Oktober 27, 2025 5:24 am

Im Urteil 7B_985/2025 vom 16. Oktober 2025 aus dem Kanton St. Gallen befasste sich das Bundesgericht mit dem (leider oft vorkommenden) Thema der Untersuchungshaft bei fehlenden Untersuchungshandlungen im Vorverfahren. Das Bundesgericht hiess die Haftbeschwerde teilweise gut, u.a. wie folgt: «Ob die Strafbehörden das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt haben, ist grundsätzlich nicht durch das Haftgericht im Haftverfahren, sondern durch das Sachgericht zu beurteilen. Das Haftgericht prüft die Frage nur, wenn die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft insgesamt in Frage zu stellen. Bejaht das Haftgericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen, ist die inhaftierte Person nur aus der Haft zu entlassen, wenn die Verletzung besonders schwer wiegt und die Strafbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren voranzutreiben […]. Wird die inhaftierte Person nicht aus der Haft entlassen, kann das Haftgericht prozessuale Anordnungen erlassen, etwa indem es Fristen für ausstehende Verfahrenshandlungen ansetzt. Weiter ist die Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen im Dispositiv des Entscheids festzuhalten. Zudem ist dieser bei der Auferlegung von Verfahrenskosten angemessen Rechnung zu tragen […].» (E.2.4.3).  «Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft trotz Abschluss der Strafuntersuchung im Januar 2024 bis zum angefochtenen Entscheid vom 14. August 2025 keine Anklage erhoben hat. Das Verfahren stand somit während eineinhalb Jahren still. Wie der Beschwerdeführer und die Vorinstanz zutreffend ausführen, lässt sich diese Untätigkeit nicht rechtfertigen, denn nach der Vorinstanz ist das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer zwar umfangreich, aber nicht besonders komplex. […]. Überdies geht aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft hervor, dass sie zwischenzeitlich offenbar immer noch keine Anklage erhoben hat.» (E.2.5.1). «Nach dem Gesagten ist die Staatsanwaltschaft anzuweisen, nun umgehend Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen. Hat sie bis spätestens 14. November 2025 keine Anklage erhoben, ist der Beschwerdeführer sofort - und, sofern nötig, unter Anordnung von Ersatzmassnahmen - aus der strafprozessualen Haft zu entlassen. Die Strafbehörden werden ausserdem auch im Falle einer Anklageerhebung zu berücksichtigen haben, dass aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots das Strafverfahren keine weitere Verzögerung erlaubt.» (E.2.5.3).

Oktober 26, 2025 8:29 am

Im Urteil 6B_45/2025 vom 9. Oktober 2025 aus dem Kanton Zürich hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gut und ordnete die strafrechtliche Landesverweisung an, u.a. wie folgt: «Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner eine Katalogtat begangen hat, die grundsätzlich die obligatorische Landesverweisung nach sich ziehen muss. Diese kann nur in klaren Ausnahmefällen unterbleiben, zumal die Härtefallklausel praxisgemäss restriktiv anzuwenden ist […]. Die Vorinstanz weist auch zutreffend darauf hin, dass bereits nach der früheren ausländerrechtlichen Ausschaffungspraxis eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren in der Regel zur Ausweisung der verurteilten Person führte (sog. "Zweijahresregel"). Dies muss erst recht gelten, nachdem die bisherige ausländerrechtliche Ausschaffungspraxis, worauf die "Zweijahresregel" beruht, mit Inkrafttreten der strafrechtlichen Landesverweisung per 1. Oktober 2016 massiv verschärft wurde. Darauf hat das Bundesgericht mehrfach hingewiesen […]. Sodann steht fest, dass der Beschwerdegegner zu einer (teilbedingten) Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt wurde. Entsprechend schwer wiegt daher nach dem Vorgesagten bereits mit Blick auf die Anlasstat das öffentliche Interesse an der Landesverweisung. Auch die Vorinstanz beurteilt dieses als erheblich. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdegegner wegen mehrfachen Diebstahls und Hehlerei einschlägig vorbestraft ist. Zwar liegen diese Taten länger zurück. Indes hat das Gericht auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten zu berücksichtigen […]. Auch darauf weist die Vorinstanz zutreffend hin. Hinzu kommt schliesslich, dass der Beschwerdegegner die vorliegend beurteilten Taten ohne finanzielle Not und trotz einer Arbeitsstelle und eines festen Einkommens begangen und seine damalige Arbeitgeberin erheblich geschädigt hat. Mithin vermochte selbst eine Anstellung die Delinquenz des Beschwerdegegners nicht zu hindern. Gerade angesichts der Schwere der hier beurteilten und der früheren Straftaten muss aber selbst ein geringes Rückfallrisiko praxisgemäss nicht hingenommen werden. Dies spricht ebenso gegen einen Verbleib des Beschwerdegegners, wie der Umstand, dass er bereits früher mehrfach auf den möglichen Widerruf seiner Aufenthaltsbewilligung hingewiesen wurde und trotzdem neuerlich delinquierte. Der teilbedingte Strafvollzug steht der Landesverweisung ebenfalls nicht entgegen, da im ausländerrechtlichen Bereich ein strengerer Beurteilungsmassstab gilt […].» (E.2.3.1). Weiter hat der Verteidiger des Beschuldigten hier die auch noch die Frist zur Vernehmlassung verpasst: «Auf die Ausführungen des Beschwerdegegners kann nicht eingegangen werden, da seine Vernehmlassung verspätet ist. Ihm wurde auf sein Ersuchen eine Fristerstreckung für die Vernehmlassung bis zum 14. April 2025 gewährt. Diese wurde aber erst am 28. April 2025 der Post übergeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Vernehmlassungsfrist bereits abgelaufen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners kommt der Fristenstillstand wegen Ostern (Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) vorliegend nicht zum Tragen. Der Fristenstillstand gilt nach dem klaren Wortlaut von Art. 46 Abs. 1 BGG nur für gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen, nicht aber für Fristen, deren Ende - wie hier - auf einen bestimmten Kalendertag (Datum) festgesetzt worden ist […].» (E.2.3.3).

