Verweigerung der Mitwirkung bei Begutachtung und Aktengutachten

Im Urteil 6B_576/2024 vom 11. Dezember 2024 aus dem Kanton Zürich ging es um die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme i.S.v. Art. 59 Abs. 1 StGB. Das Urteil enthält zahlreiche interessante Ausführungen zum Massnahmenrecht (E.5). Dabei nimmt es u.a. wie folgt zum Aktengutachten Stellung: «Die persönliche Untersuchung gehört zum Standard einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung. Nach der Rechtsprechung ist es in erster Linie Aufgabe des angefragten Sachverständigen zu beurteilen, ob sich ein Aktengutachten ausnahmsweise verantworten lässt […]. Ob und wie sich die fehlende Unmittelbarkeit der sachverständigen Einschätzung auf den Beweiswert eines Aktengutachtens auswirkt, ist nach dem konkreten Gegenstand der Gutachterfrage differenziert zu beurteilen. Der Gutachter soll sich (gegebenenfalls je nach Fragestellung gesondert) dazu äussern, ob eine Frage ohne Untersuchung gar nicht, nur in allgemeiner Form oder ohne Einschränkungen beantwortbar ist. Die Verweigerung der persönlichen Untersuchung durch die zu begutachtende Person gilt als Verzicht auf eine Mitwirkung bei der Beweisaufnahme. Dies gilt auch dann, wenn die Weigerung Ausdruck einer krankheitswertigen Persönlichkeit ist. Hat sich der Beschwerdeführer selbst zuzuschreiben, dass eine persönliche Untersuchung unterblieben ist, verhält er sich widersprüchlich, wenn er im späteren Verlauf des Verfahrens rügt, das Aktengutachten sei unverwertbar […]. Da er sich weigerte, an der Begutachtung teilzunehmen, trägt er trotz des im Gesetz verankerten Begutachtungsobligatoriums letztlich die Konsequenzen seiner fehlenden Mitwirkung, zumal er gegen seinen Willen nicht zur Teilnahme an der Begutachtung gezwungen werden kann […].» (E.5.4.2). Beim Vorliegen von zwei sich widersprechenden Gutachten besteht gemäss Bundesgericht auch nicht immer die Notwendigkeit der Einholung eines Obergutachtens: «[…] bestand auch keinerlei Veranlassung zur Einholung eines Obergutachtens. Widersprechen sich zwei Gutachten, führt dies nicht zwingend zur Notwendigkeit eines Obergutachtens, vielmehr hat das Gericht zu entscheiden, welches Gutachten mehr überzeugt […]» (E.6.1.4).

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft See/Oberland des Kantons Zürich wirft A. mit Anklageschrift vom 5. Oktober 2022 vor, er habe am 26. April 2022 im Wissen um das gegen ihn ausgesprochene Haus- und Arealverbot der Klinik B. in U. deren Empfangsraum betreten und um Aufnahme gebeten. Als man ihm eröffnet habe, dass er nicht aufgenommen werde, habe er sich im Eingangsbereich auf ein Sofa gestellt und auf den vor ihm liegenden Teppich uriniert. Weiter soll A. am 10. Mai 2022 seiner Tante C., nachdem diese ihm den Zutritt zu ihrem Haus verweigert und auf das bestehende Arealverbot hingewiesen gehabt habe, mit den Worten „ich fackle die Hütte ab“ gedroht haben. Einen Tag später soll er während seiner fürsorgerischen Unterbringung in der Klinik B. der behandelnden Oberärztin Dr. D. gesagt haben, dass er nicht mehr zu seiner Tante und zu seinem Onkel dürfe und deswegen deren Haus und Auto sowie die Tante selbst anzünden werde. Diese Drohung habe er am selben Tag auch gegenüber einer Pflegefachfrau und am Folgetag gegenüber Dr. D. auf deren Nachfrage wiederholt. Am 12. Mai 2022 soll A. in der Klinik B. der Pflegefachfrau E. mit folgenden Worten gedroht haben: „Du Scheissschlampe, dich bringe ich um, ja genau dich. Vorher fick ich dich noch, weisst du was umbringen heisst: töten.“ Dazu habe er mit seinem Finger eine Geste entlang seines Halses gemacht. Daraufhin soll er ihr nochmals gesagt haben: „Aber zuerst ficke ich dich durch“ oder „ich lasse dich durchficken“. Schliesslich soll A. am 11. Mai 2022 in der Klinik B. mehrfach ins Isolationszimmer uriniert, an das Sichtfenster gespuckt, sein Essen an den Wänden verschmiert und ein Diensttelefon vollständig zerstört haben.

