Pflicht zur umfassenden Härtefallprüfung bei der strafrechtlichen Landesverweisung

Im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025 aus dem Kanton Zürich, welches in Fünferbesetzung ergangen ist und zur Pflichtlektüre 2025 zur strafrechtlichen Landesverweisung gehört, befasste sich das Bundesgericht mit der strafrechtlichen Landesverweisung und der Pflicht des Berufungsgerichts, das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB umfassend zu prüfen sowie diversen anderen Themen bei der strafrechtlichen Landesverweisung, wie u.a. EMRK-Praxis und Noven vor Bundesgericht (E.5). Hier eine Schlüsselstelle des Urteils «Die Vorinstanz nimmt somit insgesamt keine rechtsgenügende Härtefallprüfung vor. Sie legt im angefochtenen Entscheid nicht hinreichend nachvollziehbar dar, weshalb vorliegend der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht betroffen und entsprechend nicht von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen ist. Die von ihr angeordnete Landesverweisung verstösst daher gegen Bundesrecht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte diese im neuen Verfahren zum Schluss gelangen, es liege im Lichte der gesamten, konkreten Umstände ein schwerer persönlicher Härtefall vor, wird sie zudem eine vertiefte, umfassende und ausreichend solid begründete Interessenabwägung vornehmen müssen […]. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass prima vista eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem jüngsten Urteil des EMGR P.J. und R.J. gegen Schweiz vom 17. September 2024 (Nr. 52232/20) zu bestehen scheint: Der Beschwerdeführer ist ein Ersttäter; es wird ihm ein noch leichtes Verschulden attestiert; die ausgefällte Strafe beträgt 24 Monate Freiheitsstrafe, wobei diese bedingt vollziehbar ausgesprochen wurde und der Entschluss zum lediglich einmal durchgeführten Betäubungsmitteltransport bloss ein spontaner war, was allenfalls bei der Frage der Rückfallgefahr einzubeziehen ist […].» (E.5.8). Weiter befasste sich das Bundesgericht mit der Frage des genügenden Tatvorhalts (E.2.3).

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich wirft A. vor, trotz seines Wissens um die massiv gesundheitsgefährdende Wirkung von Kokain und im Bewusstsein um die Umstände am 25. Januar 2019 den Kokaindealer B. von dessen Wohnort in U. in den Raum V. /W._ chauffiert zu haben, wo jener bei einem Lieferanten ein Kilogramm Kokain (Reinheitsgehalt 78.4 %, entsprechend 784 Gramm Kokainhydrochlorid) zum Preis von Fr. 50’000.– auf Kommission übernommen habe. Anschliessend habe er B. wieder an dessen Wohnort zurück gefahren (Anklagesachverhalt 1.a). A. habe ihn dort beim Portionieren des Kokains unterstützt und in der Folge davon ein halbes Kilogramm zwecks Weiterverkaufs übernommen (Anklagesachverhalt 1.b). Im Weiteren habe er zu einem nicht genauer bekannten Zeitpunkt im Auftrag von B. dem Lieferanten einen Teil des Kaufpreises für das Kilogramm Kokain überbracht (Anklagesachverhalt 1.c).

Instanzenzug

Das Bezirksgericht Bülach verurteilte A. am 17. Mai 2022 wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) nach Art. 19 Abs. 1 lit. b und d i.V.m. Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG zu einer Freiheitsstrafe von 38 Monaten. Es verwies ihn für die Dauer von sieben Jahren des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) an.

Auf Berufung von A. stellte das Obergericht des Kantons Zürich am 8. März 2023 fest, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach bezüglich der Kostenfestsetzung in Rechtskraft erwachsen ist. Es sprach A. von den Vorwürfen gemäss Anklagesachverhalten 1.b und 1.c frei. Hingegen erklärte es ihn im Anklagesachverhalt 1.a der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG i.S.v. Art. 19 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und bestätigte die Landesverweisung, deren Dauer sowie deren Ausschreibung im SIS.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen im Wesentlichen, die Dispositivziffern 1 und 3-8 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2023 seien aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG freizusprechen. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen. Für den entgangenen Lohn (Untersuchungshaft) sei er mit Fr. 1’773.35, zuzüglich Zins von 5 % ab 25. Mai 2021, sowie für die verfallene Ehevorbereitungsgebühr mit Fr. 150.–, zuzüglich Zins von 5 % ab 14. Mai 2021, zu entschädigen. Weiter sei ihm eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 15’200.–, zuzüglich Zins ab 2. April 2021, für die Untersuchungshaft von 76 Tagen zu entrichten. Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an dieses zurückzuweisen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025  

