Verletzung vom Grundsatz von «nemo tenetur» bei Erfragung von PIN-Codes von Handys

Im Urteil 6B_525/2024 vom 15. Januar 2025 aus dem Kanton Aargau (zur amtl. Publ. vorgesehen) äusserte sich das Bundesgericht zum Grundsatz von «nemo tenetur» bei ohne Rechtsbelehrung erfragten PIN-Codes von Handys. Das Bundesgericht äussert sich wie folgt: Durch das Instrument der informellen Befragung dürfen die Garantien von Art. 158 und 159 StPO nicht unterlaufen werden. Die überwiegende Lehre befürwortet hinsichtlich der Belehrungspflichten nach Art. 158 StPO einen materiellen Einvernahmebegriff. Die rein formelle Betrachtungsweise von Art. 158 Abs. 1 StPO hinsichtlich des Einvernahmebegriffs greift daher zu kurz. […]. Der Schutzgedanke des „nemo-tenetur“-Grundsatzes, der auch den „Miranda Warning“ zugrunde liegt, liegt darin, dass auf das Selbstbelastungsprivileg gültig nur verzichten kann, wer zuvor darüber informiert wurde, dass er Träger dieses Rechts ist und wenn sichergestellt ist, dass er diese Belehrung auch verstanden hat. Das muss umso mehr gelten, wenn die Angaben der beschuldigten Person in irgendeiner Form Eingang in die Strafakte finden, sei es nun als Protokolle, Aktennotizen, Rapporte, Berichte oder in anderer Form. Dabei spielt es auch keine Rolle, wo und bei welcher Gelegenheit die beschuldigte Person diese Angaben macht, sei dies im Polizeifahrzeug nach der vorläufigen Festnahme, anlässlich der Fahrt zu einem Augenschein oder anlässlich einer Hausdurchsuchung etc. […]. Die Strafverfolgungsbehörden überschreiten daher ihren Beurteilungsspielraum, wenn sie trotz eines konkreten Tatverdachts nicht zu einer förmlichen Beschuldigteneinvernahme der verdächtigten Person mit vorheriger Rechtsbelehrung übergehen. Verfahrensrechtlich liegt in solchen Fällen eine „erste Einvernahme der beschuldigten Person“ vor, bei der sowohl die Protokollierungsvorschriften (Art. 78, 143 Abs. 2 StPO) als auch die Hinweispflichten nach Art. 158 Abs. 1 StPO missachtet wurden, sodass die Aussagen nach Abs. 2 unverwertbar sind […]» (E.2.4.5). Weiter äussert sich das Bundesgericht zur Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes: «Hinsichtlich der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten nahm der im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils geltende Art. 141 Abs. 4 StPO lediglich auf Art. 141 Abs. 2 StPO, nicht jedoch den zugehörigen Abs. 1 Bezug. Ob im Falle einer absoluten Unverwertbarkeit nach Art. 141 Abs. 1 StPO eine strikte Fernwirkung eintreten und Art. 141 Abs. 4 StPO keine Anwendung finden sollte, war in der Lehre umstritten und wurde in BGE 138 IV 169 E. 3.2 offengelassen. Im Urteil 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 entschied das Bundesgericht, die vor dem Inkrafttreten der vereinheitlichten StPO geltende bundesgerichtliche Rechtsprechung (die für die Verwertbarkeit von Folgebeweisen nicht danach unterschied, ob sich die Unverwertbarkeit des Primärbeweises aus einem absoluten oder relativen Beweisverwertungsverbot ergab), gelte im Hinblick auf den ab 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Art. 141 Abs. 4 StPO – der nunmehr ausdrücklich Art. 141 Abs. 1 und Abs. 2 StPO umfasst – weiterhin (Urteil 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 E. 3.2.4). Folglich ist in casu nicht von einer strikten Fernwirkung auszugehen und Art. 141 Abs. 4 StPO findet Anwendung. Demnach wäre jedoch aufzuzeigen, dass das Mobiltelefon des Beschwerdeführers auch ohne Bekanntgabe des einschlägigen Zugangscodes hätte ausgelesen werden können. Ein derartiger Nachweis ist regelmässig nur schwer zu erbringen (vgl. Huwiler/Studer, a.a.O., S. 56) und fehlt im vorliegenden Fall. Gemäss dem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt steht sodann nicht fest, dass die im Hinblick auf die Schuldsprüche in Sachen B., C., D. und E. vorinstanzlich gewürdigten Folgebeweise auch ohne aus dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers stammende Daten hätten erlangt werden können. Gemäss den von der Vorinstanz zitierten Erwägungen der ersten Instanz ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen. Somit erweisen sich sämtliche von der Vorinstanz berücksichtigten Beweismittel als unverwertbar.» (E.2.5.2).