Instanzenzug

Mit Urteil vom 3. April 2023 erkannte das Bezirksgericht Meilen A. der mehrfachen Drohung, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, der mehrfachen Sachbeschädigung sowie des Hausfriedensbruchs schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten. Es ordnete zudem eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 Abs. 1 StGB an.

Auf Berufung von A. bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 25. April 2024 die Schuldsprüche der ersten Instanz und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Massnahmenvollzug von 696 Tagen vollumfänglich erstanden). Es ordnete zudem eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB an. Schliesslich sprach es A. eine Genugtuung von Fr. 3’800.– (zzgl. Zins von 5 % seit dem 23. Januar 2023) für die vom 15. Januar 2023 bis 2. Februar 2023 zu Unrecht erlittene Haft zu. Im Mehrumfang wies es sein Genugtuungsbegehren ab.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt in Aufhebung von Ziff. 1 und 2 des obergerichtlichen Urteils einen Freispruch von Schuld und Strafe. Von der Anordnung einer therapeutischen Massnahme (Ziff 3 des obergerichtlichen Urteils) sei abzusehen. Ziff. 4 des obergerichtlichen Urteils sei hinsichtlich der Abweisung des Genugtuungsbegehrens im Mehrumfang aufzuheben und ihm sei eine Genugtuung für die zu Unrecht erlittene Haft seit dem 12. Mai 2022 in Höhe von Fr. 250.– pro Hafttag (zzgl. Zins von 5 % ab dem mittleren Verfall) auszurichten. Die Kosten beider kantonalen Instanzen inkl. der Kosten der amtlichen Verteidigung seien vollumfänglich auf die Staatskasse zu nehmen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_576/2024 vom 11. Dezember 2024  

Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit und der Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme durch die Vorinstanz eine Verletzung von Bundesrecht sowie einen Verstoss gegen das Willkürverbot. Die Vorinstanz stelle auf das nicht schlüssige Gutachten von Dr. F. vom 4. Juli 2022 ab, das eine teilweise Schuldfähigkeit bejahe, obwohl kurz zuvor das Gutachten von Dr. G. vom 5. Juli 2021 im Zusammenhang mit der Begehung früherer Delikte von einer vollständigen Schuldunfähigkeit ausgegangen sei. In Verletzung von Art. 20 StGB habe es die Vorinstanz unterlassen, eine Oberexpertise einzuholen. Dies führe im Ergebnis zu einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung. Das Gutachten sei auch deswegen nicht schlüssig, weil Dr. F. es lediglich aufgrund der Akten, d.h. ohne persönliche Befragung und Untersuchung des Beschwerdeführers, erstellt habe. Dem Sachverständigen hätten deshalb massgebliche Informationen (insb. zu den innerpsychischen Abläufe im Vorfeld der Taten) zur Beurteilung der Schuldfähigkeit gefehlt. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens erst ein einziges Mal einvernommen worden sei und die Taten bestritten habe. Darüber hinaus verfalle die Vorinstanz in Willkür, wenn sie auch hinsichtlich der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs, begangen am 26. April 2022, von einer bloss verminderten Schuldfähigkeit ausgehe, da sich der Sachverständige zu diesen Delikten gar nicht geäussert habe (E.2.1).

