Sachverhalt
Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte A. am 28. März 2018 unter anderem wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter Gewährung des bedingten Vollzugs für 20 Monate bei einer Probezeit von zwei Jahren und unter Anrechnung von 84 Tagen ausgestandener Untersuchungshaft. Das Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Instanzenzug
Das Amt für Justizvollzug (AJUV) kündigte A. am 18. Juli 2018 den Vollzug der obengenannten Freiheitsstrafe (10 Monate unter Anrechnung von 84 Tagen Untersuchungshaft) an und teilte ihm mit, ein Vollzug sei in Halbgefangenschaft oder im Normalvollzug möglich. Nachdem die Aufenthaltsbewilligung von A. nicht verlängert und dessen Wegweisung (mit Familie) aus der Schweiz beschlossen wurde (vgl. Urteil 2C_944/2020 vom 31. März 2021), teilte das AJUV ihm am 27. April 2021 mit, die Voraussetzungen für den Vollzug in Halbgefangenschaft (insbesondere wegen Entzugs des Aufenthaltsrechts) seien nicht mehr gegeben und es verbleibe nur die Verbüssung des unbedingten Teils der teilbedingten Freiheitsstrafe im Normalvollzug. Nach erneutem Gesuch vom 23. Juli 2021 bewilligte das AJUV am 27. Juli 2021 die Verbüssung der Strafe in Halbgefangenschaft und setzte den Antritt der Strafe auf den 30. August 2021 fest. A. trat die Haft in Halbgefangenschaft ordnungsgemäss an.
Am 21. Oktober 2021 teilte das Vollzugszentrum Klosterfiechten dem AJUV mit, dass A. am 18. Oktober 2021 unverschuldet in einen Auffahrunfall involviert gewesen und vorerst bis zum 2. November 2021 krankgeschrieben sei. Es ersuchte das AJUV, A. für die Dauer der Krankschreibung zur Weiterführung der Halbgefangenschaft die Haus-/Erziehungsarbeit gemäss Arztzeugnis im Umfang von 50 % zu bewilligen. Das AJUV erklärte sich damit am 26. Oktober 2021 einverstanden. Die Krankschreibung von A. wurde mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende Dezember 2021, informell bis 14. Januar 2022.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2021 unterbrach das AJUV den Vollzug der Freiheitsstrafe in der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft ab 23. Dezember 2021. Der Strafunterbruch dauere so lange, bis die ärztlichen Fachpersonen eine Arbeitsfähigkeit von A. von mindestens 20 Stunden pro Woche attestieren würden und er dadurch die Voraussetzungen für die Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in Halbgefangenschaft wieder erfülle.
Die Krankschreibung von A. dauerte bis 2. Juni 2022. Am 1. Juni 2022 gewährte ihm das AJUV das rechtliche Gehör in Bezug auf die vorgesehene Anordnung des Normalvollzugs. Nach Einholung einer Stellungnahme vom 20. Juli 2022 hob das AJUV mit Verfügung vom 29. Juli 2022 die Bewilligung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft auf, wies sämtliche Anträge von A. ab und ordnete den Vollzug der Reststrafe von 102 Tagen mit Beginn am 29. August 2022 an.
Das Departement des Innern des Kantons Solothurn wies eine von A. dagegen erhobene Beschwerde am 5. Dezember 2022 ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 20. März 2023 ebenfalls ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Dagegen gelangt A. mit „Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten“ an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 20. März 2023 sei aufzuheben und ihm sei die Weiterführung des Vollzugs der Reststrafe von 102 Tagen in der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur korrekten Feststellung des Sachverhalts und zur Bewilligung des Vollzugs der Reststrafe in der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft an die Vorinstanz zurückzuweisen. A. ersucht um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
Die Präsidentin der früheren Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts wies das Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 10. Mai 2023 ab.
Am 21. August 2023 wurde den Parteien mitgeteilt, dass aufgrund einer internen Reorganisation des Bundesgerichts die Beschwerde neu durch die II. strafrechtliche Abteilung behandelt werde.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Das Departement des Innern des Kantons Solothurn verzichtete mit Eingabe vom 28. August 2024 auf die Einreichung einer Stellungnahme zur Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beantragte mit Eingabe vom 30. August 2024 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das AJUV verzichtete mit Eingabe vom 10. September 2024 auf die Einreichung einer Vernehmlassung zur Beschwerde. Diese Eingaben wurden dem Beschwerdeführer am 13. September 2024 zur Kenntnisnahme zugestellt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_142/2023 vom 4. Oktober 2024
Der Beschwerdeführer bringt vor Bundesgericht vor, dass die Vorinstanz das kantonale Recht willkürlich (nicht) anwende, indem sie neue Vorbringen, d.h. die seit dem 1. Oktober 2022 wiederaufgenommene Arbeit bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin, nicht zulasse und im angefochtenen Urteil davon ausgehe, dass verspätet eingereichte neue Vorbringen unbeachtlich seien. Gleichzeitig räumt er ein, dass er die Arbeitsstelle bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin am 1. Oktober 2022 und damit vor dem Entscheid des Departements des Innern vom 5. Dezember 2022 angetreten habe und dass dieser Umstand dem Departement des Innern vor dessen Entscheid zur Kenntnis gebracht hätte werden können und müssen (E.2.1).
