Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg erhob am 20. Januar 2020 Anklage gegen den kosovarischen Staatsangehörigen A., geb. 1993, wegen mehrfacher Schändung. Sie beantragte, dass A. dafür zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten zu verurteilen sei. Weiter beantragte sie eine Landesverweisung für die Dauer von 7 Jahren.
Instanzenzug
Mit Urteil vom 26. Mai 2021 sprach das Bezirksgericht Rheinfelden A. der mehrfachen Schändung schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wobei es ihm im Umfang von 15 Monaten den bedingten Strafvollzug gewährte. Weiter verwies es A. für die Dauer von 7 Jahren des Landes.
Mit Urteil vom 21. Juli 2022 stellte das Obergericht des Kantons Aargau auf Berufung von A. hin eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest. Es korrigierte das erstinstanzliche Urteil, indem es eine natürliche Handlungseinheit als gegeben erachtete und verurteilte A. wegen Schändung im Sinne von Art. 191 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten mit einem vollziehbaren sowie einem bedingt zu vollziehenden Anteil von je 15 Monaten bei einer Probezeit von 3 Jahren. Die erstinstanzlich ausgefällte Landesverweisung von 7 Jahren bestätigte das Obergericht gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 12. September 2022 beantragt A. dem Bundesgericht sinngemäss, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei vom Vorwurf der Schändung freizusprechen. Ausserdem sei von der Landesverweisung abzusehen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen.
Mit Eingabe vom 21. September 2022 hat A. sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wieder zurückgezogen. Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_271/2022 vom 31. Oktober 2023
Wir schauen uns hier nur die Rügen betreffend strafrechtlicher Landesverweisung an.
Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht in seiner Beschwerde u.a. gegen die vorinstanzlich ausgesprochene Landesverweisung. Die Vorinstanz bejahe zwar zu Recht einen schweren persönlichen Härtefall, gewichte aber zu Unrecht das öffentliche Fernhalteinteresse höher als sein persönliches Interesse an einem Verbleib in der Schweiz, bemerkt das Bundesgericht (E.4.1).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_271/2022 vom 31. Oktober 2023 generell-abstrakt wie folgt zur Landesverweisung, insbesondere auch zur EMRK-konformen Auslegung der betreffenden StGB-Bestimmungen:
«Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB verweist das Gericht den Ausländer, der – wie der Beschwerdeführer – wegen Schändung verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz. Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; Urteil 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 5.3; je mit Hinweisen).
Von der Anordnung der Landesverweisung „kann ausnahmsweise“ unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; Urteile 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 5.3.1; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.3, nicht publ. in: BGE 147 IV 340; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; Urteil 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 5.3.1; je mit Hinweisen).» (E.4.2.1).
«Von einem schweren persönlichen Härtefall ist – wie im vorliegenden Fall – in der Regel bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (Urteile 6B_709/2022 vom 4. Oktober 2023 E. 3.2.3; 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 5.3.3; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.5, nicht publ. in: BGE 147 IV 340; je mit Hinweisen).» (E.4.2.2).
«Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (Urteile 6B_155/2023 vom 2. Oktober 2023 E. 1.2.2; 7B_125/2022 vom 31. Juli 2023 E. 2.3.8; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.5, nicht publ. in: BGE 147 IV 340; je mit Hinweisen). Der EGMR anerkennt in ständiger Rechtsprechung das Recht der Vertragsstaaten, die Einwanderung und den Aufenthalt von Nicht-Staatsangehörigen auf ihrem Territorium zu regeln, einschliesslich der Ausweisung von verurteilten Straftätern (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.2). Berührt die Ausweisung indes Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, sind die Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu prüfen (Urteil des EGMR Z gegen die Schweiz vom 22. Dezember 2020, Nr. 6325/15, §§ 55 f.; BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteile 6B_709/2022 vom 4. Oktober 2023 E. 3.2.3; 7B_162/2022 vom 25. Juli 2023 E. 2.1.3; je mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass die aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist (BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteile 6B_709/2022 vom 4. Oktober 2023 E. 3.2.4; 7B_162/2022 vom 25. Juli 2023 E. 2.1.3; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen und der innerstaatliche Entscheid hinreichend zu begründen (Urteil des EGMR Z gegen die Schweiz, a.a.O., §§ 57 bis 61; BGE 146 IV 105 E. 4.2; je mit Hinweisen). Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 II 35 E. 6.1; Urteile 6B_709/2022 vom 4. Oktober 2023 E. 3.2; 7B_162/2022 vom 25. Juli 2023 E. 2.1.3; je mit Hinweisen).» (E.4.2.3).
Das Bundesgericht äussert sich alsdann im Urteil 7B_271/2022 vom 31. Oktober 2023 kurz und knapp zum Urteil der Vorinstanz:
«Die Vorinstanz hat in der Erwägung 4.4 des angefochtenen Entscheids eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen und ist zusammenfassend zu folgenden Erkenntnissen gelangt: Der Lebensmittelpunkt des in der Schweiz aufgewachsenen und noch bei seinen Eltern wohnenden Beschwerdeführers liege zweifellos in der Schweiz. Der Beschwerdeführer habe sich hier – mit Ausnahme der vorliegend zu beurteilenden Straftat und einer Vorstrafe aus dem Jahre 2017 – grundsätzlich erfolgreich integriert. Es sei bei einer Gesamtbetrachtung von einem gewichtigen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz auszugehen, womit ein persönlicher Härtefall zu bejahen sei. Auch wenn sich der Beschwerdeführer seit der Schändung wohl verhalten habe, überwiege indessen das sehr hohe öffentliche Interesse an einer Wegweisung das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz, zumal seine Resozialisierungschancen im Kosovo, wo er regelmässig zu Besuch sei, durchaus intakt erschienen. Den Kontakt zu seinen Eltern und zu seiner Freundin könne er ohne Weiteres mit den modernen Kommunikationsmitteln oder Besuchen im Heimatland aufrecht erhalten.» (E.4.3).
«Diese Interessenabwägung erweist sich als bundes- und völkerrechtskonform: Die Vorinstanz hat alle nach der Strassburger Rechtsprechung massgebenden Interessenfaktoren entweder bei der Prüfung des Härtefalls, die ebenfalls bereits eine Abwägung erfordert, oder dann bei der eigentlichen Interessenabwägung (im engeren Sinne nach Art. 66a Abs. 2 StGB) hinreichend berücksichtigt und in ihren Verweisungsentscheid einbezogen. Es besteht kein Anlass, in diesen Abwägungsentscheid höchstrichterlich einzugreifen.» (E.4.4).
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.