Weiter beanstandet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht, die Vorinstanz bejahe willkürlich seine Massnahmefähigkeit und -willigkeit. Er habe sich bereits von Juni 2002 bis März 2017 im stationären Massnahmenvollzug befunden, wobei die Massnahme schliesslich wegen Aussichtslosigkeit habe aufgehoben werden müssen (E.2.2).

Ferner bejahe die Vorinstanz willkürlich und in Verletzung von Bundesrecht die Verhältnismässigkeit der Massnahme, rügt der Beschwerdeführer. So setze sie sich nicht näher mit der Eignung der Massnahme auseinander, sondern beschränke sich auf die Feststellung, dass alle anderen Massnahmen und insbesondere eine ambulante Therapie aussichtslos seien (E.2.3).

Das Bundesgericht macht zur Ansicht der Vorinstanz im Urteil 6B_576/2024 vom 11. Dezember 2024 die folgenden Ausführungen:

«Die Vorinstanz stützt sich hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers auf das Gutachten von Dr. F. vom 4. Juli 2022. Dieser lege nachvollziehbar und überzeugend dar, dass die Handlungen des Beschwerdeführers Ausdruck seiner schweren Persönlichkeitsstörung und nicht seiner paranoiden Schizophrenie seien. Dieser sei frustriert gewesen, weil er nicht seinen Willen bekommen habe. Seine Handlungen widerspiegelten die durch die diagnostizierte dissoziale Persönlichkeitsstörung bedingte geringe Frustrationstoleranz und erhöhte Kränkbarkeit. Gemäss Dr. F. bestünden auch keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Drohung gegenüber seiner Tante und der Pflegefachfrau E. im Rahmen eines paranoid halluzinatorischen Ereignisses gehandelt habe. So habe auch Dr. D. ausgesagt, er habe im Rahmen seines Aufenthalts in der Klinik B. keine psychotischen Symptome gezeigt. Dr. F. lege schlüssig dar, weshalb die dissoziale Persönlichkeitsstörung nicht zu einer vollständigen Schuldunfähigkeit geführt habe. Seine Schlussfolgerungen seien in Bezug auf die Herleitung der Diagnose, die Deliktdynamik sowie die Schuldfähigkeit detaillierter, nachvollziehbarer und schlüssiger als diejenigen von Dr. G.. Schliesslich würden auch die Aussagen des Beschwerdeführers selbst zu seinen Taten auf eine teilweise erhaltene Schuldfähigkeit schliessen. Dieser habe ausgesagt, die Drohungen gegenüber seiner Tante und der Pflegefachfrau E. bei vollem Bewusstsein und nur als Reaktion auf deren Abweisungen ausgesprochen zu haben. Auch anlässlich der vorinstanzlichen Verhandlung habe er bekräftigt, dies in der Absicht getan zu haben, weiterhin in der Klinik B. resp. im Trockenen bleiben und Essen erhalten zu können. Auch wenn sich Dr. F. nicht zu den Delikten vom 26. April 2022 äussere, wiesen diese dieselbe Deliktdynamik wie die anderen Taten auf, weshalb auch diesbezüglich von einer mittel- bis schwergradig verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen werden könne.» (E.3.1).

