Sachverhalt
Dem A. wird vorgeworfen, er habe sich am 5. Juli 2022 um 11:10 Uhr in seiner Funktion als Spitex-Mitarbeiter in die Wohnung der rund 90-jährigen, körperlich eingeschränkten und deshalb hilfsbedürftigen B. begeben. Dort sei er mit ihr in das Schlafzimmer gegangen, um ihr die Stützstrümpfe anzuziehen. Zu diesem Zweck habe er ihr die Hosen ausgezogen und ihr erklärt, dass auch die Inkontinenzunterhose gewechselt werden müsse. Darauf habe sie gesagt, dass dies bereits am Vorabend geschehen und nicht nötig sei. A. habe aber mit der Bemerkung insistiert, dass über Nacht Bazillen auftreten und eine Blasenentzündung verursachen könnten, und B. auch die Inkontinenzunterhose ausgezogen. Anschliessend habe er nach einer Crème verlangt, weil die Haut angeblich entzündet gewesen sei, was nicht der Wahrheit entsprochen habe. Danach sei er vor die stehende B. gekniet, die sich auf seinen Schultern abgestützt habe, und habe zunächst die Innenseite der Oberschenkel eingecremt. In der Folge habe er ohne medizinische Indikation ihre Vulva massiert. Dabei habe er zu ihr nach oben geschaut, um ihre Reaktion zu testen, und gesagt, dass dies doch wohltue. Er sei mit einem oder mehreren Fingern in ihre Scheide eingedrungen, worauf sie Schmerzen bekundet habe, weil sie den Fingernagel oder die Fingernägel von A. gespürt habe. Dennoch habe er weiter ihre Vulva massiert, bis sie zu ihm gesagt habe, jetzt reiche es. Darauf habe er von ihrer Vulva abgelassen. Anschliessend sei er mit seiner Hand unter ihr T-Shirt gefahren, habe den Büstenhalter heruntergezogen und die linke Brustwarze kurz in den Mund genommen. Als sie ihm gesagt habe, er solle aufhören, habe er ihr die Hosen und die Stützstrümpfe angezogen und die Wohnung um ca. 11:45 Uhr verlassen. Das Bezirksgericht Kreuzlingen verurteilte A. am 23. Januar 2024 wegen Schändung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und ordnete ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot im Sinne von Art. 67 Abs. 4 StGB an. Zudem verpflichtete es ihn, der Erbengemeinschaft von B. eine Genugtuung von Fr. 3’000.– nebst Zins zu bezahlen.
Instanzenzug
Dagegen ging A. beim Obergericht des Kantons Thurgau in Berufung. Dieses bestätigte am 12. September 2024 den Schuldspruch, die bedingte Freiheitsstrafe und das lebenslängliche Tätigkeitsverbot. Hingegen trat es auf die Zivilklage nicht ein.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei teilweise aufzuheben und er sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge freizusprechen.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_48/2025 vom 16. April 2025
Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht gegen seine Verurteilung wegen Schändung und macht eine Verletzung seines Teilnahmerechts nach Art. 147 StPO und Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK geltend. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass die polizeiliche Einvernahme der mittlerweile verstorbenen B. vom 8. Juli 2022 unverwertbar sei. Denn er habe daran nicht teilgenommen. Die Anwesenheit seiner Verteidigung reiche nicht. Die Staatsanwaltschaft habe vor dem Tod von B. am 26. Februar 2023 genügend Zeit gehabt, eine weitere Konfrontationseinvernahme durchzuführen (E.2.1).
Das Bundesgericht äussert sich zunächst generell-abstrakt im Urteil 6B_48/2025 vom 16. April 2025 zum Teilnahmerecht und zum Konfrontationsrecht wie folgt:
«Gemäss Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Dieses spezifische Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO). Es darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden (Art. 101 Abs. 1, Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO; BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 141 IV 220 E. 4.4; 139 IV 25 E. 4.2 mit Hinweis). Nach Art. 147 Abs. 4 StPO dürfen Beweise, die in Verletzung von Art. 147 StPO erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3; 143 IV 397 E. 3.3.1; 143 IV 457 E. 1.6.1; 139 IV 25 E. 4.2 und 5.4.1; Urteile 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.2; 6B_172/2023 vom 24. Mai 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).» (E.2.2.1).
«Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch der beschuldigten Person, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Er wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn die beschuldigte Person wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 140 IV 172 E. 1.3; 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Einvernahme von Auskunftspersonen (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3.2; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, muss die beschuldigte Person namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu prüfen und den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und in Frage zu stellen (BGE 133 I 33 E. 3.1; 131 I 476 E. 2.2; 129 I 151 E. 4.2; je mit Hinweisen). Dies setzt in aller Regel voraus, dass sich die einvernommene Person in Anwesenheit der beschuldigten Person mindestens einmal zur Sache äussert (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3.2; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.2; 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.3; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.5; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2; je mit Hinweisen).» (E.2.2.2).
«Die mit dem Teilnahmerecht (Art. 147 StPO) und dem Konfrontationsanspruch (Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK) gewährten Garantien sind nicht deckungsgleich und zu unterscheiden. Daraus ergibt sich, dass die Wiederholung einer Einvernahme mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts im Sinne des Mindeststandards der EMRK dazu dient, sämtliche vorhandenen, früheren Aussagen einer Verwertbarkeit zuzuführen, während es bei der Wiederholung einer in Missachtung des Teilnahmerechts von Art. 147 Abs. 1 StPO abgehaltenen Einvernahme unter erstmaliger Wahrung des Teilnahmerechts darum geht, überhaupt erst verwertbare Aussagen zu schaffen (vgl. zum Ganzen BGE 150 IV 345 E. 1.6.7).» (E.2.2.3).
«Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien nicht zur Teilnahme berechtigt (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario; BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; 139 IV 25 E. 5.4.3; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.2; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.2). Nach Eröffnung der Untersuchung kann die Staatsanwaltschaft die Polizei mit ergänzenden Ermittlungen beauftragen (Art. 312 Abs. 1 StPO). Bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, haben die Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3.1; 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2.3.2; 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.3; 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5; je mit Hinweisen).» (E.2.2.4).
«Auf das Teilnahme- und Konfrontationsrecht kann vorgängig oder auch im Nachhinein ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet werden, wobei der Verzicht der beschuldigten Person auch von ihrer Verteidigung ausgehen kann. Die beschuldigte Person kann den Behörden grundsätzlich nicht vorwerfen, gewisse Personen zwecks Konfrontation nicht vorgeladen zu haben, wenn sie es unterlässt, rechtzeitig und formgerecht entsprechende Anträge zu stellen (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; Urteile 6B_1110/2023 vom 23. Mai 2024 E. 3.3.5; 7B_253/2022 vom 8. Februar 2024 E. 2.3.5; 6B_70/2023 vom 31. Juli 2023 E. 2.6; 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1.1; 6B_1265/2021 vom 29. Dezember 2022 E. 2.2.2; 6B_1395/2021 vom 9. Dezember 2022 E. 11.2.4; 6B_315/2020 vom 18. Mai 2022 E. 3.4; 6B_1208/2020 vom 26. November 2021 E. 6.1.2; je mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 6B_1196/2018 vom 6. März 2019 E. 3.1).» (E.2.2.5).
Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht im Urteil 6B_48/2025 vom 16. April 2025 alsdann wie folgt:
«Die Vorinstanz erwägt, am 7. Juli 2022 habe die Staatsanwaltschaft die Eröffnung der Strafuntersuchung verfügt. Die Polizei habe B. einen Tag davor, am 6. Juli 2022, als Auskunftsperson befragt. Dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit zur Teilnahme gegeben worden. Dies sei aber nicht zu beanstanden, da er schon am 8. Juli 2022 Gelegenheit zur Konfrontation erhalten habe. An jenem Tag habe die Polizei B. im Auftrag der Staatsanwaltschaft in Anwesenheit der Verteidigung befragt, wobei die Verteidigung Ergänzungsfragen gestellt habe. Der Verteidigung und dem Beschwerdeführer sei die Möglichkeit eingeräumt worden, an der delegierten Einvernahme von B. teilzunehmen und ihr Ergänzungsfragen zu stellen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer verwehrt gewesen sein sollte, persönlich an dieser Einvernahme teilzunehmen und von seinem Konfrontationsrecht Gebrauch zu machen. Die Einvernahme sei seiner Verteidigung vorgängig angekündigt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer gleichentags nur wenige Stunden später auf demselben Polizeiposten zur Sache und zur Person befragt worden. Der Beschwerdeführer wäre damit hinreichend in der Lage gewesen, die Glaubwürdigkeit von B. zu prüfen und den Beweiswert ihrer Aussagen zu hinterfragen. Die Entscheidung, ob der Beschwerdeführer persönlich an der Einvernahme teilnimmt, sei bei ihm und seiner Verteidigung gelegen.» (E.2.3.1).
«Die Vorinstanz ergänzt, die Spitex habe der Staatsanwaltschaft am 12. und 14. Juli 2022 Unterlagen über B. zugestellt. Diese Unterlagen seien der Verteidigung bei der Akteneinsicht vom 18. Juli 2022 eröffnet worden. Dem Beschwerdeführer seien die Aussageprotokolle von B. sowie der Verlaufsbericht der Spitex bekannt gewesen. Dennoch habe er während Monaten keine erneute Konfrontation mit B. beantragt und auch keine schriftlichen Ergänzungsfragen gestellt. Unter diesen Umständen könne er den Behörden nicht vorwerfen, sie hätten es versäumt, B. zwecks Konfrontation vor ihrem Tod nochmals vorzuladen. Im Übrigen sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, im Rahmen der Beweiswürdigung auf allfällige Widersprüche in den Aussagen von B. hinzuweisen.» (E.2.3.2).
«Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, dringt nicht durch. Zunächst macht er geltend, er sei wegen der schwerwiegenden Vorwürfe aus psychischer Sicht nicht in der Lage gewesen, der Einvernahme vom 8. Juli 2022 beizuwohnen. Es ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer und seiner Verteidigung die Einvernahme vorgängig angekündigt wurde. Seine Verteidigung nahm denn auch daran teil und stellte Ergänzungsfragen an B. Der Beschwerdeführer legt auch vor Bundesgericht nicht dar, weshalb es ihm verwehrt gewesen sein soll, persönlich an der Einvernahme zu erscheinen. Insbesondere leuchtet nicht ein, weshalb er dazu psychisch nicht in der Lage gewesen sein soll, obwohl es ihm am gleichen Tag nur wenige Stunden später möglich war, auf demselben Polizeiposten zur Sache befragt zu werden. Die Vorinstanz gelangt zum zutreffenden Ergebnis, dass der Beschwerdeführer darauf verzichtete, sein Teilnahme- und Konfrontationsrecht am 8. Juli 2022 persönlich wahrzunehmen. Daran ändert nichts, dass die Verteidigung erst am 18. Juli 2022 Einsicht in die Akten nahm. Der Beschwerdeführer war als Spitex-Mitarbeiter mit dem Alter und dem Gesundheitszustand von B. von Anfang an vertraut. Gerade weil ihre Aussage gegen seine Aussage stand, hätte er der Einvernahme vom 8. Juli 2022 nicht ohne nachvollziehbaren Grund fernbleiben sollen. Jedenfalls kann er den Behörden nicht vorwerfen, dass sie zwischen dem 8. Juli 2022 und dem Tod von B. am 26. Februar 2023 keine weitere Einvernahme ansetzten.» (E.2.4).
«Nach dem Gesagten gelangte die Vorinstanz zu Recht zum Schluss, dass die Aussagen von B. verwertbar sind. Entsprechend braucht nicht auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Fernwirkung eines allfälligen Beweisverbots eingegangen zu werden.» (E.2.5).