Tragung der Kosten bei einem als gegenstandslos abgeschriebenen Entsiegelungsverfahren

Im Urteil 7B_56/2023 vom 24. Juni 2024 aus dem Kanton Luzern befasste sich das Bundesgericht mit der Tragung der Kosten bei einem durch das Zwangsmassnahmengericht als gegenstandlos abgeschriebenen Entsiegelungsverfahren. Das Bundesgericht erklärte hierzu u.a. Folgendes: «Die StPO enthält keine Bestimmung über die Kostenfolgen im Fall, dass ein Entsiegelungsverfahren gegenstandslos wird. Art. 428 Abs. 1 StPO, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, regelt die Kostentragung im Rechtsmittelverfahren der StPO und ist nach der Rechtsprechung auf erstinstanzliche Entscheide, worunter auch Entsiegelungsentscheide des Zwangsmassnahmengerichts fallen, nicht anwendbar (BGE 138 IV 225 E. 8.2; Urteile 6B_1185/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.2; 6B_90/2017 vom 22. November 2017 E. 5.3). Das Bundesgericht hat es in einem vergleichbaren Fall für bundesrechtskonform erachtet, dass die Vorinstanz aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes entscheidet und in erster Linie auf den mutmasslichen Verfahrensausgang abstellt. Sofern sich dieser mühelos ermitteln lasse, so der Entscheid, bestehe kein Raum für die allgemeine Regel, wonach jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig werde, die durch den Rückzug ihres Begehrens die Gegenstandslosigkeit zu verantworten habe (siehe Urteil 1B_115/2017 vom 12. Juni 2017 E. 2.3.1 mit Hinweisen; unter Verweis auf dieses Urteil auch DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, S. 159). Hiervon abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.» (E.2.2). Das Bundesgericht wies die Beschwerde gegen die Kostenauflage an den Beschwerdeführer ab (E.3).

Sachverhalt

Im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft 5 Wirtschaftsdelikte des Kantons Luzern gegen B. geführten Strafverfahrens wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung etc. fand am 23. Oktober 2019 eine Hausdurchsuchung in der Privatwohnung von B. statt. B. und dessen eingetragener Lebenspartner A. verlangten jeweils die Siegelung der anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Dokumente und elektronischen Datenträger. Am 31. Oktober 2019 stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern ein Gesuch um Entsiegelung dieser sichergestellten Gegenstände.

Instanzenzug

Am 10. November 2022 setzte das Zwangsmassnahmengericht für die Sicherung und Aufbereitung der elektronischen Datenträger von B. und A. einen IT-Sachverständigen ein. Dieser bereitete die Daten auf mehreren Sicherungskopien sowie Datenträgern auf und erstellte einen Bericht. Am 25. Januar 2023 zog die Privatklägerin C. AG sämtliche Strafanträge zurück und erklärte das Desinteresse an der weiteren Strafverfolgung. Am 17. Februar 2023 zog die Staatsanwaltschaft das Entsiegelungsgesuch zurück und erklärte, es sei die Einstellung des Strafverfahrens geplant.

Mit Verfügung vom 23. Februar 2023 schrieb das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsverfahren als gegenstandslos ab. Einen Teil der Verfahrenskosten, ausmachend Fr. 3’719.80, auferlegte es A., und eine Parteientschädigung sprach es diesem nicht zu (Dispositiv-Ziffer 5.1 und 5.3).

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und beantragt, es seien die Dispositiv-Ziffern 5.1 und 5.3 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts aufzuheben. Es sei der Gebühren- und Auslagenanteil für ihn für das Entsiegelungsverfahren vollumfänglich der Staatsanwaltschaft respektive dem Kanton Luzern aufzuerlegen und die Staatsanwaltschaft respektive der Kanton Luzern sei zu verpflichten, ihm für das Entsiegelungsverfahren eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 15’689.05 (inkl. MWST.) zu bezahlen. Das Zwangsmassnahmengericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_56/2023 vom 24. Juni 2024  

Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht gegen die vorinstanzliche Verfügung im Kosten- und Entschädigungspunkt (E.2).

