Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt wirft A. vor, am frühen Morgen des 1. Februar 2020 B. im Hauseingang einer Liegenschaft in Basel in gemeinsamer Begehung mit dem Jugendlichen C. unter Gewaltanwendung in sexueller Absicht bedrängt zu haben. Zu diesem Zweck habe C. B. unvermittelt von hinten festgehalten und an sich gezogen. Weiter habe er ihr unter den Pullover gegriffen und an ihrem Büstenhalter gerissen, um ihr an den Busen zu greifen. A., welcher vor B. gestanden sei, habe ihren Kopf an den Haaren ebenfalls zu sich gezogen und ihr – sie weiter am Kopf haltend und zum Oralverkehr zwingend – seinen Penis an und in ihren Mund gedrängt, wogegen sich B. mit beiden Händen zu wehren versucht habe. Gleichzeitig habe C. B. von hinten die Leggins und den Slip nach unten gerissen. Obwohl B. lauthals geschrien habe, habe C. von hinten ungeschützt eindringend den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzogen. Ohne zum Höhepunkt gekommen zu sein, sollen die beiden Komplizen B. – weiter massiv Gewalt anwendend – bäuchlings zu Boden gedrückt haben, wonach sich A._ auf sie legte und versuchte, ebenfalls ungeschützt vaginal einzudringen. Dies sei ihm jedoch wegen der heftigen Gegenwehr von B. trotz hartnäckiger Versuche nicht gelungen. Gleichzeitig soll C._ onanierend vor B. gestanden sein und ihr – sie ein ein weiteres Mal sexuell nötigend – ins Gesicht ejakuliert haben.
Instanzenzug
Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 26. August 2020 wurde A. der Vergewaltigung, der versuchten Vergewaltigung sowie der sexuellen Nötigung (jeweils in gemeinsamer Begehung) schuldig erklärt und zu viereinviertel Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er wurde zudem für acht Jahre des Landes verwiesen ohne Eintragung im SIS. Ausserdem wurde er zur Zahlung von Fr. 12’000.– Genugtuung zzgl. 5 % seit dem 1. Februar 2020 an B. verurteilt, wobei deren Mehrforderung im Betrag von Fr. 10’000.– abgewiesen wurde.
Auf Berufung von A. hin befand das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ihn der Vergewaltigung, der versuchten Vergewaltigung sowie der sexuellen Nötigung (jeweils in gemeinsamer Begehung) schuldig und verurteilte ihn und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon 18 Monate mit bedingtem Strafvollzug. Weiter wurde er für sechs Jahre des Landes verwiesen ohne Eintragung im SIS und zu Fr. 9’000.– Genugtuung zzgl. 5 % seit dem 1. Februar 2020 an B. verurteilt.
Weiterzug ans Bundesgericht
Gegen das appellationsgerichtliche Urteil erheben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch A. Beschwerde in Strafsachen.
Die Staatsanwaltschaft (nachfolgend: Beschwerdeführerin 1) beantragt im Verfahren 7B_15/2021, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, A. sei zu einer Freiheitsstrafe von viereinviertel Jahren zu verurteilen und es sei eine Landesverweisung für die Dauer von 8 Jahren anzuordnen; eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung der Strafzumessung und Dauer der Landesverweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter sei die Sache zu sistieren, bis das Appellationsgericht zweitinstanzlich den jugendlichen Mitbeschuldigten C. rechtskräftig beurteilt habe.
Der A. (nachfolgend: Beschwerdeführer 2) verlangt im Verfahren 7B_16/2021, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, er sei vom Vorwurf der Vergewaltigung, der versuchten Vergewaltigung sowie der sexuellen Nötigung, jeweils in gemeinsamer Begehung, freizusprechen und es sei ihm eine Entschädigung für die ungerechtfertigte Haft in der Höhe von Fr. 200.– pro Tag ausgestandener Haft [zzgl.] Zins von 5 % seit dem 12. Februar 2020 auszurichten, weiter sei die Zivilforderung von B. (nachfolgend: Privatklägerin) abzuweisen; eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_15/2021, 7B_16/2021 vom 19. September 2023
Auf verschiedene Rügen, welche das Bundesgericht nicht eingetreten ist oder welche aus unbegründet angesehen wurden, wird hier nicht eingegangen (E.4, E.5).
