der Kosten beitragen.

Februar 22, 2023 6:08 am

Im Urteil 6B_101/2022 vom 30. Januar 2023 (zur amtl. Publ. vorgesehen) ging es vor Bundesgericht um den Pfeffersprayeinsatz eines Polizisten im Rahmen der Polizeistundenkontrolle in einem Nachtclub im Kanton Graubünden gegen den Geschäftsführer. Das Bundesgericht bestätigte die zweitinstanzliche Verurteilung des Polizisten wegen Amtsmissbrauchs im Sinne von Art. 312 StGB. Neben einer ausführlichen Diskussion des Tatbestandes äusserte sich das Bundesgericht wie folgt: «Soweit der Beschwerdeführer schliesslich eine Verletzung von Art. 312 StGB geltend machen will, weil der auf der subjektiven Ebene der Absicht geforderte Nachteil nicht in der Zwangshandlung selber liegen könne, ist der vorinstanzliche Schuldspruch nach dem in E. 1.3 hiervor Gesagten nicht zu beanstanden.» (E.3).

Februar 21, 2023 8:32 am

Im sehr Lesenswerten Urteil 6B_1078/2022 vom 25. Januar 2023 des Bundesgerichts aus dem Kanton Aargau stehen einerseits diverse Aspekte des Strafprozessrechts zur Diskussion (u.a. Akteneinsichtsrecht, Dokumentationspflicht, Konfrontationsrecht, Verfahrenstrennung, Suggestivfragen). Andererseits geht es um diverse BetmG-Tatbestände, wie u.a. den Tatbestand des Anstaltentreffens von Art. 19 Abs. 1 lit. g BetmG. Merkwürdig, ja gänzlich strafrechtsfremd und aus dem Zivilprozessrecht stammend, ist die Aussage des Bundesgerichts, dass den Beschuldigten Vorbringungs- und Substanziierungspflichten bezüglich entlastenden Aspekten getroffen haben sollten (E.1.2.a.E.). Dies ist natürlich abzulehnen.

Februar 18, 2023 6:25 am

Im Urteil 6B_424/2021 vom 26. Januar 2023 aus dem Kanton Aargau befasste sich das Bundesgericht mit dem Anklagegrundsatz (E.1.2 und E.1.3). Dabei erwähnte es u.a. Folgendes: «Die Anklageschrift hat den angeklagten Sachverhalt nur zu behaupten, nicht aber zu beweisen. Demnach gehören in die Anklageschrift weder die Nennung von Beweisen noch Aktenverweise.» (E.1.3 a.E.).

Februar 17, 2023 6:41 am

Im Urteil 1B_209/2022 vom 22. Dezember 2022 aus dem Kanton Bern befasste sich das Bundesgericht mit dem Ausstand von Gerichtspersonen (Art. 56 ff. StPO). Dabei zeigte das Bundesgericht allgemein auf, in welcher Frist nach Art. 58 Abs. 1 StPO ein Gesuch um Ausstand «ohne Verzug» gestellt werden muss (E.2.1) und wie (hoch) die Anforderungen an die Ausstandsgründe, namentlich Art. 56 lit. f StPO, sind (E.3.1). Hier ist eine Schlüsselstelle aus dem Urteil: «Verbale Anfeindungen, Unterstellungen oder auch das Erheben einer Strafanzeige durch eine Partei vermögen für sich allein keinen Ausstandsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f StPO zu begründen. Andernfalls hätte es die betreffende Partei in der Hand, einen Richter oder eine Richterin auf diesem Weg in den Ausstand zu versetzen und so die Zusammensetzung des Gerichts zu beeinflussen. Massgeblich ist in derartigen Fällen die Reaktion der betroffenen Gerichtsperson. Antwortet diese etwa mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung und Zivilforderungen, so erhält der Konflikt dadurch eine persönliche Dimension, welche ihre Unbefangenheit tangiert. Auch andere Formen der Reaktion, welche nicht mehr sachgerecht sind, können zu einem Ausstandsgrund führen.» (E.3.1. a.E.).

