Strafgericht muss Verhältnismässigkeit der strafrechtlichen Landesverweisung selber prüfen

Im Urteil 6B_382/2024 vom 6. Februar 2025 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht u.a. mit der strafrechtlichen Landesverweisung. Es schützte die Beschwerde gegen die Landesverweisung und fällte einen (seltenen) reformatorischen Entscheid. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Bei der Frage, ob das Non-refoulement-Prinzip oder andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts der Landesverweisung entgegenstehen (Art. 66d Abs. 1 StGB), muss das zu deren Ausfällung angerufene urteilende Gericht prüfen, ob sich die Massnahme als verhältnismässig erweist. Es darf daher nicht einfach die Frage an die Vollzugsbehörde weiterleiten, die zuständig ist, die Ausweisung aufzuschieben. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass nach Art. 66c Abs. 2 StGB vor dem Vollzug der Landesverweisung die unbedingten Strafen oder Strafteile sowie die freiheitsentziehenden Massnahmen vollzogen werden müssen. Ist der zu vollziehende Freiheitsentzug von einer gewissen Dauer, kann somit eine relativ bedeutende Zeit zwischen der Ausfällung der Landesverweisung und ihrem Vollzug verstreichen, während der die Umstände, etwa in Verbindung mit dem Gesundheitszustand des Betroffenen, sich ändern können. Wenn daher der derzeitige Gesundheitszustand des Betroffenen ein Hindernis für seine Ausweisung in sein Ursprungsland darstellen kann, muss das Sachgericht prüfen, ob dieser Zustand stabil ist, und zwar in dem Sinne, dass er sich nach aller Wahrscheinlichkeit nicht bessern wird. In diesem ersten Fall wird es auf die Landesverweisung verzichten, wenn diese im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB und/oder Art. 8 EMRK unverhältnismässig ist. Wenn dagegen das Gericht feststellt, dass das zur Diskussion stehende Gesundheitsproblem behandelbar ist oder medikamentös beherrscht werden kann, wird es schliessen können, dass die Landesverweisung nicht aus diesem Grund unverhältnismässig erscheint. In diesem zweiten Fall stützt das Gericht seinen Entscheid auf konkrete Elemente ab, wie zum Beispiel die Aussicht auf eine Operation, die das aktuelle Gesundheitsproblem genügend beheben kann (zum Ganzen: BGE 145 IV 455 E. 9.4 mit weiteren Hinweisen). Diese im Anwendungsfall auf die medizinische Gesundheit bezogenen Erwägungen beanspruchen allgemeine Gültigkeit (Urteil 6B_1024/2019 vom 29. Januar 2020 E. 1.3.5) und können auf den vorliegenden Fall übertragen werden.» (E.6.3.4).

Sachverhalt 

Dem A. wird mit Anklageschrift vom 24. März 2022 (Hauptanklage) vorgeworfen, seit einem nicht genau bekannten Zeitpunkt, jedenfalls nach dem 3. Mai 2020 bis zu seiner Verhaftung am 3. Juni 2021, dem Drogenhandel nachgegangen zu sein (eingeklagt als Verbrechen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 lit. b-d BetmG). Er habe dafür an der U. strasse xxx in V. einen Kellerraum als Lagerraum (Bunker) genutzt. Im Rahmen dieser Machenschaften habe er wissentlich und willentlich und im Bewusstsein um die damit einhergehenden gesundheitlichen Gefahren, B. am 3. Juni 2021 (ca.) auf die Bestellung von 50 g Kokaingemisch hin 49.8 g Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von 93% (entsprechend 46.2 g reinem Kokain) zum Preis von Fr. 3’000.– übergeben. Weiter habe er C. am 3. Juni 2021 auf Bestellung hin 49.9 g Kokaingemisch, ebenfalls mit einem Reinheitsgehalt von 93% (entsprechend 46.4 g reinem Kokain), zum Preis von Fr. 3’700.– übergeben. Darüber hinaus habe er in besagtem abgeschlossenen Lagerraum in verschiedenen Formen, Behältnissen und Verpackungen folgende Substanzen gelagert: Kokaingemisch mit unterschiedlichem Reinheitsgrad (mehrheitlich 91-93%, in einer vergleichsweise geringen Menge 72%), entsprechend insgesamt 1,5124 kg reinem Kokain; Heroingemisch mit variierendem Reinheitsgrad (mehrheitlich 39%, teils auch 2.5% bzw. 19%), entsprechend insgesamt 607.1 g reinem Heroin; Marihuana von insgesamt 11,874 kg; Haschisch von 4,168 kg; MDMA (Ecstasy) von 2,567 kg sowie Streckmittel (Paracetamol/Coffein-Gemisch) von insgesamt 12,0488 kg. Er habe sich diese Gegenstände mit der Absicht und der ständigen Bereitschaft beschafft, die Substanzen an eine Vielzahl von Abnehmern zu verkaufen. Im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelhandel wird A. weiter vorgeworfen, er habe im erwähnten Raum wissentlich und willentlich grössere Bargeldsummen versteckt (Fr. 34’070.–, EUR 4’965.–, Fr. 100’000.–, Fr. 435’000.– und EUR 15’000.–; teils im Tresor eingeschlossen; teils lose, teils verschweisst), um das Auffinden und Abführen durch die Strafverfolgungsbehörden zu vereiteln, nachdem er gewusst bzw. in Kauf genommen habe, dass die Gelder aus einem Verbrechen, namentlich dem schweren Handel mit Betäubungsmitteln in der Schweiz, gestammt hätten (eingeklagt als Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 StGB).

