Sachverhalt
Das Bezirksgericht Winterthur sprach A. am 22. Oktober 2018 der mehrfachen Freiheitsberaubung, der mehrfachen Nötigung, der Drohung und der Beschimpfung schuldig. Von der mehrfachen Nötigung (andere Sachverhaltsabschnitte), der einfachen Körperverletzung, der Beschimpfung und der mehrfachen Tätlichkeiten sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 50.–. Zudem verwies das Bezirksgericht Winterthur A. für die Dauer von sieben Jahren des Landes, wobei es von einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) absah. Weiter entschied es über die beschlagnahmten Gegenstände sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Instanzenzug
Auf Berufung von A., der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich sowie des Privatklägers hin stellte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 15. September 2021 fest, dass die Freisprüche betreffend einfache Körperverletzung und Nötigung in Rechtskraft erwachsen sind, und sprach A. wie bereits das Bezirksgericht der mehrfachen Freiheitsberaubung, der mehrfachen Nötigung, der Drohung und der Beschimpfung schuldig. Von der mehrfachen Nötigung (andere Sachverhaltsabschnitte), der Beschimpfung und der mehrfachen Tätlichkeiten sprach es ihn ebenfalls frei. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie einer bedingten Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 80.–. Von der Anordnung einer Landesverweisung sah das Obergericht des Kantons Zürich ab (Urteil und den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 15. September 2021 (SB190211-O/U/cs)).
Weiterzug an das Bundesgericht
Die Oberstaatsanwaltschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, Dispositivziffer 5 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. September 2021 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die Dispositivziffer 5 aufzuheben und A. für die Dauer von sieben Jahren des Landes zu verweisen.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil vom 6B_207/2022 vom 27. März 2023
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das Absehen von der Anordnung einer Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB. Zusammengefasst beanstandet sie, die Vorinstanz sei insbesondere mit Blick auf die Wiedereingliederungsmöglichkeiten des Beschwerdegegners in seinem Heimatland sowie seiner fehlenden Verwurzelung in der Schweiz zu Unrecht von einem schweren persönlichen Härtefall ausgegangen. Und selbst bei Annahme eines schweren persönlichen Härtefalls würden die öffentlichen Interessen erheblich erscheinen, weshalb eine Landesverweisung anzuordnen sei. (E.1.1)
Allgemeine Ausführungen des Bundesgerichts zur Landesverweisung und zum Härtefall
Das Bundesgericht machte zunächst folgende allgemeine Ausführungen zur Landesverweisung:
«Art. 66a Abs. 1 lit. g StGB sieht für Ausländer, die wegen Freiheitsberaubung im Sinne von Art. 183 StGB verurteilt wurden, unabhängig von der Höhe der Strafe, die obligatorische Landesverweisung für 5-15 Jahre aus der Schweiz vor. Gemäss Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB).
Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 und 3.3.1). Für einen Verzicht auf die Landesverweisung gestützt auf Art. 66a Abs. 2 StGB müssen die in dieser Bestimmung erwähnten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Erforderlich ist einerseits, dass die Landesverweisung für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde, und andererseits, dass die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3).» (E.1.2.1)
«Ob ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, bestimmt sich anhand der gängigen Integrationskriterien (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2 und 3.4.4; 144 IV 332 E. 3.3.2). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiäre Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand und die Resozialisierungschancen (vgl. Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteil 6B_855/2020 vom 25. Oktober 2021 E. 3.2.4; je mit Hinweisen).
Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der „öffentlichen Interessen an der Landesverweisung“. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 5.3.2; 6B_748/2021 vom 8. September 2021 E. 1.1.1; je mit Hinweisen).» (E.1.2.2)
«Von einem schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (vgl. Urteile 6B_1264/2021 vom 13. Juli 2022 E. 1.3.3; 6B_105/2021 vom 29. November 2021 E. 3.1; 6B_780/2020 vom 2. Juni 2021; je mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung kann sich der Ausländer auf das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, sofern er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen. Bei der Härtefallprüfung ist nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer von einer Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Es ist vielmehr anhand der gängigen Integrationskriterien eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern wird dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration – beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz – in aller Regel als starke Indizien für ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib in der Schweiz und damit für das Vorliegen eines Härtefalls zu werten sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4; vgl. BGE 134 II 10 E. 4.3; Urteil 6B_305/2021 vom 28. April 2022 E. 4.3.2; je mit Hinweisen).
