Keine Bestrafung von Journalistin für Pistole aus 3D-Drucker

Eine Journalistin von RTS hat mit dem für eine Reportage getätigten Erwerb, Besitz und Transport einer Pistole aus dem 3D-Drucker rechtmässig gehandelt. Eine Bestrafung wegen Verstosses gegen das Waffengesetz ist mit der Meinungsäusserungsfreiheit beziehungsweise der Medienfreiheit nicht vereinbar, entschied das Bundesgericht in Fünferbesetzung im Urteil 6B_650/2022, 6B_664/2022 vom 12. Dezember 2024. Sobald das schriftlich begründete Urteil vorliegt, erfolgt ein Update des Artikels.

Sachverhalt

Die Journalistin vom Westschweizer Radio und Fernsehen RTS beschaffte sich 2019 im Internet die Baupläne für eine Pistole aus dem 3D-Drucker. Ebenfalls über ein Online Angebot liess sie sich die Pistolenteile anfertigen. Sie erhielt die Teile der Firma aus der Westschweiz und setzte sie in ihrem Büro bei RTS zusammen. Die Beschaffung der Waffe erfolgte im Hinblick auf eine Reportage von RTS mit der unter anderem aufgezeigt werden sollte, wie leicht Waffen aus dem 3D-Drucker erlangt werden können.

Ende März 2019 ersuchte die Journalistin bei der Genfer Kantonspolizei für ihr Vorgehen kurzfristig um eine ausserordentliche Bewilligung, die aber aus zeitlichen Gründen nicht ausgestellt werden konnte.

Anfang April 2019 transportierte sie die Pistole ohne Schlagbolzen und Munition trotzdem im Zug von Genf nach Lausanne, wo sie ein Interview mit einem Spezialisten für Waffen aus dem 3D-Drucker führte.

Am 7. April 2019 wurde die Sendung ausgestrahlt.

Instanzenzug

Im März 2022 sprach das Genfer Kantonsgericht die Journalistin für den Transport der Waffe wegen Verstosses gegen das Waffengesetz schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von 1’500 Franken. Von einer Verurteilung wegen Erwerb und Besitz der Waffe sah es ab.

Die Genfer Staatsanwaltschaft gelangte ans Bundesgericht und forderte eine Verurteilung auch für diese Delikte. Die Journalistin ihrerseits verlangte einen vollumfänglichen Freispruch.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_650/2022, 6B_664/2022 vom 12. Dezember 2024

Das Bundesgericht heisst im Urteil 6B_650/2022, 6B_664/2022 vom 12. Dezember 2024 die Beschwerde der Journalistin in seiner öffentlichen Beratung vom 12. Dezember 2024 gut und weist diejenige der Staatsanwaltschaft ab.

Gemäss Artikel 14 StGB verhält sich eine Person rechtmässig, wenn sie handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, auch wenn die Tat mit Strafe bedroht ist. Im konkreten Fall ist die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Verstössen gegen das Waffengesetz mit der Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Artikel 10 EMRK nicht vereinbar, der auch die Medien- und Pressefreiheit umfasst. Eine Bestrafung erweist sich mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig; dies entspricht auch nicht einem zwingenden gesellschaftlichen Bedürfnis. Der EGMR unterstreicht regelmässig die Wächterfunktion der Medien. Die Beschwerdeführerin hat in Bezug auf die vorgeworfenen Delikte ausschliesslich im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit gehandelt. Die Reportage zielte darauf ab, aufzuzeigen, wie einfach eine solche Waffe aus dem 3D-Drucker beschafft und zusammengesetzt werden kann und welche Gefahren davon für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Das Vorgehen der Journalistin hat zu keiner massgeblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit geführt. Die Waffe wurde von ihr immer unter Verschluss gehalten; transportiert wurde sie im Zug ohne Schlagbolzen oder Munition und für Dritte nicht erkennbar. Die Journalistin unterstützte bei der Herstellung der Einzelteile auch kein kriminelles Netzwerk, da sie öffentlich und legal angebotene 3D-Drucker in Anspruch nahm. Wohl wusste die Betroffene um die Bewilligungspflicht und stellte ihr Gesuch erst nach dem Erwerb der Waffe und zu kurzfristig. Die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung scheinen jedoch grundsätzlich erfüllt gewesen zu sein. Die Handlungen der Betroffenen sind vor diesem Hintergrund gemäss Bundesgericht als rechtmässig zu erachten.

Kommentare (0)