Sachverhalt
Der A. führte als Anwalt von B. vor dem Arbeitsgericht Zürich einen Forderungsprozess gegen dessen ehemalige Arbeitgeberin, die C. AG (vormals D. AG). In diesem Prozess war u.a. streitig, ob die Bank Ende 2012 noch problematische Geschäftsbeziehungen mit US-Kunden gehabt hatte. B. wollte dies mit dem Dokument „US-Exit-Report“ beweisen, weswegen er dieses Schriftstück, das er noch während seiner Tätigkeit bei der Bank erhalten hatte, seinem Anwalt A. überreichte. Diesem wird vorgeworfen, das Dokument unverändert als Beweismittel dem Arbeitsgericht Zürich eingereicht zu haben. Dies im Bewusstsein bzw. zumindest unter Inkaufnahme, dass darin dem Bankgeheimnis unterworfene Informationen, insbesondere Kontonummern sowie Namen und Wohnorten von Kunden, enthalten gewesen seien.
Instanzenzug
Das Bezirksgericht Zürich sprach A. am 7. Juni 2018 des Vergehens gegen das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG; SR 952.0; in der seit 1. Juli 2015 geltenden Fassung) im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. c BankG schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 220.–, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Auf Berufung von A. hin sprach das Obergericht des Kantons Zürich diesen am 12. Dezember 2018 frei.
Gegen diesen Entscheid führte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich Beschwerde in Strafsachen. Mit Urteil 6B_247/2019 vom 22. Juni 2020 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, hob das obergerichtliche Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht des Kantons Zürich zurück.
Mit Urteil vom 8. Juni 2021 sprach das Obergericht des Kantons Zürich A. erneut frei (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 8. Juni 2021 (SB200301-O/ad)).
Gegen diesen Entscheid führt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich erneut Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht des Kantons Zürich. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben, A. wegen Vergehens gegen Art. 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. c BankG schuldig zu sprechen und mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 220.– zu bestrafen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet mit Eingabe vom 16. August 2022 auf eine Vernehmlassung.
Der A. lässt sich vernehmen und beantragt mit Eingabe vom 31. August 2022, die Beschwerde sei abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich bzw. der Staatskasse.
Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 26. Januar 2023 in einer öffentlichen Sitzung beraten.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023
Das Bundesgericht wies die Vorinstanz, d.h. das Obergericht des Kantons Zürich, im Urteil 6B_247/2019 vom 22. Juni 2020 ausdrücklich an, erneut zu prüfen, ob dem Beschwerdegegner eine tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung vorzuwerfen sei. (E.2).
Die Beschwerdeführerin (Oberstaatsanwaltschaft Zürich) macht im Wesentlichen vor Bundesgericht geltend, der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdegegner habe nicht vorsätzlich bzw. eventualvorsätzlich gehandelt und damit den subjektiven Tatbestand von Art. 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. c BankG nicht erfüllt, sei bundesrechtswidrig. Zufolge unveränderten Sachverhalts hätte die Vorinstanz stattdessen zum Schluss kommen müssen, dass der Straftatbestand von Art. 47 Abs. 1 lit. c BankG nicht nur in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sei (Beschwerde S. 4 ff.). (E.3.1).
Massgeblicher Sachverhalt
Mit der Vorinstanz ist damit vom Bundesgericht vom folgenden, unbestritten gebliebenen Sachverhalt auszugehen: Im Rahmen eines Forderungsprozesses gegen die C. AG (vormals D. AG) als ehemalige Arbeitgeberin von B. reichte der Beschwerdegegner als dessen Anwalt das ihm von seinem Klienten übergebene Dokument „US-Exit-Report“ als Beweismittel ein. Dabei handelt es sich um ein 6-seitiges Dokument. Der Beschwerdegegner hatte sich darauf verlassen, dass B. von sich aus allfällige Daten, die unter das Bankgeheimnis fallen würden, bereits abgedeckt bzw. geschwärzt hätte, weshalb er das Dokument vor dessen Einreichung nicht vollständig gelesen bzw. „studiert“ hatte. Die Seiten 4 und 5 dieses Dokuments enthielten dem Bankkundengeheimnis unterworfene Daten, namentlich Namen und Wohnsitzstaaten von Bankkunden, Kontonummern und Kontostände. Diese Daten waren im Dokument nicht abgedeckt bzw. geschwärzt.
