Strafrechtliche Landesverweisung beim Betäubungsmittelhandel, insbesondere beim «Kleindealer»

Im Urteil 6B_292/2023 vom 11. September 2023 befasste sich das Bundesgericht mit dem Thema der strafrechtlichen Landesverweisung bzw. des Härtefalls bei Betäubungsmitteldelikten. Das Bundesgericht zeigt in diesem Urteil einerseits generell-abstrakt die Kriterien für die Landesverweisung bzw. die Annahme eines Härtefalls auf (E.1.3 ff.). Andererseits geht es um den Verzicht auf eine Landesverweisung bei Betäubungsmitteldelikten, wo eine strenge Praxis herrscht, bei «Kleindealern» bzw. dem Betäubungsmittelhandel zur Finanzierung des Eigenkonsums (E.1.6.). Das Bundesgericht äussert sich hierzu u.a. wie folgt: «Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt und auch die Beschwerdeführerin geltend macht, zeigt sich das Bundesgericht hinsichtlich der Landesverweisung bei Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz stets streng (vgl. Urteile 6B_138/2022 vom 4. November 2022 E. 3.1.1; 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 2.4.5; je mit Hinweisen). Vorliegend wurde der Beschwerdegegner für seine Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, was auf eine gewisse Schwere und ein entsprechendes öffentliches Interesse an der Landesverweisung schliessen lässt. Wenn die Vorinstanz diesbezüglich indes mitberücksichtigt, der Beschwerdegegner gelte als Kleindealer, was seine Gefährlichkeit für die hiesige Gesellschaft insofern relativiere, als nicht von einem organisierten Drogenhandel auszugehen sei, ist dies nicht zu beanstanden. […] Die Vorinstanz bezieht in ihre Würdigung mit ein, dass der Beschwerdegegner mit den von ihm betriebenen Tathandlungen Einnahmen generieren wollte, die dazu dienen sollten, seinen eigenen Kokainkonsum zu finanzieren.» (E.1.6.3)

Sachverhalt

Der A., Jahrgang 1989, ist spanischer Staatsangehöriger, der über eine gültige EU-EFTA-Niederlassungsbewilligung verfügt. Er ist in U. (CH) geboren und aufgewachsen, wo er die Primar- und Sekundarschule besucht und im Jahr 2007 seine kaufmännische Lehre abgeschlossen hat. Er ist ledig, hat keine Kinder und lebt mit seinen inzwischen pensionierten Eltern in der Stadt U. (CH); auch seine Schwester lebt in der Schweiz. A. spricht fliessend Schweizerdeutsch. Er ist seit Juli 2022 in einer Vollzeitanstellung engagiert. In den letzten Jahren hat er Schulden in der Höhe von Fr. 36’000.– angehäuft, war aber nie auf Sozialhilfe der öffentlichen Hand angewiesen. A. hat früher Kokain konsumiert; seit der Entlassung aus der Haft im August 2021 ist er drogenabstinent.

Instanzenzug

Mit Urteil vom 24. Mai 2022 sprach das Bezirksgericht Zürich A. des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Busse von Fr. 1’000.–. Zudem ordnete es eine Landesverweisung für die Dauer von sechs Jahren an.

Auf teilweise Berufung von A. hin, beschränkt auf die Anfechtung der Landesverweisung, sah das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 6. Januar 2023 von der Anordnung einer Landesverweisung ab.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Januar 2023 sei teilweise aufzuheben und es sei A. für die Dauer von sechs Jahren des Landes zu verweisen. Eventualiter sei das Urteil teilweise aufzuheben und die Sache bezüglich der Landesverweisung zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_292/2023 vom 11. September 2023

Die Beschwerdeführerin, die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, wendet sich vor Bundesgericht gegen das Absehen von der Anordnung einer Landesverweisung.  (E.1)

Zusammengefasst durch das Bundesgericht rügt sie, die Vorinstanz bejahe zu Unrecht einen schweren persönlichen Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB. Zwar sei der Beschwerdegegner in der Schweiz geboren und aufgewachsen, jedoch seien keine besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur gegeben. Von einer aktuell guten beruflichen und wirtschaftlichen Integration des Beschwerdegegners in der Schweiz könne keineswegs die Rede sein. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die Vorinstanz in gesellschaftlicher Hinsicht von einem dichten und stabilen Beziehungsnetz des Beschwerdegegners in der Schweiz ausgehe. Die Vorinstanz stelle nicht fest, ob das Beziehungsnetz aus Einheimischen oder primär Angehörigen des eigenen Landes bestehe, weshalb ihr eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung vorzuwerfen sei. Überdies begründe die familiäre Situation des Beschwerdegegners keinen Härtefall, sei er doch kinderlos und unverheiratet. Eine Ausreise nach und Wiedereingliederung in Spanien erscheine ohne Weiteres zumutbar. (E.1.1)

