Ultimatum des Bundesgerichts an Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung oder Haftentlassung
Im Urteil 7B_985/2025 vom 16. Oktober 2025 aus dem Kanton St. Gallen befasste sich das Bundesgericht mit dem (leider oft vorkommenden) Thema der Untersuchungshaft bei fehlenden Untersuchungshandlungen im Vorverfahren. Das Bundesgericht hiess die Haftbeschwerde teilweise gut, u.a. wie folgt: «Ob die Strafbehörden das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt haben, ist grundsätzlich nicht durch das Haftgericht im Haftverfahren, sondern durch das Sachgericht zu beurteilen. Das Haftgericht prüft die Frage nur, wenn die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft insgesamt in Frage zu stellen. Bejaht das Haftgericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen, ist die inhaftierte Person nur aus der Haft zu entlassen, wenn die Verletzung besonders schwer wiegt und die Strafbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren voranzutreiben […]. Wird die inhaftierte Person nicht aus der Haft entlassen, kann das Haftgericht prozessuale Anordnungen erlassen, etwa indem es Fristen für ausstehende Verfahrenshandlungen ansetzt. Weiter ist die Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen im Dispositiv des Entscheids festzuhalten. Zudem ist dieser bei der Auferlegung von Verfahrenskosten angemessen Rechnung zu tragen […].» (E.2.4.3). «Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft trotz Abschluss der Strafuntersuchung im Januar 2024 bis zum angefochtenen Entscheid vom 14. August 2025 keine Anklage erhoben hat. Das Verfahren stand somit während eineinhalb Jahren still. Wie der Beschwerdeführer und die Vorinstanz zutreffend ausführen, lässt sich diese Untätigkeit nicht rechtfertigen, denn nach der Vorinstanz ist das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer zwar umfangreich, aber nicht besonders komplex. […]. Überdies geht aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft hervor, dass sie zwischenzeitlich offenbar immer noch keine Anklage erhoben hat.» (E.2.5.1). «Nach dem Gesagten ist die Staatsanwaltschaft anzuweisen, nun umgehend Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen. Hat sie bis spätestens 14. November 2025 keine Anklage erhoben, ist der Beschwerdeführer sofort - und, sofern nötig, unter Anordnung von Ersatzmassnahmen - aus der strafprozessualen Haft zu entlassen. Die Strafbehörden werden ausserdem auch im Falle einer Anklageerhebung zu berücksichtigen haben, dass aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots das Strafverfahren keine weitere Verzögerung erlaubt.» (E.2.5.3).
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