Sachverhalt und Instanzenzug
Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte A. am 4. Mai 2023 wegen sexueller Nötigung, versuchter Vergewaltigung, mehrfacher Beschimpfung und Nichtabgabe von Ausweisen und/oder Kontrollschildern zu 24 Monaten Freiheitsstrafe und 30 Tagessätzen Geldstrafe, beides bedingt. Von einer Landesverweisung sah es ab. Auf Berufung von A. und der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 27. Juni 2024 das erstinstanzliche Urteil.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich A. sei für acht Jahre des Landes zu verweisen und die Landesverweisung sei im Schengener Informationssystem SIS auszuschreiben. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. Der Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen lassen.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_793/2024 vom 2. April 2025
Streitig vor Bundesgericht ist der vorinstanzliche Verzicht auf die Landesverweisung (E.2).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 6B_793/2024 vom 2. April 2025 zunächst generell-abstrakt wie folgt:
«Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung (Art. 189 und Art. 190 StGB) verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB). Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 332 E. 3.1.3). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 168 E. 1.4.1). Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur „ausnahmsweise“ unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB; sog. Härtefallklausel). Das Bundesgericht hat wiederholt dargelegt, welche Kriterien bei der Prüfung des persönlichen Härtefalls und der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4; 144 IV 332 E. 3.3; je mit Hinweisen). Ebenso hat es sich bei der Beurteilung der Landesverweisung bereits mehrfach zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 13 BV und Art. 8 EMRK) und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR geäussert (BGE 146 IV 105 E. 4.2; 147 I 268 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Schliesslich hat das Bundesgericht mehrfach die Voraussetzungen für eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem aufgezeigt (BGE 147 IV 340 E. 4; 146 IV 172 E. 3.2; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.» (E.2.1).
Das Bundesgericht gibt in Ziff. 2.2 dann die Begründung der Vorinstanz wieder.
Es erklärt dann im Urteil 6B_793/2024 vom 2. April 2025, dass es die Beschwerde der Staatsanwaltschaft für begründet hält, wie folgt:
«Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner zwei Katalogtaten begangen hat, die grundsätzlich die obligatorische Landesverweisung nach sich ziehen müssen. Dies unabhängig davon, dass es mit Bezug auf die Vergewaltigung beim Versuch geblieben ist (vgl. oben 2.1). Vor diesem Hintergrund kann die Wegweisung nur in klaren Ausnahmefällen unterbleiben, zumal die Härtefallklausel praxisgemäss restriktiv anzuwenden ist (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1). Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass bereits nach der früheren ausländerrechtlichen Ausschaffungspraxis eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren in der Regel zur Ausweisung der verurteilten Person führte (sog. „Zweijahresregel“). Dies muss erst Recht gelten, nachdem die bisherige ausländerrechtliche Ausschaffungspraxis, worauf die „Zweijahresregel“ beruht, mit Inkrafttreten der strafrechtlichen Landesverweisung per 1. Oktober 2016 massiv verschärft wurde und schon von Bundesverfassung wegen eine Vergewaltigung oder andere Sexualdelikte von gewisser Schwere in der Regel die Landesverweisung verlangen (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV). Das Bundesgericht hat auf die Verschärfung der Rechtslage mehrfach hingewiesen (BGE 145 IV 55 E. 4.3; Urteil 6B_108/2024 vom 1. Mai 2024 E. 5). Sodann ist zwar unbestritten, dass der Beschwerdegegner seit vielen Jahren in der Schweiz lebt und hier aufgewachsen und verwurzelt ist, was einen schweren persönlichen Härtefall begründen kann. Auch die Vorinstanz erkennt aber – nachvollziehbar – keine besonders starke Verwurzelung des Beschwerdegegners in der Schweiz und erachtet eine Reintegration in Serbien sowohl beruflich als auch persönlich ohne weiteres für möglich und zumutbar (oben E. 2.2.2). Vor diesem Hintergrund liegt aber in der Person des Beschwerdegegners gerade kein Härtefall vor. Dies gilt nach den Feststellungen der Vorinstanz auch für seine jetzige Partnerin. Diese hat selbst serbische Wurzeln und verkehrt teilweise im selben Kulturkreis. Wie sich aus der Beschwerde ergibt, stammt die Mutter der Partnerin des Beschwerdegegners aus Serbien, sie spricht die dortige Sprache und reist mehrmals jährlich dorthin. Die Vorinstanz hält denn auch eine Übersiedelung der Partnerin und der gemeinsamen Töchter für „nicht von vornherein ganz unzumutbar“. Damit ist ihr eine Ausreise aber gerade zumutbar. Die Vorinstanz begründet nicht, weshalb dies anders sein soll. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Partnerin des Beschwerdegegners angesichts ihrer eigenen serbischen Wurzeln und der mehrjährigen Beziehung mit dem Beschwerdegegner mit der Kultur der gemeinsamen Heimat vertraut ist. Zudem ist sie, wiederum gemäss Feststellungen der Vorinstanz, von ihm wirtschaftlich versorgt. Daran, dass mithin auch in der Person der Partnerin des Beschwerdegegners kein Härtefall liegt, ändert nichts, dass sie nicht über die serbische Staatsbürgerschaft verfügt. Den gemeinsamen, 2021 und 2024 geborenen Töchtern ist ein Leben in Serbien ohne Weiteres zumutbar (vgl. dazu BGE 143 I 21 E. 5.4; Urteil 6B_1384/2021 vom 29. August 2023 E. 1.3.3). Zu keinem anderen Ergebnis führt schliesslich, dass der Beschwerdegegner zu seinem Sohn aus erster Ehe während einer Landesabwesenheit zumindest physisch keine Beziehung halten bzw. aufbauen kann. Auch die Vorinstanz geht, nicht zuletzt aufgrund der im vorliegenden Verfahren beurteilten Straftaten des Beschwerdegegners gegen die Mutter seines Sohnes, von einer schwer belasteten Beziehung aus und spricht lediglich von einer möglichen Wiederannäherung von Vater und Sohn. Dies kann aber klar nicht genügen, in dieser Beziehung einen Härtefall zu begründen. Dies scheint die Vorinstanz auch nicht zu tun. Auch, dass die Reintegration des Beschwerdegegners und seiner Familie mit einer gewissen Härte verbunden sein mag, reicht praxisgemäss nicht.» (E.2.3.1).
«Nach dem vorstehend Gesagten fällt auch die Interessenabwägung nicht zugunsten des Beschwerdegegners aus. Er hat zwei Katalogtaten begangen und wurde deswegen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Es handelt sich um schwere Straftaten, sodass das öffentliche Interesse an der Landesverweisung, nicht zuletzt mit Blick auf die altrechtliche „Zweijahresregel“ entsprechend schwer wiegt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann mit Bezug auf die Straftaten auch nicht ohne weiteres von einer singulären Situation gesprochen werden, die sich kaum wiederholen könnte. Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass es sich letztlich um eine „Beziehungstat“ handelte und dass der Beschwerdegegner ein problematisches Frauen- bzw. Weltbild zeigte, indem er angab, die Geschädigte sei seine Frau und er „dürfe das“ (d.h. den von ihm gewollten sexuellen Kontakt mit ihr). Aufgrund der willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz steht sodann fest, dass dem Beschwerdegegner eine Reintegration in Serbien ohne Weiteres möglich ist. Dass dies nicht in demselben Mass für seine jetzige Partnerin und Mutter seiner beiden Töchter gilt, macht die Landesverweisung nicht unverhältnismässig. Es ist der mit der serbischen Kultur vertrauten Partnerin des Beschwerdegegners zumutbar, ihm entweder in seine Heimat zu folgen – davon geht auch die Vorinstanz aus – oder den Kontakt während der Dauer der Landesverweisung mittels moderner Kommunikationsmittel aufrecht zu erhalten. Dies gilt ebenso für die 2021 und 2024 geborenen gemeinsamen Töchter des Beschwerdegegners. Kindern im anpassungsfähigen Alter ist der Wegzug mit dem obhutsberechtigten Elternteil ins Ausland – oder umgekehrt der Verblieb bei der obhutsberechtigten Mutter in der Schweiz – in der Regel zumutbar (BGE 143 I 21 E. 5.4; Urteil 2C_372/2023 vom 23. Januar 2025 E. 7.4.3 mit Hinweisen). Es ist nicht erkennbar, weshalb dies vorliegend anders sein soll. Zu seinem Sohn aus erster Ehe hat der Beschwerdegegner aufgrund der Zerrüttung seines Verhältnisses zur Kindsmutter infolge der hier beurteilten Straftaten ohnehin seit 2021 keinen Kontakt mehr (vgl. E. 2.2.1). Eine besondere Bindung, welche die Landesverweisung als unverhältnismässig erschienen liesse, besteht mithin klarerweise nicht. Auch insoweit ist den Beteiligten eine allfällige Neuetablierung des Verhältnisses mit modernen Kommunikationsmitteln zumutbar. Die Beschwerdeführerin weist zudem zutreffend darauf hin, dass fraglich ist, ob der Beschwerdeführer angesichts seiner familiären Verpflichtungen gegenüber seinen Töchtern zu einer finanziellen Unterstützung seines erstgeborenen Sohnes überhaupt in der Lage wäre. Die Möglichkeit von Unterhaltszahlungen an den Sohn würde daher ebenfalls nicht gegen eine Landesverweisung sprechen. Diese ist verhältnismässig.» (E.2.3.2).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und stützt die Landesverweisung (E.3).