Die Vorinstanz bejaht, wie das Bundesgericht weiter ausführt, das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB. Sie erwägt, der heute 33-jährige Beschwerdegegner sei in U. (CH) geboren und aufgewachsen, habe hier die Primar- und Sekundarschule besucht und seine kaufmännische Lehre abgeschlossen. Er zähle fraglos zu den „Ausländern der zweiten Generation“, sog. Secondos. Er spreche fliessend Schweizerdeutsch und dürfte hierzulande zweifelsohne über ein dichtes und stabiles Beziehungsnetz verfügen. Es sei von einer tiefen Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Davon ausgehend, dass die gesamte Sozialisierung des Beschwerdegegners in der Schweiz stattgefunden habe, seien keine allzu hohen Anforderungen an den Grad seiner Integration zu stellen. In beruflicher Hinsicht sei seine bisherige Entwicklung nicht geradlinig verlaufen und die berufliche und wirtschaftliche Integration erscheine während der letzten Jahre als etwas getrübt. Jedoch müsse zu seinen Gunsten angenommen werden, seine Schwierigkeiten seien auf den früheren Konsum grösserer Mengen Kokain zurückzuführen; seit seiner Entlassung aus der Haft sei er jedoch drogenabstinent. Es würden hinreichend Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem bestens ausgebildeten und geschäftlich erfahrenen Beschwerdegegner der berufliche Wiedereinstieg und die Sanierung seiner Schulden in absehbarer Zeit gelingen werde. Eine genügende Integrierung in den schweizerischen Arbeitsmarkt könne ihm nicht abgesprochen werden. Es käme einer besonderen Härte gleich, wenn er aus seiner Arbeitssituation in der Schweiz und seinem hiesigen sozialen Umfeld herausgerissen würde. Insgesamt könne festgehalten werden, dass der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Beschwerdegegner, der hier vollständig sozialisiert worden sei und einer regulären Erwerbstätigkeit nachgehe, beachtliche Gründe aufführen könne, die für die Fortsetzung seines Aufenthalts hierzulande sprechen würden. Dies gelte umso mehr, als er sich zwar mit Spanien verbunden fühle, aber insgesamt betrachtet lediglich einen schwachen Bezug zu seinem Heimatland aufweise, zumal er dort nie gelebt habe. (E.1.2)

Das Bundesgericht führt zur Landesverweisung generell-abstrakt im Urteil 6B_292/2023 vom 11. September 2023 zunächst Folgendes aus:

«Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB sieht für Ausländer, die wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 oder Art. 20 Abs. 2 BetmG verurteilt wurden, unabhängig von der Höhe der Strafe, die obligatorische Landesverweisung vor. Demzufolge ist der Beschwerdegegner als spanischer Staatsangehöriger grundsätzlich des Landes zu verweisen.» (E.1.3)

«Gemäss Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB).  Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 und 3.3.1). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den „schwerwiegenden persönlichen Härtefall“ in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2 mit Hinweisen; 144 IV 332 E. 3.3.2). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer, Gesundheitszustand und Resozialisierungschancen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteile 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 6.3.1; 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.3; je mit Hinweisen). Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der „öffentlichen Interessen an der Landesverweisung“. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 5.3.2; 6B_748/2021 vom 8. September 2021 E. 1.1.1; je mit Hinweisen).» (E.1.4.1)

«Von einem schweren persönlichen Härtefall ist in der Regel bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (Urteile 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.3; 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 6.3.3; je mit Hinweisen).  Nach der Rechtsprechung kann sich der Ausländer auf das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, sofern er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen. Bei der Härtefallprüfung ist nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer von einer Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Es ist vielmehr anhand der gängigen Integrationskriterien eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern wird dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration – beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz – in aller Regel als starke Indizien für ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib in der Schweiz und damit für das Vorliegen eines Härtefalls zu werten sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4; vgl. BGE 134 II 10 E. 4.3; Urteil 6B_305/2021 vom 28. April 2022 E. 4.3.2; je mit Hinweisen).» (E.1.4.2)

«Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161 E. 3.4; Urteile 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.6; 6B_244/2021 vom 17. April 2023 E. 6.3.5; je mit Hinweisen).  Der EGMR anerkennt in ständiger Rechtsprechung das Recht der Vertragsstaaten, die Einwanderung und den Aufenthalt von Nicht-Staatsangehörigen auf ihrem Territorium zu regeln, einschliesslich der Ausweisung von verurteilten Straftätern. Berührt die Ausweisung indes Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, sind die Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu prüfen (Urteil des EGMR Z gegen die Schweiz vom 22. Dezember 2020, Nr. 6325/15, § 55 f.; BGE 144 I 266 E. 3.2; Urteile 6B_362/2023 vom 21. Juni 2023 E. 2.1.4; 6B_305/2021 vom 28. April 2022 E. 4.3.3; je mit Hinweisen). Die nationalen Instanzen haben sich von den im Urteil des EGMR Üner gegen die Niederlande vom 18. Oktober 2006, Nr. 46410/99, resümierten Kriterien leiten zu lassen (vgl. Urteile des EGMR E.V. gegen die Schweiz vom 18. Mai 2021, Nr. 77220/16, § 34; Z gegen die Schweiz, a.a.O., § 57; zum Ganzen: BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteil 6B_1264/2021 vom 13. Juli 2022 E. 1.8.1; je mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass die aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist (BGE 146 IV 105 E. 4.2; 143 I 21 E. 5.1; 142 II 35 E. 6.1; Urteil 6B_305/2021 vom 28. April 2022 E. 4.3.3). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen (Urteil des EGMR Z gegen die Schweiz, a.a.O., § 57-61; BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteile 6B_255/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.5; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.5, nicht publ. in: BGE 147 IV 340 je mit Hinweisen). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 II 35 E. 6.1; Urteile 6B_134/2021 vom 20. Juni 2022 E. 5.3.3; 6B_780/2020 vom 2. Juni 2021 E. 1.3.3, je mit Hinweisen).» (E.1.4.3)

Das Bundesgericht setzt sich anschliessen im Detail mit den Feststellungen der Vorinstanz auseinander (E.1.5) und kam zur Schlussfolgerung, dass die Vorinstanz zu Recht das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls bejaht (E.1.5.7).

Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdegegner insgesamt auf allen Ebenen gut integriert, hier geboren und aufgewachsen ist, kann er – mit der Vorinstanz – beachtliche Gründe anführen, die für die Fortsetzung seines Aufenthalts hierzulande sprechen, bemerkt das Bundesgericht (E.1.6.1)

Weiter führte das Bundesgericht im Urteil 6B_292/2023 vom 11. September 2023 zum Thema Betäubungsmitteldelikte und Landesverweisung Folgendes aus:

«Die Vorinstanz erwägt, die Rechtsprechung zeige sich bei Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz rigoros, lege allerdings Wert darauf, ob der Täter aus rein egoistischen und pekuniären Motiven gehandelt habe oder ob er selber drogenabhängig gewesen sei. Der Beschwerdegegner gelte vorliegend als Kleindealer, der effektiv nur einen Verkauf von einem Gramm Kokaingemisch direkt an einen Endabnehmer getätigt habe. Seine Gefährlichkeit für die hiesige Gesellschaft werde insofern relativiert, als nicht von einem organisierten Drogenhandel auszugehen sei. Zudem sei letztlich kein anderes Tatmotiv ersichtlich, als dass er mit den von ihm betriebenen drogenhändlerischen Aktivitäten habe Einnahmen generieren wollen, um seinen eigenen Kokainkonsum zu finanzieren. Es sei indes entgegen der Auffassung der Erstinstanz nicht entscheidend, dass er nicht aus einer Notlage heraus gehandelt habe. Betreffend die strafrechtliche Rückfallgefahr führt die Vorinstanz aus, es handle sich um den ersten erheblichen Verstoss des Beschwerdegegners gegen die schweizerische Rechtsordnung. Sein strafbares Verhalten scheine eher einer akuten Lebenskrise geschuldet als einem notorischen Hang zur Straffälligkeit. Er sei einsichtig, gelte aus strafrechtlicher Sicht als vollständig sozialisiert und es seien keine Anzeichen dafür auszumachen, dass er erneut straffällig werden würde.» (E.1.6.2)

«Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt und auch die Beschwerdeführerin geltend macht, zeigt sich das Bundesgericht hinsichtlich der Landesverweisung bei Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz stets streng (vgl. Urteile 6B_138/2022 vom 4. November 2022 E. 3.1.1; 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 2.4.5; je mit Hinweisen). Vorliegend wurde der Beschwerdegegner für seine Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, was auf eine gewisse Schwere und ein entsprechendes öffentliches Interesse an der Landesverweisung schliessen lässt. Wenn die Vorinstanz diesbezüglich indes mitberücksichtigt, der Beschwerdegegner gelte als Kleindealer, was seine Gefährlichkeit für die hiesige Gesellschaft insofern relativiere, als nicht von einem organisierten Drogenhandel auszugehen sei, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin vermag diese Ausführungen nicht als willkürlich auszuweisen, soweit sie geltend macht, es sei erstellt, dass weitere Kokainverkäufe beabsichtigt gewesen seien und diese nur deshalb nicht stattgefunden hätten, da der Beschwerdegegner verhaftet worden sei.  