Oktober 23, 2025 10:59 am

Im Urteil 7B_980/2025 vom 15. Oktober 2025 aus dem Kanton Bern hiess das Bundesgericht die Haftbeschwerde des Beschuldigten gut und verneinte sowohl den besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO) als auch den der Fluchtgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO). Das Bundesgericht äussert sich u.a. wie folgt: «Aus den von der Vorinstanz vorgebrachten Umständen lässt sich, wenn überhaupt, einzig die theoretische Möglichkeit ableiten, dass der Beschuldigte kolludieren könnte. Nicht ableiten lassen sich daraus aber konkrete Anhaltspunkte hierfür. Die rein theoretische Möglichkeit genügt gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung jedoch nicht, um Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen […]. Damit ergibt sich, dass eine Kollusionsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO, welche die Fortsetzung der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers rechtfertigen würde, zu verneinen ist. Eine Fortsetzung der Untersuchungshaft unter diesem Titel ist daher nicht gerechtfertigt.» (E.2.3). Schliesslich gilt es zwar zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Verurteilung wegen (gewerbsmässigen) Betrugs nach Art. 146 StGB sowie (gewerbsmässigen) betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage nach Art. 147 StGB eine empfindliche Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren drohen könnte. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung genügt jedoch das Strafmass für sich allein nicht, um Fluchtgefahr anzunehmen […]. Entscheidend ist, ob konkrete Hinweise auf eine tatsächliche Fluchtabsicht oder entsprechende Vorbereitungshandlungen bestehen. Solche Anhaltspunkte, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit begründen würden, dass sich der Beschwerdeführer dem Strafverfahren entziehen könnte, fehlen hier bei einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände, wie dargelegt, vollständig. Eine Fluchtgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO ist daher zu verneinen. Dies führt dazu, dass die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft gemäss Art. 221 StPO nicht erfüllt sind, was die Haftentlassung des Beschwerdeführers zur Folge hat.» (E.3.3).

Oktober 23, 2025 6:18 am

In dieser Folge des Podcasts FREISPRUCH werden durch Boris Etter, Fachanwalt SAV Strafrecht, anhand des kürzlich publizierten Urteils des Bundesgerichts 6B_905/2024 vom 8. September 2025 , in dem es um eine Vergewaltigung im Kanton Zürich geht, neben dem konkreten Fall, wo das Bundegericht u.a. diverse Komponenten der Strafzumessung der Vorinstanz rügte, die Grundsätze und Komponenten der Strafzumessung, die Arten von Strafen sowie praktische Aspekte in der Praxis und verschiedene Verteidigungsstrategien besprochen. Ein klares No-Go ist gemäss Bundesgericht u.a. die strafmindernde Berücksichtigung der "relativ kurzen Dauer" der Vergewaltigung. Hier finden Sie die Links zum Podcast und zum wichtigen Urteil des Bundesgerichts, welches von den Schweizer Massenmedien mehrheitlich übersehen wurde.

Oktober 22, 2025 10:40 am

Frau Bundesrichterin Laura Jacquemoud-Rossari, Mitglied und Präsidentin der Ersten strafrechtlichen Abteilung, scheidet Ende dieses Jahres mit Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus dem Bundesgericht aus. Das Gesamtgericht hat Herrn Bundesrichter Giuseppe Muschietti zum neuen Präsidenten der Ersten strafrechtlichen Abteilung gewählt. Neues Mitglied der Ersten strafrechtlichen Abteilung wird der von der Bundesversammlung Ende September zum Bundesrichter gewählte Herr David Glassey.

