7B_1156/2024
Dezember 30, 2024 4:35 am

Im Urteil 7B_1156/2024 vom 16. Dezember 2024 aus dem Kanton Schaffhausen befasste sich das Bundesgericht mit dem Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers gegen eine Oberrichterin. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. […]. Art. 56 StPO konkretisiert diesen Grundsatz für das Strafverfahren […]. Gemäss dieser Bestimmung tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person unter anderem in den Ausstand, wenn sie in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleichen Sache tätig war (sog. Vorbefassung; lit. b), und generell, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (lit. f). Zu den Strafbehörden gehören auch die Gerichte (siehe Art. 13 StPO). Der Umstand, dass ein Richter eine beschuldigte Person verurteilt oder freigesprochen hat, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes grundsätzlich nicht, um ihn in einem späteren (getrennten) sachkonnexen Parallelverfahren gegen andere Beschuldigte wegen unzulässiger Vorbefassung abzulehnen. Andernfalls wären die Strafbehörden faktisch gezwungen, sämtliche Beschuldigten ausnahmslos (und insofern entgegen der Regelung von Art. 29-30 StPO) im selben Verfahren zu beurteilen. Ein Ausstandsgrund ist demgegenüber erfüllt, wenn der Erstrichter sich zur Frage der Strafbarkeit oder Straflosigkeit eines im Zweitverfahren separat zu beurteilenden Beschuldigten bereits präjudizierlich geäussert hat. Das ist der Fall, wenn er im früheren Verfahren den Beschuldigten A verurteilt hat in der Erwägung, es sei erwiesen, dass dieser mit dem im späteren Verfahren Beschuldigten B die Tat begangen habe, oder auch dort, wo er den Beschuldigten A mit der Begründung freigesprochen hat, nicht dieser, sondern der im späteren Prozess Beschuldigte B habe die Tat begangen […]. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat (Art. 58 Abs. 1 StPO). […]. Massgebend ist in diesem Zusammenhang nicht, wann die Partei den Grund hätte erkennen können, sondern wann sie ihn bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen […]. In der Regel gilt ein sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds gestelltes Gesuch noch als rechtzeitig; ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten führt dagegen bereits zu einer Verspätung […]. Bei ganz offensichtlichem Anschein der Befangenheit steht die allfällige Verspätung eines Ausstandsgesuchs der Ausstandspflicht unter Umständen nicht entgegen […]» (E.2.1). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und bejahte in einer «Bemerkung zur Sache» die Ausstandspflicht der Oberrichterin.