Mit Eventualanklage wird A. vorgeworfen, dass er als faktischer und alleiniger Mieter den erwähnten Lagerraum einem ihm Bekannten („Kollege X“) gegen ein Entgelt von Fr. 5’000.– pro Monat zur Nutzung als Lagerraum für Drogen und Geld zur Verfügung gestellt habe. Vorausgegangen sei, dass der Kollege X A. ca. im März 2021 angefragt habe, ob er jemanden kenne, der bis im Sommer 2021 Drogen und Geld lagern könne und wolle. Der Kollege X habe daraufhin mit Wissen und Willen und der Bereitschaft von A., den Handel mit harten Drogen zu ermöglichen resp. zu fördern, die in der Hauptanklage erwähnten Substanzen an Kokain- und Heroingemisch und MDMA/Ecstasy sowie Streckmittel – ohne aber das erwähnte Marihuana und Haschisch -, in dem ihm (X) frei zugänglichen Raum (inkl. Tresor) aufbewahrt. In der Folge habe auch A. den Raum mehrmals frequentiert, sodass er die Substanzen auch selber wahrgenommen habe (eingeklagt als Verbrechen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 lit. b und d BetmG). Sodann soll A. die in der Hauptanklage umschriebenen Verkäufe von 49.8 g Kokaingemisch (46.2 g reines Kokain) für Fr. 3’000.– an B. sowie von 49.9 g Kokaingemisch (46.4 g reines Kokain) für Fr. 3’700.– an C. getätigt haben (eingeklagt als Verbrechen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG). Weiter soll A. seit Anfang 2021 bis zum 3. Juni 2021 im erwähnten Lagerraum wissentlich und willentlich Marihuana und Haschisch (drei Asservate mit insgesamt 11,874 kg Marihuana und ein Asservat mit 4,168 kg Haschisch) gelagert haben, wobei er über die Absicht und die ständige Bereitschaft verfügt habe, diese Betäubungsmittel einer Vielzahl von Dritten gegen Entgelt zugänglich zu machen. Zudem habe A., so die Eventualanklage weiter, im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zur Verhaftung am 3. Juni 2021, an nicht näher eruierbare Abnehmer bei zahlreichen Gelegenheiten Marihuana und Haschisch (je mindestens 1 kg insgesamt) verkauft (eingeklagt als mehrfaches Vergehen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit b-d BetmG). Schliesslich wird A. auch vorgeworfen, er habe zugelassen, dass der Kollege X im Zuge des Einlagerns von sehr grossen Mengen an Betäubungsmitteln im Tresor im erwähnten Raum Fr. 100’000.– (in einem Vakuumbeutel) versteckt habe. A. habe den Raum und den Tresor wissentlich und willentlich zur Verfügung gestellt, wobei er um die verbrecherische Herkunft (namentlich den umfangreichen Handel mit harten Betäubungsmitteln) gewusst oder diese zumindest in Kauf genommen habe (eingeklagt als Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 StGB).

Instanzenzug

Am 7. November 2022 verurteilte das Bezirksgericht Zürich A. wegen mehrfacher Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 lit. b und c BetmG), Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 lit. b-d BetmG) und Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 64 Monaten. Auf die Anordnung einer Landesverweisung verzichtete es. Weiter befand es über diverse beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte und auferlegte A. die Kosten des Verfahrens.

Auf Berufung von A. und der Staatsanwaltschaft stellte das Obergericht des Kantons Zürich am 14. November 2023 die teilweise Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils fest und verurteilte A. wegen mehrfachen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 lit. b-d i.V.m. Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG) sowie Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 lit. b-d BetmG) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Vom Vorwurf der Geldwäscherei sprach es ihn frei. Weiter ordnete es eine Landesverweisung für die Dauer von 8 Jahren und deren Ausschreibung im Schengener Informationssystem an. Es befand über die Beschlagnahme diverser Gegenstände und Vermögenswerte, bestätigte den erstinstanzlichen Kostenentscheid und auferlegte die Kosten des Berufungsverfahrens zu 3/4 A.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. erhebt Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 14. November 2023 und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Gleichzeitig ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und die Bestellung von Rechtsanwältin Fanny De Weck und Rechtsanwalt Andreas Josephsohn als unentgeltliche Rechtsbeistände.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_382/2024 vom 6. Februar 2025

Auf die meisten Rügen des Beschwerdeführers wird hier nicht eingegangen.

Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht gegen die Anordnung der Landesverweisung. Er macht geltend, diese verstosse gegen das menschenrechtliche Rückschiebungsverbot (Art. 25 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK). Indem die Vorinstanz dieses zwingende Vollzugshindernis bei der Anordnung der Landesverweisung nicht berücksichtige, verstosse sie auch gegen Art. 66d StGB. Die Vorinstanz anerkenne zwar ein aktuell vorliegendes Vollzugshindernis, erachte dieses jedoch unter Berücksichtigung des noch ausstehenden Restvollzugs der Freiheitsstrafe von rund drei Jahren nicht als dauerhaft, weshalb es den Vollzugsbehörden obliege, nach Vollendung des Strafvollzugs über einen allfälligen Aufschub des Vollzugs der Landesverweisung zu befinden. Indem die Vorinstanz die Stabilität des iranischen Regimes und die damit zusammenhängende Dauerhaftigkeit des den Beschwerdeführer betreffenden Vollzugshindernisses ignoriere, verletze sie, abgesehen von zwingendem Völkerrecht sowie Art. 66d StGB, auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht. Diese Ignoranz müsse zudem als offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung qualifiziert werden. Hinzu komme, dass gemäss BGE 147 IV 453 der Aufschub der Landesverweisung nach Art. 66d StGB im Vollzugsstadium nicht verlangt werden könne, wenn sich die massgebenden Umstände seit Anordnung der Landesverweisung nicht geändert hätten. Die Anordnung der Landesverweisung verstosse zudem gegen die Flüchtlingskonvention (insb. Art. 27) sowie Art. 8 EMRK. Selbst wenn die Landesverweisung nicht vollzogen werde, führe deren Anordnung dazu, dass der Beschwerdeführer selbst als anerkannter Flüchtling keinen legalen Aufenthaltsstatus und keine Dokumente erlangen könne und somit auf allen Ebenen des Lebens massiv beeinträchtigt werde. Diese Statuslosigkeit bei anerkannten Flüchtlingen sei mit der Flüchtlingskonvention nicht vereinbar und stelle auch einen Verstoss gegen Art. 8 EMRK dar. Indem sich die Vorinstanz mit dieser Problematik trotz Geltendmachung durch die Verteidigung nicht auseinandersetze, verletze sie den Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht. Zusammengefasst verstosse die Landesverweisung gegen Bundesrecht (Art. 66a Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 66d StGB und Art. 25 Abs. 2 und 3 BV sowie Art. 13 BV) und zwingendes Völkerrecht (Art. 3 EMRK, Flüchtlingskonvention und Art. 8 EMRK). Schliesslich liege damit auch ein Verstosse gegen die Rechtsweggarantie vor (Art. 29 und 29a BV, Art. 6 und 8 EMRK in seinem prozeduralen Gehalt und i.V.m. Art. 13 EMRK).  Abgesehen von der sich aus der Flüchtlingseigenschaft ergebenden Problematik habe es die Vorinstanz unterlassen, trotz Bejahung eines Härtefalles eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Einzelfallelemente vorzunehmen, wie es Art. 66a Abs. 2 StGB sowie Art. 13 BV und Art. 8 EMRK zwingend forderten. Dies stelle an sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des prozeduralen Gehalts von Art. 8 EMRK dar. Die Vorinstanz berücksichtige insbesondere nicht, dass er als Secondo ohne Verbindung in das Land seiner Nationalität (Iran) ein ausgesprochen hohes Interesse am Verbleib in der Schweiz habe. Ebenso wenig berücksichtige sie sein positives Nachtatverhalten sowie die Warnwirkung des Strafverfahrens. Das öffentliche Interesse werde demgegenüber durch die Nichtvollziehbarkeit der Landesverweisung erheblich geschmälert. Unzulässig sei schliesslich auch die Ausschreibung eines anerkannten Flüchtlings im SIS ohne Anordnung oder Absehbarkeit des Vollzugs. Dies sei nicht mit der Verordnung (EU) 2018/1861 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.11.2018 (sog. SIS-Grenze) vereinbar (Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung). (E.6.1).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_382/2024 vom 6. Februar 2025 hierzu wie folgt:

