Nicht obligatorische Landesverweisung i.S.v. Art. 66abis StGB für wiederholte Delinquenten mit leichteren Straftaten

Im Urteil 6B_419/2024 vom 10. Februar 2025 aus dem Kanton Zürich schützte das Bundesgericht die Aussprache einer Nicht obligatorischen Landesverweisung i.S.v. Art. 66abis StGB. Das Bundesgericht äusserte sich u.a. wie folgt: «Gemäss Art. 66abis StGB kann das Gericht einen Ausländer für 3-15 Jahre des Landes verweisen, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nicht von Artikel 66a StGB erfasst wird, zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61 oder 64 StGB angeordnet wird. Wie jeder staatliche Entscheid hat die nicht obligatorische Landesverweisung unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 2 und 3 BV) zu erfolgen. Das Gericht hat die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegen die privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz abzuwägen. Die erforderliche Interessenabwägung entspricht den Anforderungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK an einen Eingriff in das Privat- und Familienleben […].» (E.5.3.1). «Art. 66abis StGB setzt keine Mindeststrafhöhe voraus […]. Demnach ist die nicht obligatorische Landesverweisung einer aufenthaltsberechtigten Person bei einer Verurteilung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe nicht grundsätzlich als unverhältnismässig zu betrachten, sondern anhand einer Verhältnismässigkeitsprüfung zu beurteilen […]. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die nicht obligatorische Landesverweisung gerade in Fällen zur Anwendung gelangen, bei denen es um Gesetzesverstösse von geringerer Schwere, aber dafür um wiederholte Delinquenz geht […].» (E.5.3.2).

Sachverhalt

Der A.A. ist am xx. xx. 1959 in Accra in Ghana geboren. Er ist in Ghana aufgewachsen, hat dort die obligatorische Schule besucht und sich zum Automechaniker ausgebildet. Im Alter von 29 Jahren ist er in die Schweiz eingereist, hat geheiratet und wurde Vater einer heute 18 Jahre alten Tochter und von zwei, heute 12 und 14 Jahre alten Söhnen. Er ist geschieden, lebt grundsätzlich alleine, pflegt aber regelmässigen Kontakt zu seinen Kindern, von denen die beiden jüngeren ihn regelmässig besuchen. Seine Eltern und Geschwister sind verstorben. In der Schweiz arbeitete er regelmässig und in unterschiedlichen Berufen, fand aber nach einem Gefängnisaufenthalt im Jahr 2019 nicht mehr ins Berufsleben zurück. Mit Verfügung des Migrationsamtes vom 29. Mai 2017 wurde ihm die Niederlassungsbewilligung entzogen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden mit Urteil des Bundesgerichts vom 14. Dezember 2018 abgewiesen (2C_881/2018). Mit Verfügung des Migrationsamtes des Kantons Zürich vom 6. August 2019 wurde A.A. aufgefordert, die Schweiz unverzüglich zu verlassen. Ein mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit gestelltes Wiedererwägungsgesuch wurde mit Verfügung des Migrationsamtes vom 3. März 2020 bzw. 4. Mai 2022 abgewiesen; per 12. Juli 2022 ebenso ein dagegen bei der Sicherheitsdirektion erhobener Rekurs. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 30. März 2023 ab. Eine von A.A. gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 8. Mai 2024 ab, soweit es darauf eintrat (2C_291/2023).

A.A. lebt von einer Altersrente von gesamthaft ca. Fr. 3’500.– pro Monat sowie einem als Hauswart erzielten Nebeneinkommen in Höhe von Fr. 300.–. Er hat Schulden in unbekannter Höhe und ist insbesondere wegen eines chronischen Nierenleidens gesundheitlich angeschlagen. Seit dem Jahr 2022 besucht er eine Suchttherapie und hat sein Leben nach eigener Einschätzung stabilisiert (vgl. angefochtenes Urteil S. 13 f.).

Der A.A. ist vorbestraft: Mit Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Oktober 2015 wurde er wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 23. November 2016 wurde er wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 BetmG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Zuletzt wurde A.A. mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 28. März 2018 aufgrund einer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, einer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG sowie der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes gemäss Art. 19a BetmG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten und zu einer Busse von Fr. 100.– verurteilt (vgl. angefochtenes Urteil S. 14).

