Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Nidwalden führt Strafuntersuchungen gegen A. wegen diverser mutmasslicher Delikte, darunter mehrfacher versuchter Raub, schwere (evt. versuchte schwere) Körperverletzung, mehrfache versuchte Erpressung, Nötigung, Freiheitsberaubung und Entführung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Beschuldigte hat mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht. Mit Verfügung vom 7. November 2018 setzte die Staatsanwaltschaft Rechtsanwältin B._ (rückwirkend per 30. Oktober 2018) als (notwendige) amtliche Verteidigerin des Beschuldigten ein. Am 26. August 2019 wurde das Offizialmandat von Rechtsanwältin B. auf weitere untersuchte Delikte ausgedehnt.
Instanzenzug
Am 14. April 2020 ersuchte der Beschuldigte durch seine am 9. April 2020 mandatierte Wahlverteidigerin, Rechtsanwältin Kim Mauerhofer, um Widerruf der amtlichen Verteidigung durch Rechtsanwältin B. und um Einsetzung von Rechtsanwältin Kim Mauerhofer als seine neue amtliche Verteidigerin. Die Staatsanwaltschaft wies das Gesuch mit Verfügung vom 10. Juni 2020 ab. Eine vom Beschuldigten am 29. Juni 2020 dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, am 14. Juli 2020 ab, soweit es darauf eintrat. Die vom Beschuldigten dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 1B_470/2020 vom 22. Dezember 2020 gut, indem es den Entscheid des Obergerichtes vom 14. Juli 2020 aufhob und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückwies.
Mit Verfügung vom 5. August 2021 widerrief die Staatsanwaltschaft mit sofortiger Wirkung das an Rechtsanwältin B. erteilte Offizialverteidigungsmandat. Gleichentags setzte die Staatsanwaltschaft Rechtsanwältin Kim Mauerhofer mit sofortiger Wirkung (ab 5. August 2021) als neue amtliche Verteidigerin des Beschuldigten ein. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2021 modifizierte der Beschuldigte in dem vor dem Obergericht hängigen (zurückgewiesenen) Beschwerdeverfahren sein Rechtsbegehren in dem Sinne, dass die am 5. August 2021 erfolgte Einsetzung seiner Wahlverteidigerin als neue amtliche Verteidigerin „rückwirkend ab 14. April 2020 bis und mit 4. August 2021“ zu erfolgen habe. Mit Urteil vom 20. Juni 2022 wies das Obergericht des Kantons Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, die Beschwerde ab.
Weiterzug an das Bundesgericht
Gegen den Entscheid des Obergerichtes vom 20. Juni 2022 gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 1. September 2022 an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Anweisung an die Staatsanwaltschaft, das Mandat der früheren Offizialverteidigerin B. sei „zu widerrufen“ und an ihrer Stelle sei seine mandatierte Rechtsvertreterin Kim Mauerhofer als amtliche (notwendige) Verteidigerin einzusetzen, und zwar rückwirkend ab 14. April 2020 bis und mit 4. August 2021. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben am 15. bzw. 28. September 2022 auf Stellungnahmen je ausdrücklich verzichtet. Die frühere amtliche Verteidigerin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin B., beantragt mit Eingabe vom 17. Oktober 2022 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten wäre, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers. Am 21. November 2022 reichte der Beschwerdeführer unaufgefordert eine neue Eingabe und neue Akten ein. Zwei weitere unaufgeforderte Eingaben des Beschwerdeführers erfolgten am 12. Dezember 2022 bzw. 25. April 2023 (mit Beilage).