Sachverhalt

Das Bezirksgericht Zofingen verurteilte A. am 22. August 2022 wegen versuchter sexueller Nötigung, versuchter sexueller Handlungen mit einem Kind, Pornografie, versuchter Pornografie und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von 4 Jahren sowie einer Busse von Fr. 1’500.–. Hinsichtlich weiterer Vorwürfe (sexuelle Nötigung, mehrfache versuchte sexuelle Nötigung, versuchte Nötigung, mehrfache Pornografie, mehrfache versuchte sexuelle Handlungen gegen Entgelt mit Minderjährigen, sexuelle Handlungen mit Kindern) sprach es ihn frei. Es erteilte ihm für die Dauer der Probezeit die Weisung, sich einer deliktorientierten Therapie zu unterziehen, resp. die laufende Therapie zu erweitern. Weiter ordnete es ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot und eine Landesverweisung für die Dauer von 5 Jahren an.

Instanzenzug

Auf Berufungen von A. und der Staatsanwaltschaft hin sprach das Obergericht des Kantons Aargau Ersteren am 21. Dezember 2023 von den Vorwürfen der versuchten sexuellen Handlungen mit einer Minderjährigen gegen Entgelt, der versuchten Pornografie und der sexuellen Handlung mit einem Kind frei. Es verurteilte ihn wegen sexueller Handlung mit einem Kind, mehrfacher zum Teil versuchter Nötigung und Pornografie zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren unter Gewährung des teilbedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 4 Jahren, wobei es den zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe auf 1 Jahr festsetzte. Es stellte die Verletzung des Beschleunigungsgebotes fest, verwies A. für 5 Jahre des Landes und ordnete ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot an.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt Freisprüche von den Vorwürfen der sexuellen Handlung mit einem Kind (Zusatzanklage, 4. Abschnitt), der mehrfachen zum Teil versuchten Nötigung betreffend Anklageziffern I.1, I.2, I.3, I.4, I.5 (hinsichtlich des verlangten Treffens) und I.6 sowie der Pornografie gemäss Anklageziffer I.1. A. sei schuldig zu sprechen der versuchten Nötigung gemäss Anklageziffer I.5 (hinsichtlich des verlangten Videochats), der Nötigung gemäss Zusatzanklage (5. Abschnitt) und der Pornografie gemäss Zusatzanklage (3. Abschnitt, hinsichtlich des Zusendens eines Bildes seines Geschlechtsteils). Er sei mit einer bedingten Geldstrafe von maximal 180 Tagessätzen à Fr. 10.– zu bestrafen und auf den Antrag auf Landesverweisung sei nicht einzutreten, eventualiter sei gestützt auf Art. 66a Abs. 2 StGB darauf zu verzichten.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_525/2024 vom 15. Januar 2025  

Verletzung des Grundsatzes von «nemo tenetur»

Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde betreffend B., C., D. und E. vor Bundesgericht damit, dass sich die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung auf rechtswidrig erhobene Beweise stütze und somit auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 Abs. 1 BGG beruhe. Die Polizei habe vom Beschwerdeführer anlässlich der Hausdurchsuchung ohne vorgängige Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter, insbesondere sein Mitwirkungs- und Aussageverweigerungsrecht, den PIN-Code für sein Mobiltelefon erfragt. Bei der Erfragung des PIN-Codes handle es sich nicht um eine Fragestellung, welche lediglich der Erleichterung der Hausdurchsuchung diene. Solche ausserhalb einer förmlichen Einvernahme zulässige Fragen würden sich auf administrative Angelegenheiten beschränken, etwa welche Räumlichkeiten eine Person bewohne und was sich in einem Behältnis befinde. Es sei nicht zulässig, Personen ausserhalb einer formalisierten Einvernahme in unverbindliche informelle Gespräche zu verwickeln, um verfahrensrelevante Informationen zu gewinnen. Die Verweigerung, Gerätesperrcodes offenzulegen, sei klar vom Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ geschützt. Art. 158 StPO würde völlig seines Sinngehaltes entleert, wenn die Polizei in unverbindlichen Gesprächen Informationen erfragen dürfte, deren Verweigerung von ebendiesem Grundsatz geschützt sei, so der Beschwerdeführer. Deshalb habe sich die Vorinstanz nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass es sich anlässlich der Hausdurchsuchung um keine Einvernahme gehandelt habe, und damit Art. 157 f. StPO nicht greife. Dies wäre schlussendlich nicht einmal ausschlaggebend. Ausschlaggebend sei der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht ausserhalb formeller Einvernahmen nach vom Grundsatz „nemo tenetur“ geschützten Informationen „fischen“ dürften. Entgegen der vorinstanzlichen Folgerung enthalte dies sehr wohl ein täuschendes Element nach Art. 140 Abs. 1 StPO, was nach Art. 140 Abs. 2 StPO absolut unzulässig sei und gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO zur absoluten Unverwertbarkeit der erhobenen Beweise führe, so der Beschwerdeführer (E.2.1).