Der Beschwerdeführer 1 beanstandet die Strafzumessung (E.6). Vereinfacht gesagt, Details können dem Urteil entnommen werden, geht es um die Zurechnung der einzelnen Sexualdelikte an die beiden Täter durch die Vorinstanz (E.6.1).
Das Bundesgericht äussert sich zunächst generell-abstrakt im Urteil 7B_15/2021, 7B_16/2021 vom 19. September 2023 zur Strafzumessung:
«Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass es nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 142 IV 137 E. 9.1; 141 IV 61 E. 6.1.1; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; je mit Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Bildung der Einsatz- und der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 144 IV 217 E. 2 f.; 141 IV 61 E. 6.1.2; 132 IV 102 E. 8 f.). Darauf kann verwiesen werden. Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgeblichen Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 141 IV 61 E. 6.1.1; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen). Nach Art. 50 StGB hält das Gericht in der Begründung die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest. Das Gericht muss die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, sodass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde erscheint (BGE 134 IV 17 E. 2.1). Allein einer besseren Begründung wegen hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform ist (BGE 127 IV 101 E. 2c; Urteile 6B_1083/2022 vom 24. April 2023 E. 3.1; 6B_691/2022 vom 17. Oktober 2022 E. 5.1; je mit Hinweisen).» (E.6.2)
Fallbezogen hält das Bundesgericht die Rügen betreffend der Strafzumessung für teilweise begründet und äussert sich im Urteil 7B_15/2021, 7B_16/2021 vom 19. September 2023 wie folgt:
«In ihrem Beweisergebnis hält die Vorinstanz fest, vor bzw. in der Liegenschaft der Privatklägerin hätten der Beschwerdeführer 2 und der Mitbeschuldigte „in spontan konkludentem Zusammenwirken die in der Anklageschrift geschilderten sexuellen Handlungen gegen den Willen der Privatklägerin vorgenommen“ (Urteil S. 80 f.). Der konkludente Entschluss, die sexuellen Handlungen gegen deren Willen zu vollziehen, würde durch die vorgenommenen Handlungen und den reibungslosen Ablauf illustriert (Urteil S. 82). Folglich sei der Beschwerdeführer – in Mittäterschaft – der Vergewaltigung, der versuchten Vergewaltigung sowie der sexuellen Nötigung schuldig zu sprechen. Hingegen erscheine fraglich, ob der Schluss der Erstinstanz, dass die Ejakulation ins Gesicht der Privatklägerin als vom Tatbestand der Vergewaltigung konsumiert gelte, korrekt sei, oder ob nicht ein zusätzlicher Schuldspruch zu prüfen gewesen wäre. Diese Frage könne indessen offenbleiben, da lediglich der Beschwerdeführer 2 gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung erklärt habe und ein zusätzlicher Schuldspruch damit ausser Betracht falle (vgl. Urteil S. 83). In der Strafzumessung erwägt die Vorinstanz sodann, der Umstand, dass der Mitbeschuldigte dem Opfer ins Gesicht ejakuliert habe, was besonders entwürdigend gewesen sei, könne bei der individuellen Strafzumessung dem Beschwerdeführer 2 nicht zum Vorwurf gemacht werden, da es sich („im Sinne eines Exzesses des Mittäters“) um eine Tatelement handle, auf welches er keinen Einfluss gehabt habe. Dies sei bei der individuellen Verschuldensbewertung des Beschwerdeführers 2 zu berücksichtigen (Urteil S. 86). Letzteres vermag mit Blick auf die mittäterschaftliche Zurechnung nicht zu