März 10, 2023 10:33 am

Künftig kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) Daten auf Handys oder Computern auswerten, wenn die Identität, die Nationalität oder der Reiseweg von Asylsuchenden nicht anders festgestellt werden können. Das hat das Parlament 2021 beschlossen. An seiner Sitzung vom 10. März 2023 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu den für die Umsetzung notwendigen Verordnungsanpassungen eröffnet. Da Strafverfahren oft verknüpft sind mit Migrationsverfahren, schauen wir uns das hier an.

März 10, 2023 9:19 am

Im Urteil 1B_81/2023 vom 27. Februar 2023 aus dem Kanton Basel-Landschaft geht es um Untersuchungshaft beim Vorwurf des Delikts der Brandstiftung. Das Bundesgericht äussert sich dabei einerseits eingehend zum dringenden Tatverdacht und zu den Indizien (E.3). Andererseits prüft das Bundesgericht im Detail den besonderen Haftgrund der Wiederholungsgefahr von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, wobei die Einordnung eines Gutachtens mit grundsätzlich positiver Legalprognose im Fokus stand (E.4). Hier die Schlüsselausführung: «Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz gemäss dem Bundesgericht gestützt auf die Häufigkeit und Intensität der fraglichen dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte sowie die Ausführungen im psychiatrischen Gutachten betreffend die erhöhte Rückfallgefahr von Serientätern, ungeachtet der grundsätzlich positiven gutachterlichen Beurteilung der persönlichen Lebensumstände des Beschwerdeführers, willkürfrei von einer ungünstigen Legalprognose ausgehen.» (E.4.4).

März 8, 2023 7:28 am

Im Urteil 6B_1430/2021 vom 15. Februar 2023 befasste sich das Bundesgericht mit einem SVG-Fall aus dem Kanton Aargau, wobei das Berufungsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Aargau im Fokus stand, welches das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten kein rechtliches Gehör gewährt hat. Das Bundesgericht führte aus, dass das Berufungsverfahren, vorbehältlich weniger Ausnahmen, mündlich durchzuführen sei. Im Übrigen habe das Berufungsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob der Verzicht auf die öffentliche Verhandlung auch mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (E.1.2.1). Weiter machte das Bundesgericht Ausführungen zum Ablauf des schriftlichen Verfahrens (E.1.2.2) sowie zum Anspruch auf rechtliches Gehör (E.1.2.3). In casu bejahte das Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensrechten durch das Obergericht des Kantons Aargau (E.1.3).

März 7, 2023 5:23 am

Im Urteil 6B_16/2022 vom 26. Januar 2023 (amtl. Publ. vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht mit der Zurechnung der Versäumnis der Frist für die Einsprache gegen einen Strafbefehl an den Klienten. Der Brief mit der Einsprache wurde durch den Anwalt irrtümlich nicht abgeschickt. Das Bundesgericht rechnete den Fehler des Anwalts dem Klienten zu. Das Bundesgericht hält fest, dass das Vorliegen einer Pflichtverteidigung eine unabdingbare Voraussetzung für eine (seltene) Ausnahme von der Zurechnung des schweren Fehlverhaltens des Anwalts an seinen Mandanten ist.

März 6, 2023 6:19 am

Im Urteil 6B_1408/2022 vom 17. Februar 2023 aus dem Kanton Solothurn, der auch in der JVA Thorberg spielt, hatte das Bundesgericht eine Laienbeschwerde zum Thema der Lockerungen im Strafvollzug zu beurteilen. Das Bundesgericht setzte sich ausführlich und lehrbuchartig zunächst mit dem Strafvollzug sowie dem Recht auf Vollzugslockerungen auseinander (E.4.4.1 ff.). Weiter folgten Erörterungen zum Thema Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerungen von Vollzugslockerungen, mit fast schon akademischen Erläuterungen (E.4.5.1 ff.). Im vorliegenden Fall urteilte das Bundesgericht, dass es dem Beschwerdeführer unverschuldet faktisch verunmöglicht wurde, die für die Gewährung der Vollzugslockerung von der Vollzugsbehörde gemachten Auflagen zu erfüllen und damit in den Genuss der bereits bewilligten polizeilich doppelbegleiteten Ausgänge zu kommen. Folglich erwies sich die Rüge der Rechtsverzögerung gemäss dem Bundeesgericht als begründet (E.4.9).