Die Vorinstanz erwägt in rechtlicher Hinsicht, wie das Bundesgericht bemerkt, der Beschwerdegegner (Anwalt) weise zu Recht darauf hin, dass bereits die ersten zwei Seiten des Dokuments, die keine vom Bankgeheimnis geschützten Kundendaten enthalten hätten, ausreichend gewesen seien, um den Fortbestand der von der beklagten Bank bestrittenen US-Kundenbeziehungen zu beweisen. Indessen hätte der weitere Inhalt des Dokuments für die Beweisführung möglicherweise von zusätzlichem Nutzen sein können bzw. sei nicht von vornherein auszuschliessen gewesen, dass dieser die Beweiskraft des Dokuments wieder geschmälert hätte. Zur gebotenen anwaltlichen Sorgfalt habe daher zweifellos gehört, auch die Seiten 4 und 5 des Dokuments zu studieren, wo die sensiblen Daten kaum zu übersehen gewesen seien. Die Aussage des Beschwerdegegners, er habe dies nicht getan und deshalb die beiden Listen mit Kundennamen, Kontoständen usw. nicht bemerkt, erscheine deshalb „auf den ersten Blick als nicht besonders glaubhaft“. Mit rechtsgenügender Sicherheit widerlegen lasse sich dies aber letztlich nicht. Es sei deshalb zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nicht das ganze Dokument studiert und demzufolge die unter das Bankgeheimnis fallenden Kundendaten nicht wahrgenommen habe (angefochtenes Urteil S. 9 f.). Auch erscheine plausibel, dass der Beschwerdegegner dem Dokument deswegen nicht „im letzten Detail“ seine Aufmerksamkeit geschenkt habe, weil B. bezüglich der Wahrung des Bankgeheimnisses sehr sorgfältig gewesen sei und „Heikles“ stets herausgestrichen bzw. abgedeckt habe. Es sei ihm wohl bewusst gewesen, dass die Beweisurkunde, welche er dem Arbeitsgericht habe einreichen wollen, möglicherweise (ursprünglich) Daten enthalten habe, die unter das Bankgeheimnis fallen würden. Er habe sich indessen darauf verlassen, dass sein Klient diese Informationen gegebenenfalls bereits unkenntlich gemacht habe. Weil er „unsorgfältigerweise“ nicht das ganze Dokument studiert habe, sei ihm entgangen, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Damit lasse sich jedoch höchstens der Vorwurf einer bewusst fahrlässigen Verletzung des Bankgeheimnisses begründen (angefochtenes Urteil S. 10 f.). (E.3.3).
Der Beschwerdegegner (Anwalt) führt in seiner Vernehmlassung vor Bundesgericht aus, er habe von Anfang an offengelegt, dass ihm im Zusammenhang mit dem fraglichen Dokument insofern ein Fehler unterlaufen sei, als er nicht den gesamten „US-Exit-Report“ studiert habe. Sein Klient habe ihm vormalig stets Unterlagen zur Verfügung gestellt, die entweder kein Bankkundengeheimnis enthalten hätten oder entsprechend geschwärzt worden seien. Nie habe er durch sein Handeln eine Verletzung des Bankgeheimnisses in Kauf genommen (Vernehmlassung S. 8 ff.). (E.3.4).
Zum Vorsatz bzw. Eventualvorsatz
Das Bundegericht führt anschliessend im Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023 zum Vorsatz bzw. Eventualvorsatz Folgendes aus: «Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter mit der Tatbestandsverwirklichung rechnet, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1 S. 447 f.; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4; 133 IV 222 E. 5.3 S. 225; je mit Hinweisen).» (E.3.5.1).
Zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
Zur nicht gerade einfachen Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit führt das Bundesgericht im Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023 aus: «Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter wissen um die Möglichkeit des Erfolgseintritts bzw. um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, „will“ ihn im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass er den Erfolg „billigt“. Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf genommen hat, muss der Richter – bei Fehlen eines Geständnisses des Beschuldigten – aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1 S. 448; 133 IV 9 E. 4.1 S. 16 f.; je mit Hinweisen).» (E.3.5.2).
