Eine Rückzugsfiktion zu viel
Rückzugsfiktionen sind derzeit sehr beliebt, gerade auch beim Obergericht des Kantons Zürich. Im Urteil 6B_193/2023 vom 16. August 2023 aus dem Kanton Zürich geht es um eine anlässlich der Berufungsverhandlung vom Obergericht des Kantons Zürich wegen des «obstruktiven Verhaltens» des Berufungsklägerin an der Verhandlung selber angenommene Rückzugsfiktion. Das Bundesgericht heisst in diesem – doch etwas kurios anmutenden – Fall die Beschwerde gut, u.a. mit den folgenden Worten: «Ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin an der Berufungsverhandlung auf der Grundlage von Art. 113 Abs. 1 StPO jegliche Aussage und Kooperation hätte verweigern dürfen, kann ihr Verhalten entgegen der Vorinstanz nicht zum Anlass genommen werden, die Verhandlung wegen mangelnder Mitwirkung ("Obstruktion") und angenommenem Desinteresse kurzerhand abzubrechen und das Verfahren zufolge Rechtsmittelrückzugs als erledigt abzuschreiben. Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin, wie die Vorinstanz feststellt, von ihrem Aussageverweigerungsrecht keinen Gebrauch hat machen wollen und sie auch nicht geltend gemacht habe, verhandlungsunfähig zu sein. Das Verfahren hätte richtigerweise nach den Vorgaben der StPO durchgeführt und erledigt werden müssen, wobei das Verhalten der Beschwerdeführerin (wohl als sinngemässe Aussageverweigerung) im Lichte der anderen Beweismittel zu würdigen gewesen wäre. Das Vorgehen der Vorinstanz verletzt Bundesrecht, namentlich Art. 113 StPO und Art. 2 StPO, und läuft auf eine Rechtsverweigerung hinaus. Die Sache ist folglich an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie einen neuen, den Vorgaben der StPO entsprechenden Entscheid fällt.» (E.8)