Das durch Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1; je mit Hinweisen).» (E.1.2.3)
«Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161 E. 3.4; Urteile 6B_255/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.5; 6B_305/2021 vom 28. April 2022 E. 4.3.3; je mit Hinweisen). Die Staaten sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berechtigt, Delinquenten auszuweisen; berührt die Ausweisung indes Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu rechtfertigen (BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteil des EGMR in Sachen I.M. gegen Schweiz vom 9. April 2019, Nr. 23887/16, § 68). Erforderlich ist zunächst, dass die aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist (BGE 146 IV 105 E. 4.2; 143 I 21 E. 5.1). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen (Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021, Nr. 77220/16, § 34; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020, Nr. 59006/18, § 49; je mit zahlreichen Hinweisen; BGE 146 IV 105 E.4.2; Urteile 6B_255/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.5; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.5, nicht publ. in: BGE 147 IV 340). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung beziehungsweise am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 II 35 E. 6.1; Urteile 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 5.3.3; 6B_780/2020 vom 2. Juni 2021 E. 1.3.3, je mit Hinweisen).» (E.1.2.4)
Sachverhaltsspezifische Ausführungen des Bundesgerichts
Fangen wir hier beim Resultat an: Das Bundesgericht verneint im zu beurteilenden Fall im Gegensatz zur Vorinstanz das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB. (E.1.5.6).
Hier sind einige der zentralen Ausführungen des Bundesgerichts:
Zur Aufenthaltsdauer in der Schweiz
«Der Beschwerdegegner ist im Alter von 12 Jahren aus Mazedonien in die Schweiz gekommen und lebt zum Urteilszeitpunkt seit rund 13 Jahren hier. Eine längere Aufenthaltsdauer zusammen mit einer guten Integration ist in aller Regel als starkes Indiz für das Vorliegen eines Härtefalls; dennoch lässt sich nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz annehmen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4; vgl. Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.3; 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 5.3.2; je mit Hinweisen; vgl. E. 1.2.3 oben). Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdegegner hier ab der 5. Klasse die Schule besucht und mehr als die Hälfte seines Lebens verbracht hat, durfte die Vorinstanz ohne weiteres von einer prägenden Zeit ausgehen. Jedoch gilt dies auch für seine bis zur Einreise in die Schweiz in Mazedonien verbrachte (Schul-) Zeit. Demnach ist alleine gestützt auf die Aufenthaltsdauer noch nicht von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen.» (E.1.5.1)
Zur Integration in der Schweiz
«Mit Bezug auf die familiäre Situation geht die Vorinstanz von einer sozialen Einbindung und Integration in der Schweiz aus. Sie stützt sich dabei insbesondere auf den Umstand, dass die engsten Bezugspersonen des Beschwerdegegners, seine Mutter und sein Bruder, in der Schweiz leben (angefochtenes Urteil S. 132).
Zum geschützten Familienkreis i.S.v. Art. 8 EMRK gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (vgl. E. 1.2.3 oben). In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen aber auch andere familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht (BGE 144 II 1 E. 6.1). Hinweise für solche Beziehungen sind das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle Abhängigkeit, speziell enge familiäre Bande, regelmässige Kontakte oder die Übernahme von Verantwortung für eine andere Person. Bei hinreichender Intensität sind auch Beziehungen zwischen nahen Verwandten wie Geschwistern oder Tanten und Nichten wesentlich, doch muss in diesem Fall zwischen der über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Person und dem um die Bewilligung nachsuchenden Ausländer ein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionale Bindungen hinausgehendes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehen (vgl. dazu BGE 144 II 1 E. 6.1 mit diversen Hinweisen; vgl. Urteil 6B_255/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.3 mit Hinweisen). Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdegegner weder eine Freundin noch Kinder in der Schweiz; damit verfügt er nicht über eine Kernfamilie im Sinne der Rechtsprechung. Wenn er dagegen vorbringt, es sei nichts Besonderes und vermöge eine fehlende Verwurzelung in der Schweiz mit Sicherheit nicht zu begründen, wenn er im Alter von 25 Jahren noch keine Familie oder eine Freundin habe, so geht dieser Einwand fehl. Mit Bezug auf die Mutter und den Bruder des Beschwerdegegners hält die Vorinstanz lediglich fest, er pflege zu ihnen regelmässigen Kontakt bzw. lebe teilweise auch bei ihnen. Inwieweit dadurch jedoch ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis begründet würde, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Der Kontakt zu seinen in der Schweiz lebenden nahen Familienangehörigen kann im Rahmen von Kurzaufenthalten, Ferienbesuchen oder über die modernen Kommunikationsmittel vom Ausland her wahrgenommen werden (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.3; vgl. auch Urteil 6B_255/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.3 mit Hinweis). Die Vorinstanz erachtet die familiäre Situation des Beschwerdegegners nebst der Aufenthaltsdauer als zentrales Element für einen Härtefall; nach dem Ausgeführten ist ein solcher jedoch gestützt auf diese beiden Elemente nicht zu begründen.