«Die Vorinstanz kommt nach Beurteilung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der Situation in dessen Heimatland zum Schluss, die Landesverweisung würde ihn derzeit in eine migrationsrechtlich auswegslose Situation bringen. Darin sei mit Blick auf das menschenrechtliche Non-refoulement-Prinzip nach Art. 3 EMRK eine schwere persönliche Härte im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB zu sehen (E. V./2.6 des vorinstanzlichen Urteils). Unter Berücksichtigung der besonderen Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Delikte vermöchten dessen private Interessen indes das öffentliche Interesse insoweit nicht überwiegen (E. V./2.7 des vorinstanzlichen Urteils). Hernach setzt sich die Vorinstanz mit dem Vorliegen eines Vollzugshindernisses auseinander, das sie im Urteilszeitpunkt bejaht. Unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erwägt sie Folgendes (E. V./2.8 des vorinstanzlichen Urteils) : Die den Beschwerdeführer betreffende Konstellation unterscheide sich von jener gemäss dem Entscheid 6B_1042/2021. Der Beschwerdeführer sei selbst nie politisch aktiv gewesen im Iran. Er sei noch nie dort gewesen und seine Familie pflege seit langem keine Kontakte mehr in den Iran. Die Gefahr einer Sippenhaft und von politischer Verfolgung solle nicht verkannt werden. Die Exposition des Beschwerdeführers „dürfte doch etwas geringer sein“ als im erwähnten Vergleichsfall. Er sei auch nicht zum westlich assoziierten Christentum konvertiert. Entscheidend sei aber, dass der Beschwerdeführer bis zu einer allfälligen bedingten Entlassung und einer darauf folgenden Landesverweisung voraussichtlich noch mindestens drei Jahre der gegen ihn ausgefällten Freiheitsstrafe zu verbüssen habe. Damit müsse von einer relativ bedeutenden Zeit bis zu einem allfälligen Vollzug der Landesverweisung gesprochen werden, sodass die Vollzugsbehörden zuständig und entsprechend aufgerufen seien, dereinst das Rückweisungsverbot zu prüfen. Damit vermöge auch das Non-refoulement-Prinzip die Anordnung der Landesverweisung nicht zu verhindern. Sollte sich die Lage im Iran nicht verbessern, werde der Vollzug wohl aufgeschoben werden müssen, worüber indes dereinst die Vollzugsbehörden zu befinden hätten.» (E.6.2).

«Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 BetmG verurteilt worden ist, für 5-15 Jahre aus der Schweiz. Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 146 IV 105E. 3.4.1; 144 IV 332E. 3.1.3). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 146 IV 105E. 3.4.1; 144 IV 168E. 1.4.1).» (E.6.3.1).

«Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur „ausnahmsweise“ unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB; sog. Härtefallklausel). Die restriktiv zu handhabende Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105E. 3.4.2; 144 IV 332E. 3.1.2 und E. 3.3.1). Ob ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, bestimmt sich anhand der gängigen Integrationskriterien (vgl. Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; BGE 146 IV 105E. 3.4.2 und E. 3.4.4; 144 IV 332E. 3.3.2; je mit Hinweisen). Von einem schweren persönlichen Härtefall ist in der Regel bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.3; 6B_552/2021 vom 9. November 2022 E. 2.3.5 mit Hinweisen). Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 146 IV 105E. 4.2; 145 IV 161E. 3.4; je mit Hinweisen).  Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der „öffentlichen Interessen an der Landesverweisung“. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.4; 6B_541/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 4.3.3; 6B_932/2021 vom 7. September 2022 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).» (6.3.2).

«Art. 66d StGB regelt den Vollzug der obligatorischen Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB. Allfällige Vollzugshindernisse spielen schon bei der strafgerichtlichen Anordnung der Landesverweisung nach Art. 66a Abs. 2 StGB, d.h. bei der dort vorgesehenen Interessenabwägung, eine Rolle (BGE 145 IV 455E. 9.4; 144 IV 332E. 3.3; Urteile 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 3.3.3; 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2; je mit Hinweisen). Das Sachgericht berücksichtigt solche Hindernisse, soweit die unter Verhältnismässigkeitsaspekten erheblichen Verhältnisse stabil und die rechtliche Durchführbarkeit der Landesverweisung definitiv bestimmbar sind (Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.5; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.3; 6B_105/2021 vom 29. November 2021 E. 3.4.2; 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 3.3.3; 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2; je mit Hinweisen). Es ist dem Non-refoulement-Gebot (Art. 25 Abs. 2 BV; Art. 5 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]; Art. 33 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [Flüchtlingskonvention, FK; SR 0.142.30]; Art. 3 des UN-Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [SR 0.105; nachfolgend UN-Übereinkommen gegen Folter]) und anderen völkerrechtlich zwingenden Bestimmungen auf der Ebene des Vollzugs Rechnung zu tragen (vgl. Art. 66d Abs. 1 StGB; vorbehalten Art. 5 Abs. 2 AsylG und Art. 33 Ziff. 2 FK; Urteil 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2). Liegt ein definitives Vollzugshindernis vor, so hat der Sachrichter auf die Anordnung der Landesverweisung zu verzichten (BGE 147 IV 453E. 1.4.5; 145 IV 455E. 9.4; 144 IV 332E. 3.3; Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.5; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.3; je mit Hinweisen). Im Übrigen sind die Vollzugsbehörden zur Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse, welche zum Zeitpunkt des Sachurteils noch nicht feststehen, zuständig (Urteile 6B_771/2022 vom 25. Januar 2023 E. 1.2.2; 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.5; 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.3 mit Hinweisen).  