überzeugen. Wie die Beschwerdeführerin 1 treffend vorbringt, haben sich die beiden Täter am Opfer „bedient“ und gegenseitig davon profitiert, dass sie in der Überzahl waren und das Opfer sich durch die Handlung des einen weniger bis gar nicht gegen die Handlung des anderen wehren konnte. Während die Privatklägerin in einem ersten Schritt von hinten vaginal vergewaltigt wurde, erzwang der Beschwerdeführer 2 gleichzeitig gewaltsam den Oralverkehr. Dann kam es zu einem Wechsel: Nun versuchte der Beschwerdeführer 2 die Privatklägerin vaginal zu vergewaltigen, während der Mitbeschuldigte den Vorteil ausnutzte, dass sie sich in jenem Moment am Boden liegend nicht (noch) mehr wehren oder gar flüchten konnte, sodass er ihr in das Gesicht ejakulieren konnte. Aus diesen Umständen erhellt, dass sämtliche Handlungen der beiden durch die Handlung des jeweils anderen erheblich einfacher auszuführen waren. Wie die Vorinstanz festhielt, habe der Versuch des Beschwerdeführers 2, in die Privatklägerin einzudringen, denn auch sein Ende gefunden, „nachdem der jugendliche Mitbeschuldigte zum Orgasmus gekommen war“ (Urteil S. 95). Mithin begünstigte die versuchte Vergewaltigung des Beschwerdeführers 2 die gleichzeitig stattfindende, für die Privatklägerin besonders entwürdigende Ejakulation ins Gesicht durch den jugendlichen Mitbeschuldigten. Das Verhalten des Beschwerdeführers 2 bestätigt auf jeden Fall, dass er in voller Kenntnis der Sachlage die Entscheidung des Mitbeschuldigten, der Privatklägerin schliesslich ins Gesicht zu ejakulieren, mitgetragen hat. Die Vorinstanz geht fehl, wenn sie davon ausgeht, dieses Tatelement dürfe dem Beschwerdeführer 2 verschuldensmässig nicht angelastet werden. Am Ganzen ändert nichts, dass die Vorinstanz den Tatbeitrag des Beschwerdeführers 2 in Bezug auf die vollendete Vergewaltigung – zu Recht – insgesamt geringer einstuft als jenen des Mitbeschuldigten. Im Weiteren ist der Beschwerdeführerin 1 darin zuzustimmen, dass entgegen der Vorinstanz eine allfällige Sorge der Privatklägerin wegen einer Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten nicht zusätzlich auch den vorangegangenen ungeschützten – einvernehmlichen – sexuellen Handlungen auf der Bartoilette mit D. zugeschrieben werden dürfen. Indem die Vorinstanz die genannten Umstände bei der objektiven Tatschwere der vollendeten Vergewaltigung zu Gunsten bzw. nicht (nur) zu Ungunsten des Beschwerdeführers 2 berücksichtigt, verletzt sie Bundesrecht. Als Folge dessen wird die Vorinstanz, auch hinsichtlich der gemeinsamen Tatbegehung gemäss Art. 200 StGB, die Strafzumessung neu vornehmen müssen. Um unnötige Weiterungen zu vermeiden, kann darauf hingewiesen werden, dass die vorinstanzliche Strafzumessung im Übrigen nachvollziehbar und unter Ermessensgesichtspunkten grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. So ist bundesrechtskonform, dass die Vorinstanz die (im Vergleich relativ kurze) Dauer der Vergewaltigung berücksichtigt. Ebenso wenig zu hören ist die Beschwerdeführerin 1, soweit sie unsubstanziiert behauptet, in Bezug auf die sexuelle Nötigung sei mindestens von einem mittelschweren Verschulden auszugehen. Gleiches gilt für ihre Kritik in Bezug auf die versuchte Vergewaltigung.» (E.6.2)
Im Ergebnis ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 (Staatsanwaltschaft) durch das Bundesgericht teilweise gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, erklärt das Bundesgericht (E.8).