Auch die soziale Komponente begründet keinen Härtefall, führt doch selbst die Vorinstanz mit Bezug auf die weiteren sozialen Kontakte des Beschwerdegegners relativierend aus, diese würden sich bloss auf eine Handvoll Kollegen beschränken, die er bis auf eine Ausnahme nur mit Vornamen benennen könne. Mit der Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegner damit in den 13 Jahren in der Schweiz keine nennenswerten Kontakte zu Personen ausserhalb seiner Familie schaffen oder aufrechterhalten können. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Beschwerdegegner gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hobbymässig Fussball spielt und dies auch schon in einem entsprechenden Verein getan habe; und der Beschwerdegegner kann auch nichts für sich ableiten, wenn er sich dabei auf die „zahlreichen Mittäter“ bezieht und vorbringt, er kenne diese gut, sie würden nicht aus seinem Heimatland stammen und er sei dadurch sozial integriert. Gestützt auf die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen ist zwar mit der Vorinstanz von einer gewissen sozialen Einbindung in der Schweiz auszugehen, nicht jedoch von einer gelungenen sozialen Integration. Allfällige (fehlende) Vorstrafen bzw. das Verhalten des Beschwerdegegners nach der Tat sind nicht bei der Härtefallprüfung, sondern erst bei einer allfälligen Interessenabwägung zu berücksichtigen.» (E.1.5.2)
Zur beruflichen Integration (in der Schweiz und im Heimatland)
«Weiter prüft die Vorinstanz auch die berufliche Integration des Beschwerdegegners (angefochtenes Urteil S. 132 f.). Nachdem sie verbindlich festhält, er habe eine Lehre als Metallbaupraktiker abgeschlossen, im Rahmen von temporären Anstellungen in den letzten Jahren seinen Lebensunterhalt selber bestritten und sei seit einiger Zeit in einem 100 % Pensum als Sicherheitsangestellter tätig, attestiert die Vorinstanz ihm zu Recht eine gewisse Integration. Dies scheint auch die Beschwerdeführerin nicht zu bestreiten. Jedoch ist die berufliche und wirtschaftliche Situation des Beschwerdegegners bloss als ein Element innerhalb der Härtefallprüfung zu berücksichtigen und wiegt vorliegend zudem nicht übermässig hoch. Nicht zu vernachlässigen ist in dieser Hinsicht überdies, dass dem Beschwerdegegner mit seinem beruflichen Werdegang in wirtschaftlicher Hinsicht eine Wiedereingliederung in seinem Heimatland möglich erscheint. Diesbezüglich hält die Vorinstanz unter anderem fest, der Beschwerdegegner spreche Albanisch, habe im Rahmen seines fünfjährigen Schulbesuchs in Mazedonien die Sprache auch schreiben und lesen gelernt und sei mit der dortigen Kultur vertraut. Demnach sind die Chancen der Reintegration des Beschwerdegegners in seinem Heimatland in dieser Hinsicht mit der Beschwerdeführerin als intakt einzustufen. Ein allenfalls günstigeres wirtschaftliches Fortkommen in der Schweiz vermag einen Verbleib in der Schweiz nicht zu begründen (vgl. Urteil 6B_1123/2020 vom 2. März 2021 E. 3.3.7). Was der Beschwerdegegner diesbezüglich vorbringt, vermag – soweit überhaupt rechtsgenüglich begründet – nicht zu überzeugen, zumal er sich grösstenteils auf den Zeitraum nach dem vorinstanzlichen Urteil bezieht. Darauf kann nicht abgestellt werden (vgl. Art. 99 BGG).» (E.1.5.3)
Zur gesundheitlichen Situation
«Schliesslich spricht gestützt auf die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen auch der Gesundheitszustand des Beschwerdegegners nicht gegen eine Ausweisung. Zwar wurde bei ihm auf dem linken Ohr eine Gehörleistung von nur 15 % festgestellt, weshalb er in der zweiten Sekundarschule in eine Gehörlosenschule wechselte und die IV ihn bei seiner Lehre als Metallbaupraktiker in einer Stiftung unterstützte. Jedoch ist ebenfalls erstellt, dass der Beschwerdegegner seit jüngerem in einem 100 % Pensum als Sicherheitsangestellter tätig ist und keine Unterstützung der IV mehr benötigt. Dass sein Gesundheitszustand in sonstiger Weise gegen eine Landesverweisung bzw. für einen Härtefall sprechen würde, ist weder festgestellt noch ersichtlich, mitunter angesichts des noch sehr jungen Alters des Beschwerdegegners. Was er mit Bezug auf seine Hilfsbedürftigkeit vorbringt, bezieht sich grösstenteils auf die Zeit nach dem vorinstanzlichen Urteil und ist vor Bundesgericht als Novum i.S.v. Art. 99 BGG unbeachtlich.» (E.1.5.5)
Zur Landesverweisung trotz Annahme des (nicht vorhandenen) Härtefalls
Selbst bei Bejahung eines schweren Härtefalls wäre der Beschwerdegegner, wie das Bundesgericht weiter betont, des Landes zu verweisen. (E.1.6).