Der Vollzug der obligatorischen Landesverweisung kann gemäss Art. 66d Abs. 1 lit. a erster Teilsatz StGB aufgeschoben werden, wenn der Betroffene ein von der Schweiz anerkannter Flüchtling ist und durch die Landesverweisung sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre; davon ausgenommen ist der Flüchtling, der sich gemäss Art. 5 Abs. 2 AsylG nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen kann (Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB). Gemäss Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB kann der Vollzug auch aufgeschoben werden, wenn andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen. Das (flüchtlingsrechtliche) Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. a StGB stellt ein relatives Vollzugshindernis dar, welches an die Flüchtlingseigenschaft des Betroffenen anknüpft (Urteile 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.4; je mit Hinweisen). Die Ausnahme vom Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB ist restriktiv anzuwenden. Voraussetzung ist, dass vom Täter für die Allgemeinheit des Zufluchtsstaates eine schwerwiegende Gefährdung ausgeht (Urteil 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4 mit Hinweis). Das (menschenrechtliche) Non-refoulement-Gebot im Sinne von Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB gilt absolut, und verhindert unabhängig eines ausländerrechtlichen Status, der begangenen Straftaten oder des Gefährdungspotentials des Betroffenen eine Ausschaffung (Urteile 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.4; je mit Hinweisen). 

Gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden. Ein Flüchtling kann sich gemäss Art. 5 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 66d Abs. 1 lit. a zweiter Teilsatz StGB nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass er die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn er als gemeingefährlich einzustufen ist, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist (Urteil 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4; vgl. auch Urteile 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 3.3.2; 6B_1102/2020 vom 20. Mai 2021 E. 3.4.5 zu Art. 32 und Art. 33 FK). Für den Begriff des besonders schweren Verbrechens oder Vergehens sind Art. 65 AsylG i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) heranzuziehen. Art. 65 AsylG verweist unter Vorbehalt von Art. 5 AsylG zur Weg- oder Ausweisung von Flüchtlingen insbesondere auf Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG. Nach dieser Bestimmung kann die Niederlassungsbewilligung nur widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet. Wenn die ausländische Person durch ihre Handlungen besonders hochwertige Rechtsgüter, wie namentlich die körperliche, psychische und sexuelle Integrität eines Menschen verletzt oder gefährdet hat, werden die qualifizierten Voraussetzungen erfüllt und verstösst sie gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz. Bereits vergleichsweise weniger gravierende Pflichtverletzungen können als „schwerwiegend“ im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG bezeichnet werden, namentlich wenn sich eine ausländische Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch zukünftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Ob der Ausländer willens und in der Lage ist, sich in die hier geltende Ordnung einzufügen, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung seines Verhaltens beurteilt werden. Hieraus folgerte das Bundesgericht in früheren Entscheiden, dass auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, einen Bewilligungsentzug rechtfertigen könne; sogar das Bestehen von privatrechtlichen Schulden könne gegebenenfalls einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, wenn die Verschuldung mutwillig erfolgt ist (BGE 137 II 297E. 3.3; Urteile 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.4; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.4; 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 3.3.2; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 25 Abs. 2 BV dürfen Flüchtlinge nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie verfolgt werden. Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 25 Abs. 3 BV). Gemäss Art. 3 Ziff. 1 UN-Übereinkommen gegen Folter darf ein Vertragsstaat eine Person nicht in einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden. Weiter regelt auch Art. 3 EMRK, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Gemäss der Rechtsprechung des EGMR sind, um ein solches reelles Risiko zu bejahen, restriktive Kriterien anzuwenden. Es gilt unter Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu erörtern, ob das Risiko einer Behandlung oder Strafe im Sinne von Art. 3 EMRK für den Fall einer Landesverweisung mit stichhaltigen Gründen konkret und ernsthaft glaubhaft gemacht wird (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR] F.G. gegen Schweden vom 23. März 2016, Nr. 43611/11, § 113; Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Nr. 37201/06, § 125 und 128; Chahal gegen Grossbritannien vom 15. November 1996, Nr. 22414/93, § 74 und 96; vgl. Urteile 6B_33/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 3.2.7; 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.5 mit Hinweis).  

Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss eine Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen. Die Würdigung des Mindestmasses hängt von den gesamten Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie allenfalls von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Person. Zu berücksichtigen sind ferner der Zweck der Behandlung sowie die Absicht und der Beweggrund, die ihr zugrunde liegen, ebenso der Zusammenhang, in dem sie steht. Eine Behandlung ist erniedrigend, wenn sie Gefühle der Angst, Qual oder Unterlegenheit hervorruft und geeignet ist, zu demütigen, zu entwürdigen und gegebenenfalls den physischen oder psychischen Widerstand zu brechen oder jemanden dazu zu bewegen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln (BGE 134 I 221E. 3.2.1; 124 I 231E. 2b). Als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieser Bestimmungen gilt nicht jede Behandlung, die vom Betroffenen als unangenehm oder lästig empfunden wird, sondern nur eine Misshandlung, die ein bestimmtes Mass an Schwere erreicht und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringt. Einschränkungen im Wohlbefinden, die durch den legitimen Zweck einer staatlichen Massnahme zwangsläufig bedingt werden, fallen nicht unter diese Bestimmungen (Urteile 6B_15/2019 vom 15. Mai 2019 E. 2.7; 6B_880/2017 vom 4. Juli 2018 E. 3.4.3; 6B_507/2017 vom 8. September 2017 E. 2.3; je mit Hinweisen). Ist das Risiko einer solchen Behandlung oder Bestrafung erstellt, so würde eine Ausweisung bzw. Landesverweisung des Betroffenen zwangsläufig eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, unabhängig davon, ob das Risiko von einer allgemeinen Gewaltsituation, einem besonderen Merkmal des Betroffenen oder einer Kombination aus beidem ausgeht (Urteil des EGMR F.G. gegen Schweden, a.a.O., § 116 mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen Urteile 6B_45/2020 vom 14. März 2022 E. 3.3.5; 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 E. 5.5.5).» (E.6.3.3).

«Bei der Frage, ob das Non-refoulement-Prinzip oder andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts der Landesverweisung entgegenstehen (Art. 66d Abs. 1 StGB), muss das zu deren Ausfällung angerufene urteilende Gericht prüfen, ob sich die Massnahme als verhältnismässig erweist. Es darf daher nicht einfach die Frage an die Vollzugsbehörde weiterleiten, die zuständig ist, die Ausweisung aufzuschieben. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass nach Art. 66c Abs. 2 StGB vor dem Vollzug der Landesverweisung die unbedingten Strafen oder Strafteile sowie die freiheitsentziehenden Massnahmen vollzogen werden müssen. Ist der zu vollziehende Freiheitsentzug von einer gewissen Dauer, kann somit eine relativ bedeutende Zeit zwischen der Ausfällung der Landesverweisung und ihrem Vollzug verstreichen, während der die Umstände, etwa in Verbindung mit dem Gesundheitszustand des Betroffenen, sich ändern können. Wenn daher der derzeitige Gesundheitszustand des Betroffenen ein Hindernis für seine Ausweisung in sein Ursprungsland darstellen kann, muss das Sachgericht prüfen, ob dieser Zustand stabil ist, und zwar in dem Sinne, dass er sich nach aller Wahrscheinlichkeit nicht bessern wird. In diesem ersten Fall wird es auf die Landesverweisung verzichten, wenn diese im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB und/oder Art. 8 EMRK unverhältnismässig ist. Wenn dagegen das Gericht feststellt, dass das zur Diskussion stehende Gesundheitsproblem behandelbar ist oder medikamentös beherrscht werden kann, wird es schliessen können, dass die Landesverweisung nicht aus diesem Grund unverhältnismässig erscheint. In diesem zweiten Fall stützt das Gericht seinen Entscheid auf konkrete Elemente ab, wie zum Beispiel die Aussicht auf eine Operation, die das aktuelle Gesundheitsproblem genügend beheben kann (zum Ganzen: BGE 145 IV 455E. 9.4 mit weiteren Hinweisen). Diese im Anwendungsfall auf die medizinische Gesundheit bezogenen Erwägungen beanspruchen allgemeine Gültigkeit (Urteil 6B_1024/2019 vom 29. Januar 2020 E. 1.3.5) und können auf den vorliegenden Fall übertragen werden.» (E.6.3.4).

«Hinsichtlich den dem Beschwerdeführer im Falle einer Landesverweisung in seinem Heimatland, dem Iran, drohenden Gefahren hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgehalten, der Beschwerdeführer geniesse den Flüchtlingsstatus. Er habe im Jahr 1991 als Kind seiner aus dem Iran geflüchteten Eltern Asyl in der Schweiz erhalten. Hintergrund der Flucht sei der Umstand, dass ein Onkel des Beschwerdeführers ein hochrangiger Freiheitskämpfer der sog. Volks-Mujahedin gewesen sei und Widerstand gegen das im Iran seit der islamischen Revolution von 1979 an der Macht stehende autoritäre Khomeini-Regime geleistet habe. Deshalb sei die ganze Familie verfolgt worden. Der Onkel sei verhaftet und hingerichtet worden. Der Vater des Beschwerdeführers, der seinen Bruder unterstützt habe, habe sich nach Haft und Folter gezwungen gesehen, mit der Familie zu flüchten. Die Familien von oppositionellen Exil-Iranern seien bei einer Rückkehr ins Land auch heute noch gefährdet und die Hinrichtungen in den 80er-Jahren seien auch heute noch Thema. Das hohe Risiko einer Behandlung oder Strafe im Sinne von Art. 3 EMRK sei nicht von der Hand zu weisen. Eine Übersiedlung in den Iran sei dem Beschwerdeführer damit derzeit nicht zumutbar. Davon ausgehend erwägt die Vorinstanz dann jedoch, angesichts der vom Beschwerdeführer bis zu einer allfälligen bedingten Entlassung noch zu verbüssenden Freiheitsstrafe von drei Jahren müsse von einer relativ bedeutenden Zeit bis zu einem allfälligen Vollzug der Landesverweisung gesprochen werden. Entsprechend seien die Vollzugsbehörden zuständig und aufgerufen, dereinst das Rückweisungsverbot zu prüfen. Es werde sich weisen müssen, ob die Landesverweisung dereinst vollzogen werden könne.» (E.6.4.1).

