Notwendige Verteidigung

Eine Beschuldigte Person ist gemäss Art. 129 Abs. 1 StPO grundsätzlich berechtigt, sich selber im Strafverfahren zu verteidigen, und zwar über alle Instanzen. Ratsam dürfte dies aber kaum sein. Eine Ausnahme bilden Fällen von notwendiger Verteidigung gemäss Art. 130 StPO, wo ein Beschuldigter zwingend eine Strafverteidigung bedarf. Wir schauen uns hier das Thema der notwendigen Verteidigung genauer an.

Art. 130 StPO behandelt die Fälle der notwendigen Verteidigung, d.h. Fälle, wo eine Person zwingend einen Verteidiger benötigt.

Die Bestimmung von Art. 130 StPO lautet wie folgt:

Die beschuldigte Person muss verteidigt werden, wenn:

  1. die Untersuchungshaft einschliesslich einer vorläufigen Festnahme mehr als 10 Tage gedauert hat;
  2. ihr eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung droht;
  3. sie wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustandes oder aus anderen Gründen ihre Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann und die gesetzliche Vertretung dazu nicht in der Lage ist;
  4. die Staatsanwaltschaft vor dem erstinstanzlichen Gericht oder dem Berufungsgericht persönlich auftritt;
  5. ein abgekürztes Verfahren (Art. 358–362) durchgeführt wird.

In der strafrechtlichen Praxis stehen die Fälle von Art. 130 Abs. lit. b StPO im Vordergrund, namentlich der Verdacht von Delikten mit möglichen Freiheitsstrafen von über ein Jahr sowie Katalogdelikte der Landesverweisung von Art. 66a StGB

Zentral ist weiter die Bestimmung von Art. 131 StPO, die wie folgt lautet:

Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, so achtet die Verfahrensleitung darauf, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird.

Sind die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung bei Einleitung des Vorverfahrens erfüllt, so ist die Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung, sicherzustellen.

Wurden in Fällen, in denen die Verteidigung erkennbar notwendig gewesen wäre, Beweise erhoben, bevor eine Verteidigerin oder ein Verteidiger bestellt worden ist, so ist die Beweiserhebung nur gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet.

Besonders wichtig ist hier die Bestimmung von Art 131 Abs. 1 StPO, dass «unverzüglich» eine Verteidigung bestellt werden muss. Das bedeutet nämlich, sobald jemand die Stellung eines Beschuldigten im Strafverfahren hat und eines der Kriterien von Art. 130 StPO erfüllt ist.

In der strafrechtlichen Praxis des Kantons Zürich werden, wenn Fälle der notwendigen Verteidigung vorhanden sind, bereits bei der ersten polizeilichen Einvernahme Anwälte zur Verfügung gestellt. Wegen der drohenden Unverwertbarkeit von Aussagen mit allfälligen Risiken von Fernwirkungen von Beweisverwertungsverboten haben die Strafbehörden auch ein eigenes, objektives Interesse an einer frühzeitigen notwendigen Verteidigung. Es gibt aber durchaus Fälle, und die sind nicht absolut selten, in denen unterlassen wird, die notwendige Verteidigung zu bestellen. Ein guter Angriffspunkt für Strafverteidiger, die später beigezogen werden.

Die notwendige Verteidigung kann sowohl eine Wahlverteidigung sein, d.h. eine Strafverteidigerin bzw. ein Strafverteidiger, die vom Beschuldigten selber bestimmt (und bezahlt) werden oder eine amtliche Verteidigung, welche vom Kanton ernannt (und bezahlt) wird (Art. 132 StPO ff.).

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