Das Bundesgericht äusserte sich hierzu wie folgt:
«Die Vorinstanz prüft zwar im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit sowie die Legalprognose (vgl. E. 1.2.2 oben); ihre Interessenabwägung fällt aber zu Unrecht zugunsten des Beschwerdegegners aus.
Die Taten des Beschwerdegegners stehen in Zusammenhang mit einem Vorfall, der sich am 22. November 2016 in der Moschee B. in U. ereignet hat. Dabei kam es grob zusammengefasst zu Übergriffen auf zwei Geschädigte durch mehrere, insgesamt zehn, Mitbeschuldigte, darunter auch durch den Beschwerdegegner. Der erste Sachverhaltsteil hat sich zu Beginn des Vorfalls und örtlich im Eingangsbereich der Moschee abgespielt. Der diesem chronologisch nachgelagerte Sachverhaltsteil umfasst das darauffolgende Geschehen im Gebetsraum. Und schliesslich beinhaltet der letzte Sachverhaltsteil die letzte Phase des Vorfalls, welche sich im Büro des Vorstands abgespielt hat. Für die Sachverhaltsfeststellungen ist auf das vorinstanzliche Urteil zu verweisen (vgl. angefochtenes Urteil S. 12 ff.).
Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als es sich bei den Taten des Beschwerdegegners (er wurde der mehrfachen Freiheitsberaubung, der mehrfachen Nötigung, der Drohung und der Beschimpfung schuldig gesprochen) nicht um körperliche Gewalttaten handelt; jedoch tangieren sie, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, die Rechte anderer massiv. Als nachvollziehbar erweist sich diesbezüglich auch der beschwerdeführerische Einwand, wonach immerhin zwei Personen gegen deren Willen über mehrere Stunden festgehalten worden seien, sich die Täter in zahlenmässiger Übermacht befunden hätten und sie die Geschädigten durch Drohungen und tätliche Übergriffe daran gehindert hätten, die Moschee zu verlassen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners verhielt es sich zudem gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht so, als hätte er sich lediglich passiv verhalten, als hätte er weder gewusst noch irgendeine Entscheidungsgewalt darüber gehabt, was mit den Geschädigten passieren solle und als sei es letztlich verwunderlich, warum er überhaupt wegen Freiheitsberaubung verurteilt worden sei. Soweit dieser Einwand nicht ohnehin lediglich appellatorischer Natur ist, bleibt einerseits festzuhalten, dass der Schuldspruch wegen Freiheitsberaubung rechtskräftig ist. Und andererseits war er gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen zwar in einer ersten Phase im Eingangsbereich noch nicht beteiligt, hat aber ab dem Platzieren eines der Geschädigten am Boden des Gebetsraums mitgewirkt. Wie die Beschwerdeführerin zudem begründet darlegt, war der Beschwerdegegner an vorderster Front präsent und nahm eine tragende Rolle ein. Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdegegner habe durch sein Tun an diesem Abend massgeblich zu der Gesamtsituation beigetragen. Dadurch relativieren sich die – ohnehin bezüglich des öffentlichen Interesses dürftig begründeten – Ausführungen der Vorinstanz betreffend das leichte Verschulden des Beschwerdegegners und des Umstands, dass sich der vorliegende Vorfall unter „sehr singulären Umständen“ ereignete. Hinzu kommt, dass vorliegend eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten – und damit nicht mehr eine geringe Strafe – ausgesprochen wurde.
Die fehlenden Vorstrafen und der Umstand, dass sich der Beschwerdegegner seit dem Vorfall nichts mehr zuschulden hat kommen lassen, vermögen die öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung zwar nicht zu erhöhen; jedoch werden dadurch die soeben dargelegten öffentliche Interessen auch nicht abgeschwächt. Mit der Beschwerdeführerin erscheint das öffentliche Interesse – entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Beschwerdegegners – durchaus erheblich und überwiegt vorliegend die doch beschränkten privaten Interessen des Beschwerdegegners.» (E.1.6.3).