Es wird hier nicht auf alle Rügen eingegangen (vgl. E.1, E.2.4, E.3, E4.).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer weiter geltend, die Einvernahmen von B., sowohl die beigezogenen aus dessen eigenen Strafverfahren, als auch diejenige als Auskunftsperson in diesem Verfahren, seien nicht verwertbar (Beschwerde S. 5 ff. und S. 11 f.) (E.2)

Frage des genügenden Tatvorhalts (Art. 158 Abs. 1 StPO)

Alsdann rügt der Beschwerdeführer hinsichtlich der beigezogenen Einvernahmen von B. eine Verletzung des Willkürverbots und von Art. 158 i.V.m. Art. 143 StPO, Art. 141 sowie von Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO und Art. 29 Abs. 2 BV. Er beanstandet, B. sei zu Beginn seiner ersten Einvernahme als beschuldigte Person in dem gegen diesen geführten Verfahren kein konkreter und vollständiger Tatvorhalt gemacht worden. Aus dem bloss rudimentären Deliktsvorhalt gehe hervor, dass der ihm vorgehaltene Zeitraum Januar 2018 bis 8. Februar 2019 umfasse. Ausserdem fehle eine Ortsangabe. B. habe daher keinesfalls klar sein können, um welchen Vorfall es sich im vorgehaltenen Zeitraum handle (E.2.3.).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025 wie folgt:

«Nach Art. 158 Abs. 1 StPO weisen Polizei oder Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache darauf hin, dass gegen sie ein Vorverfahren eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden (lit. a; siehe auch Art. 143 Abs. 1 lit. b und c StPO). Neben der Sicherung der Verteidigungsrechte hat dieser Hinweis die Funktion, den Prozessgegenstand festzulegen. Massgeblich ist die Tathypothese, mit der die Strafverfolgungsbehörde gegenüber der beschuldigten Person arbeitet, auch wenn sie diese erst bruchstückhaft beweisen kann (Urteile 6B_862/2023 vom 22. Januar 2024 E. 3.1; 6B_359/2021 vom 20. Mai 2021 E. 1.3; 6B_1059/2019 vom 10. November 2020 E. 1.3; je mit Hinweis).  

Die beschuldigte Person muss in allgemeiner Weise und nach dem aktuellen Verfahrensstand darüber aufgeklärt werden, welches Delikt ihr zur Last gelegt wird. Dabei geht es nicht in erster Linie um den Vorhalt strafrechtlicher Begriffe oder Bestimmungen, sondern um denjenigen der konkreten äusseren Umstände der Straftat (BGE 141 IV 20 E. 1.3.3 mit Hinweisen). Vorzuhalten ist ein nach dem aktuellen Verfahrensstand möglichst präziser einzelner Lebenssachverhalt und der daran geknüpfte Deliktsvorwurf, nicht aber bereits die genaue rechtliche Würdigung. Der Vorhalt muss so konkret sein, dass die beschuldigte Person den gegen sie gerichteten Vorwurf erfassen und sich entsprechend verteidigen kann. In diesem frühen Verfahrensstadium kann nicht verlangt werden, dass die Verdachts- und Beweislage in allen Details bekannt gegeben wird. Die Information hat anlässlich der ersten Einvernahme aber doch in einer Weise zu erfolgen, die es der beschuldigten Person zumindest ermöglicht, die ihr zur Last gelegten Straftaten zu identifizieren und zu erkennen, aus welchem Grund der Verdacht auf sie gefallen ist. Eine gewisse Verallgemeinerung ist zulässig (vgl. Urteile 6B_1182/2020 vom 4. Januar 2022 E. 2.2; 6B_359/2021 vom 20. Mai 2021 E. 1.3; 6B_1059/2019 vom 10. November 2020 E. 1.3; je mit Hinweis).» (E.2.3.1).