«Die Vorinstanz begründet auch, weshalb sie das Gutachten von Dr. F. hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer stationären Massnahme als schlüssig erachtet. So habe dieser festgehalten, die Massnahme lasse sich auch gegen den Willen des Beschwerdeführers durchführen. Weiter habe er ausgeführt, dass sich ein schizophrenes Residuum mittels ausreichend dosierter Antipsychotika und darüber hinaus auch die schwere dissoziale Persönlichkeitsstörung durch verhaltenspädagogische und verhaltstherapeutische Massnahmen günstig beeinflussen liessen. Aus gutachterlicher Sicht bestehe in einem konsequenten und Grenzen setzenden Rahmen bei verordneter regelmässiger Medikation in ausreichender Dosierung durchaus die Chance, dass sich der Beschwerdeführer so weit stabilisieren werde, dass man ihn anschliessend in einer geeigneten Einrichtung mit Tagesstruktur platzieren könne. Die im aktuellen Verlaufsbericht der Klinik H. vom 21. März 2024 geschilderte positive Entwicklung gebe dieser Einschätzung von Dr. F. recht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der im Hinblick auf die Verhältnismässigkeit der stationären Massnahme die Anlasstaten als nicht sehr schwerwiegend qualifiziere, sei anzumerken, dass es sich bei sämtlichen Taten – auch bei der mehrfachen Sachbeschädigung und beim Hausfriedensbruch – um Vergehen und nicht – wie geltend gemacht – bloss um Übertretungen handle. Schliesslich rechtfertige sich die Anordnung einer stationären Massnahme bzw. der damit verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers auch aufgrund des hohen Rückfallrisikos für erneute verbale Aggressivität und des deutlich erhöhten Rückfallrisikos für körperliche Angriffe (auch mit Gegenständen) auf Personen. Die Verhältnismässigkeit der Anordnung einer stationären Massnahme sei demnach ebenfalls zu bejahen.» (E.3.2).

Generell-abstrakt führt das Bundesgericht im Urteil 6B_576/2024 vom 11. Dezember 2024 anschliessend aus:

«Gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (lit. a), ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert (lit. b) und die Voraussetzungen der Art. 59-61, 63 oder 64 StGB erfüllt sind (lit. c). Eine stationäre therapeutische Massnahme zur Behandlung von psychischen Störungen ist nach Art. 59 Abs. 1 StGB anzuordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist, er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht (lit. a), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (lit. b).» (E.5.1).

«Die stationäre therapeutische Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 56 Abs. 2 StGB). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, bei der betroffenen Person die Legalprognose zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fallen im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte der betroffenen Person in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten relevant (vgl. BGE 142 IV 105E. 5.4; 137 IV 201E. 1.2; Urteil 6B_464/2024 vom 13. August 2024 E. 3.3; je mit Hinweisen). Mit Blick auf die Eignung der Massnahme als Teilgehalt der Verhältnismässigkeit setzt die Anordnung einer stationären Massnahme eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern bzw. eine tatsächliche Reduktion des Rückfallrisikos erreichen lässt. Eine lediglich vage, bloss theoretische Erfolgsaussicht genügt für die Anordnung einer therapeutischen Massnahme nicht. Nicht erforderlich ist hingegen, dass über einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ein Zustand erreicht wird, der es rechtfertigt, dem Betroffenen Gelegenheit für eine Bewährung in Freiheit zu geben (vgl. BGE 134 IV 315 E. 3.4.1; Urteile 6B_286/2024 vom 7. August 2024 E. 1.3.1; 6B_991/2023 vom 10. Juli 2024 E. 2.3.3; je mit Hinweisen). Eine stationäre Massnahme sollte – auch wenn nach dem Gesetzeswortlaut für ihre Anordnung die Befürchtung künftiger „Taten“ ausreicht – nicht in Betracht kommen, wenn von einem Täter lediglich Übertretungen oder andere Delikte geringen Gewichts zu erwarten sind. Denn die dadurch bewirkte Störung des Rechtsfriedens ist in solchen Fällen nicht genügend intensiv, um die mit der Anordnung einer Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB einhergehenden Eingriffe in die Persönlichkeits- bzw. Freiheitsrechte des betroffenen Täters zu rechtfertigen. Mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit muss insoweit vielmehr die Befürchtung nicht unerheblicher künftiger Straftaten im Raum stehen, d.h. es muss mit Schädigungen von einer gewissen Tragweite gerechnet werden bzw. mit strafbaren Handlungen, die den Rechtsfrieden ernsthaft zu stören geeignet sind. Damit wird die „Bagatellkriminalität“ im Rahmen von Art. 59 StGB ausgegrenzt (Urteile 6B_933/2023 vom 15. Februar 2024 E. 12.2.4; 6B_1226/2023 vom 20. Dezember 2023 E. 2.3.2; 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023 E. 3.2.2; je mit Hinweisen). Nicht ausser Acht zu lassen ist bei der Beurteilung der Angemessenheit einer strafrechtlichen Massnahme auch die Anlasstat. Nach dem Wortlaut von Art. 59 StGB reicht hierfür zwar jedes Verbrechen oder Vergehen aus. Nur Übertretungen vermögen eine Einweisung in eine Klinik oder eine Massnahmenvollzugseinrichtung von vornherein nicht zu rechtfertigen. Indessen darf dem Täter in der Regel keine grössere Gefährlichkeit attestiert werden, als in der Anlasstat zum Ausdruck kommt (Urteile 6B_1226/2023 vom 20. Dezember 2023 E. 2.3.2; 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023 E. 3.2.2; 6B_536/2021 vom 2. November 2022 E. 3.3; je mit Hinweisen). Bei leichtem Verschulden sowie entsprechend geringfügigen Strafen ist nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip trotz Therapiebedürfnisses von der stationären Massnahme im Prinzip abzusehen (vgl. BGE 136 IV 156E. 3.2; Urteile 6B_1226/2023 vom 20. Dezember 2023 E. 2.3.2; 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023 E. 3.2.2). Allerdings steht der Anordnung einer Massnahme nicht entgegen, wenn der Täter die Anlasstat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat (vgl. Art. 19 Abs. 3 StGB). Die Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Massnahme ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage (Urteile 7B_197/2023 vom 14. Juli 2023 E. 4.2.5; 6B_173/2019 vom 24. Oktober 2019 E. 5.3.3; 6B_85/2019 vom 15. Mai 2019 E. 1.5). Diese prüft das Bundesgericht frei.» (E.5.2).

