Nicht wieder gutzumachender Nachteil im Entsiegelungsverfahren

Im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 aus dem Kanton Zürich ging es im Verwaltungsstrafrecht um die Frage des nicht wieder gutzumachenden Nachteil betreffend eines Entsiegelungsverfahrens. Das Bundesgericht erklärte hierzu: «Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts im Fall der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann […]. Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein fehlender hinreichender Tatverdacht oder ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil […]. Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist […].» (E.1.3).

Sachverhalt

Am 21. November 2019 führte die Kantonspolizei Zürich in Räumlichkeiten an der U. strasse in V., eine Gastgewerbekontrolle durch. Dabei wurden mehrere Personen beim Pokerspielen angetroffen. Die Kantonspolizei Zürich rapportierte am 29. Januar 2020 an die Eidgenössische Spielbankenkommission (nachfolgend: ESBK) wegen Verdachts der Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 29. September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS; SR 935.51). Mit Nachtrag vom 14. März 2020 ergänzte die Kantonspolizei Zürich den Rapport vom 29. Januar 2020.

Am 11. Mai 2021 ersuchte die Kantonspolizei Zürich die ESBK um Ausstellung eines Hausdurchsuchungsbefehls für die Räumlichkeiten an der U. strasse in V.. Am 18. Juni 2021 erliess die ESBK einen Hausdurchsuchungs- und Durchsuchungsbefehl im Verwaltungsstrafverfahren gegen B. wegen Verdachts der Widerhandlungen gegen das BGS für die Räumlichkeiten an der U. strasse in V. Anlässlich der Hausdurchsuchung vom 26. Juni 2021 wurde ein Mobiltelefon von A. sichergestellt und gegen letzteren vor Ort ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet. A. ersuchte um Siegelung sämtlicher siegelungsfähiger Datenträger.

Instanzenzug

Am 3. August 2021 stellte die ESKB bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ein Entsiegelungsgesuch betreffend das sichergestellte Mobiltelefon. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hiess mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 das Entsiegelungsgesuch der ESKB gut und ermächtigte diese, das sichergestellte Mobiltelefon zu entsiegeln und zu durchsuchen.

Weiterzug ans Bundesgericht

Dagegen gelangt A. mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Beschlusses der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 26. Oktober 2022, die Herausgabe des sichergestellten Mobiltelefons und die Vernichtung von allfällig durch Spiegelung erstellten Datenkopien. Eventualiter sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts verweist auf den angefochtenen Beschluss und hält an dessen Begründung fest. Die ESBK beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Mit Präsidialverfügung vom 30. November 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. Die eingereichten Vernehmlassungen wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024  

Zur Zuständigkeit und zur Anwendbarkeit des Verwaltungsstrafrechts äussert sich das Bundesgericht einleitend im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 wie folgt:

«Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so findet das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) Anwendung (Art. 1 VStrR). Bei Widerhandlungen im Zusammenhang mit den Spielbankenspielen ist das VStrR anwendbar (Art. 134 Abs. 1 BGS). Im vorliegenden Fall ist gemäss Art. 134 Abs. 2 BGS das Sekretariat der ESBK verfolgende Behörde (vgl. Art. 104 Abs. 5 BGS), urteilende Behörde die ESBK. Das Sekretariat vertritt die ESBK vor eidgenössischen und kantonalen Gerichten (Art. 104 Abs. 5 BGS). Die Bestimmungen der StPO sind im Verwaltungsstrafverfahren nur insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt. Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar (BGE 139 IV 246 E. 1.2 und E. 3.2; Urteil 7B_99/2022 vom 28. September 2023 E. 2 mit Hinweisen).» (E.1.1).

«Über die Zulässigkeit einer Durchsuchung von versiegelten Aufzeichnungen und Gegenständen entscheidet im Verwaltungsstrafverfahren (auf Gesuch der untersuchenden Verwaltungsstrafbehörde hin) die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts als Entsiegelungsgericht (Art. 50 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 VStrR; s. BGE 139 IV 246 E. 1.3; Urteil 1B_487/2018 vom 6. Februar 2019 E. 2.2). Angefochten ist vorliegend ein Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts betreffend Entsiegelung, d.h. eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 79 BGG (vgl. BGE 139 IV 246 E. 1.3; Urteil 1B_210/2017 vom 23. Oktober 2017 E. 1.4 mit Hinweisen).» (E.1.2).

Bezüglich des nicht wiedergutzumachenden Nachteils äussert sich das Bundesgericht im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 wie folgt:

«Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das Verwaltungsstrafverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren (vgl. Art. 92 BGG). Demnach ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend ist ein Nachteil, wenn er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen).  Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts im Fall der Entsiegelung ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann (vgl. BGE 143 IV 462 E. 1). Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein fehlender hinreichender Tatverdacht oder ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Urteile 7B_108/2022 vom 27. Dezember 2023 E. 1.2; 7B_106/2022 vom 16. November 2023 E. 1.2; 7B_552/2023 vom 31. Oktober 2023 E. 1.2; 1B_465/2022 vom 28. Juni 2023 E. 1.2; je mit Hinweisen). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 289 E. 1.3, 284 E. 2.3; Urteil 7B_552/2023 vom 31. Oktober 2023 E. 1.2; je mit Hinweisen).» (E.1.3).

Fallbezogen entscheidet dann das Bundesgericht im Urteil 7B_110/2022 vom 11. März 2024 wie folgt:

«Vor Bundesgericht bringt der Beschwerdeführer einzig vor, er habe auf seinem Mobiltelefon „auch viele persönliche Sachen, die niemanden etwas angehen“. Derart pauschale Behauptungen begründen rechtsprechungsgemäss keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen im Sinne von aArt. 248 Abs. 1 StPO (vgl. Urteile 7B_123/2023 vom 29. November 2023 E. 3.1; 7B_552/2023 vom 31. Oktober 2023 E. 1.4; 1B_155/2023 vom 10. Mai 2023 E. 1.3; je mit Hinweisen).  Soweit sich die Beschwerde im Hauptpunkt gegen den von der Vorinstanz bejahten hinreichenden Tatverdacht richtet, macht der Beschwerdeführer lediglich andere, allgemeine Beschlagnahmehindernisse geltend, die zwar ebenfalls von der Vorinstanz zu prüfen waren (und geprüft wurden), aber für sich alleine nicht zur selbständigen Anrufung des Bundesgerichts berechtigen (vgl. Urteile 7B_552/2023 vom 31. Oktober 2023 E. 1.5; 1B_465/2022 vom 28. Juni 2023 E. 1.3.3; 1B_260/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1.3; je mit Hinweisen). Selbst wenn man auf die Darlegungen des Beschwerdeführers vor der Vorinstanz abstellen wollte, würde ihm dies nicht helfen. Die Vorinstanz hat seine Vorbringen zu den geltend gemachten Geheimnisinteressen als unzureichend substanziiert beurteilt. Dagegen wendet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nichts ein. Er bestreitet somit die ungenügende Substanziierung nicht. Ruft der Beschwerdeführer demnach kein rechtlich geschütztes Geheimnisinteresse an, sondern macht er andere Beschlagnahmehindernisse geltend, kann nach der dargelegten Rechtsprechung kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG angenommen werden.» (E.1.4).

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.

 

 

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