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 1B_450/2022 vom 30. Mai 2023
Im Wesentlichen zusammengefasst erwägt die Vorinstanz gemäss Bundesgericht Folgendes: Der Beschwerdeführer habe vor den kantonalen Instanzen keine konkreten, objektiven Anhaltspunkte dargelegt, die eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zu seiner früheren amtlichen Verteidigerin glaubhaft machen würden. Sein subjektives Empfinden allein reiche für einen entsprechend motivierten, rückwirkenden Wechsel der Offizialverteidigung nicht aus. Das gelte insbesondere für seine Vorbringen, seine damalige amtliche Verteidigerin habe an gewissen Einvernahmen zu Unrecht nicht teilgenommen und sich bei Untersuchungshandlungen übermässig durch Anwaltspraktikant(inn)en vertreten lassen. (E.2).
Der Beschwerdeführer rügt u.a. eine Verletzung von Art. 134 Abs. 2 StPO sowie seines grundrechtlichen Anspruchs auf wirksame Verteidigung (Art. 29 Abs. 3 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK). Er hatte schon vorinstanzlich insbesondere geltend gemacht, seine damalige amtliche Verteidigerin habe an seiner polizeilichen Befragung vom 13. März 2020 und an vier für ihn haftrelevanten Einvernahmen von Mitbeschuldigten nicht teilgenommen und sich übermässig durch unerfahrene Anwaltspraktikant(inn)en substituieren lassen. Er bringt erneut vor, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seiner früheren Offizialverteidigerin sei «an sich längst nachweislich und unwiderruflich zerstört». Dies allein reiche «für den beantragten Widerruf der amtlichen Verteidigung aus». (E.3)
Das Bundesgericht führt zum Thema der Verteidigung Folgendes im Urteil 1B_450/2022 vom 30. Mai 2023 aus:
«Die beschuldigte Person muss nach Art. 130 StPO (notwendig) verteidigt werden, wenn die Untersuchungshaft einschliesslich einer vorläufigen Festnahme mehr als 10 Tage gedauert hat (lit. a) oder ihr eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung droht (lit. b). Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, so achtet die Verfahrensleitung darauf, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird (Art. 131 Abs. 1 StPO). Sind die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung bei Einleitung des Vorverfahrens erfüllt, so ist die Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung, sicherzustellen (Art. 131 Abs. 2 StPO). In den Fällen der notwendigen Verteidigung ordnet die Verfahrensleitung eine amtliche Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person trotz Aufforderung der Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung bestimmt (Art. 132 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 StPO). Die amtliche Verteidigung wird von der im jeweiligen Verfahrensstadium zuständigen Verfahrensleitung bestellt (Art. 133 Abs. 1 StPO). Die Verfahrensleitung berücksichtigt bei der Bestellung der amtlichen Verteidigung nach Möglichkeit die Wünsche der beschuldigten Person (Art. 133 Abs. 2 StPO). Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person (Art. 134 Abs. 2 StPO).» (E.4.1)
«Die Vorschrift von Art. 134 Abs. 2 StPO trägt dem Umstand Rechnung, dass eine engagierte und effiziente Verteidigung nicht nur bei objektiver Pflichtverletzung der Verteidigung sondern bereits bei erheblich gestörtem Vertrauensverhältnis beeinträchtigt sein kann. Dahinter steht die Idee, dass eine amtliche Verteidigung in jenen Fällen auszuwechseln ist, in denen auch eine privat verteidigte beschuldigte Person einen Wechsel der Verteidigung vornehmen würde. Wird die subjektive Sichtweise der beschuldigten Person in den Vordergrund gestellt, bedeutet dies aber nicht, dass allein deren Empfinden für einen Wechsel der Rechtsvertretung