Das geltende Recht sieht vor, dass das Gericht eine Gesamtstrafe aussprechen muss, wenn eine verurteilte Person während der Probezeit rückfällig wird und erneut eine Straftat begeht. Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei der ersten und bei der zweiten Strafe um die gleiche Art der Strafe handelt. Namentlich muss aus zwei Geldstrafen oder zwei Freiheitsstrafen je eine Gesamtstrafe gebildet werden.
Diese Regelung wird in der Praxis und in der Wissenschaft kritisiert, da sie Wiederholungstäterinnen und -täter ungleich behandelt. Wer schon während der Probezeit erneut strafffällig wird, erhält – bei gleicher Strafart – eine Gesamtstrafe, die zwingend geringer ausfällt als die Summe der Strafen, die für die verübten Taten einzeln ausgesprochen würde. Damit werden Täterinnen und Täter, die bereits während der Probezeit wieder straffällig werden, weniger streng bestraft, als solche, die erst nach Ablauf der Probezeit wieder eine Straftat begehen.
In seinem Postulatsbericht (20.3009) vom 6. Dezember 2024 zeigt der Bundesrat verschiedene Möglichkeiten auf, wie sich diese Ungleichbehandlung korrigieren liesse. Insbesondere könnte das StGB dahingehend geändert werden, dass das Gericht bei einem Rückfall während der Probezeit keine Gesamtstrafe mehr bilden dürfte. Stattdessen müsste es in jedem Fall eine separate Strafe für die neue Tat aussprechen.
Hier ist das Ergebnis des Postulatsberichts im Originalwortlaut:
«In Beantwortung der beiden Fragen des Postulates lässt sich festhalten:
Die geltende Regelung kann bei der Geldstrafe dazu führen, dass keine schuld angemessene Gesamtstrafe ausgesprochen werden kann. Denn das Gericht ist bei der Gesamtstrafenbildung an das gesetzliche Höchstmass der Strafart ge bunden (Art. 49 Abs. 1 dritter Satz StGB), welches bei der Geldstrafe 180 Tagessätze beträgt (Art. 34 Abs. 1 StGB). Bei der Freiheitsstrafe besteht diese Problematik nicht, weil hier die gesetzliche Höchstdauer 20 Jahre beträgt (Art. 40 Abs. 1 StGB).
Von den möglichen Varianten einer Änderung erscheint jene am besten, bei der im Falle der Nichtbewährung keine Gesamtstrafe ausgesprochen wird. Das würde insbesondere bedeuten, Artikel 46 Absatz 1 zweiter Satz und Artikel 62a Absatz 2 StGB zu streichen und bei Artikel 89 Absatz 6 StGB Anpassungen vor zunehmen. Ebenfalls zu streichen wäre Artikel 40 Absatz 1 zweiter Satz MStG.»