Die Vorinstanz erwägt vor Bundesgericht unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (Urteil 1B_535/2021 vom 19. Mai 2022 E. 2.3), anwesende Inhaber der zu durchsuchenden Räume hätten gemäss Art. 245 Abs. 2 Satz 1 StPO der Hausdurchsuchung beizuwohnen. Dies diene unter anderem der Erleichterung der Hausdurchsuchung und erlaube es den ausführenden Polizeibeamten insbesondere, dem Inhaber Fragen zu stellen, etwa dazu, welche Räume er bewohne und was sich in einem Behältnis befinde. Bei derartigen Fragen, welche die Hausdurchsuchung erleichtern sollten und die sich auch an andere anwesende Personen richten könnten, handle es sich um keine Einvernahme, weshalb Art. 157 f. StPO nicht anwendbar seien. Vorliegend sei daher die Polizei nicht verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer im Rahmen der Herausgabe der Zugangscodes nach Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO darauf hinzuweisen, dass er die Aussage und Mitwirkung verweigern könne, weshalb kein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei (E.2.3).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_525/2024 vom 15. Januar 2025 generell-abstrakt wie folgt:

«Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens betreffend Entsiegelung hielt das Bundesgericht fest, allgemeine Verwertungsverbote gestützt auf Art. 140 f. StPO seien im Entsiegelungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn die Unverwertbarkeit offensichtlich sei. Gemäss Art. 245 Abs. 2 Satz 1 StPO hätten anwesende Inhaberinnen und Inhaber der zu durchsuchenden Räume der Hausdurchsuchung beizuwohnen. Dies diene unter anderem der Erleichterung der Hausdurchsuchung und erlaube es den diese durchführenden Polizeibeamten insbesondere, dem Inhaber Fragen zu stellen etwa dazu, welche Räume er bewohnt und was sich in einem Behältnis befindet. Bei derartigen Fragen, welche die Hausdurchsuchung erleichtern sollen, dürfte es sich um keine Einvernahme handeln. Die Art. 157 f. StPO dürften deshalb nicht anwendbar sein. Jedenfalls sei die Anwendung dieser Bestimmungen nicht offensichtlich und damit auch nicht die Pflicht der Polizeibeamten, den Beschuldigten vorgängig an die Erfragung des Zugangscodes zum Mobiltelefon nach Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO darauf hinzuweisen, dass er die Aussage und die Mitwirkung verweigern könne. Ein Beweisverwertungsverbot könne daher im vorliegenden Entsiegelungsverfahren nicht angenommen werden, weil die Polizeibeamten den Beschwerdeführer vor der Herausgabe des Codes nicht darüber aufgeklärt hätten, dass er die Aussage und Mitwirkung verweigern könne. Ein Beweisverwertungsverbot gestützt auf Art. 140 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO dürfte schon deshalb nicht anwendbar sein, weil es sich bei einer Hausdurchsuchung um keine Beweiserhebung handle. Im Übrigen sei nicht offensichtlich, dass sich die Polizeibeamten bei der Erfragung des Zugangscodes zum Mobiltelefon des Beschwerdeführers unzulässiger Methoden nach Art. 140 StPO bedient hätten (Urteil 1B_535/2021 vom 19. Mai 2022, E. 2.3 und 2.5 mit Hinweisen).» (E.2.4.1).

«Nach dem in Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II (SR 0.103.2) verankerten und aus Art. 32 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteten Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ ist im Strafverfahren niemand gehalten, zu seiner Belastung beizutragen, und ist der Beschuldigte aufgrund seines Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen (vgl. Art. 113 Abs. 1 und Art. 158 Abs. 1 lit. b StPOBGE 142 IV 207E. 8.3 S. 214 f.; Urteil 6B_90/2019 vom 7. August 2019 = BGE 145 IV 407, nicht publizierte Erwägung 5.3.2; je mit Hinweisen). Gestützt auf diesen Grundsatz kann eine Beschuldigte Person nicht verpflichtet werden, Gerätesperrcode und PIN- oder PUK-Code der SIM-Karte offenzulegen (Urteil 1B_376/2019 vom 12. September 2019 E. 2.3).» (E.2.4.2).

«Polizei oder Staatsanwaltschaft weisen die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache darauf hin, dass: (a) gegen sie ein Vorverfahren eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden; (b) sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern kann; (c) sie berechtigt ist, eine Verteidigung zu bestellen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen; (d) sie eine Übersetzerin oder einen Übersetzer verlangen kann (Art. 158 Abs. 1 StPO). Einvernahmen ohne diese Hinweise sind nicht verwertbar (Art. 158 Abs. 2 StPO).» (E.2.4.3).