«Da sich die Vorbringen des Beschwerdeführers ohnehin als unbegründet erweisen, kann offen bleiben, ob er überhaupt dazu legitimiert ist, im vorliegenden Verfahren geltend zu machen, der Deliktsvorhalt anlässlich der Einvernahme von B. als beschuldigte Person vom 9. Februar 2019 sei mangelhaft (vgl. etwa Urteile 6B_22/2022 vom 9. Dezember 2022 E. 2 mit Hinweis; 6B_321/2017 vom 8. März 2018 E. 1.2 f. zur Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK und Art. 130 f. StPO). Der Tatvorwurf, der sich aus dieser Einvernahme ergibt (act. 3, Beilage 9), vermag den Anforderungen nach Art. 158 Abs. 1 lit. a StPO zu genügen. Der Beschwerdeführer weist zwar zutreffend darauf hin, dass der „Deliktsort“ bzw. der Übernahmeort des Kokains darin nicht genannt wird (dies war erst in der Einvernahme von B. vom 30. Juli 2019 der Fall, act. 3, Beilage 5, S. 4 f., Fragen 27 ff.). Zudem ist der Tatvorhalt knapp gehalten. Er ist aber dennoch, insbesondere auch angesichts des Zeitpunkts der Einvernahme, die gleich am Tag nach der Verhaftung von B. stattfand, hinreichend. Nachdem jenem zu Beginn der Einvernahme vorgehalten wurde, gegen ihn sei ein Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen das BetmG (schwerer Fall) eingeleitet worden (act. 3, Beilage 9, S. 1), wurde dieser Vorhalt im Verlauf der Befragung präzisiert. So wurde B. eröffnet, dass im Anschluss an seine Verhaftung anlässlich der an seinem Wohnort vorgenommenen Hausdurchsuchung drei Blöcke (mit einem Gewicht von rund 1032 Gramm, 238 Gramm und 509 Gramm) sichergestellt worden seien (act. 3, Beilage 9, S. 4, Fragen 32 und 39), dass er gemäss Erkenntnissen diverser Überwachungsmassnahmen der Empfänger der Lieferung vom Vortag sei und dass es sich bei den sichergestellten Blöcken wohl um Kokain sowie Ketamin handle (act. 3, Beilage 9, S. 5, Fragen 41 f. und 49). Folglich wusste B., gegen welchen Vorwurf er sich zu verteidigen hatte. Dass der vorgehaltene Zeitraum bereits im Januar 2018 beginnt und B. auch weitere, nicht den Beschwerdeführer betreffende Lebenssachverhalte vorgehalten wurden (act. 3, Beilage 9, S. 6 f., Fragen 60 ff.), vermag daran nichts zu ändern. Die Vorinstanz geht deshalb zu Recht davon aus, dass im vorliegenden Verfahren die Einvernahme von B. vom 9. Februar 2019 als beschuldigte Person in dem gegen diesen geführten Verfahren verwertbar ist. Die Frage einer diesbezüglichen Fernwirkung auf die späteren Einvernahmen von B. stellt sich deshalb nicht.» (E.2.3.2).

Zur strafrechtlichen Landesverweisung

Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht im Weiteren gegen die Anordnung der Landesverweisung und stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz verneine zu Unrecht das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB. Sie hätte zwingend eine Verhältnismässigkeitsprüfung vornehmen müssen. Auch in diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und macht zusammengefasst geltend, die Vorinstanz trage seiner besonderen Situation, als hier in der Schweiz geborenen sowie aufgewachsenen Ausländer nicht Rechnung. Ausserdem missachte sie den Schutzbereich von Art. 8 EMRK und Art. 13 BV, weil sie nicht bereits aufgrund des Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens einen schweren Härtefall annehme (E.5.1).

Das Bundesgericht fasst die Sichtweise der Vorinstanz im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025 wie folgt zusammen:

«Die Vorinstanz verneint das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalles i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB. Der im Jahr 1993 in X. geborene Beschwerdeführer sei Ausländer zweiter Generation und verfüge über eine Niederlassungsbewilligung C. Die türkische Staatsangehörigkeit besitze er, weil die Eltern türkische Staatsbürger seien. Als Kind habe er für ca. vier Jahre mit seinen Eltern in der Türkei gewohnt, ansonsten habe er immer in der Schweiz gelebt. Es sei zweifelsohne von einer langen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in der Schweiz auszugehen (Urteil S. 18 f. E. V.3.1).  

