Im Januar 2019 hat der Kanton St. Gallen die Standesinitiative 19.300 zur Änderung des StGB eingereicht. Die Initiative fordert, die Verjährungsfrist für lebenslange Strafen von 30 Jahren auf unverjährbar anzuheben. Eine knappe Mehrheit der RK-S begrüsst dieses Anliegen im Grundsatz, hat jedoch beschlossen, die Verjährungsfrist ausschliesslich für Mord (Art. 111 StGB; Art. 116 MStG) aufzuheben. Der entsprechende Entwurf der RK-S für eine Änderung des StGB und des MStG sieht vor, dass sowohl die Strafverfolgung als auch die Strafvollstreckung bei Mord künftig unverjährbar sein sollen. Auch Jahrzehnte nach dem Mord hätten Angehörige ein Interesse an der Aufklärung der Tat und an der Bestrafung des Täters.
Der Bundesrat nimmt den Bericht der RK-S am 12. Februar 2025 zur Kenntnis. In seiner Stellungnahme hält er fest, dass das Interesse der Hinterbliebenen an der Aufklärung und Bestrafung einer schweren Straftat ernst zu nehmen ist. Allerdings macht er darauf aufmerksam, dass die Unverjährbarkeit nicht in jedem Fall das Interesse des Opfers befriedigen kann. Namentlich dann, wenn die Abschaffung der Verjährungsfrist bei den Hinterbliebenen falsche Hoffnungen auf eine Verurteilung des Täters wecken könnte. Der Nachweis Jahrzehnte nach der Tat wird nämlich immer schwieriger und unwahrscheinlicher. So reicht eine DNA-Spur oft nicht aus, um den Täter zu identifizieren. In der Regel sind zusätzliche Beweise erforderlich. Ein Freispruch aufgrund mangelnder Beweise ist jedoch häufig nicht nur eine Enttäuschung, sondern kann bei den Hinterbliebenen sogar zu einer erneuten Traumatisierung führen.
Weiter führt der Bundesrat aus, dass die Interessen von Opfern und deren Angehörigen wichtig sind. Allerdings dürfen sie für die Bestrafung des Täters nicht alleine ausschlaggebend sein. Die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches erfüllt vor allem einen gesamtgesellschaftlichen Zweck: Mit einem Strafverfahren zeigt der Staat, dass er die Rechtsordnung verteidigt und einen Verstoss gegen die Regeln nicht duldet. Dieser Aspekt verliert jedoch mit zunehmendem Zeitablauf an Bedeutung. Der Gesetzgeber muss sorgfältig abwägen, um diese Interessen ins Gleichgewicht zu bringen.
Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat in seiner Stellungnahme fest, dass eine Änderung der Verjährungsfrist bei Mord von 30 Jahren hin zur Unverjährbarkeit viele Fragen aufwirft. Sollte das Parlament eine Anpassung wünschen, regt der Bundesrat folglich an, den Vorschlag der RK-S und andere Vorschriften zur Verjährung im Sinne der Eingaben im Vernehmlassungsverfahren vertieft zu prüfen.