«Zwangsmittel, Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, welche die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen können, sind bei der Beweiserhebung untersagt (Art. 140 Abs. 1 StPO). Solche Methoden sind auch dann unzulässig, wenn die betroffene Person ihrer Anwendung zustimmt (Art. 140 Abs. 2 StPO). Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 StPO erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet (Art. 141 Abs. 1 StPO). Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (Art. 141 Abs. 2 StPO). Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz 1 oder 2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nur dann verwertbar, wenn er auch ohne die vorhergehende Beweiserhebung möglich gewesen wäre (Art. 141 Abs. 4 StPO in der Fassung ab 1. Januar 2024). Bis zum 31. Dezember 2023 lautete Art. 141 Abs. 4 StPO wie folgt: Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz 2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre.» (E.2.4.4).

«Art. 158 Abs. 1 StPO gilt für die erste formelle, protokollierte, Einvernahme i.S. von Art. 142 ff. StPO. Informelle polizeiliche Befragungen z.B. der Anwesenden an einem Tat- oder Unfallort fallen nicht darunter. Solche informelle Befragungen sind jedoch nur im Anfangsstadium polizeilicher Ermittlungen zulässig. Sobald indes die Rollenverteilung klar ist, ist die als strafrechtlich verantwortlich erscheinende Person als Beschuldigte zu behandeln und nach Art. 158 Abs. 1 StPO zu belehren (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006, S. 1192; Daniel Jositsch/Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Auflage 2023, N. 6 zu Art. 158).  Durch das Instrument der informellen Befragung dürfen die Garantien von Art. 158 und 159 StPO nicht unterlaufen werden. Die überwiegende Lehre befürwortet hinsichtlich der Belehrungspflichten nach Art. 158 StPO einen materiellen Einvernahmebegriff. Die rein formelle Betrachtungsweise von Art. 158 Abs. 1 StPO hinsichtlich des Einvernahmebegriffs greift daher zu kurz. Entscheidend ist, ob die Äusserung von einer Strafverfolgungsbehörde provoziert wurde oder nicht. Falls dies zu bejahen ist, ist eine Einvernahmesituation nur dann zu verneinen, wenn die Fragen einzig der Klärung dienen, ob überhaupt ein Verdacht auf eine Straftat vorliegt oder nicht. Bei nicht provozierten Spontanäusserungen ist eine Einvernahmesituation mit Belehrungspflicht dann zu verneinen, wenn durch diese der Tatverdacht erst begründet wird, was allerdings wegen der erhöhten Drucksituation nicht gilt, wenn die Spontanäusserung im Rahmen einer vorläufigen Festnahme erfolgt. Die Begründung für eine so verstandene erste Einvernahme liegt darin, dass sämtliche Angaben, welche eine Person macht, die materiell als beschuldigte Person zu betrachten ist, nur dann verwertbar sein dürfen, wenn sie das in Kenntnis der ihr zustehenden Rechte tut, insbesondere ihres Mitwirkungsverweigerungsrechts. Der Schutzgedanke des „nemo-tenetur“-Grundsatzes, der auch den „Miranda Warning“ zugrunde liegt, liegt darin, dass auf das Selbstbelastungsprivileg gültig nur verzichten kann, wer zuvor darüber informiert wurde, dass er Träger dieses Rechts ist und wenn sichergestellt ist, dass er diese Belehrung auch verstanden hat. Das muss umso mehr gelten, wenn die Angaben der beschuldigten Person in irgendeiner Form Eingang in die Strafakte finden, sei es nun als Protokolle, Aktennotizen, Rapporte, Berichte oder in anderer Form. Dabei spielt es auch keine Rolle, wo und bei welcher Gelegenheit die beschuldigte Person diese Angaben macht, sei dies im Polizeifahrzeug nach der vorläufigen Festnahme, anlässlich der Fahrt zu einem Augenschein oder anlässlich einer Hausdurchsuchung etc. (Niklaus Ruckstuhl, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Auflage 2023, N. 7 zu Art. 158 StPO). Auch gemäss Gunhild Godenzi (in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Andreas Donatsch et al. [Hrsg.], 3. Auflage 2020, N. 8 zu Art. 158 StPO) müssen die Strafverfolgungsbehörden eine Person als beschuldigte Person nach den Art. 157 ff. StPO einvernehmen und nach Art. 158 Abs. 1 StPO belehren, wenn sich der Tatverdacht gegen sie soweit verdichtet hat, dass sie ernstlich als Tatbeteiligte in Betracht zu ziehen ist. Diese Voraussetzung kann bereits im Frühstadium eines Verfahrens bei den allerersten Abklärungen von Polizei und/oder Staatsanwaltschaft erfüllt sein, falls eine Person auf Anhieb ernstlich tatverdächtig ist, weil die äusseren Umstände für sich sprechen. Die Strafverfolgungsbehörden überschreiten daher ihren Beurteilungsspielraum, wenn sie trotz eines konkreten Tatverdachts nicht zu einer förmlichen Beschuldigteneinvernahme der verdächtigten Person mit vorheriger Rechtsbelehrung übergehen. Verfahrensrechtlich liegt in solchen Fällen eine „erste Einvernahme der beschuldigten Person“ vor, bei der sowohl die Protokollierungsvorschriften (Art. 78, 143 Abs. 2 StPO) als auch die Hinweispflichten nach Art. 158 Abs. 1 StPO missachtet wurden, sodass die Aussagen nach Abs. 2 unverwertbar sind (vgl. zur Verwertbarkeit von informellen Befragungen zudem Simon Huwiler/Rafael Studer, „Jetzt noch für das Protokoll“ – Informelles Erheben von Handyzugangsdaten der beschuldigten Person, in forumpoenale 1/2022, S. 53 ff. und Eveline Salzmann/Gabriela Mutti/Natalie Fritz, Verwertbarkeit von Spontanäusserungen und informellen Befragungen, in forumpoenale 3/2022, S. 199 ff.).» (E.2.4.5).

«Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer den Zugangscode für sein Mobiltelefon LG V20 im Rahmen einer bei ihm am 11. November 2018 durchgeführten Hausdurchsuchung auf Nachfrage hin offenlegte, ohne dass er vorgängig auf seine Rechte gemäss Art. 158 StPO hingewiesen worden wäre. Von einem – freiwilligen und gültigen – Verzicht des Beschwerdeführers auf das Selbstbelastungsprivileg kann mangels Aufklärung über dieses Recht demnach nicht ausgegangen werden (vgl. supra E. 2.4.5). Entsprechendes wird von der Vorinstanz auch nicht behauptet. Strittig ist hingegen, ob es sich bei der Erfragung des Entsperrcodes im vorliegenden Fall um eine eigentliche Beschuldigteneinvernahme im Sinne der Art. 157 f. StPO handelte und ein entsprechender Hinweis somit zwingend hätte erfolgen müssen. 

Im oben erwähnten Urteil 1B_535/2021 vom 19. Mai 2022 erachtete das Bundesgericht die informelle Erfragung der Zugangsdaten zum Mobiltelefon eines Beschuldigten im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei unterbliebener Belehrung gemäss Art. 158 StPO als nicht offensichtlich unzulässig. Es leitete dies aus der Anwesenheitspflicht des Beschuldigten (der gleichzeitig Inhaber der zu durchsuchenden Räumlichkeiten war) bei der Durchführung der Hausdurchsuchung ab (Art. 245 Abs. 2 StPO). Diese Anwesenheitspflicht bezwecke die Erleichterung der Hausdurchsuchung und erlaube es den durchführenden Beamten, dem Inhaber Fragen zu stellen, etwa dazu, welche Räume er bewohne oder was sich in Behältnissen befinde. Bei solchen Fragen, welche die Hausdurchsuchung erleichtern sollten, „dürfte es sich um keine Einvernahmen handeln“ und die Bestimmungen von Art. 157 f. StPO „dürften deshalb nicht anwendbar sein“. Diese (im Konjunktiv verfassten) Feststellungen erfolgten jedoch in einem Entsiegelungsverfahren, wo Verwertungsverbote nur im Falle offensichtlicher Unverwertbarkeit zu berücksichtigen sind. Der abschliessende Entscheid über die Verwertbarkeit obliegt dem Sachrichter (so auch Urteil 1B_535/2021 vom 19. Mai 2022 E. 2.2). Obiger – in der Lehre im Übrigen stark kritisierter – Entscheid (vgl. Niklaus Ruckstuhl, a.a.O. N. 9a zu Art. 158 StPO) lässt somit keinen verbindlichen Schluss auf die Verwertbarkeit der auf dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers aufgefundenen Beweismittel zu. Der herrschenden Lehre folgend ist denn auch vielmehr von deren Unverwertbarkeit auszugehen. So ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern die Frage nach dem Zugangscode zum Mobiltelefon eines Beschuldigten die in seinen Räumlichkeiten vorzunehmende Hausdurchsuchung erleichtern könnte. Die bei dieser Gelegenheit erfolgte Erhebung eines Entsperrcodes bei einer beschuldigten Person (und damit bei bereits bestehendem Tatverdacht) im Rahmen einer informellen Befragung – ohne vorgängige Belehrung im Sinne von Art. 158 Abs. 1 StPO – begründet eine unzulässige Aushöhlung des „nemo tenetur“-Grundsatzes. Damit liegt Unverwertbarkeit gemäss Art. 158 Abs. 2 StPO vor. Diese Unverwertbarkeit gilt absolut (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO, s.a. Ruckstuhl, a.a.O., N. 33, Godenzi, a.a.O., N. 33 zu Art. 158 StPO).» (E.2.5.1).