Beim Beschwerdeführer sei von einer familiären Verflechtung sowohl in der Schweiz als auch in der Türkei auszugehen. Sein Bruder und seine Schwestern lebten hier. In der Türkei würden seine Eltern sowie Onkel und Tanten von ihm wohnen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers habe er die Eltern zuletzt im Jahr 2021 in der Türkei besucht, wo sein Vater ein Haus besitze. Der Beschwerdeführer sei mit einer Schweizerin verheiratet, die er in der Türkei kennengelernt habe und nach seinen Angaben auch Türkisch spreche. Mit den Eltern rede er Türkisch, mit seinen Geschwistern und seiner Ehefrau Deutsch (Urteil S. 19 E. V.3.2). Weiter hält die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe hier die Schulen und verschiedene nicht abgeschlossene Ausbildungen besucht. Bevor er im Jahr 2020 eine Lehre im Detailhandel angefangen habe, habe er ein Praktikum als Schreiner absolviert und temporär als Lüftungsbauer sowie als Hauswart gearbeitet. Nach einem Arbeitsunfall sei er zeitweise bei der regionalen Arbeitsvermittlung angemeldet gewesen. Insgesamt sei der Beschwerdeführer keineswegs gut in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert, da er im Alter von 29 Jahren noch keine Ausbildung abgeschlossen habe und finanziell von seiner Familie bzw. seiner Ehefrau abhängig sei (Urteil S. 19 E. V.3.3). Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien liege beim Beschwerdeführer kein schwerer persönlicher Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB vor. Bei seinen Lebensumständen erscheine es ohne Weiteres zumutbar, dass er mit seiner Familie in der Türkei weiterlebe. Der Beschwerdeführer spreche Türkisch, treffe auf ein familiäres Beziehungsnetz in der Türkei und die dortigen Gepflogenheiten seien ihm bestens bekannt. Seine Resozialisierungschancen in der Türkei seien damit als gut einzustufen. Auch seine Ehefrau habe offenbar einen Bezug zur Türkei und spreche bereits jetzt Türkisch. Der berufliche Wiedereinstieg in der Türkei werde für den Beschwerdeführer zweifelsohne zu bewältigen sein, zumal er diesem verschiedene Referenzen zugrunde legen könne. Zu erwähnen bleibe, dass ein möglicher Militärdienst in der Türkei einer Landesverweisung grundsätzlich nicht entgegenstehe. Die türkische Armee sei eine Nato-Armee und verfüge über entsprechende Standards (Urteil S. 19 f. E. V.3.4).» (E.5.2).

Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025 wie folgt generell-abstrakt zur strafrechtlichen Landesverweisung:

«Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB sieht für Ausländer, die wegen Widerhandlung gegen das BetmG i.S.v. Art. 19 Abs. 2 BetmG verurteilt wurden, unabhängig von der Höhe der Strafe die obligatorische Landesverweisung für 5-15 Jahre aus der Schweiz vor. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und wurde der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG (Art. 19 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 lit. a BetmG) schuldig gesprochen. Damit sind die Voraussetzungen für eine Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB grundsätzlich erfüllt.» (E.5.3).

«Nach Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer kumulativ (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 149 IV 231 E. 2.1.1; 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 und 3.3.1). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den „schwerwiegenden persönlichen Härtefall“ in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2 mit Hinweisen; 144 IV 332 E. 3.3.2). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, zu der die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Respektierung der Werte der Bundesverfassung, die Sprachkompetenzen, die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung zählen (Art. 58a Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [AIG; SR 142.20]), die familiären Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand und die Resozialisierungschancen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.1; 6B_999/2023 vom 9. September 2024 E. 2.2.1; je mit Hinweisen).» (E.5.4.1).