Februar 16, 2023 5:20 am

Im Urteil des Bundesgerichts 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023 geht es um eine versuchte Befreiung von Gefangenen im Sinne von Art. 310 Ziff. 1 StGB, u.a. mit einer Bombendrohung gegen das Gefängnis. Das Bundesgericht macht in diesem Urteil lehrbuchartige Ausführungen zum Tatbestand von Art. 310 Ziff. 1 StGB (E.2.2).

Februar 14, 2023 5:47 am

Im Urteil 1B_508/2022 vom 16. Dezember 2022 aus dem Kanton Aargau ging es um den Verdacht von Delikten eines Mannes gegenüber seiner ehemaligen Partnerin. Das Bundesgericht nahm in diesem Entscheid umfassend zum Thema DNA-Profile sowie Art. 197 Abs. 1 StPO Stellung (E.2). Betreffend der Abnahme von DNA zur Aufklärung und Verhütung künftiger Straftaten äusserte sich das Bundesgericht wie folgt: «Dient die DNA-Analyse nicht der Aufklärung bereits begangener, sondern der Aufklärung und Verhütung künftiger Straftaten, müssen vor dem Hintergrund des Verhältnismässigkeitsgebots allerdings erhebliche und konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr derartiger künftiger Straftaten bestehen. Diese haben zudem von einer gewissen Schwere zu sein. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung auch, ob der Beschuldigte vorbestraft ist. Trifft dies nicht zu, schliesst das allein die DNA-Analyse jedoch nicht aus» (E.2.6). Im vorliegenden Fall sprach sich das Bundesgericht gegen die Abnahme der DNA aus, weil nur künftige Delikte gegen eine bestimmte Person zur Diskussion stehen konnten (E.2.8).

Februar 13, 2023 10:53 am

Im Urteil 6B_1364/2022 vom 18. Januar 2023 ging es um die Verurteilung eines Mannes aus dem Kanton Bern wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung zum Nachteil seines damals sieben Wochen alten Sohnes. In diesem Urteil setzt sich das Bundesgericht, auch wenn es dem Beschwerdeführer appellatorische Kritik vorwirft und betont, dass dem Grundsatz «in dubio pro reo» als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zukomme (E.2.4.3), eingehend mit der wörtlich «sorgfältigen Beweiswürdigung» durch die Vorinstanz und der hierbei verwendeten Beweismittel auseinander (E.2.2). Das Bundesgericht scheint dabei, zumindest implizit, einen grossen Wert auf den Umfang und die Art der vor der Vorinstanz herbeigezogenen Beweise zu legen.

Februar 10, 2023 2:36 pm

Im Urteil 1B_563/2022 vom 19. Januar 2023 befasste sich das Bundesgericht der Frage der Substanziierungspflicht im Entsiegelungsverfahren. Im konkreten Fall wurde die Aussonderung von Anwaltskorrespondenz verlangt, unter Angabe der beiden relevanten Anwaltskanzlei-E-Mail-Adressen. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Die prozessuale Obliegenheit, angerufene Geheimhaltungsinteressen ausreichend zu substanziieren, ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Zwangsmassnahmengericht eine sachgerechte und gezielte Triage ermöglichen […]. Praxisgemäss ist es hierfür ausreichend, wenn der Speicherort der geschützten Anwaltskorrespondenz und die Namen der Anwältinnen und Anwälte bekannt sind, da so ohne Weiteres mittels Suchfunktion nach der geschützten Anwaltskorrespondenz gesucht werden kann und eine Aussonderung ohne grossen Aufwand bzw. aufwändige Nachforschungen möglich ist.» (E.3.3.1). Das Gesagte ist indessen insoweit zu präzisieren, als auf eine Nennung des exakten Speicherorts nur dann verzichtet werden darf, wenn offensichtlich ist, wo diejenigen Daten abgelegt sind, die dem angerufenen Geheimnisschutz unterliegen sollen.» (E.3.3.2). Diese Ausführungen sind selbstverständlich nicht auf Anwaltskorrespondenz beschränkt.