«Hinsichtlich der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten nahm der im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils geltende Art. 141 Abs. 4 StPO lediglich auf Art. 141 Abs. 2 StPO, nicht jedoch den zugehörigen Abs. 1 Bezug. Ob im Falle einer absoluten Unverwertbarkeit nach Art. 141 Abs. 1 StPO eine strikte Fernwirkung eintreten und Art. 141 Abs. 4 StPO keine Anwendung finden sollte, war in der Lehre umstritten und wurde in BGE 138 IV 169 E. 3.2 offengelassen. Im Urteil 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 entschied das Bundesgericht, die vor dem Inkrafttreten der vereinheitlichten StPO geltende bundesgerichtliche Rechtsprechung (die für die Verwertbarkeit von Folgebeweisen nicht danach unterschied, ob sich die Unverwertbarkeit des Primärbeweises aus einem absoluten oder relativen Beweisverwertungsverbot ergab), gelte im Hinblick auf den ab 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Art. 141 Abs. 4 StPO – der nunmehr ausdrücklich Art. 141 Abs. 1 und Abs. 2 StPO umfasst – weiterhin (Urteil 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 E. 3.2.4). Folglich ist in casu nicht von einer strikten Fernwirkung auszugehen und Art. 141 Abs. 4 StPO findet Anwendung. Demnach wäre jedoch aufzuzeigen, dass das Mobiltelefon des Beschwerdeführers auch ohne Bekanntgabe des einschlägigen Zugangscodes hätte ausgelesen werden können. Ein derartiger Nachweis ist regelmässig nur schwer zu erbringen (vgl. Huwiler/Studer, a.a.O., S. 56) und fehlt im vorliegenden Fall. Gemäss dem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt steht sodann nicht fest, dass die im Hinblick auf die Schuldsprüche in Sachen B., C., D. und E. vorinstanzlich gewürdigten Folgebeweise auch ohne aus dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers stammende Daten hätten erlangt werden können. Gemäss den von der Vorinstanz zitierten Erwägungen der ersten Instanz ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen. Somit erweisen sich sämtliche von der Vorinstanz berücksichtigten Beweismittel als unverwertbar.» (E.2.5.2).

«Hierbei ist unerheblich, dass es sich bei der Hausdurchsuchung nicht um eine Beweiserhebung handelt (vgl. die Eventualerwägung im Urteil 1B_535/2021 vom 19. Mai 2022 E. 2.5 mit Hinweis). Thema bildet vorliegend nicht die Verwertbarkeit der anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Beweismittel, sondern die (Un-) Verwertbarkeit einer informellen Befragung inkl. der gestützt darauf erlangten Folgebeweise in Form von Daten aus einem Mobiltelefon. Betreffend die Vorwürfe zum Nachteil der obgenannten Geschädigten ist die Beschwerde demnach gutzuheissen.» (E.2.5.3).

Zur Schwellentheorie bei Verabredungen mit Kindern zu sexuellen Handlungen

Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht zudem gegen die Verurteilung wegen versuchter Nötigung zum Nachteil von F. und G. Er bringt vor, in beiden Fällen (in denen der Beschwerdeführer F. und G. gemäss Vorinstanz zu einem Treffen habe nötigen wollen), sei die Versuchsschwelle nicht überschritten worden. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat habe nicht vorgelegen und aufgrund der ausgetauschten Nachrichten habe nicht eruiert werden können, in welcher zeitlichen Ferne die Tatumsetzung gelegen habe. Im Sinne der Schwellentheorie könne in beiden Fällen nicht von einem Beginn der Tatumsetzung gesprochen werden. Zudem widerspreche sich die Vorinstanz, indem sie im Rahmen des Vorhalts der versuchten sexuellen Nötigung festhalte, die angestrebten Treffen seien unkonkret gewesen und es seien keine Vorbereitungshandlungen vorgenommen worden (E.3.1).

Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe (mit der Drohung, die von ihnen erhaltenen Nacktfotos zu veröffentlichen) versucht, F. und G., dazu zu bringen, sich mit ihm zum Geschlechtsverkehr zu treffen. Diese hätten dies jedoch nicht getan. Damit habe sich der Beschwerdeführer – so die Anklage – der versuchten sexuellen Nötigung schuldig gemacht. Die erste Instanz gelangte in beiden Fällen zu Freisprüchen mit der Begründung, die Versuchsschwelle sei nicht erreicht worden. Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer in beiden Fällen wegen versuchter Nötigung (E.3.2).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 6B_525/2024 vom 15. Januar 2025 wie folgt:

«Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder eines Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende, macht er sich des unvollendeten Versuchs strafbar (Art. 22 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist von der straflosen Vorbereitung abzugrenzen. Beim Versuch erfüllt der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale, ohne dass alle objektiven Merkmale verwirklicht wären. Der blosse Entschluss, eine strafbare Handlung zu begehen, bleibt für sich allein genommen straflos, solange er nicht in Handlungen umgesetzt wird. Überschritten ist die Schwelle zum Versuch jedenfalls dann, wenn ein Täter mit Tatentschluss ein objektives Tatbestandsmerkmal erfüllt. Die Ausführung der Tat im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB beginnt mit derjenigen Tätigkeit, die nach dem Plan des Täters den letzten entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Tatbestandsverwirklichung darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn äussere Umstände erschwerten oder verunmöglichten es, diese Absicht weiterzuverfolgen. Ob eine Handlung als Versuch einer strafbaren Handlung erscheint, setzt häufig die Kenntnis darüber voraus, wie der Täter vorgehen wollte. Mit welcher Handlung der Täter plangemäss zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt und ob noch die Möglichkeit bestand, dass er ohne äusseren Zwang von seinem Vorhaben abrücken könnte, ist also anhand der Vorstellung des Täters von der Tat und nach objektiven Anhaltspunkten zu entscheiden (zum Ganzen Urteil 6B_1314/2016 vom 10. Oktober 2018 E. 9.5.2, nicht publ. in: BGE 145 IV 114BGE 140 IV 150E. 3.4 S. 152; 131 IV 100E. 7.2.1 S. 103 mit Hinweisen zu Lehre und Rechtsprechung). Beim Tatbestand der sexuellen Handlungen mit einem Kind hat die Rechtsprechung einen Versuch bereits angenommen, wenn der Täter das ihm unbekannte Opfer angesprochen und zur Vornahme sexueller Handlungen aufgefordert hat (Urteil 6B_1327/2017 vom 12. März 2018 E. 2.3; BGE 80 IV 173E. 2 S. 179 f.). Will der Täter die sexuellen Handlungen auf freiwilliger Basis vornehmen und geht er davon aus, dass er das Kind erst am Tatort durch ein die sexuellen Handlungen vorbereitendes Gespräch oder andere eigene Handlungen zur Aufnahme des sexuellen Kontakts veranlassen kann, beginnt der Versuch erst damit (BGE 131 IV 100E. 7.2.2 S. 105; Urteil 6B_1327/2017 vom 12. März 2018 E. 2.3; je mit Hinweisen).» (E.3.3).

«In mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellationen, in denen sich der Täter über Internetchats mit Kindern zu sexuellen Treffen verabredete, erachtete das Bundesgericht das Erscheinen am vereinbarten Treffpunkt als entscheidenden Schritt, von dem es gemäss der „Schwellentheorie“ kein Zurück mehr gibt (vgl. Urteil 6B_506/2019 vom 27. August 2019 E. 2.4). Im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt, hatten die Chatpartner in jenen Fällen die konkret vorzunehmenden Handlungen sowie den Ort für deren Vornahme (oder zumindest den Treffpunkt), bereits vorgängig vereinbart. Vorliegend schwebte dem Beschwerdeführer lediglich in allgemeiner Form ein Treffen zwecks Vollzugs von Geschlechtsverkehr vor, wobei weder der Treffpunkt, noch der Zeitpunkt des Treffens oder die konkret vorzunehmenden Handlungen konkretisiert worden waren. Zurecht erachtet daher die Vorinstanz die Schwelle zum Versuch der sexuellen Nötigung als noch nicht erreicht (vgl. auch Urteil 6B_981/2019 vom 12. November 2020 E. 3.2 hinsichtlich der zeitlichen und örtlichen Nähe der Druckausübung zur Vornahme des beabsichtigten Aktes). Die erste Instanz gelangte diesbezüglich zu einem Freispruch. Wie der Beschwerdeführer zurecht vorbringt, musste er im Berufungsverfahren nicht damit rechnen, dass die Vorinstanz eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung prüfen würde. Dass die Vorinstanz sich eine abweichende rechtliche Würdigung im Sinne von Art. 344 StPO vorbehalten und dem Beschwerdeführer entsprechend Gelegenheit zur Stellungnahme geboten hätte, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Darüber hinaus lässt sich der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung auch nicht mit dem Anklageprinzip (Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK) vereinbaren. Dem Beschwerdeführer wird in der Anklageschrift vorgeworfen, er habe versucht, F. und G. zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu nötigen. Davon unterscheidet sich der Vorwurf der versuchten Nötigung zu einem Treffen ohne sexuelle Absichten, so dass weder die Umgrenzungsfunktion des Anklageprinzips eingehalten, noch die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers gewahrt wurden. Ohnehin wäre in casu die Schwelle zu einer versuchten Nötigung auch hinsichtlich eines „allgemeinen“ Treffens nicht erreicht gewesen, zumindest solange weder ein konkreter Treffpunkt noch ein bestimmter Zeitpunkt für das Treffen vereinbart wurden. Die Vorinstanz begründet im Übrigen mit keinem Wort, inwiefern die Schwelle zum Versuch in den genannten Fällen überschritten worden wäre, obgleich sie festhält, der Beschwerdeführer habe kein Treffen gewollt. Die Schuldsprüche wegen versuchter Nötigung zum Nachteil von F. und G. verletzten damit Bundesrecht. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt gutzuheissen.» (E.3.4).