«Von einem schweren persönlichen Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB ist bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (BGE 149 IV 231 E. 2.1.1; Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.2; 6B_999/2023 vom 9. September 2024 E. 2.2.1; je mit Hinweisen). Das durch Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1; je mit Hinweisen). Sind Kinder involviert, ist bei der Interessenabwägung als wesentliches Element zudem den Kindesinteressen und dem Kindeswohl Rechnung zu tragen (BGE 143 I 21 E. 5.5.1; Urteile 6B_49/2022 vom 28. August 2024 E. 3.2.8; 6B_796/2023 vom 20. Juni 2024 E. 4.3.5; je mit Hinweisen). In Bezug auf die Kinder des von der Landesverweisung betroffenen Elternteils berücksichtigt die Rechtsprechung insbesondere, ob die Eltern des Kindes zusammenleben und ein gemeinsames Sorge- und Obhutsrecht haben oder, ob der von der Landesverweisung betroffene Elternteil das alleinige Sorge- und Obhutsrecht hat bzw. ob er gar nicht sorge- und obhutsberechtigt ist und seine Kontakte zum Kind daher nur im Rahmen eines Besuchsrechts pflegt (Urteile 6B_49/2022 vom 28. August 2024 E. 3.2.8; 6B_796/2023 vom 20. Juni 2024 E. 4.3.5; je mit Hinweisen). Minderjährige Kinder teilen das ausländerrechtliche Schicksal des obhutsberechtigten Elternteils (BGE 143 I 21 E. 5.4; Urteile 6B_49/2022 vom 28. August 2024 E. 3.2.8; 6B_303/2024 vom 12. Juni 2024 E. 2.1.4; je mit Hinweis). Die Landesverweisung des Elternteils, welcher die elterliche Sorge und alleinige Obhut über das Kind hat, führt daher dazu, dass das Kind faktisch gezwungen ist, die Schweiz zu verlassen (BGE 143 I 21 E. 5.4; 140 I 145 E. 3.3). Sind Kinder von der Landesverweisung mitbetroffen, sind insbesondere auch die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, auf welche diese im Zielland treffen könnten (Urteil des EGMR Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006, Nr. 46410/99, § 58), wobei Kindern im anpassungsfähigen Alter der Umzug in das Heimatland nach der Rechtsprechung grundsätzlich zumutbar ist (BGE 143 I 21 E. 5.4; Urteile 6B_49/2022 vom 28. August 2024 E. 3.2.8; 6B_25/2023 vom 20. September 2023 E. 3.2.6; vgl. auch Urteil des EGMR Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006, Nr. 46410/99, § 64). Bei intakten familiären Verhältnissen mit gemeinsamem Sorge- und Obhutsrecht der Eltern führt die Landesverweisung zum Abbruch der eng gelebten Beziehung des Kindes zu einem Elternteil, wenn den übrigen Familienmitgliedern und insbesondere dem anderen, ebenfalls sorge- und obhutsberechtigten Elternteil ein Wegzug in das Heimatland des anderen Elternteils nicht zumutbar ist. Dies ist nicht im Interesse des Kindeswohls und spricht daher grundsätzlich gegen eine Landesverweisung. Eine Landesverweisung, die zu einer Trennung der vormals intakten Familiengemeinschaft von Eltern und Kindern führt, bildet einen Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens, welcher im Interesse des Kindes nur nach einer eingehenden und umfassenden Interessenabwägung und nur aus ausreichend soliden und gewichtigen Überlegungen („sufficiently sound and weighty considerations“) erfolgen darf (vgl. Urteil des EGMR Olsson gegen Schweden [Nr. 1] vom 24. März 1988 [Nr. 10465/83], Serie A Bd. 130 § 72; zum Ganzen und mit Beispielen aus der Rechtsprechung des EGMR: Urteile 6B_1453/2022 vom 8. Juni 2023 E. 1.3.5; 6B_552/2021 vom 9. November 2022 E. 2.4.2 und E. 2.7.1).  

Der Umstand, dass ein straffällig gewordener Ausländer in der Schweiz mit seinem Ehepartner und gemeinsamen Kindern in einer intakten familiären Beziehung lebt, bildet kein absolutes Hindernis für eine Landesverweisung (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.3 S. 148 f.). Auch im Falle einer gelebten Ehe kann sich der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens als „notwendig“ im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK erweisen (Urteile 6B_1104/2023 vom 19. März 2024 E. 1.4.5; 6B_542/2023 vom 15. Februar 2024 E. 1.3.6; je mit Hinweisen). Dabei sind nach der Rechtsprechung des EGMR nebst den zuvor erwähnten Kriterien (vgl. E. 5.4.1 vorstehend) auch die Staatsangehörigkeit der betroffenen Familienmitglieder, die familiäre Situation der von der Massnahme Betroffenen, wie etwa die Dauer der Ehe oder andere Faktoren, die für ein effektives Familienleben sprechen, eine allfällige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat zu Beginn der familiären Bindung, ob Kinder aus der Ehe hervorgingen und falls ja, deren Alter, sowie die Schwierigkeiten, mit welchen der Ehegatte im Heimatland des anderen konfrontiert sein könnte, zu berücksichtigen (vgl. Urteile 6B_1164/2023 vom 7. Oktober 2024 E. 7.2.2; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.5.3; je mit Hinweisen).»  (E.5.4.2).