Die Vorinstanz bezieht in ihre Würdigung mit ein, dass der Beschwerdegegner mit den von ihm betriebenen Tathandlungen Einnahmen generieren wollte, die dazu dienen sollten, seinen eigenen Kokainkonsum zu finanzieren. Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, lässt die vorinstanzlichen Erwägungen nicht als offensichtlich falsch erscheinen. Die Beschwerdeführerin bezieht sich lediglich auf die erstinstanzlichen Ausführungen, wonach der Beschwerdegegner „unter anderem“ seinen eigenen Kokainkonsum habe finanzieren wollen. Dabei zeigt sie nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdegegner die Einnahmen nicht für den eigenen Konsum generieren wollte und die Vorinstanz dieses Element in der Folge nicht zugunsten des Beschwerdegegners hätte in ihre Interessenabwägung einfliessen lassen dürfen. Inwieweit darin ein nicht näher begründeter Widerspruch zu den erstinstanzlichen Ausführungen vorliegen soll, der die vorinstanzlichen Feststellungen auch im Ergebnis unhaltbar machen würden, ist weder ersichtlich noch begründet dargetan. Der Beschwerdeführerin ist zwar insoweit beizupflichten, als die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz aus rein pekuniären Motiven als schwere Straftat gilt, von welcher eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht (vgl. Urteil 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 3.4.10 mit Hinweisen). Indes gelingt es der Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, inwieweit die Vorinstanz vorliegend die konkrete Situation des Beschwerdegegners falsch gewichtet hätte und sich ihre Interessenabwägung dadurch als nicht rechtskonform erweisen würde.» (E.1.6.3)

«Ebenso zutreffend sind die Erwägungen der Vorinstanz mit Bezug auf die Rückfallgefahr und die Legalprognose. Die Vorinstanz stellt fest, die zu beurteilende Delinquenz des Beschwerdegegners stelle den ersten erheblichen Verstoss gegen die schweizerische Rechtsordnung dar. Es ist nicht zu beanstanden und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht gerügt, dass die Vorinstanz die im erstinstanzlichen Entscheid erwähnten früheren Verurteilungen betreffend Übertretungstatbestände bei der Legalprognose nicht ins Gewicht fallen lässt. (Hier fehlende) Vorstrafen sind für die Beurteilung der Rückfallgefahr von erheblicher Bedeutung. Angesichts der bereits erörterten Situation des Beschwerdegegners erwägt die Vorinstanz überzeugend, das strafbare Verhalten des Beschwerdegegners sei eher einer aktuellen Lebenskrise geschuldet als einem notorischen Hang zur Straffäligkeit. Folglich ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz ausführt, die erstmalige Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten mit ihrer einhergehenden Warnwirkung biete hinreichend Gewähr dafür, dass dem Beschwerdegegner als Ersttäter eine besonders günstige Prognose und ein kaum vorhandenes Rückfallrisiko attestiert werden könne.  

Die Beschwerdeführerin führt zur Legalprognose lediglich aus, nachdem die berufliche Wiederintegration in der Schweiz und die Sanierung seiner Schulden in absehbarer Zeit keineswegs gesichert sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdegegner erneut aus finanziellen Motiven im Drogenhandel tätig werden könnte. Mit dieser blossen Behauptung vermag die Beschwerdeführerin den Begründungsanforderungen vor Bundesgericht nicht zu genügen, zumal sie sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen zur Rückfallgefahr auch nicht substanziiert auseinandersetzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).» (E.1.6.4)

Insgesamt nimmt die Vorinstanz gemäss Bundesgericht im Urteil 6B_292/2023 vom 11. September 2023 eine nachvollziehbare Interessenabwägung unter Würdigung aller relevanten Kriterien vor. Sie gewichtet die privaten Interessen des Beschwerdegegners an einem Verbleib in der Schweiz zu Recht höher als die öffentlichen Interessen an seiner Landesverweisung. Der Verzicht auf die Anordnung einer Landesverweisung durch die Vorinstanz erweist sich gemäss Bundesgericht als rechtskonform. Die Beschwerde ist mithin gemäss dem Bundesgericht unbegründet (E.1.6.5).

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