Instanzenzug

Am 7. Dezember 2022 sprach das Bezirksgericht Winterthur A.A. der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG, des rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG, teilweise in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG schuldig. Vom Vorwurf der unerlaubten Verbreitung von Arzneimitteln im Sinne des Heilmittelgesetzes (Art. 86 Abs. 1 lit. a HMG) sprach es ihn frei. Es widerrief die mit Entscheid des Amts für Justizvollzug des Kantons Zürich vom 25. Juli 2019 gewährte bedingte Entlassung für eine Freiheitsstrafe von 66 Monaten und erklärte die Reststrafe von 670 Tagen für vollziehbar. Unter Einbezug dieser Reststrafe verurteile es A.A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 30 Monaten sowie einer Busse von Fr. 1’000.–. Auf die Anordnung einer fakultativen Landesverweisung verzichtete es; ebenso auf die Festsetzung einer Ersatzforderung. Schliesslich entschied das Bezirksgericht Winterthur über die Verwendung beschlagnahmter resp. sichergestellter Gegenstände, Spuren und Spurenträger und auferlegte A.A. die Verfahrenskosten.

Auf Berufung von A.A. sowie der Staatsanwaltschaft stellte das Obergericht des Kantons Zürich am 25. März 2024 die teilweise Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils fest und sprach A.A. zusätzlich der unerlaubten Verbreitung von Arzneimitteln im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. a HMG schuldig. Auch das Obergericht widerrief die vom Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich am 25. Juli 2019 gewährte bedingte Entlassung und erklärte die Restfreiheitsstrafe von 670 Tagen als vollziehbar. Unter Einbezug der Restfreiheitsstrafe verurteilte es A.A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 28 Monaten und 10 Tagen sowie einer Busse von Fr. 1’000.–. Weiter ordnete das Obergericht eine fakultative Landesverweisung (Art. 66abis StGB) für die Dauer von 5 Jahren mit Ausschreibung im Schengener Informationssystem an. Es bestätigte den erstinstanzlichen Kostenentscheid und auferlegte A.A. die Kosten des Berufungsverfahrens im Umfang von 5/6.

Die bereits rechtskräftig beurteilten Vorwürfe betreffen folgende Sachverhalte: Am 10. März 2021 übergab A.A. im Auftrag einer nicht weiter bekannten Person namens „C. “ einem verdeckten Fahnder der Kantonspolizei Zürich 9.9 Gramm (netto) Kokain (davon 3.2 Gramm reines Kokain) für Fr. 800.–. Zwischen Januar 2021 und dem 10. März 2021 bewahrte A.A. an verschiedenen Orten in der Wohnung seiner Ex-Frau insgesamt 16.97 Gramm (netto) Kokain (aufgeteilt auf 21 Portionen, davon 7.62 Gramm reines Kokain) zwecks Eigenkonsums auf und konsumierte sieben Mal Kokain durch Schnupfen und Rauchen. Schliesslich hielt sich A.A. nach seiner bedingten Entlassung trotz des mit Urteil des Bundesgerichts vom 14. Dezember 2018 erfolgten Widerrufs der Niederlassungsbewilligung und der am 6. August 2019 vom Migrationsamt des Kantons Zürich ergangenen Wegweisungsverfügung, vom 1. September 2019 bis zum 25. Mai 2020 in der Schweiz und damit illegal hier auf. Hinsichtlich des vorinstanzlichen Schuldspruchs wegen unerlaubter Verbreitung von Arzneimitteln wird A.A. vorgeworfen, im Zeitraum zwischen ca. November 2020 und Ende Februar bzw. Anfang März 2021 an D. mindestens 4 Viagra-Pillen (nebst ca. 36 weiteren nicht verschreibungspflichtigen Potenzpillen) für Fr. 20.– bis Fr. 30.– pro Pille verkauft zu haben.

Weiterzug ans Bundesgericht

A.A. wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt einen Freispruch vom Vorwurf der unerlaubten Verbreitung von Arzneimitteln, den Verzicht auf den Widerruf der bedingt gewährten Entlassung sowie die Verurteilung zu einer angemessenen, jedoch bereits verbüssten Freiheitsstrafe und einer Busse; von einer Landesverweisung sei abzusehen und die Kosten für das erst- und das zweitinstanzliche Verfahren seien dem Staat aufzuerlegen. Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2024 aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich ersucht A.A. um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_419/2024 vom 10. Februar 2025  

Auf zahlreiche Rügen und Punkte des Urteils wird hier nicht eingegangen.