«Nach der Rechtsprechung kann sich der Ausländer auf das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, sofern er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen. Bei der Härtefallprüfung ist nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer von einer Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Es ist vielmehr anhand der gängigen Integrationskriterien eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen oder aufgewachsenen Ausländern wird dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration – beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz – in aller Regel als starke Indizien für ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib in der Schweiz und damit für das Vorliegen eines Härtefalls zu werten sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4; Urteile 6B_1164/2023 vom 7. Oktober 2024 E. 7.2.3; 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).» (E.5.4.3).

«Wird ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der „öffentlichen Interessen an der Landesverweisung“. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.3; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.5.1; je mit Hinweisen). Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161 E. 3.4; Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.3; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.5.1; je mit Hinweisen).» (E.5.4.4).

«Berührt die Landesverweisung Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu rechtfertigen (BGE 146 IV 105 E. 4.2 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR in Sachen I.M. gegen Schweiz vom 9. April 2019, Nr. 23887/16, § 68). Erforderlich ist zunächst, dass die aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck i.S.v. Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist (BGE 146 IV 105 E. 4.2; 143 I 21 E. 5.1). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen (Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021, Nr. 77220/16, § 34; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020, Nr. 59006/18, § 49; je mit Hinweisen; Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.4; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.5.2; je mit Hinweisen). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 II 35 E. 6.1; Urteile 6B_285/2024 vom 10. September 2024 E. 1.3.4; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.5.2; je mit Hinweisen).» (E.5.4.5).

«Der EGMR verlangt, dass die nationalen Gerichte den Sachverhalt sorgfältig prüfen, eine ausreichende Interessenabwägung vornehmen und ihren Entscheid eingehend begründen (vgl. Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021 [Nr. 77220/16], § 37 und § 39; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020 [Nr. 59006/18], §§ 52 f.; je mit Hinweisen). Das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK gilt – in seiner verfahrensrechtlichen Tragweite – als verletzt, wenn keine umfassende, faire Interessenabwägung erfolgt (Urteile des EGMR I.M. gegen Schweiz vom 9. April 2019, [Nr. 23887/16], §§ 77 ff.; El Ghatet gegen Schweiz vom 8. November 2016 [Nr. 56971/10], §§ 52 ff.; Urteile 6B_43/2024 vom 5. August 2024 E. 3.5; 6B_449/2023 vom 21. Februar 2024 E. 1.3.6; je mit Hinweisen).» (E.5.4.6).

«Nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG müssen beim Bundesgericht anfechtbare Entscheide die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten. Der vorinstanzliche Entscheid hat eindeutig aufzuzeigen, auf welchem festgestellten Sachverhalt und auf welchen rechtlichen Überlegungen er beruht (BGE 146 IV 231 E. 2.6.1 mit Hinweis). Die Begründung ist insbesondere mangelhaft, wenn der angefochtene Entscheid jene tatsächlichen Feststellungen nicht trifft, die zur Überprüfung des eidgenössischen Rechts notwendig sind (BGE 135 II 145 E. 8.2; Urteil 6B_73/2023 vom 28. Dezember 2023 E. 1.3.3; je mit Hinweisen). Genügt ein Entscheid den genannten Anforderungen nicht, kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; Urteil 6B_1293/2023 vom 11. März 2024 E. 1.3.4; je mit Hinweis).» (E.5.4.7).

«Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Echte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel, die sich erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid ereigneten oder erst danach entstanden, sind vor Bundesgericht unzulässig (BGE 148 V 174 E. 2.2; 143 V 19 E. 1.2; je mit Hinweisen). Das in Art. 99 Abs. 1 BGG verankerte Novenverbot gilt auch bei Beschwerden gegen eine Landesverweisung für neue Tatsachen wie beispielsweise die bevorstehende Geburt eines Kindes (vgl. Urteil 6B_873/2022 vom 1. September 2023 E. 1.3.4 mit Hinweisen). Da die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eingereichten Unterlagen alle nach dem angefochtenen Entscheid der Vorinstanz vom 8. März 2023 datieren, sind sie als echte Noven für das Bundesgericht grundsätzlich unbeachtlich. Die Vorinstanz hatte im Zeitpunkt ihres Entscheids über die Anordnung der Landesverweisung keine Kenntnisse von der bevorstehenden Vaterschaft des Beschwerdeführers, seinem Lehrabschluss oder seiner künftigen Festanstellung.» (E.5.6.1).