Das Bundesgericht schildert die Erwägungen der Vorinstanz im Urteil 7B_142/2023 vom 4. Oktober 2024 wie folgt:
«Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerde ans Verwaltungsgericht vom 23. Dezember 2022 inkl. Ergänzung vom 25. Januar 2023 neue Tatsachenbehauptungen vorgebracht, die im Zeitpunkt des Entscheids des Departements des Innern (d.h. am 5. Dezember 2022) zwar bereits vorgelegen hätten, dem Departement des Innern aber nicht bekannt gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, er habe im Oktober 2022 seine bisherige Arbeit bei seiner langjährigen Arbeitgeberin wiederaufnehmen können, dies bei einem Arbeitspensum von ca. 50 %. Obwohl diese Tatsache dem Beschwerdeführer bereits vor dem Entscheid des Departements des Innern vom 5. Dezember 2022 bekannt gewesen sei, habe er die Behörde nicht informiert. Mit Schreiben vom 2. Februar 2023 habe die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers diesen Umstand damit begründet, dass sie in ihren Wanderferien im Oktober 2022 schwer verunfallt und seither und bis auf Weiteres zu 100 % arbeitsunfähig sei. Sie habe auch erst nach Eingang des Beschwerdeentscheids vom 5. Dezember 2022 von der veränderten Arbeitssituation ihres Klienten (d.h. von der Wiederaufnahme seiner bisherigen Arbeit zu 50 % im Oktober 2022) erfahren.
Gemäss der Vorinstanz muss sich der Beschwerdeführer das Verschulden seiner Rechtsvertreterin grundsätzlich anrechnen lassen. Laut den vom Beschwerdeführer eingereichten Lohnabrechnungen vom Oktober und November 2022 habe er ab Oktober 2022 wieder bei seiner bisherigen Arbeitgeberin gearbeitet. Dass der Beschwerdeführer seine Arbeit bei seiner bisherigen Arbeitgeberin wieder habe antreten können, sei gemäss der Vorinstanz mit Sicherheit nicht erst mit Antritt im Oktober 2022 bekannt gewesen. Ab Bekanntgabe des Arbeitsantritts bis zum Unfall der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sei bereits genügend Zeit verstrichen, um die Behörde zu informieren. Ein Anruf oder z.B. die Zustellung der Lohnabrechnung vom Oktober 2022 an die Behörde, um diese über die veränderte Situation zu informieren, wäre das Mindeste gewesen. Das Departement des Innern hätte aufgrund der im Beschwerdeverfahren geltenden Offizialmaxime grundsätzlich jederzeit Vorbringen zum Sachverhalt entgegennehmen und berücksichtigen können. Dem Beschwerdeführer selbst müsse bewusst gewesen sein, dass der Umstand des Arbeitsantritts eine entscheidende Information für sein Verfahren gewesen wäre. Indessen sei er mehrere Monate untätig geblieben. Ein solches Verhalten könne gemäss der Vorinstanz nur als rechtsmissbräuchlich eingestuft und nicht geschützt werden. Den Akten sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit allen Mitteln versuche, sich dem Normalvollzug zu entziehen und seine Wegweisung aus der Schweiz hinauszuzögern.» (E.2.2).
Das Bundesgericht äussert sich anschliessend im Urteil 7B_142/2023 vom 4. Oktober 2024 wie folgt:
«Das Bundesgerichtsgesetz schreibt den Kantonen vor, dass die richterliche Vorinstanz des Bundesgerichts oder ein vorgängig zuständiges Gericht den Sachverhalt frei prüft und das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 110 BGG). Daraus folgt, dass der Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren zu erstellen ist, weshalb diesem Gericht auch neue Tatsachen und Beweismittel unterbreitet werden können (BGE 135 II 369 E. 3.3 mit Hinweisen; Urteil 1C_28/2021 vom 30. Juni 2021 E. 7.3.1; vgl. GRÉGORY BOVEY, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 18 zu Art. 110 BGG; MARCO DONATSCH, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Aufl. 2014, N. 8 zu § 52 VRG; HEINER WOHLFART, Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 98a OG an die kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetze, AJP 1995, S. 1431). Damit wird die Rechtsweggarantie von Art. 29a BV bzw. Art. 6 EMRK umgesetzt, welche eine uneingeschränkte Sachverhalts- und Rechtskontrolle durch (wenigstens) ein Gericht verlangt (vgl. BGE 142 II 49 E. 4.4; Urteile 1C_28/2021 vom 30. Juni 2021 E. 7.3.1; 2C_228/2020 vom 21. Juli 2020 E. 3.3.1).