Der Beschwerdeführer ficht auch vor Bundesgericht die angeordnete fakultative Landesverweisung an. Er wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 66abis StGB und einen Verstoss gegen das Verhältnismässigkeitsgebot (Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 8 Abs. 2 EMRK) sowie den Anspruch auf Achtung des Familienlebens (Art. 13 BV und Art. 8 Abs. 1 EMRK) vor. Die Vorinstanz bezeichne ihn als Seriendelinquenten ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz und setze ihn damit einem Kriminaltouristen gleich. Damit blende sie erneut seine aktuellen persönlichen Verhältnisse aus und nehme keine konkrete Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und seinen privaten Interessen vor. Bei der Anlasstat handle es sich um ein geringfügiges Delikt und die Vorinstanz erwäge im Rahmen der Strafzumessung, dass aufgrund der Tatschwere auch eine Geldstrafe möglich wäre. Durch eine einmalige Abgabe einer geringen Menge Kokain habe er die öffentliche Sicherheit, wenn überhaupt, nur in einem äusserst geringen Ausmass gefährdet. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb von ihm weitere, die öffentliche Sicherheit gefährdende Delikte zu erwarten seien. Daran vermöchten auch seine Vorstrafen nichts zu ändern. Stossend erschienen die vorinstanzlichen Ausführungen, wonach der Kontakt mit seinen Kindern nicht von Art. 8 EMRK geschützt werde und das Zusammenleben nur möglich sei, da er sich ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalte. Die Vorinstanz setze sich nicht mit seinen Beziehungen in der Schweiz auseinander und verkenne, dass seine beiden Söhne auf eine Vaterfigur angewiesen seien (E.5.1).

Die Vorinstanz weist in ihrer Begründung vor Bundesgericht der Anordnung der fakultativen Landesverweisung darauf hin, dass die Migrationsbehörden dem Beschwerdeführer das Aufenthaltsrecht bereits rechtskräftig entzogen haben. Er halte sich als Ausländer ohne Aufenthaltsrecht in der Schweiz auf. Der Blick auf die Entstehung von Art. 66abis StGB zeige, dass diese Norm die Landesverweisung namentlich bei Wiederholungstätern oder Kriminaltouristen erlauben solle. Was für Kriminaltouristen gelte, gelte mutatis mutandis auch für andere nicht aufenthaltsberechtigte Personen. Die teilweise vertretene Auffassung, wonach die fakultative Landesverweisung nur in Fällen von schweren Delikten und schwerem Verschulden zum Zug kommen solle, sei entschieden abzulehnen. Dies ergebe sich deutlich aus den Gesetzesmaterialien, die klar den Willen des Gesetzgebers aufzeigten, die fakultative Landesverweisung auch bei leichten Delikten verhängen zu können. Die fakultative Landesverweisung sei auch dann auszusprechen, wenn bereits angeordnete ausländerrechtliche Massnahmen ihre Wirkung verfehlt hätten. Das Verhältnismässigkeitsprinzip sei indes uneingeschränkt zu beachten, und es seien insbesondere dieselben Aspekte wie bei der Frage des Vorliegens eines schweren persönlichen Härtefalles entscheidend (E.5.2).

Das Bundesgericht äusserte sich hierzu im Urteil 6B_419/2024 vom 10. Februar 2025 wie folgt:

«Gemäss Art. 66abis StGB kann das Gericht einen Ausländer für 3-15 Jahre des Landes verweisen, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nicht von Artikel 66a StGB erfasst wird, zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59-61 oder 64 StGB angeordnet wird. Wie jeder staatliche Entscheid hat die nicht obligatorische Landesverweisung unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 2 und 3 BV) zu erfolgen. Das Gericht hat die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegen die privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz abzuwägen. Die erforderliche Interessenabwägung entspricht den Anforderungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK an einen Eingriff in das Privat- und Familienleben (vgl. Urteile 6B_129/2022 vom 5. April 2023 E. 2.2; 6B_1114/2022 vom 11. Januar 2023 E. 4; 6B_1449/2021 vom 21. September 2022 E. 3.2.2; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen (Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021, Nr. 77220/16, § 34; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020, Nr. 59006/18, § 49; je mit zahlreichen Hinweisen; vgl. Urteile 6B_542/2023 vom 15. Februar 2024 E. 1.3.4; 6B_1115/2022 vom 22. November 2023 E. 5.1.3; 6B_129/2022 vom 5. April 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen).» (E.5.3.1).

