Verwaltungs­strafrecht
August 13, 2025 7:12 am

Im Urteil 7B_45/2022 vom 21. Juli 2025 stellte das Bundesgericht klar, dass Beweismittel, die aufgrund der Mitwirkungspflicht in Verwaltungsverfahren speziell für die FINMA erstellt und dieser vorgelegt wurden, im Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen, wenn die betroffene Person von der FINMA nicht über ihr Recht auf Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur-Grundsatz) belehrt wurde. Hier sind die Schlüsselausführungen des Bundesgerichts: «Die Person, die der FINMA gemäss Art. 29 Abs. 1 FINMAG Auskünfte und Unterlagen zu erteilen hat, kann jedoch die Auskunft verweigern, wenn sie damit eine Strafverfolgung riskiert oder ihre Stellung in einem hängigen oder drohenden Verfahren verschlechtert würde […]. Wenn die FINMA also die Mitwirkung eines Beaufsichtigten zur Erlangung bestimmter Informationen verlangt, weist sie ihn darauf hin, dass er die Mitwirkung verweigern kann, wenn ihm eine Strafverfolgung droht […]. Dieser Grundsatz ist von grundlegender Bedeutung, da eine Person, die mit der Verwaltungsbehörde zusammengearbeitet hat, nicht davon ausgehen sollte, dass die ihr übermittelten Beweise in einem Strafverfahren uneingeschränkt verwertbar sind, wenn sie im Rahmen dieses Verfahrens die Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörde hätte vermeiden können. Das Gegenteil zuzulassen, würde bedeuten, den Strafbehörden das Recht einzuräumen, die Grundsätze des Strafverfahrens leicht zu umgehen, um unter Verletzung des Grundsatzes nemo tenetur Beweise zu erlangen und zu verwerten. Dies ist sicherlich nicht das Ziel von Art. 38 FINMAG […]. Das Problem liegt im Wesentlichen darin, dass das von der Strafverfolgungsbehörde übermittelte und verwertete Beweismittel möglicherweise nie zu ihr gelangt wäre, wenn der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht und sich während des Verwaltungsverfahrens völlig passiv verhalten hätte […]. Da der Beschwerdeführer nicht über sein Recht auf Selbstbelastungsfreiheit informiert wurde, obwohl das mit den ausgehändigten Formularen angestrebte Verhalten die Einleitung eines Strafverfahrens nach sich ziehen konnte, wurde sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die vom Beschwerdeführer am 10. Oktober 2014 ausgefüllten Formulare nicht verwertbar sind.» (E.4.2).

August 4, 2025 10:29 am

Im Urteil 4A_55/2025 vom 14. Juli 2025 aus dem Kanton Luzern befasste sich das Bundesgericht mit der Anwaltshaftung bei einer unterlassenen Einsprache gegen den Strafbescheid der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) vor einer Gesetzesänderung mit möglichem «lex mitior» Effekt. Das Bundesgericht schützte die Haftung des Anwalts u.a. wie folgt: «Bei einer Unterlassung bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Schaden auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss.» […]. Es ist nicht notwendig, dass dieser Erfolg regelmässig oder häufig eintritt. Er muss aber in den Bereich des objektiv und vernünftigerweise Voraussehbaren fallen. Die Frage nach der Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist rechtlicher Natur und unterliegt der freien Prüfung durch das Bundesgericht […].» (E.2.2). «Der Beschwerdeführer wendet zu Unrecht ein, der Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen BGS aufgrund der Botschaft des Bundesrates vom 21. Oktober 2015 sei für ihn bei Erlass des Strafbescheids vom 25. August 2016 bzw. der nachfolgenden Besprechung mit dem Beschwerdegegner als Grundlage für seine Beratungstätigkeit weder objektiv voraussehbar noch erkennbar gewesen und es habe zudem an der inhaltlichen Voraussehbarkeit gefehlt. Er verkennt insbesondere, dass gemäss dem angefochtenen Urteil, das er in diesem Punkt nicht als bundesrechtswidrig gerügt hat, die Erhebung der Einsprache gegen den fraglichen Strafbescheid bereits unter der damals gültigen Rechtslage und damit unabhängig vom Eintritt einer Rechtsänderung angezeigt war. Die unterlassene Handlung des Beschwerdeführers bestand demnach nicht darin, den Strafbescheid vom 25. August 2016 im Hinblick auf eine noch nicht in Kraft gesetzte Gesetzesänderung anzufechten, sondern unabhängig vom anwendbaren Recht in der unterbliebenen Einsprache gegen diesen Entscheid. Der in der Beschwerde erhobene Einwand, der angefochtene Entscheid "würde letztlich bedeuten, dass jede/-r Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt bei der Beratung der Klientschaft im Ausgangsprozess jederzeit damit rechnen müsste, dass in (allenfalls auch ferner) Zukunft eine Gesetzesänderung in Kraft treten könnte, die zu einer Strafbefreiung oder -milderung führen könnte", verfängt daher nicht. Unter Berücksichtigung der im angefochtenen Entscheid festgestellten voraussichtlichen Verfahrensdauer bis ins Jahr 2019 und der bevorstehenden Gesetzesänderung (in Form des neuen BGS), die auch dem Beschwerdeführer bekannt war und die Abschaffung der Vorführpflicht samt entsprechender Strafnorm vorsah, erscheint eine letztinstanzliche Beurteilung des Strafbescheids nach neuem Recht und der gestützt auf die "lex mitior" angenommene Freispruch durchaus im Bereich des objektiv und vernünftigerweise Vorhersehbaren. […]. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, ein Entscheid des Bundesgerichts zu dieser Frage wäre im Jahr 2019 anders ausgefallen oder die erfolgte bundesgerichtliche Klarstellung falle ausserhalb des vernünftigerweise Voraussehbaren. Die Vorinstanz ist aufgrund sämtlicher Umstände (Art. 4 ZGB) zutreffend davon ausgegangen, die erfolgte Schädigung sei billigerweise noch dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Die Rüge, es fehle an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden erweist sich als unbegründet. Eine Verletzung von Art. 398 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OR liegt nicht vor.» (E.2.3).