«Eine stationäre Behandlung verlangt vom Betroffenen ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft. An die Therapiewilligkeit im Zeitpunkt des richterlichen Entscheids dürfen bei der stationären Behandlung von psychischen Störungen nach Art. 59 StGB jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es durchaus aufgrund der psychischen Erkrankung des Betroffenen an der Fähigkeit fehlen kann, die Notwendigkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen. Mangelnde Einsicht gehört bei schweren, langandauernden Störungen häufig zum typischen Krankheitsbild. Ein erstes Therapieziel besteht daher oft darin, Einsicht und Therapiewilligkeit zu schaffen, was gerade im Rahmen stationärer Behandlungen auch Aussichten auf Erfolg hat. Entscheidend ist, ob beim Betroffenen eine minimale Motivierbarkeit für eine therapeutische Behandlung erkennbar ist (Urteile 6B_286/2024 vom 7. August 2024 E. 1.3.3; 6B_933/2023 vom 15. Februar 2024 E. 12.2.3; 6B_387/2023 vom 21. Juni 2023 E. 4.3.1; je mit Hinweisen). Dass die Motivation für eine Behandlung beim Betroffenen nicht von Anfang an klar vorhanden ist, spricht nicht gegen ihre Anordnung. Von der Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme ist nach der Rechtsprechung nicht bereits deshalb abzusehen, weil der Betroffene diese kategorisch ablehnt. Ob eine und gegebenenfalls welche Massnahme anzuordnen ist, entscheidet sich nach objektiven Gesichtspunkten. Auf die subjektive Meinung der betroffenen Person kommt es grundsätzlich ebenso wenig an wie auf deren persönliche Empfindung (Urteile 6B_1287/2017 vom 18. Januar 2018 E. 1.3.3; 6B_463/2016 vom 12. September 2016 E. 1.3.3; 6B_543/2015 vom 10. Dezember 2015 E. 4.2.3; je mit Hinweisen).» (E.5.3).

«Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, die Art und die Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und die Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme (Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 182 StPO; BGE 150 IV 1 E. 2.2.3; 146 IV 1E. 3.1; 134 IV 315E. 4.3.1). Als sachverständige Person im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB sind in aller Regel ausschliesslich Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie zugelassen (vgl. BGE 140 IV 49E. 2; Urteile 6B_1261/2022 vom 23. Januar 2023 E. 3.2.3; 6B_536/2021 vom 2. November 2022 E. 3.3; je mit Hinweisen).» (E.5.4.1).

«Die persönliche Untersuchung gehört zum Standard einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung. Nach der Rechtsprechung ist es in erster Linie Aufgabe des angefragten Sachverständigen zu beurteilen, ob sich ein Aktengutachten ausnahmsweise verantworten lässt (BGE 146 IV 1 E. 3.2.2 mit Hinweisen, 127 I 54E. 2e, 2f; Urteile 6B_919/2023 vom 10. Juli 2024 E. 3.7.3; 6B_388/2023 vom 4. Dezember 2023 E. 3.5.2). Ob und wie sich die fehlende Unmittelbarkeit der sachverständigen Einschätzung auf den Beweiswert eines Aktengutachtens auswirkt, ist nach dem konkreten Gegenstand der Gutachterfrage differenziert zu beurteilen. Der Gutachter soll sich (gegebenenfalls je nach Fragestellung gesondert) dazu äussern, ob eine Frage ohne Untersuchung gar nicht, nur in allgemeiner Form oder ohne Einschränkungen beantwortbar ist. Die Verweigerung der persönlichen Untersuchung durch die zu begutachtende Person gilt als Verzicht auf eine Mitwirkung bei der Beweisaufnahme. Dies gilt auch dann, wenn die Weigerung Ausdruck einer krankheitswertigen Persönlichkeit ist. Hat sich der Beschwerdeführer selbst zuzuschreiben, dass eine persönliche Untersuchung unterblieben ist, verhält er sich widersprüchlich, wenn er im späteren Verlauf des Verfahrens rügt, das Aktengutachten sei unverwertbar (vgl. BGE 146 IV 1 E. 3.2.2; 127 I 54E. 2d; Urteil 6B_1221/2021 vom 17. Januar 2022 E. 1.4). Da er sich weigerte, an der Begutachtung teilzunehmen, trägt er trotz des im Gesetz verankerten Begutachtungsobligatoriums letztlich die Konsequenzen seiner fehlenden Mitwirkung, zumal er gegen seinen Willen nicht zur Teilnahme an der Begutachtung gezwungen werden kann (Urteile 6B_1165/2019 vom 30. Januar 2020 E. 1.8.2; 6B_93/2015 vom 19. Mai 2015 E. 5.2; 6B_710/2010 vom 25. November 2010 E. 1.5; je mit Hinweisen).» (E.5.4.2).

«Das Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei (Art. 10 Abs. 2 StPO). In Fachfragen darf es davon indessen nicht ohne triftige Gründe abweichen und Abweichungen müssen begründet werden. Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 150 IV 1 E. 2.3.3; 146 IV 114 E. 2.1; 142 IV 49 E. 2.1.3; je mit Hinweisen).  

Gemäss Art. 189 StPO lässt die Verfahrensleitung das Gutachten von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei durch die gleiche sachverständige Person ergänzen oder verbessern oder bestimmt weitere Sachverständige, wenn das Gutachten unvollständig oder unklar ist (lit. a), mehrere Sachverständige in ihren Ergebnissen erheblich voneinander abweichen (lit. b) oder Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens bestehen (lit. c). Die enge Bindung des Gerichts an das Gutachten entfällt, wenn mehrere einander widersprechende Gutachten vorliegen. Widersprechen sich zwei oder mehrere Gutachten, muss das Gericht in freier Würdigung der Gutachten darüber befinden, auf welches Gutachten abzustellen ist, wobei es nur an die Schranken des Willkürverbots gebunden ist (vgl. BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1, 107 IV 7 E. 5; Urteile 6B_162/2024 vom 16. Juli 2024 E. 5.1.2 f.; 7B_295/2023 vom 16. Februar 2024 E. 4.4.3; 6B_154/2021 vom 17. November 2021 E. 1.7.1). Das Gericht ist nicht verpflichtet, seiner Beweiswürdigung in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ das für den Beschuldigten günstigere Gutachten zugrunde zu legen, wenn ein anderes Gutachten seines Erachtens überzeugender ist (vgl. BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1; Urteile 7B_295/2023 vom 16. Februar 2024 E. 4.4.4; 6B_1363/2019 vom 19. November 2020 E. 1.2.3; je mit Hinweisen).» (E.5.4.3).