«In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob die unter Verhältnismässigkeitsaspekten erheblichen Verhältnisse unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer bis zu einer allfälligen bedingten Entlassung noch zu verbüssenden Strafrests von im vorinstanzlichen Urteilszeitpunkt rund drei Jahren – resp. fünf Jahren bis zur definitiven Entlassung – als stabil und die rechtliche Durchführbarkeit der Landesverweisung als definitiv bestimmbar beurteilt werden können. Im Urteil 6B_1042/2021 vom 24. Mai 2023 kam das Bundesgericht im Falle eines iranischen Staatsangehörigen zum Schluss, bei einem noch zu verbüssenden Strafrest von 16 Monaten könne für die Zeitspanne zwischen der allfälligen Ausfällung der Landesverweisung und deren Vollzug (vgl. Art. 66c Abs. 3 StGB) nicht von einer relativ bedeutenden Zeit gesprochen werden, während der die für den Beschwerdeführer massgeblichen Umstände sich ändern könnten. Mithin stelle die – damals aktuelle und unmittelbar zu erwartende – politische Lage im Iran, dessen Regime im Urteilszeitpunkt immerhin schon seit mehreren Jahrzehnten Bestand hatte, ein allfälliges Hindernis für die Anordnung (und den Vollzug) der Landesverweisung des Beschwerdeführers dar. Bei dieser Ausgangslage hätte die Vorinstanz die Prüfung des Rückweisungsverbots nicht auf die Vollzugsbehörden abschieben dürfen. Wie sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen ergebe, stand zum Urteilszeitpunkt einer Landesverweisung des Beschwerdeführers die Garantie von Art. 25 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK entgegen. Bereits aus diesem Grund hätte die Vorinstanz in ihrem Urteil auf die Anordnung der Landesverweisung verzichten müssen (E. 5.4.3). Im Urteil 6B_38/2021 vom 14. Februar 2022 betreffend einen syrischen Staatsangehörigen, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren, unter Abzug von 614 Tagen Untersuchungs- und Sicherheitshaft verurteilt wurde, ging das Bundesgericht davon aus, die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, deren Vorliegen das kantonale Gericht bejaht habe, sei derzeit nicht konkret. Unter diesen Umständen stelle die Situation in Syrien kein Hindernis für die Anordnung der Ausweisung dar. Das kantonale Gericht habe zu Recht festgestellt, dass die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage in Syrien am Tag der Durchführung der Landesverweisung nicht vorweggenommen werden könne. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung könnten die Umstände, die einer Ausweisung entgegenstehen würden, derzeit nicht abschliessend bestimmt werden. Die geopolitische Lage im Land der Ausschaffung werde sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich verbessern oder verschlechtern, wobei die Dauer der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen sei, die der Beschwerdeführer noch zu verbüssen habe. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, er werde unabhängig von einer allfälligen Verbesserung des Krieges in Syrien weiterhin als Deserteur gelten, stütze er sich auf Tatsachen, die aus dem kantonalen Urteil nicht hervorgingen. In jedem Fall handle es sich nur um eine Hypothese. Aus diesen Gründen stehe das Non-refoulement-Prinzip der Anordnung der Landesverweisung zum jetzigen Zeitpunkt nicht entgegen. Die zuständige Behörde werde noch zu prüfen haben, ob der Vollzug der Landesverweisung gemäss den zwingenden Regeln des Völkerrechts aufgeschoben werden müsse (vgl. Art. 66d Abs. 1 Bst. b StGB).» (E.6.4.2).

«Für die Frage, ob die zur Beurteilung eines Vollzugshindernisses relevanten Fakten genügend stabil sind, so dass eine Beurteilung im Zeitpunkt einer allfälligen Anordnung der Landesverweisung möglich ist, ist einerseits der Zeithorizont unter Berücksichtigung einer der Landesverweisung vorausgehenden Freiheitsstrafe massgebend; andererseits sind die Dynamik der massgebenden politischen Lage im Herkunftsland und die diesbezüglichen Auswirkungen auf eine individuelle konkrete Gefährdungslage des von der Landesverweisung Betroffenen entscheidend. Im Urteil 6B_38/2021 stellte sich die Frage hinsichtlich eines syrischen Deserteurs, wobei dessen Bedrohung im Falle der Rückkehr auf den in Syrien herrschenden Krieg zurückgeführt wurde. In Syrien herrschte sei 2011 ein Bürgerkrieg, dem bewaffnete Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen zugrunde lagen und der mit fortschreitender Dauer zunehmend unter Beteiligung von Drittstaaten stattfand. Den Streitkräften Syriens unter dem Kommando von Präsident Baschar al-Assad standen bewaffnete Gruppierungen der Opposition gegenüber. Diese Situation ist mit der Gefährdung, wie sie jener des Beschwerdeführers im Iran zugrunde liegt, nicht ver-gleichbar. Hintergrund von dessen Gefährdung ist mithin nicht ein Krieg in seinem Heimatland, sondern die Opposition seiner Familie gegen das seit 1979 an der Macht stehende, autoritäre Khomeini-Regime.» (E.6.4.3.1).

