Sachverhalt
Im Rahmen der Aktion mit dem Decknamen „DABAR“ erfolgten diverse Überwachungsmassnahmen gegen den mutmasslichen Kokainhändler B., welche aufzeigten, dass dieser abermals mit einer Person namens „C. „, einem mutmasslichen Kokainabnehmer, in Kontakt stand. Am 22. November 2018 kontaktierte die Polizei „C. „, nachdem dieser sich mit B. getroffen hatte und stellte bei ihm 9.9 Gramm Kokain (Reinheitsgrad 93 %) sicher. „C. “ konnte als A identifiziert werden. Der Fund von 9.9 Gramm Kokain wurde vom Statthalteramt Bülach mit einem Strafbefehl abgeurteilt.
Gestützt auf die abgehörten Telefongespräche wurde A. in der Anklage der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 16. November 2021 zudem vorgeworfen, zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 30. November 2018 in 42 Fällen Kokain sehr guter Qualität von B. zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben zu haben. Damit habe er sich der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht.
Das Bezirksgericht Bülach sprach A. am 12. April 2022 vollumfänglich frei.
Instanzenzug
Die Staatsanwaltschaft erhob Berufung gegen das Urteil vom 12. April 2022, woraufhin das Obergericht des Kantons Zürich A. am 14. April 2023 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig sprach und ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten bestrafte. Von der Anordnung einer Landesverweisung wurde abgesehen.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. erhebt am 4. September 2023 Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil vom 14. April 2023 sei aufzuheben und er sei freizusprechen. In prozessualer Hinsicht ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Es wurden die kantonalen Akten, nicht jedoch Vernehmlassungen eingeholt. Am 6. Dezember 2024 wurden die Parteien darüber orientiert, dass die Beschwerde in Umsetzung einer Entscheidung der Verwaltungskommission des Bundesgerichts, die sich auf Art. 12 Abs. 1 lit. c des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 (BGerR; SR 173.110.131) stützt, durch die II. strafrechtliche Abteilung in Lausanne behandelt wird.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_1044/2023 vom 29. April 2025
Es wird hier nicht auf alle Rügen eingegangen (vgl. u.a. E.3).Rüge von nicht verwertbaren Zufallsfunden
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der aus der Aktion „DABAR“ stammende Zufallsfund sei nicht verwertbar. Er rügt vor Bundesgericht eine Verletzung von Art. 141 Abs. 1 StPO, Art. 277 Abs. 2 StPO sowie Art. 278 Abs. 3 StPO (E.2). Im Wesentlichen macht er geltend, die Strafuntersuchung gegen ihn habe nur auf Grundlage der Ergebnisse der Telefonüberwachung gegen B. eröffnet werden können. Dabei handle es sich um einen Zufallsfund. Die Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts zur Verwertung des Zufallsfunds sei erst anderthalb Jahre nach Eröffnung des Strafverfahrens und damit deutlich verspätet eingeholt worden. Die Auswertung der abgehörten Telefongespräche vor der Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht sei nicht zulässig gewesen. Die Erkenntnisse aus der Telefonabhörung seien somit unverwertbar (E.2.1).
Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 7B_1044/2023 vom 29. April 2025 generell-abstrakt wie folgt:
«Bei der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie beim Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Art. 281 Abs. 4 StPO) können Erkenntnisse über Straftaten einer Person, die in der Überwachungsanordnung keiner strafbaren Handlung beschuldigt wird, verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung dieser Person erfüllt sind (Art. 278 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft ordnet in diesem Fall unverzüglich die Überwachung an und leitet das Genehmigungsverfahren ein (Art. 278 Abs. 3 StPO). Sie teilt der geheim überwachten beschuldigten Person grundsätzlich spätestens mit Abschluss des Vorverfahrens Grund, Art und Dauer der Überwachung mit (Art. 279 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Das Genehmigungsverfahren nach Art. 278 Abs. 3 StPO ist vor dem Hintergrund des mit der Überwachung einhergehenden schweren Eingriffs in die Privatsphäre (Art. 13 BV) zu betrachten (Urteil 1B_411/2016 vom 17. Januar 2017 E. 1.2.2). Allerdings ist danach zu unterscheiden, ob die Überwachung ausgedehnt oder lediglich ein Zufallsfund genehmigt werden soll. Im letzteren Fall ist von Bedeutung, dass ein Zufallsfund nicht zwingend sofort, sondern möglicherweise erst mit zunehmender Aktenkenntnis als solcher überhaupt erkennbar wird. Bereits die mit diesem Umstand einhergehende Unsicherheit darüber, ab welchem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft erwartet werden kann, „unverzüglich“ ein Genehmigungsverfahren einzuleiten, spricht dafür, diese Vorgabe als Ordnungsvorschrift zu verstehen, deren Verletzung nicht die Unverwertbarkeit des Beweises zur Folge hat (vgl. Urteil 1B_59/2014 vom 28. Juli 2014 E. 4.8 betreffend Art. 274 Abs. 1 StPO). Soweit der Zufallsfund jedenfalls vor seiner Genehmigung nicht verwendet wurde, ist der Staatsanwaltschaft denn auch gemäss der Rechtsprechung kein Vorwurf zu machen (Urteile 7B_91/2024 vom 16. Oktober 2024 E. 5.2.1 f.; 1B_92/2019 vom 2. Mai 2019 E. 2.4; 1B_274/2015 vom 10. November 2015 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 459). Genehmigungsentscheide betreffend Telefonüberwachungen (Art. 272 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 274 StPO) und konnexe Entscheide über die Verwertbarkeit von Zufallsfunden (Art. 278 StPO) können mit der StPO-Beschwerde (Art. 279 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 393 ff. StPO) und danach mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Nach Eintritt der Rechtskraft dieser im StPO-Beschwerdeverfahren zu prüfenden Entscheide können die betreffenden Fragen vor dem Sachgericht nicht nochmals aufgeworfen werden (vgl. BGE 140 IV 40 E. 1.1; Urteile 6B_1362/2020 vom 20. Juni 2022 E. 8.2; 1B_425/2010 vom 22. Juni 2010 E. 1.3; THOMAS HANSJAKOB, Überwachungsrecht der Schweiz, Kommentar zu Art. 279 ff. StPO und zum BÜPF, 2018, N. 1311).» (E.2.3).
Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht im Urteil 7B_1044/2023 vom 29. April 2025 alsdann:
«Wie soeben ausgeführt, ist der Genehmigungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts betreffend einen Zufallsfund grundsätzlich mit StPO-Beschwerde anzufechten. Er kann nicht erst im sachgerichtlichen Verfahren beanstandet werden. Ungeachtet dessen hat die Vorinstanz den Einwand des Beschwerdeführers geprüft, ohne sich mit dieser Problematik zu befassen. Korrekterweise hätte die Vorinstanz zum Schluss gelangen müssen, dass der Einwand verspätet ist und die Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts im Sachentscheid nicht mehr überprüft werden kann (vgl. E. 2.3 hiervor). Allerdings schaden die Erwägungen der Vorinstanz vorliegend nicht, denn die Rügen des Beschwerdeführers waren ohnehin unbegründet. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, liegt gestützt auf die soeben zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung keine Unverwertbarkeit vor, da der Beschwerdeführer erst nach der Genehmigung des Zufallsfunds mit den Ergebnissen der Abhörung konfrontiert wurde und bis dahin keine weiteren Ermittlungshandlungen vorgenommen worden waren.» (E.2.4).
Rechtliche Würdigung als qualifiziertes BetmG-Delikt
Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht weiter gegen die rechtliche Würdigung seines Verhaltens als qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (E.4).
Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 7B_1044/2023 vom 29. April 2025 wie folgt:
«Gemäss Art. 19 Abs. 1 BetmG macht sich unter anderem strafbar, wer Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem anderen verschafft oder in Verkehr bringt (lit. c), oder wer Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt (lit. d). Ein schwerer Fall nach Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG liegt vor, wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann. In objektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand eine direkte oder indirekte Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Täter von dieser Gefährdung wusste oder hätte wissen müssen. Die objektive und die subjektive Voraussetzung müssen kumulativ erfüllt sein (BGE 145 IV 312 E. 2.1.1 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung ist die Schwelle zu einem qualifizierten Fall überschritten und von einer Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen (d. h. von mindestens 20 Personen) auszugehen, wenn ein Betäubungsmittelgemisch mindestens 18 Gramm reines Kokain enthält. Die reine Betäubungsmittelmenge bildet trotz des im Gesetzestext nicht mehr explizit enthaltenen Mengenbezugs weiterhin ein zentrales Kriterium zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gesundheitsgefahr für viele Menschen (vgl. BGE 150 IV 213 E. 1.4; 145 IV 312 E. 2.1.1-2.1.3; Urteile 6B_1280/2022 vom 4. Mai 2023 E. 4.1.1; 6B_1078/2022 vom 25. Januar 2023 E. 3.1.2; je mit Hinweisen).» (E.4.1).
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht im Detail geltend, ihm werde lediglich der Erwerb von jeweils kleinen Mengen von rund 10 Gramm Kokain vorgeworfen. Diese Kleinstmengen dürften nicht zusammengerechnet werden, um einen schweren Fall im Sinne von Art. 19 Abs. 2 BetmG zu konstruieren. Dazu müsste eine Handlungseinheit vorliegen, was nicht der Fall sei, wenn sich die Tat wie vorliegend immer auf dieselbe Menge an Betäubungsmitteln beziehe und diese Menge nicht geeignet sei, viele Menschen zu gefährden. Zudem habe er gemäss angeklagtem Sachverhalt nur unregelmässig Handel betrieben. Die Vorinstanz verletze gemäss dem Beschwerdeführer ihre Begründungspflicht, da sie nicht ausführe, inwiefern ein einheitlicher Willensentschluss vorliege (E.4.4.1).
Das Bundesgericht äussert sich hierzu allgemein und fallbezogen wie folgt:
«Das Bundesgericht befasste sich im Urteil 6B_17/2022 vom 18. März 2024 eingehend mit der Frage, in welchem Fall die Betäubungsmittelmengen zu addieren sind. Dabei setzte es sich auch mit verschiedenen kritischen Lehrmeinungen auseinander und nahm eine ausführliche Auslegung der relevanten Gesetzesbestimmung vor. Gemäss dem genannten Entscheid liegt nach dem geltenden Recht ein mengenmässig schwerer Fall gestützt auf Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG nicht nur dann vor, wenn eine einzelne Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz oder mehrere solche Widerhandlungen, die ein zusammengehörendes Geschehen und damit eine natürliche Handlungseinheit bilden, eine qualifizierte Betäubungsmittelmenge betreffen, sondern auch dann, wenn eine entsprechende Menge nur unter gesamthafter Betrachtung mehrerer, rechtlich selbständiger Widerhandlungen erreicht wird. Ob mehrere Widerhandlungen als ein zusammengehörendes Geschehen erscheinen oder ob sie voneinander unabhängige Einzelhandlungen darstellen, bleibt für die Frage des Vorliegens eines mengenmässig schweren Falls folglich ohne Belang. In der einen wie der anderen Konstellation sind die Gegenstand der einzelnen Handlungen bildenden Betäubungsmittelmengen zu addieren, um das Vorliegen eines mengenmässig schweren Falls zu bestimmen. Anlass, von dieser etablierten Rechtsprechung abzuweichen, besteht nicht. Insofern sind die vorinstanzlichen Erwägungen nicht zu beanstanden.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang im Rahmen einer Eventualbegründung behauptet, er habe die Betäubungsmittel (teilweise) für den Eigenkonsum erworben, was die Vorinstanz bei der rechtlichen Würdigung zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, kann er nicht gehört werden. Auch in diesem Punkt geht er von einem von der verbindlichen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt aus (vgl. E. 3.3 f. hiervor). Die Vorinstanz durfte angesichts der Tatsache, dass die erworbene Betäubungsmittelmenge die Grenze zum schweren Fall – welche bei 18 Gramm reinem Kokain liegt (vgl. E. 4.1 hiervor) – um ein Mehrfaches überschritt, die Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG ohne Weiteres als erfüllt betrachten.» (E.4.4.2).
«Zusammengefasst verletzt die rechtliche Würdigung im angefochtenen Entscheid kein Bundesrecht.» (E.4.5).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.