«Allerdings kann der Vollzug der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a StGB gemäss Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB aufgeschoben werden, wenn andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts als die in Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB erwähnten dem Vollzug der Landesverweisung entgegenstehen. Darunter fällt nach der Rechtsprechung auch der in Art. 8 EMRK verankerte Anspruch auf Achtung des Familienlebens. Ein sich daraus ergebendes neues Vollzugshindernis kann daher noch im Rahmen von Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB berücksichtigt werden (vgl. BGE 147 IV 453 E. 1.4.5; Urteile 6B_873/2022 vom 1. September 2023 E. 1.3.4; 6B_1224/2022 vom 26. Januar 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen). Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB ermöglicht es, in der Zeit nach dem Entscheid über die Landesverweisung eingetretenen Änderungen der Verhältnisse etwa in Bezug auf den Gesundheitszustand oder die Familie, die im Entscheid über die Landesverweisung noch nicht berücksichtigt werden konnten, im Zeitpunkt des Vollzugs geltend zu machen (vgl. BGE 147 IV 453 E. 1.4.7; 145 IV 455 E. 9.4). Das Sachgericht berücksichtigt allfällige Vollzugshindernisse, soweit die unter Verhältnismässigkeitsaspekten erheblichen Verhältnisse stabil und die rechtliche Durchführbarkeit der Landesverweisung definitiv bestimmbar sind (Urteile 6B_479/2024 vom 11. September 2024 E. 2.2.4; 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.7.4; je mit Hinweisen). Liegt ein definitives Vollzugshindernis vor, so hat der Sachrichter auf die Anordnung der Landesverweisung zu verzichten (BGE 149 IV 231 E. 2.1.2; 147 IV 453 E. 1.4.5; 145 IV 455 E. 9.4; je mit Hinweisen). Im Übrigen sind die Vollzugsbehörden zur Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse, die zum Zeitpunkt des Sachurteils noch nicht feststehen, zuständig (Urteile 6B_548/2023 vom 30. August 2024 E. 2.7.4; 6B_988/2023 vom 5. Juli 2024 E. 1.8.1; 6B_542/2023 vom 15. Februar 2024 E. 1.3.7.3; je mit Hinweisen).» (E.5.6.2).

Fallbezogen äussert sich das Bundesgericht im Urteil 6B_926/2023 vom 13. Januar 2025 u.a. wie folgt:

«[…]. Wie es sich mit der geltend gemachten, zwischenzeitlichen Verbesserung der beruflichen Integration des Beschwerdeführers verhält, kann hier offen bleiben. Gemäss der nachstehenden Erwägung ist die Angelegenheit ohnehin an die Vorinstanz zur sorgfältigen Würdigung aller gängigen Integrationskriterien […] und speziell zur Prüfung der Frage der Zumutbarkeit eines Umzugs der Ehefrau in die Türkei, vor allem auch mit Einbezug ihrer beruflichen Situation, zurückzuweisen.» (E.5.6.3).

«Die Beschwerde erweist sich nämlich insofern als begründet, soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz prüfe das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB nur ungenügend. Namentlich lässt sich anhand der Erwägungen der Vorinstanz nicht abschliessend beantworten, ob vorliegend der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK betroffen und entsprechend von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen ist.  Die Vorinstanz setzt sich im Hinblick auf die persönliche und soziale Integration des Beschwerdeführers mit dessen Anwesenheitsdauer in der Schweiz sowie seinen Familienverhältnissen auseinander. Weiter bezieht sie seine berufliche Integration, seine finanziellen Verhältnisse und Wiedereingliederungsmöglichkeiten in seinem Heimatland ein. Zu Recht trägt sie bei der Härtefallprüfung dabei auch dem Umstand Rechnung, dass der Beschwerdeführer die für die persönliche Prägung entscheidenden Kinder- und Jugendjahre in der Schweiz verbracht hat. Er ist in der Schweiz aufgewachsen und bei ihm ist zweifelsohne von einer langen Aufenthaltsdauer auszugehen. Eine lange Aufenthaltsdauer alleine führt jedoch – entgegen der Meinung des Beschwerdeführers – nicht automatisch zur Annahme eines schweren persönlichen Härtefalls. Die Härtefallprüfung ist vielmehr anhand der gängigen Integrationskriterien vorzunehmen (E. 5.4.3). 