Zur Kognition des Bundesgerichts
Zu seiner eigenen Kognition führt das Bundesgericht im Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023 Folgendes aus: «Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft eine innere Tatsache und ist damit Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür. Rechtsfrage ist hingegen, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen Fahrlässigkeit, Eventualvorsatz oder direkter Vorsatz gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweisen). Das Bundesgericht überprüft die richtige Bewertung der tatsächlichen Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes nach ständiger Praxis mit einer gewissen Zurückhaltung (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1 S. 449 mit Hinweisen).» (E.3.5.3)
Entscheid im vorliegenden Anwaltsfall
Der Vorinstanz kann bei der Bewertung der im Hinblick auf den Eventualvorsatz zu berücksichtigenden Umstände durch das Bundesgericht im vorliegenden Fall hingegen nicht gefolgt werden. (E.3.6)
Vorliegend steht fest, dass der Beschwerdegegner (Anwalt) das Dokument „US-Exit-Report“ vor dessen Einreichung als Beweismittel im Forderungsprozess nicht vollständig las. Damit wusste er nicht bzw. konnte er nicht wissen, welches der Inhalt der nicht gelesenen Seiten war. Erstellt ist ebenso, dass er sich bewusst für dieses Nichtwissen entschied (vgl. oben E. 3.2.2). Das Bundesgericht fährt fort: «Wer sich aber bewusst für Nichtwissen entscheidet, der kann sich nicht darauf berufen, er habe die Tatbestandsverwirklichung nicht im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB für möglich gehalten (BGE 135 IV 12 E. 2.3.1 S. 17; Urteil 6B_1355/2020 vom 14. Januar 2022 E. 5.4.3; je mit Hinweisen). Die teilweise „bewusst blinde“ Einreichung des Dokuments „US-Exit-Report“ bzw. die bewusste Unterlassung seiner vollständigen Prüfung vor dessen Einreichung als Beweismittel im Wissen darum, dass dieses möglicherweise (ursprünglich) Daten enthalten hatte, die unter das Bankkundengeheimnis fielen, deutet darauf hin, dass der Beschwerdegegner die Einreichung eines Dokuments mit dem Bankkundengeheimnis unterstehenden Inhalten zumindest „für möglich“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB hielt.» (E.3.6.1).
Dazu das Bundesgericht weiter: «Für die Willenskomponente des Vorsatzes gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass nicht unbesehen vom Wissen des Täters auf dessen Willen geschlossen werden darf (BGE 135 IV 12 E. 2.3.2 S. 17 mit Hinweisen). Regelmässig kann sich der Vorsatz bei ungeständigen Tätern nur auf äusserlich feststellbare Indizien stützen, die Rückschlüsse auf dessen innere Einstellung erlauben. Hierzu gehört unter anderem die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je schwerer diese wiegt, desto eher darf auf die Inkaufnahme der Tatbestandsverwirklichung geschlossen werden (vgl. oben E. 3.5.2).
Das Bundesgericht führte im Urteil 6B_247/2019 vom 22. Juni 2020 betreffend die dem Beschwerdegegner vorzuwerfende Sorgfaltspflichtverletzung aus, seine Unterlassung, das Dokument vor dessen Einreichung als Beweismittel im Forderungsprozess vollständig zu lesen, lasse sich nicht mit der konkret gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vereinbaren. Er wäre verpflichtet gewesen, sich zu vergewissern, dass auf den Folgeseiten des Dokuments nichts stehe, was seine Beweiskraft wieder schmälern würde. Auch die Art der zu widerlegenden Tatsachenbehauptung der ehemaligen Arbeitgeberin (keine Unterhaltung von problematischen Geschäftsbeziehungen mit US-Kunden zu einem gewissen Zeitpunkt) habe eine akkurate Prüfung aufgedrängt. Indem er das Dokument weitestgehend ungeprüft und unter Missachtung der zivilprozessualen Vorschriften, wonach der Entscheid über die Edition von dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten dem Gericht vorbehalten sei (Art. 160 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 163 Abs. 2 ZPO), eingereicht habe, habe er nicht „sorgfältig und gewissenhaft“ im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA gehandelt (Urteil 6B_247/2019 vom 22. Juni 2020 E. 2.2).
Es ist damit erstellt, dass der Beschwerdegegner seine anwaltliche Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung gemäss Art. 12 lit. a BGFA verletzt hat. Mit der Unterlassung, das Dokument „US-Exit-Report“ vor dessen Einreichung als Beweismittel im Forderungsprozess vollständig zu lesen, im Wissen darum, dass dieses möglicherweise (ursprünglich) Daten enthalten hatte, die unter das Bankkundengeheimnis fielen, hat er elementare anwaltliche Sorgfaltsregeln missachtet und Integritätsinteressen Dritter, nämlich der betroffenen Bankkunden, schwer verletzt. Da es sich beim fraglichen „US-Exit-Report“ um ein lediglich 6-seitiges und damit durchaus überschaubares Dokument handelt, wäre es mit geringem Aufwand verbunden gewesen, das Dokument vollständig auf geheimzuhaltende Inhalte zu überprüfen und damit die Verletzung der Sorgfaltspflicht zu vermeiden (vgl. Urteil 6B_978/2020 vom 16. November 2022 E. 3.3.3). Es ist vorliegend von einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung auszugehen, was als gewichtiges Indiz für die Inkaufnahme des Verletzungserfolges zu werten ist.» (E.3.6.2).