März 3, 2023 10:46 am

Am 3. März 2023 hat der Bundesrat eine Anpassung der Regelung zur heroingestützten Behandlung (HeGeBe) beschlossen. Die therapeutische Begleitung soll flexibler ausgestaltet werden, um besser auf spezifische Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten eingehen zu können. Die Revision tritt am 1. April 2023 in Kraft.

März 3, 2023 10:37 am

Straftaten von Personen, die vor und nach ihrem 18. Geburtstag ein Delikt begangen haben, werden künftig grundsätzlich getrennt beurteilt und sanktioniert. Dies hat das Parlament bereits beschlossen. Für den Fall, dass aufgrund dieser Trennung mehrere Sanktionen im Vollzug zusammentreffen, müssen das Vorgehen und die Zuständigkeiten geregelt werden. Der Bundesrat hat deshalb an seiner Sitzung vom 3. März 2023 die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Änderung der Verordnung zum Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V-StGB-MStG) eröffnet. Sie dauert bis zum 12. Juni 2023. Die Änderungen der StPO sowie der V-StGB-MStG sollen nach derzeitiger Planung am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

März 2, 2023 6:04 am

Im Urteil 6B_735/2022 vom 2. Februar 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 StGB sowie dem Gutglaubensbeweis. Dabei fasste es den aktuellen Stand seiner Praxis hierzu sehr schön zusammen, wie u.a.: «Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Je schwerer ein Ehreingriff ist, desto höhere Sorgfaltspflichten bestehen hinsichtlich der Abklärung des wahren Sachverhalts, wobei die Schwere vom Vorwurf und vom Verbreitungsgrad abhängt. Dabei trägt die beschuldigte Person die Beweislast, der Grundsatz "in dubio pro reo" greift nicht.» (E.3.1).

Februar 27, 2023 2:46 pm

Im Urteil 6B_222/2022 vom 18. Januar 2023 geht es um einen SVG-Fall aus dem Kanton Nidwalden (zur amtl. Publ. vorgesehen). Kern dieses Leiturteils bilden die Folgen bzw. die Verfahrensfortführung nach der Einsprache gegen einen Strafbefehl. Das Bundesgericht befasst sich eingehend mit dem Strafbefehl (E.1.1.1), der Fortführung des Verfahrens nach der Einsprache gegen den Strafbefehl (E.1.1.2) sowie der Tragweite des Grundsatz «ne bis in idem» (E.1.1.3). Das Urteil zeigt vor allem auch auf, dass die Einsprache gegen einen Strafbefehl nicht risikolos ist, was vielen Personen nicht bewusst ist. 

Februar 27, 2023 8:00 am

Im Urteil 1C_104/2022 des Bundesgerichts vom 20. Dezember 2022 (zur amtl. Publ. vorgesehen) aus dem Kanton Zürich geht es um die Fragestellung, ob private Anbieter von Staatsaufgaben, wie die ORS Service AG und deren Personal, unter den Personenkreis von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO fallen. Nach einer extensiven Auslegung der Bestimmung, kommt das Bundesgericht zum folgenden Schluss: «Insgesamt ergibt sich gestützt auf eine zeitgemässe Gesetzesinterpretation in weitgehendem Einklang mit dem Schrifttum, dass Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO einschränkend auszulegen ist. Insbesondere sind Privatpersonen, denen öffentliche Aufgaben übertragen werden, grundsätzlich vom Ermächtigungserfordernis auszunehmen, solange nicht zwingende Gründe für eine Ausnahme sprechen.» (E.3.4.5). Die Differenzierung verstösst gemäss Bundesgericht auch nicht gegen Rechtsgleichheitsgebot und Gleichbehandlungsgebot (E.4.4).