«Art. 66abis StGB setzt keine Mindeststrafhöhe voraus (Urteile 7B_457/2023 vom 14. März 2024 E. 4.2.2; 6B_129/2022 vom 5. April 2023 E. 2.2; 6B_224/2022 vom 16. Juni 2022 E. 2.2; je mit Hinweisen). Demnach ist die nicht obligatorische Landesverweisung einer aufenthaltsberechtigten Person bei einer Verurteilung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe nicht grundsätzlich als unverhältnismässig zu betrachten, sondern anhand einer Verhältnismässigkeitsprüfung zu beurteilen (vgl. Urteile 6B_1054/2020 vom 30. November 2020 E. 1; 6B_528/2020 vom 13. August 2020 E. 3.3 mit Hinweisen; 6B_607/2018 vom 10. Oktober 2018 E. 1.3). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die nicht obligatorische Landesverweisung gerade in Fällen zur Anwendung gelangen, bei denen es um Gesetzesverstösse von geringerer Schwere, aber dafür um wiederholte Delinquenz geht (Urteile 7B_148/2022 vom 19. Juli 2023 E. 3.1; 6B_129/2022 vom 5. April 2023 E. 2.2; 6B_429/2021 vom 3. Mai 2022 E. 3.1.1; je mit Hinweisen).» (E.5.3.2).

«Nach der Rechtsprechung kann sich der Ausländer auf das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, sofern er besonders intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz aufweist, die über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen. Bei der Härtefallprüfung ist nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer von einer Verwurzelung in der Schweiz auszugehen. Es ist vielmehr anhand der gängigen Integrationskriterien eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1 f.; 144 IV 332 E. 3.3.2).» (E.5.3.3).

«Das durch Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1; je mit Hinweisen).  Sind Kinder involviert, ist bei der Interessenabwägung als wesentliches Element zudem den Kindesinteressen und dem Kindeswohl Rechnung zu tragen (BGE 143 I 21 E. 5.5.1; Urteile 6B_1114/2022 vom 11. Januar 2023 E. 5; 6B_855/2020 vom 25. Oktober 2021 E. 3.3.2; je mit Hinweisen). In Bezug auf die Kinder des von der Landesverweisung betroffenen Elternteils berücksichtigt die Rechtsprechung insbesondere, ob die Eltern des Kindes zusammenleben und ein gemeinsames Sorge- und Obhutsrecht haben, oder ob der von der Landesverweisung betroffene Elternteil das alleinige Sorge- und Obhutsrecht hat bzw. ob er gar nicht sorge- und obhutsberechtigt ist und seine Kontakte zum Kind daher nur im Rahmen eines Besuchsrechts pflegt (Urteile 6B_1104/2023 vom 19. März 2024 E. 1.4.5; 6B_855/2020 vom 25. Oktober 2021 E. 3.3.2;). 

Der Umstand, dass ein straffällig gewordener Ausländer in der Schweiz mit seinem Ehepartner und gemeinsamen Kindern in einer intakten familiären Beziehung lebt, bildet kein absolutes Hindernis für eine Landesverweisung (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.3 S. 148 f.). Auch im Falle einer gelebten Ehe kann sich der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens als „notwendig“ im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK erweisen (vgl. Urteile 6B_1179/2021 vom 5. Mai 2023 E. 6.3.5; 6B_855/2020 vom 25. Oktober 2021 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Dabei sind nach der Rechtsprechung des EGMR nebst den zuvor erwähnten Kriterien auch die Staatsangehörigkeit der betroffenen Familienmitglieder, die familiäre Situation der von der Massnahme Betroffenen, wie etwa die Dauer der Ehe oder andere Faktoren, die für ein effektives Familienleben sprechen, eine allfällige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat zu Beginn der familiären Bindung, ob Kinder aus der Ehe hervorgingen und falls ja, deren Alter, sowie die Schwierigkeiten, mit welchen der Ehegatte im Heimatland des anderen konfrontiert sein könnte, zu berücksichtigen (vgl. Urteile 6B_1114/2022 vom 11. Januar 2023 E. 4; 6B_1179/2021 vom 5. Mai 2023 E. 6.3.4; 6B_855/2020 vom 25. Oktober 2021 E. 3.3.1; je mit Hinweisen).» (E.5.3.4).

«Den Rügen des Beschwerdeführers gegen die Anordnung der fakultativen Landesverweisung kann nicht gefolgt werden. Entgegen seinen Vorbringen nimmt die Vorinstanz eine sorgfältige Interessenabwägung vor und berücksichtigt dabei auch die familiäre und gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers. Sie gelangt zum Schluss, dass die Landesverweisung keinen unzulässigen Eingriff in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben darstellt. In der Folge nimmt sie eine Interessenabwägung vor, stellt mithin die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz den öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung gegenüber und gelangt zum Schluss, dass diese klar zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfalle.» (E.5.4.1).

Die Beschwerde erweist sich im Urteil 6B_419/2024 vom 10. Februar 2025 gesamthaft als unbegründet (E.6).

 

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