Bis zu welchem Zeitpunkt im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden können, regelt das Bundesrecht nicht. Es ist vielmehr Sache des anwendbaren kantonalen Verfahrensrechts, hierüber die erforderlichen Bestimmungen aufzustellen (vgl. Urteil 2C_354/2009 vom 30. Juni 2010 E. 3.1).» (E.2.3.1).
«Gemäss § 52 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz; BGS 124.11) sind neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel, wenn sie mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, bis zum Schluss des Beweisverfahrens erlaubt (Satz 1). § 31bis Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar (Satz 2). Nach § 31bis Abs. 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz auferlegt die Behörde derjenigen Partei, die neue Vorbringen verspätet ins Verfahren einbringt, die daraus entstehenden Mehrkosten, wenn sie ein Verschulden trifft.» (E.2.3.2).
«Das Bundesgericht überprüft die Anwendung kantonalen Rechts – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen (vgl. Art. 95 lit. c-e BGG) – nur auf Willkür und die Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (BGE 143 I 321 E. 6.1; 141 IV 305 E. 1.2; 140 III 385 E. 2.3 mit Hinweisen).» (E.2.3.3).
«Aus dem einschlägigen kantonalen Recht (vgl. oben E. 2.3.2) ergibt sich zwar, dass neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel, wenn sie mit dem Streitgegenstand zusammenhängen, „bis zum Schluss des Beweisverfahrens“ erlaubt sind (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz). Erfolgen neue tatsächliche Behauptungen verspätet bzw. werden neue Beweismittel verspätet eingereicht, d.h. nicht bis zum Schluss des Beweisverfahrens, sieht das kantonale Gesetz als Rechtsfolge jedoch nicht vor, dass die neuen tatsächlichen Behauptungen bzw. Beweismittel etwa als unbeachtlich zu betrachten wären. Vielmehr kann diese verspätete Geltendmachung bzw. Einreichung unter Umständen (d.h. bei Verschulden) zur Kostenfolge führen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 31bis Abs. 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz). Die Vorinstanz erwägt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, konkret die unterlassene Information des Departements des Innern bezüglich der Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit seit dem 1. Oktober 2022, als „rechtsmissbräuchlich“ zu qualifizieren sei. Weiter hält sie fest, dass der Beschwerdeführer gemäss den von ihm eingereichten Lohnabrechnungen vom Oktober und November 2022 bei seiner bisherigen Arbeitgeberin ab Oktober 2022 wieder gearbeitet habe. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Bewilligung der besonderen Vollzugsform der Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) erfüllt, nämlich ob er einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgeht (Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB), berücksichtigt die Vorinstanz die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers im Oktober 2022 bei einem Arbeitspensum von 50 % nicht. Dies steht im Widerspruch zur dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsweggarantie, welche die Vorinstanz als einziges kantonales Gericht zu gewährleisten hatte (vgl. oben E. 2.3.1), und zur einschlägigen kantonalen Regelung betreffend die Zulässigkeit neuer Tatsachen und Beweismittel im Verwaltungsgerichtsverfahren (vgl. oben E. 2.3.2). Indem die Vorinstanz die neuen tatsächlichen Behauptungen und Beweismittel betreffend die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers im Oktober 2022 in ihrem Entscheid nicht berücksichtigt, verstösst sie gegen Art. 29a BV und wendet sie das kantonale Recht willkürlich an (vgl. oben E. 2.3.3). Die Beschwerde erweist sich als begründet. Bei diesem Ergebnis kann offen gelassen werden, ob das Vorgehen der Vorinstanz, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, gegen das Verbot des überspitzten Formalismus verstösst (vgl. dazu BGE 145 I 201 E. 4.2.1; 142 IV 299 E. 1.3.2).» (E.2.4).
«Die Vorinstanz wird nach der bundesgerichtlichen Rückweisung den Sachverhalt unter Berücksichtigung der Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers im Oktober 2022 neu feststellen und die Voraussetzungen der Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) neu beurteilen müssen. Auf die Rügen des Beschwerdeführers betreffend die willkürliche Sachverhaltsfeststellung, die Verletzung des Gebots von Treu und Glauben bzw. der Verfahrensfairness und von Art. 77b StGB ist bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht weiter einzugehen.» (E.2.5).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Urteil 7B_142/2023 vom 4. Oktober 2024 gut (E.3).