Mangelhaft ist der angefochtene Entscheid insofern, als die Vorinstanz einen schweren persönlichen Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB bzw. Art. 8 EMRK mit Bezug auf das Verhältnis zur Ehefrau des Beschwerdeführers verneint. Sie hält in diesem Zusammenhang lediglich fest, bei den Lebensumständen des Beschwerdeführers erscheine es ohne Weiteres zumutbar, dass er mit seiner Familie in der Türkei weiterlebe. Der Beschwerdeführer spreche Türkisch, treffe auf ein familiäres Beziehungsnetz im Heimatland und die dortigen Gepflogenheiten seien ihm bestens bekannt. Seine Resozialisierungschancen in der Türkei seien damit als gut einzustufen. Auch seine Ehefrau habe offenbar einen Bezug zur Türkei und spreche bereits jetzt Türkisch (Urteil S. 19 E. 3.4). Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bezüglich ihren Erwägungen zur Strafzumessung heiratete der Beschwerdeführer seine Ehefrau, eine Schweizer Bürgerin, im Mai 2022 (Urteil S. 17 E. 5; erstinstanzliches Urteil S. 21 E. 5.1). Obwohl die Vorinstanz bei ihren Ausführungen zur Landesverweisung noch festgestellt hatte, der Beschwerdeführer sei in wirtschaftlicher Hinsicht nicht nur von seiner Familie, sondern auch von seiner Ehefrau abhängig (Urteil S. 19 E. 3.3), äussert sie sich nachfolgend aber nicht zu deren beruflichen Situation. Bereits im Rahmen des Berufungsverfahrens wies der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass eine Landesverweisung für seine Ehefrau ebenfalls schwerwiegende Konsequenzen habe, weil sie in der Türkei keine Anknüpfungspunkte habe und weil sie ihr Unternehmen in der Schweiz aufgeben müsste (Urteil S. 18 E. 2). Mangels entsprechender Feststellungen und Überlegungen kann dem angefochtenen Entscheid daher nicht rechtsgenügend entnommen werden, weshalb es der Ehefrau des Beschwerdeführers, einer angeblich selbständig erwerbstätigen Schweizerin, zumutbar sein soll, ihrem Ehemann in die Türkei zu folgen. Alleine aufgrund der Tatsache, dass sie dieses Land schon bereist hat und etwas Türkisch spricht, muss nicht darauf geschlossen werden, dass ihr ein Leben im Heimatland des Beschwerdeführers zugemutet werden kann.» (E.5.7),

«Die Vorinstanz nimmt somit insgesamt keine rechtsgenügende Härtefallprüfung vor. Sie legt im angefochtenen Entscheid nicht hinreichend nachvollziehbar dar, weshalb vorliegend der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht betroffen und entsprechend nicht von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen ist. Die von ihr angeordnete Landesverweisung verstösst daher gegen Bundesrecht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte diese im neuen Verfahren zum Schluss gelangen, es liege im Lichte der gesamten, konkreten Umstände ein schwerer persönlicher Härtefall vor, wird sie zudem eine vertiefte, umfassende und ausreichend solid begründete Interessenabwägung vornehmen müssen (E. 5.4.6). Vorab ist darauf hinzuweisen, dass prima vista eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem jüngsten Urteil des EMGR P.J. und R.J. gegen Schweiz vom 17. September 2024 (Nr. 52232/20) zu bestehen scheint: Der Beschwerdeführer ist ein Ersttäter; es wird ihm ein noch leichtes Verschulden attestiert; die ausgefällte Strafe beträgt 24 Monate Freiheitsstrafe, wobei diese bedingt vollziehbar ausgesprochen wurde und der Entschluss zum lediglich einmal durchgeführten Betäubungsmitteltransport bloss ein spontaner war, was allenfalls bei der Frage der Rückfallgefahr einzubeziehen ist (Urteil S. 17 f. E. 2 ff.).» (E.5.8).

Die Beschwerde wird vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2023 wird aufgehoben und die Sache wird zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde durch das Bundesgericht abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

 

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