Juni 10, 2025 2:13 pm

Im Urteil des Bundesgerichts 7B_556/2024 vom 12. Mai 2025 aus dem Verwaltungsstrafrecht ging es zum die Frage der rechtsgültigen Zustellung nach Art. 34 Abs. 3 VStrR an den Rechtsbeistand. Die ESBK nahm in diesem Fall, trotz Anwaltsvollmacht in den Akten, Zustellungen im Entsiegelungsverfahren nur an den Beschuldigten vor. Das Bundesgericht schützte die Beschwerde und äusserte sich wie folgt: «Gemäss Art. 34 Abs. 3 VStrR werden Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, rechtsgültig an diesen zugestellt. Das Bundesgericht hat zum exakt gleichlautenden Art. 87 Abs. 3 StPO erwogen, diese Bestimmung sei zwingender Natur (Urteile 6B_1292/2023 vom 20. November 2024 E. 5.1; 6B_231/2024 vom 21. Juni 2024 E. 2.3; je mit Hinweis/en; vgl. Urteil 7B_737/2024, 7B_738/2024, 7B_739/2024 vom 10. Januar 2025 E. 4.4.2 f.). Eine Zustellung kann nach dieser Bestimmung nur an den Rechtsbeistand gültig erfolgen, sobald ein solcher bestellt ist. Einer Partei kann eine Mitteilung, die ihr, nicht jedoch dem von ihr bestellten Rechtsbeistand zugestellt wird, nicht entgegengehalten werden. Es liegt in der alleinigen Verantwortung der mitteilenden Straf-, beziehungsweise Verwaltungsstrafbehörde, eine korrekte, den gesetzlichen Formvorschriften entsprechende Zustellung an die Parteien sicherzustellen (vgl. Urteil 6B_231/2024 vom 21. Juni 2024 E. 2.3 und 2.4.2 zu Art. 87 Abs. 3 StPO, mit Hinweisen).» (E.2.4).

April 30, 2025 11:05 am

Im Urteil 7B_515/2024 vom 3. April 2025 (zur amtl. Publ. vorgesehen) aus dem Verwaltungsstrafrecht, einer ESTV-Strafuntersuchung, befasste sich das Bundesgericht, unter Einbezug von BGE 148 IV 221, mit der Spiegelung bzw. Sicherung von Daten in einem Entsiegelungsverfahren. Zum VStR bemerkte das Bundesgericht u.a.: «Die Bestimmungen der StPO sind insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt. Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar […]. Insbesondere im Bereich der Durchsuchung von Papieren gemäss Art. 50 VStrR bietet es sich grundsätzlich an, auf die Regeln und die Praxis zur Durchsuchung von Aufzeichnungen nach Art. 246 ff. StPO zurückzugreifen […].  Die besagten Bestimmungen der StPO wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2024 teilweise revidiert und neu gefasst. Der angefochtene Beschluss datiert vom 3. April 2024, weshalb vorliegend nach Art. 448 Abs. 1 StPO das neue Recht zur Anwendung gelangt.» (E.2.1). Zur Spiegelung erklärte es u.a.: «Es ist im Ergebnis somit nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdeführerin die ihr übermittelten Daten auf einem Datenstick abspeichert hat, um dem Siegelungsantrag, von dem sie in diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis hatte, zu entsprechen. Letztlich geht es vorliegend, wie eingangs erwähnt, nicht um ein Kopieren bereits sichergestellter Daten, sondern das Kopieren bzw. Abspeichern war Teil der Sicherstellung.» (E.3.4.1). «Problematisch ist vorliegend einzig, dass die Beschwerdeführerin nach dem Download und Abspeichern weiterhin auf die ursprünglichen Daten zugreifen konnte - dies so oder anders mindestens während den 30 Tagen, in denen nach ihren Angaben der Link für den Zugriff auf die Daten bei PrivaSphere gültig war. Sie wird deshalb aufgefordert, bei Vorliegen eines Siegelungsbegehrens die edierten Originaldaten nach erfolgter Sicherung und Siegelung umgehend zu löschen, damit ein unbefugter Zugriff verhindert werden kann. Dies hat sie, sofern nicht bereits geschehen, auch im vorliegenden Verfahren unverzüglich zu tun.» (E.3.4.3). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der ESTV gut (E.4). Ein vergleichbarer Entscheid erging auch im Urteil 7B_515/2024 vom 3. April 2025.  