Oktober 20, 2025 10:36 am

Interessierte Personen erhalten keine freie Einsicht in Strafbefehle, die noch nicht rechtskräftig geworden sind. Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_631/2023 vom 18. September 2025 (zur amtl. Publ. vorgesehen) die Beschwerde einer Frau aus dem Kanton Genf gut, die von der Genfer Staatsanwaltschaft per Strafbefehl verurteilt wurde.

Oktober 16, 2025 11:17 am

Im Urteil 6B_382/2025, 6B_383/2025 vom 10. September 2025 befasste sich das Bundesgericht mit der Honorarbeschwerde eines amtlichen Verteidigers (Kürzung um 75% des Honorars bzw. Pauschale von CHF 8'000). Es handelt sich um eine zweite Berufungsverhandlung nach einer Teilrückweisung durch das Bundesgericht. Der amtliche Verteidiger stellte dabei offenbar auch fleissig «Rechtsstudium» in Rechnung. Für die erste Berufungsverhandlung wurde amtliche Verteidiger, wie das Bundesgericht hervorhob, bereits mit rund CHF 37'000 entschädigt, im Hauptverfahren mit CHF 83'000. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen. […]. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber dann als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall wiederum ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Aufwänden stehen […]» (E.5.3.2). «Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Den Kantonen kommt bei der Bemessung des Honorars des amtlichen Anwalts ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde und Bemühungen nicht honoriert wurden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers gehören. Die Festsetzung des Honorars muss ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten stehen und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstossen […].» (E.5.3.3). «Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Die Vorinstanz berücksichtigt zu Recht, dass es im Rahmen des zweiten Berufungsverfahrens lediglich noch um die Umsetzung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids vom 20. Oktober 2023 […] ging. Die Kosten für die amtliche Verteidigung des Beschwerdeführers 2 im ersten Berufungsverfahren beliefen sich auf Fr. 36'878.35 (inkl. Auflagen und MwSt.). Erstinstanzlich wurde der Beschwerdeführer 1 für seine Bemühungen und Auslagen als amtlicher Verteidiger des Beschwerdeführers 2 mit rund  Fr. 83'000.-- (inkl. MwSt.) entschädigt. Der Vorinstanz kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie habe der Bedeutung und der Komplexität des Falles ungenügend Rechnung getragen. Nicht erkennbar ist, welche "komplexen" Rechtsfragen sich nach dem bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid noch gestellt haben könnten. Die Vorinstanz verweist hierfür zudem willkürfrei auf den Leitfaden amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, wonach es sich beim Rechtsstudium - mit Ausnahme aussergewöhnlicher Rechtsfragen - nicht um entschädigungspflichtige Aufwendungen handelt […]. Unbegründet ist schliesslich der Einwand, die Entschädigung stehe in einem "krassen Missverhältnis" zur Entschädigung des Rechtsvertreters der Privatkläger. Die Kritik lässt unberücksichtigt, dass die Entschädigung des Rechtsvertreters der Privatkläger von Fr. 5'978.30 rund 1/4 unter derjenigen des Beschwerdeführers 1 liegt, obschon dieser - anders als der Beschwerdeführer 1 - im Berufungsverfahren mehrere Personen vertrat. […]. Die Entschädigung steht insgesamt in einem vernünftigen Verhältnis zu den geleisteten Diensten. Eine willkürliche Anwendung des kantonalen Anwaltstarifs ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers 1 nicht erkennbar.» (E.5.4).