«Die Vorinstanz äussert sich insbesondere zur zeitlichen Komponente, mithin zur Dauer des der Landesverweisung vorausgehenden Freiheitsentzuges. Damit einhergehend erwägt sie, dass für den Beschwerdeführer (aktuell) das hohe Risiko einer Behandlung oder Strafe im Sinne von Art. 3 EMRK „nicht von der Hand zu weisen“ und dementsprechend seine Übersiedlung in den Iran “ derzeit nicht zumutbar“ sei (E. V/2.6 S. 48 f. des vorinstanzlichen Urteils). Sie weist sodann auf die vom Beschwerdeführer zu verbüssende Freiheitsstrafe bzw. die „relativ bedeutende Zeit“ hin, die bis zu einem allfälligen Vollzug der Landesverweisung verstreichen werde. Damit einhergehend erwägt sie, dass sich die „Zustände im Zielland rasch ändern“ könnten (E. V/2.8 S. 50 des vorinstanzlichen Urteils) und erachtet zusammenfassend die Vollzugsbehörden als zuständig und aufgerufen, um „dereinst das Rückweisungsverbot zu prüfen“ (E. V/2.8 S. 52 des vorinstanzlichen Urteils).  

Damit erachtet es die Vorinstanz – wenn auch z.T. implizit – als möglich, dass sich die politische Lage im Iran innert der nächsten drei Jahre seit dem vorinstanzlichen Urteilszeitpunkt (14. November 2023) dahingehend ändern könnte, als für den Beschwerdeführer keine von ihr für den Urteilszeitpunkt i.S.v. Art. 3 EMRK erkannte Gefährdung mehr ausgeht. Dem kann nicht gefolgt werden. Dass die politische Lage im Iran aktuell anders einzuschätzen wäre, als dies im Urteil 6B_1042/2021 vom 24. Mai 2023 der Fall gewesen ist, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beschwerdegegnerin nicht dargetan. Aus dem von ihr herangezogenen Entscheid 6B_1176/2021 vom 26. April 2024 lässt sich nichts für ihren Standpunkt ableiten, da dort keine den damaligen Beschwerdeführer individuell konkret gefährdenden Umstände erkennbar waren. Die dort vom Bundesgericht als nicht definitiv bestimmbaren Umstände bezogen sich auf die allgemein schwierige humanitäre, politische und wirtschaftliche Situation in Syrien (Urteil 6B_1176/2021 vom 26. April 2024 und dort E. 5.1.7). Indes gilt nach wie vor, dass das Regime im Iran seit mehreren Jahrzehnten Bestand hatte und nach wie vor hat. Mit Blick auf diese Jahrzehnte dauernde Stabilität kann auch vorliegend – konkret bei einer Zeitspanne von rund drei Jahren zwischen der (allfälligen) Ausfällung der Landesverweisung und deren Vollzug – nicht von einer relativ bedeutenden Zeit gesprochen werden, während der sich die für den Beschwerdeführer individuell konkret massgeblichen und ihn gefährdenden Umstände tatsächlich ändern könnten. Diese müssen in der vorliegenden Konstellation als dauerhaft qualifiziert werden und stellen folglich ein Hindernis für die Anordnung (und den Vollzug) der Landesverweisung dar. Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht und zwingendes Völkerrecht, wenn sie trotzdem eine solche anordnet. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.» (E.6.4.3.2).

«Damit ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 BGG). Im vorliegenden Fall erweist sich die Angelegenheit als spruchreif und kann sofort und endgültig zum Abschluss gebracht werden. Es kann daher ein reformatorischer Entscheid ergehen. Das angefochtene Urteil ist dementsprechend aufzuheben und dahingehend zu ändern, als von der Anordnung einer Landesverweisung und deren Ausschreibung im SIS abzusehen ist. Eine Rückweisung an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung erfolgt nur noch im Hinblick auf die Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen.» (E.7).

Hier ist das reformatorische Dispositiv im Urteil 6B_382/2024 vom 6. Februar 2025:

«Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. November 2023 wird aufgehoben und das vorinstanzliche Dispositiv in den Ziffern 5 und 6 neu gefasst. 

„5. Von der Anordnung einer Landesverweisung samt deren Ausschreibung im SIS wird abgesehen.“ 

„6. [Entfällt]“ 

Im Übrigen wird die Sache zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.»

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