Willkürliche Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer ficht schliesslich vor Bundesgericht den Schuldspruch wegen sexueller Handlung mit einem Kind zum Nachteil von H. an. Er rügt diesbezüglich eine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz sowie eine Verletzung des Grundsatzes „in dubio pro reo“. So habe sich die Vorinstanz auf die Aussagen von H. abgestützt, ohne deren Erstaussagen nach anerkanntem aussagepsychologischen Vorgehen zu würdigen und obwohl H. anlässlich der Berufungsverhandlung einen Videoanruf verneint und angegeben habe, dass man nur geschrieben habe. Schliesslich habe die Vorinstanz eine Chatnachricht des Beschwerdeführers, in der er H. geschrieben habe: „du heschs nice gfunde wohni cho bin und dich ufs treffe gfreut“, willkürlich einem angeblichen Video-Call mit Masturbation zugeordnet. Daraus habe sie abgeleitet, H. habe akustisch wahrgenommen, dass der Beschwerdeführer masturbiert habe, obwohl Erstere gemäss bestrittener Erstaussage das Telefon weggeworfen habe, argumentiert der Beschwerdeführer (E.4.1).

Die erste Instanz sprach den Beschwerdeführer hinsichtlich dieses Vorhalts in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ frei. Die Vorinstanz gelangt indes zu einem Schuldspruch. Sie führt aus, H. habe anlässlich ihrer ersten Einvernahme ausgesagt, der Beschwerdeführer habe sich bei einem Anruf selber befriedigt, sie habe die Kamera gedreht und das Telefon weggeworfen, so dass sie es nicht gesehen habe. Es habe etwa zwei Minuten gedauert (E.4.2).

Das Bundesgericht führt hierzu Urteil im 6B_525/2024 vom 15. Januar 2025 aus:

«Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 IV 73E. 4.1.2). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 147 IV 73E. 4.1.2; 146 IV 88E. 1.3.1; 143 IV 241E. 2.3.1; 141 III 564E. 4.1; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht greift somit auf Beschwerde hin nur in die Beweiswürdigung ein, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (vgl. BGE 140 III 264E. 2.3; 135 II 356E. 4.2.1; je mit Hinweis). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353E. 5.1 mit Hinweisen). Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Demnach ist anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein soll (BGE 141 IV 369E. 6.3). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356E. 2.1; 148 IV 205E. 2.6; 146 IV 88E. 1.3.1). Dem Grundsatz „in dubio pro reo“ in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 297 E. 2.2.5, 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen).» (E.4.3).

«Die vorinstanzliche Feststellung, wonach H. sich anlässlich der Berufungsverhandlung nicht mehr an den Videoanruf des Beschwerdeführers habe erinnern können, einen solchen aber auch nicht explizit verneint habe, erweist sich als aktenwidrig. Dem Verfahrensprotokoll kann entnommen werden, dass H. zuerst angab, sie wisse nicht mehr, ob es einen Videochat gegeben habe, resp. sie könne sich daran nicht erinnern, sie glaube nicht, es sei eher unwahrscheinlich. Auf konkrete Anschlussfrage hin, ob es nie einen Videochat gegeben habe, wo sie beide zur gleichen Zeit gesprochen und sich gesehen hätten, gab H. sodann zu Protokoll: „Nein, nur geschrieben“. Angesichts des offensichtlichen Widerspruchs zwischen der Erstaussage von H. und ihren Angaben vor Vorinstanz, hätte sich Letztere vertiefter mit der Glaubhaftigkeit ihrer Vorbringen auseinandersetzen müssen, zumal die Erstaussage in Abwesenheit des Beschwerdeführers erfolgte. Selbst bei Berücksichtigung des Zeitablaufs hätte die Vorinstanz hinterfragen müssen, weshalb sich H. anlässlich der Berufungsverhandlung an einen derart einprägsamen Vorfall nicht zu erinnern vermochte, resp. diesen nunmehr gar explizit verneinte. Auch die von der Vorinstanz erwähnte Chatnachricht, wonach es H. „nice“ gefunden habe, als der Beschwerdeführer gekommen sei und sich auf das Treffen gefreut habe, erscheint sodann mehrdeutig. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer den ihm vorgeworfenen Video-Anruf bestreitet, erweist sich die Beweiswürdigung der Vorinstanz als offensichtlich unhaltbar und daher willkürlich. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt gutzuheissen.» (E.4.4).

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache an die Vorinstanz zurück (E.5).

 

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