Das Bundesgericht fasst im Urteil 7B_56/2023 vom 24. Juni 2024 den Stand der Dinge bei der Vorinstanz wie folgt zusammen:

«Die Vorinstanz erwägt, der Aufwand für die Bereitstellung der Daten aus den verschiedenen Datenträgern sei erheblich gewesen. Für die gerichtlichen Tätigkeiten würden die Gebühren auf Fr. 1’500.–, davon die Hälfte (Fr. 750.–) für den Beschwerdeführer, festgesetzt. Der von ihr eingesetzte IT-Sachverständige habe für seine Bemühungen Fr. 5’939.65 in Rechnung gestellt. Diese Auslagen würden in der Höhe von Fr. 2’969.80 für den Beschwerdeführer festgesetzt. Da der Beschwerdeführer im Strafverfahren nicht beschuldigte Person gewesen sei, sei bei ihm für die Kostenverlegung auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes abzustellen. Sie (die Vorinstanz) habe den Beschwerdeführer am 28. Dezember 2022 aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen die Daten zu taggen, die aus seiner Sicht nicht entsiegelt werden dürften. Am 16. Januar 2023 sei die Frist bis Ende Januar 2023 erstreckt worden mit dem Hinweis, dass eine weitere Fristerstreckung nicht vorgesehen sei. Am 31. Januar 2023 habe er die Sistierung des Strafverfahrens bis längstens 30. Juni 2023, eventualiter die Erstreckung der Frist für das Taggen der Daten bis Ende März 2023 beantragt. Dass – so die Vorinstanz – eine weitere Fristerstreckung für das Taggen der Daten nicht vorgesehen gewesen sei, sei ausdrücklich mitgeteilt worden. Diese Massnahme sei der beförderlichen Weiterführung des Entsiegelungsverfahrens geschuldet gewesen. Der Beschwerdeführer sei seiner Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nachgekommen, weshalb die Daten entsiegelt worden wären. Mithin wäre der Beschwerdeführer im Entsiegelungsverfahren unterlegen und kostenpflichtig geworden. Sein Kostenanteil betrage damit insgesamt Fr. 3’719.80. Zudem habe er die Parteikosten selber zu trage.» (E.2.1).

Das Bundesgericht äussert sich generell-abstrakt und dann Fallbezogen im Urteil 7B_56/2023 vom 24. Juni 2024 wie folgt:

«Die StPO enthält keine Bestimmung über die Kostenfolgen im Fall, dass ein Entsiegelungsverfahren gegenstandslos wird. Art. 428 Abs. 1 StPO, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, regelt die Kostentragung im Rechtsmittelverfahren der StPO und ist nach der Rechtsprechung auf erstinstanzliche Entscheide, worunter auch Entsiegelungsentscheide des Zwangsmassnahmengerichts fallen, nicht anwendbar (BGE 138 IV 225 E. 8.2; Urteile 6B_1185/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.2; 6B_90/2017 vom 22. November 2017 E. 5.3). Das Bundesgericht hat es in einem vergleichbaren Fall für bundesrechtskonform erachtet, dass die Vorinstanz aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes entscheidet und in erster Linie auf den mutmasslichen Verfahrensausgang abstellt. Sofern sich dieser mühelos ermitteln lasse, so der Entscheid, bestehe kein Raum für die allgemeine Regel, wonach jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig werde, die durch den Rückzug ihres Begehrens die Gegenstandslosigkeit zu verantworten habe (siehe Urteil 1B_115/2017 vom 12. Juni 2017 E. 2.3.1 mit Hinweisen; unter Verweis auf dieses Urteil auch DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, S. 159). Hiervon abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.» (E.2.2).

«Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Einschätzung des mutmasslichen Verfahrensausgangs einwendet, überzeugt nicht. Seine blosse Behauptung, die von der Vorinstanz gewährte Frist von einem Monat zur „Erstellung von Tag-Gruppen und zur Begründung“ sei „mit Blick auf die äusserst grosse Datenmenge nicht ausreichend“, damit er seine Verfahrensrechte gebührend ausüben könne, genügt den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Er bestreitet weiter nicht, dass eine weitere Fristerstreckung für das Taggen der Daten, die aus seiner Sicht nicht entsiegelt werden durften, explizit nicht vorgesehen war. Entgegen dem Beschwerdeführer erscheint auch nachvollziehbar, wenn die Vorinstanz (am 10. November 2022) für die Sicherung und Aufbereitung seiner elektronischen Datenträger sowie jener von B. einen IT-Sachverständigen einsetzte und dem Beschwerdeführer in der Folge (am 28. Dezember 2022 bzw. am 16. Januar 2023) eine Frist für das Taggen der Daten ansetzte. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung der sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen bringt der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren nichts vor. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie unter den gegebenen Umständen zum Ergebnis gelangt, der Beschwerdeführer wäre im Entsiegelungsverfahren vermutlich unterlegen.» (E.2.3).

«Demnach ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz dem Beschwerdeführer Verfahrenskosten auferlegte. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb die Vorinstanz ihm bei dieser Ausgangslage eine Parteientschädigung hätte ausrichten müssen. Der Kostenentscheid präjudiziert die Entschädigungsfrage (vgl. Art. 429-434 StPO) dahin, dass bei Auferlegung der Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten ist (BGE 147 IV 47 E. 4.1 mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz die Entschädigungsfolge nicht näher begründete, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.» (E.2.4).

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (E.3).

 

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