Der Beschwerdeführer dringt mit seinen Rügen nicht ansatzweise durch, er scheitert bereits in formeller Hinsicht, dazu das Bundesgericht:

«Der Beschwerdeführer beschränkt sich über weite Strecken darauf, die bereits vor Vorinstanz vorgebrachte Kritik am Gutachten von Dr. F. zu wiederholen, ohne sich vertieft mit der Argumentation der Vorinstanz auseinanderzusetzen. Das Bundesgericht ist jedoch keine Berufungsinstanz, vor welcher Sachverhaltsrügen erneut frei vorgebracht werden können. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde aufzuzeigen, inwiefern die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach dem Gutachten von Dr. F. zu folgen ist, schlechterdings unhaltbar sein soll. Dies gelingt ihm nicht.» (E.6.1.1).

Weiter nimmt das Bundesgericht im Urteil 6B_576/2024 vom 11. Dezember 2024 wie folgt Stellung:

«Insofern der Beschwerdeführer rügt, Dr. F. habe ein reines Aktengutachten erstellt und ihm hätten die Grundlagen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit gefehlt, kann ihm nicht gefolgt werden. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die Mitwirkung an der Begutachtung verweigert hat, was dieser nicht bestreitet. Wenn er sich nun auf den Standpunkt stellt, aufgrund der von ihm zu verantwortenden fehlenden Mitwirkung könne auf das Gutachten nicht abgestellt werden, verhält er sich einerseits widersprüchlich. Andererseits standen Dr. F. – wie auch die Vorinstanz ausführt – genügend Informationen zur Erstellung seines Gutachtens zur Verfügung. So konnte er sich auf umfangreiche Akten sowohl des aktuellen Verfahrens als auch der früheren Verfahren und auf die Aussagen mehrerer Auskunftspersonen resp. Zeugen (unter anderem die ebenfalls fachkundige und mit der Behandlung des Beschwerdeführers betraute Dr. D.) sowie des Beschwerdeführers selbst abstützen. Ihm standen auch die früheren Gutachten von Dr. G. und Dr. I. zu Verfügung. Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens erst einmal befragt wurde und die Vorwürfe bestritt, vermag sich auf die Schlüssigkeit des Gutachtens nicht auszuwirken, kommt es doch regelmässig vor, dass die zu begutachtende Person die ihr gemachten Vorwürfe bestreitet.» (E.6.1.2).

«Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers verfällt die Vorinstanz nicht in Willkür, indem sie hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit das Gutachten von Dr. F. als verwertbar sowie überzeugend beurteilt und demnach bezüglich sämtlicher Taten von einer mittel- bis schwergradig verminderten Schuldfähigkeit ausgeht. Da die Vorinstanz das Gutachten von Dr. F. als schlüssig erachtet, bestand auch keinerlei Veranlassung zur Einholung eines Obergutachtens. Widersprechen sich zwei Gutachten, führt dies nicht zwingend zur Notwendigkeit eines Obergutachtens, vielmehr hat das Gericht zu entscheiden, welches Gutachten mehr überzeugt (vgl. E. 5.4.3).» (E.6.1.4).

Auf weitere Rügen wird hier nicht eingegangen.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

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