Oktober 16, 2025 10:33 am

Im Urteil 6B_905/2024 vom 8. September 2025 aus dem Kanton Zürich hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich bezüglich der Strafzumessung bei einem Vergewaltigungsdelikt wegen multiplen Fehlern, wie u.a. der Berücksichtigung der «relativ kurzen Dauer» der Vergewaltigung sowie der Nichtberücksichtigung des ungeschützten Vaginal- und Analverkehrs statt. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Kürzlich und nach dem vorinstanzlichen Entscheid hat das Bundesgericht klargestellt, dass eine "relativ kurze" Dauer einer Vergewaltigung in keinem Fall einen Strafminderungsgrund bildet und entsprechend nicht zugunsten des Täters berücksichtigt werden darf […]. Die Vorinstanz lässt sich vorliegend somit von nicht massgebenden Umständen leiten und verletzt ihr Ermessen, wenn sie im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Beschwerdegegners berücksichtigt, dass das Geschehen "nur kurz" gedauert habe.» (E.1.6). «Aus der Begründung der Vorinstanz lässt sich nicht nachvollziehen, in welchem Ausmass sie ein "einwilligungsnahes" Verhalten von B. berücksichtigt. […]. Die Begründung der Strafzumessung fällt in der Folge widersprüchlich aus, wenn die Vorinstanz festhält, der Beschwerdegegner habe "mit direktem Vorsatz und aus egoistischen Gründen" gehandelt, und gleichzeitig aber schliesst, er habe "aufgrund der Äusserungen und Abwehrhandlungen" von B., "jedenfalls in Kauf [genommen], dass ihr Wille dem Geschlechtsverkehr entgegenstand". Diesen Widerspruch hat die Vorinstanz im Rahmen ihrer neuen Strafzumessung aufzulösen. In diesem Zusammenhang hat sie auch zu berücksichtigen, dass für die Bewertung des Tatverschuldens ohne Relevanz ist, ob es zu einem späteren Zeitpunkt zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen dem Opfer und dem Täter gekommen ist.» (E.1.5.2). «Die Vorinstanz lässt weiter den Umstand ausser Acht, dass der Beschwerdegegner den Vaginal- und Analverkehr ungeschützt vollzog. Dem hat sie im Rahmen der neu vorzunehmenden Strafzumessung straferhöhend Rechnung zu tragen […].» (E.1.5.3). «Schliesslich ist die Bewertung des Tatverschuldens durch die Vorinstanz auch im Ergebnis nicht nachvollziehbar. So schliesst sie zunächst, das objektive Tatverschulden wiege "noch leicht", ordnet es dann "im mittleren Bereich" des ordentlichen Strafrahmens ein, um es schliesslich als "nicht mehr leicht" einzustufen. Dieses objektive Tatverschulden werde durch die subjektive Tatkomponente nicht relativiert und entspreche einer Einsatzstrafe von 24 Monaten. Dabei bleibt unklar, ob die Vorinstanz nun von einem "noch leichten", einem "nicht mehr leichten" oder einem Verschulden "im mittleren Bereich" ausgeht. Sie verletzt damit ihre Begründungspflicht nach Art. 50 StGB.» (E.1.5.4).

Oktober 15, 2025 12:03 pm

Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_112/2025 vom 21. August 2025 die Beschwerde einer Frau ab, die 2022 zusammen mit weiteren Personen bei einer Aktion der Protestbewegung "RENOVATE SWITZERLAND" die Mont-Blanc-Brücke in Genf blockiert hat. Ihre Verurteilung wegen Nötigung und Störung des öffentlichen Verkehrs ist nicht zu beanstanden und mit der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit vereinbar.

Oktober 13, 2025 4:32 am

Im Urteil 6B_1168/2023 vom 12. September 2025 aus dem Kanton Zürich behandelte das Bundesgericht die Landesverweisung eines des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilten nigerianischen Staatsbürgers, der seit 2002 in der Schweiz mit zwei erwachsenen Kindern in der Schweiz wohnte und über eine mässige Integration und mangelhafte Deutschkenntnisse verfügte. Das Bundesgericht zeigte zunächst lehrbuchartig die Grundsätze zur Landesverweisung auf (E.1.3). Danach bestätigte es die Landesverweisung u.a. wie folgt: «[…] stuft die Vorinstanz die Integration des Beschwerdeführers in die hiesige Gesellschaft zu Recht als mangelhaft ein. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass sie bei ihrer Beurteilung auch seine viele Jahre zurückliegende Vorstrafe mitberücksichtigt. Mit ihr ist in Anbetracht des Umstands, dass der Beschwerdeführer abgesehen von seinen beiden erwachsenen Kindern, die bei der Mutter in U. leben, keine persönlichen Bindungen zur Schweiz aufweist, in Nigeria aufgewachsen ist, seine ebenfalls nigerianische Ehefrau bis vor Kurzem in dem Land gelebt hat, eines seiner erwachsenen Kinder sowie seine beiden Brüder dort leben, die Familie dort ein Haus besitzt und die Ehe ohne Weiteres in der Heimat weitergeführt werden kann, nicht von einem schweren persönlichen Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB auszugehen.» (E.1.5.1). «Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen auf Art. 8 EMRK bzw. den Umstand beruft, seit über 20 Jahren in der Schweiz zu leben und hier zwei Kinder zu haben, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Bundesgericht hat es wiederholt abgelehnt, schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer von einer Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung tangiert die Landesverweisung eines Ausländers nur dann dessen Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK, wenn er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen […], woran es vorliegend fehlt […]. Auch mit Blick auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen beiden volljährigen Kindern kommt Art. 8 EMRK in Ermangelung eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses […] nicht zum Tragen.» (E.1.5.2).