Dezember 27, 2024 11:30 am

Im Urteil 6B_499/2024 vom 20. November 2024 aus dem Kanton Aargau ging es um Verurteilung wegen Durchführung von Spielbankenspielen ohne Konzession gemäss Art. 130 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 29. September 2017 über Geldspiele bzw. u.a. um Verwaltungsstrafrecht. Im Zentrum der vom Bundesgericht abgewiesenen Beschwerde stand die Rüge einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 300 Abs. 1 lit. StPO. Die ESBK hatte gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren eröffnet, nachdem ihr am 18. Dezember 2018 ein anonymes Schreiben zugegangen sei. Das Bundesgericht äussert sich u.a. wie folgt: «Bei Widerhandlungen im Zusammenhang mit den Spielbankenspielen und bei Hinterziehung der Spielbankenabgabe ist das VStrR anwendbar (Art. 134 Abs. 1 BGS). Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so findet das VStrR Anwendung (Art. 1 VStrR). Auch nach dem Inkrafttreten der StPO und des StBOG am 1. Januar 2011 bleibt das VStrR auf Fälle der Bundesgerichtsbarkeit in Verwaltungsstrafsachen weiterhin anwendbar. Das VStrR wurde durch die StPO (Anhang 1 Ziff. II/11) und das StBOG (Anhang Ziff. II/9) teilweise geändert. Die Bestimmungen der StPO sind im Verwaltungsstrafverfahren nur insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt. Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind sie grundsätzlich analog anwendbar. Die allgemeinen strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätze sind auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen […]» (E.3.2.1).  «Ermittlungen der Polizei richten sich grundsätzlich nach der StPO. Vorermittlungen dagegen fallen unter das Polizeirecht. Die Grenze zwischen polizeirechtlicher und strafprozessualer Tätigkeit verläuft in der Praxis fliessend, und eine klare Trennung ist nicht immer möglich. Das entscheidende Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit der StPO ist der strafprozessuale Anfangsverdacht […]. Solche polizeilichen Vorermittlungen werden nicht von den Bestimmungen der StPO zum Vorverfahren nach Art. 299 ff. StPO erfasst, sondern unterstehen dem kantonalen Polizeirecht [..]. Typisch ist solches Handeln, wenn die Polizei Meldungen aus der Bevölkerung über verdächtige Wahrnehmungen nachgeht […]» (E.3.2.2).  