Das Bundesgericht fährt fort, auch mit Blick auf die anwaltliche Sorgfaltspflicht: «Insoweit die Vorinstanz die Willenskomponente des Vorsatzes mit dem Argument verneint, der Beschwerdegegner habe sich vor Einreichung des fraglichen Dokuments als Beweismittel im Forderungsprozess darauf verlassen dürfen, dass sein Klient die in der Beweisurkunde möglicherweise enthaltenen, dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen gegebenenfalls bereits unkenntlich gemacht habe (angefochtenes Urteil S. 11), kann ihr nicht gefolgt werden. Sie beruft sich damit – zumindest implizit – auf die Rechtsprechung, gemäss welcher nicht unbesehen vom Wissen des Täters auf dessen Willen geschlossen werden kann (vgl. oben E. 3.6.2) bzw. nebst der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung auch ein besonders grosses Risiko der Tatbestandsverwirklichung als Indiz für die Inkaufnahme des Verletzungserfolgs gewertet werden kann (vgl. oben E. 3.5.2).
Aus der anwaltlichen Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung (Art. 12 lit. a BGFA) ergibt sich jedoch, dass ein Anwalt Dokumente, welche er von seinem Mandanten erhält und in einem Zivilprozess als Beweismittel einzureichen gedenkt, vollständig prüft und sich vergewissert, dass dort einerseits nichts steht, was die Beweiskraft des Dokuments schmälert (vgl. Urteil 6B_247/2019 vom 22. Juni 2020 E. 2.2), und es andererseits keine Informationen enthält, die einer gesetzlichen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen. Der Beschwerdegegner wusste, dass die fragliche Beweisurkunde (ursprünglich) möglicherweise Daten enthielt, die unter das Bankkundengeheimnis fielen. Unterlässt ein Anwalt in einer solchen Konstellation die vollständige Überprüfung der Beweisurkunde vor ihrer Einreichung im Prozess, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es zu einer Verletzung des Bankkundengeheimnisses kommen wird. Vorliegend konnte der Beschwerdegegner nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass die Tatbestandsverwirklichung nicht mehr eintreten würde. Indiz für ein ernsthaftes Vertrauen wären etwa Vorkehrungen zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung. Derartige Vorkehrungen sind vorliegend keine ersichtlich. Der Beschwerdegegner hat nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) bei seinem Klienten nicht etwa nachgefragt, ob dieser im fraglichen Dokument tatsächlich alle Kundendaten bereits abgedeckt bzw. geschwärzt hatte. Indem der Beschwerdegegner sich auf seinen Klienten „blind“ vertraut und damit ein weitgehend ungeprüftes Dokument als Beweismittel im Forderungsprozess eingereicht hat, hat er nicht nur seine anwaltliche Sorgfaltspflichten gravierend verletzt (vgl. oben E. 3.6.2), sondern damit einhergehend ein besonders grosses Risiko der Verletzung des Bankkundengeheimnisses nach Art. 47 Abs. 1 lit. c BankG geschaffen. Die gleichgültige Hinnahme eines solchen Erfolgsrisikos übersteigt eine bewusste Fahrlässigkeit, bei der der Täter (pflichtwidrig unvorsichtig) darauf vertraut, der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg werde nicht eintreten.
Gestützt auf die dargelegten Umstände nimmt die Vorinstanz fälschlicherweise an, dass der Beschwerdegegner keine Verletzung des Bankkundengeheimnisses in Kauf nahm. Indem die Vorinstanz den Eventualvorsatz des Beschwerdegegners im Hinblick auf die Verletzung des Bankkundengeheimnisses verneinte, verletzte sie Bundesrecht.» (E.3.6.3).
Die Beschwerde wird im Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023 durch das Bundesgericht gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. Juni 2021 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Bemerkungen zum Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023
Das Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023 gehört zu den bisher wichtigsten strafrechtlichen Leitentscheiden des Jahres 2023. Es wurde in einer öffentlichen Beratung in Fünferbesetzung gefällt. Erstens ist das Urteil sehr wertvoll zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. Zweitens ist das Urteil auch ein standesrechtliches Urteil für jeden Anwalt: Letztlich spielt für das Bundestgericht die Pflicht des Anwalts zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung gemäss Art. 12 lit. a BGFA (immer) eine wichtige Rolle. Es ist auch durchaus nachvollziehbar, dass man Beilagen, welche man in einem Prozess einreicht auch von A bis Z gelesen und geprüft haben sollte. Der Berufungsbeklagte (Anwalt) hat ja mit entwaffnender Ehrlichkeit erklärt, dass er die Beilage nicht vollständig gelesen hatte.