Oktober 18, 2024 2:33 pm

Im Urteil 1C_347/2024 vom 14. Oktober 2024 aus dem Kanton Zürich ging es um das Akteneinsichtsrecht in ein vom fedpol geführtes Verfahren. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde u.a. mit den folgenden Ausführungen gut: «Zum Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV gehört das Recht auf Akteneinsicht. Das Akteneinsichtsrecht bezieht sich auf sämtliche verfahrensbezogenen Akten, die geeignet sind, Grundlage des Entscheids zu bilden, unabhängig davon, ob die Ausübung des Akteneinsichtsrechts den Entscheid in der Sache zu beeinflussen vermag. Die Einsicht in die Akten, die für ein bestimmtes Verfahren erstellt oder beigezogen wurden, kann demnach nicht mit der Begründung verweigert werden, die fraglichen Akten seien für den Verfahrensausgang belanglos. Es muss vielmehr dem Betroffenen selber überlassen sein, die Relevanz der Akten zu beurteilen […]. Art. 29 Abs. 2 BV vermittelt keinen Anspruch auf Einsicht in verwaltungsinterne Akten. Als solche gelten Unterlagen, denen für die Behandlung eines Falls kein Beweischarakter zukommt, die ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienen und somit für den verwaltungsinternen Gebrauch bestimmt sind, wie Entwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege. Mit dem Ausschluss des Einsichtsrechts in diese Akten soll verhindert werden, dass die interne Meinungsbildung der Verwaltung vollständig vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wird […]. Für das Verwaltungsverfahren des Bundes wird das Recht auf Akteneinsicht in Art. 26 ff. VwVG konkretisiert. Nach Art. 26 Abs. 1 VwVG hat die Partei Anspruch darauf, in ihrer Sache Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden (lit. a), alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke (lit. b) sowie Niederschriften eröffneter Verfügungen einzusehen (lit. c). Nach Art. 27 Abs. 1 VwVG darf die Behörde die Einsichtnahme in Aktenstücke nur verweigern, wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft (lit. a), oder wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien (lit. b), die Geheimhaltung erfordern oder wenn das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert (lit. c). Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen (Art. 27 Abs. 2 VwVG). Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück gemäss Art. 27 VwVG verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG).» (E.2.2). «Von der Qualifizierung der [verweigerten] Akten als verfahrensbezogene Akten, die potenziell geeignet sind, Grundlage des Entscheids des fedpol bzw. der Vorinstanz zu bilden, zu unterscheiden ist die Frage, ob wegen überwiegender entgegenstehender Interessen die Einsicht in gewisse Akten in Anwendung von Art. 27 f. VwVG ohne Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV hätte eingeschränkt werden können bzw. müssen. Dies hätte die Vorinstanz konkret zu prüfen gehabt, wie sie es für die übrigen Verfahrensakten auch getan hat.» (E.2.3 a.E.). Das Bundesgericht hielt die Rüge für begründet (E.2.4).

Mai 3, 2024 10:00 am

Im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 aus dem Kanton Zürich ging es im Verwaltungsstrafrecht um die Frage des nicht wieder gutzumachenden Nachteil betreffend eines Entsiegelungsverfahrens. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts im Fall der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann […]. Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein fehlender hinreichender Tatverdacht oder ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil […]. Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist […].» (E.1.3).

März 4, 2024 9:12 am

Im Urteil 6B_1005/2021 vom 29. Januar 2024 aus dem Kanton Zürich (zur amtl. Publ. vorgesehen) bestätigte das Bundesgericht, nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Thema, seine Praxis, dass eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich einem erstinstanzlichen Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB gleichzustellen ist: «Im Falle von Strafsachen, die zunächst in einem Verwaltungsstrafverfahren im Sinne des VStrR behandelt wurden, ist die Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verjährungsrechtlich einem erstinstanzlichen Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB gleichzustellen. Der Strafbescheid im Sinne von Art. 64 VStrR vermag den Verjährungseintritt hingegen nicht zu hindern. Dies wird daraus abgeleitet, dass jeder Strafverfügung zwingend ein Strafbescheid vorangeht, der wie ein Strafbefehl auf summarischer Grundlage getroffen werden kann, während die Strafverfügung - gleich wie ein erstinstanzliches Urteil - auf einer umfassenden Grundlage beruht und in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen wird. Der Erlass eines Strafbescheids weist bei dieser Betrachtungsweise Parallelen zu einem Strafbefehl auf, wohingegen die Strafverfügung im Ergebnis - jedenfalls mit Blick auf die Verjährung - einem gerichtlichen Urteil näher steht» (E.1.3.3). «Es besteht daher kein Anlass, die konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich als erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB zu qualifizieren ist, mit deren Erlass die Verjährung nicht mehr eintritt, zu überprüfen.» (E.1.3.4).

Januar 31, 2024 1:23 pm

Das Verwaltungsstrafrecht soll weiterhin in einem Spezialgesetz geregelt werden. Der Bundesrat schlägt vor, die Bestimmungen nicht ins Strafgesetzbuch (StGB) und in die Strafprozessordnung (StPO) zu überführen. Dem Modernisierungsbedarf des Verwaltungsstrafrechts will der Bundesrat mit einer Totalrevision des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes (VStrR) Rechnung tragen. So schlägt er insbesondere vor, das Verwaltungsstrafverfahren effizienter zu gestalten und der StPO anzugleichen. Er hat dazu an seiner Sitzung vom 31. Januar 2024 die entsprechende Vernehmlassung eröffnet. Sie dauert bis am 10. Mai 2024.

November 30, 2023 3:12 am

Der Bundesrat hat beschlossen, eine Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) per 1. Februar 2024 in Kraft zu setzen. Künftig wird mit Busse bestraft, wer in einem Angebotsprospekt oder in einer Voranmeldung eines öffentlichen Kaufangebots unwahre oder unvollständige Angaben macht. Damit wird eine Strafbarkeitslücke geschlossen.