ausreicht. Vielmehr muss die Störung des Vertrauensverhältnisses mit konkreten Hinweisen belegt und objektiviert werden (BGE 138 IV 161 E. 2.4). In den Grenzen einer sorgfältigen und effizienten Ausübung des Offizialmandates ist die Wahl der Verteidigungsstrategie grundsätzlich Aufgabe der amtlichen Verteidigung. Zwar hat sie die objektiven Interessen der beschuldigten Person möglichst im gegenseitigen Einvernehmen und in Absprache mit dieser zu wahren. Die Offizialverteidigung agiert jedoch im Strafprozess nicht als blosses unkritisches „Sprachrohr“ ihrer Mandantschaft. Insbesondere liegt es im pflichtgemässen Ermessen der amtlichen Verteidigung zu entscheiden, welche Prozessvorkehren und juristischen Standpunkte sie (im Zweifelsfall) als sachgerecht und geboten erachtet (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa; 194 E. 3d; 116 Ia 102 E. 4b/bb; Urteile 1B_479/2022 vom 21. März 2023 E. 2.2 und 2.7; 1B_398/2013 vom 22. Januar 2014 E. 2.1).» (E.4.2)
Zum konkreten Fall äussert sich das Bundesgericht im Urteil 1B_450/2022 vom 30. Mai 2023 u.a. wie folgt:
«Zwar bestehen im vorliegenden Fall gewisse objektive Anhaltspunkte, wonach der Beschwerdeführer das notwendige Vertrauen in seine damalige amtliche Verteidigerin (bis ca. Sommer 2021) allmählich verloren hat. Dies gilt für die aus seiner Sicht auffällig häufige Vertretung der amtlichen Verteidigung durch Anwaltspraktikant(inn)en oder für einzelne Befragungen, an denen die Offizialverteidigerin nicht persönlich teilgenommen hatte. Dass aber in der Zeit zwischen dem 14. April 2020 (Gesuch um Wechsel der Offizialverteidigung) und dem 4. August 2021 überhaupt keine wirksame Verteidigung gewährleistet gewesen wäre, weshalb sich ein Wechsel auch noch rückwirkend ab 14. April 2020 von Bundesrechts wegen aufdrängen würde, ist hier nicht nachvollziehbar dargetan: Anders als im Fall, der dem Urteil 1B_479/2022 zugrunde lag, haben die kantonalen Instanzen hier den Verteidigerwechsel ab 5. August 2021 (ex nunc) bewilligt. Wie die Vorinstanz zudem gestützt auf die Akten zutreffend feststellt, war der Beschwerdeführer nicht nur durch seine amtliche Verteidigerin verbeiständet. Zusätzlich liess er sich zwischen dem 14. April 2020 und dem 4. August 2021 auch noch durch seine Wahlverteidigerin privat vertreten. Wie die Staatsanwaltschaft schon in ihrer Verfügung vom 5. August 2021 (betreffend Einsetzung der neuen Offizialverteidigung) darlegte, hatte die Wahlverteidigerin in diesem Zeitraum an diversen Einvernahmen teilgenommen und „sich aktiv an der Strafuntersuchung engagiert“. Schon am 23. Oktober 2020 hatte die Staatsanwaltschaft – auf ausdrücklichen Antrag der Wahlverteidigerin vom 7. Oktober 2020 hin – sodann die Sistierung der bisherigen amtlichen Verteidigung (ab dem 1. November 2020) und die Fortsetzung der Strafuntersuchung unter weiterer Zulassung der privat mandatierten Wahlverteidigerin genehmigt.
Weiter fällt ins Gewicht, dass keine schweren prozessualen Versäumnisse der früheren amtlichen Verteidigerin im fraglichen Zeitraum dargetan sind. Die Staatsanwaltschaft hat den Wechsel der Offizialverteidigung nicht damit begründet, dass der bisherigen amtlichen Verteidigerin irgendwelche fachliche Fehler oder Verfahrensversäumnisse vorzuwerfen gewesen wären. Als Wechselgrund nannte die Verfahrensleitung vielmehr den Umstand, dass der Beschuldigte seit dem 14. April 2020 „jegliche Zusammenarbeit mit der eingesetzten amtlichen Verteidigerin verweigert“ habe. Seine schon damals für ihn tätige Wahlverteidigerin, der gegenüber er sein persönliches Vertrauen ausgedrückt habe, sei indessen mit der Strafuntersuchung bestens vertraut gewesen. Auch die bisherige amtliche Verteidigerin habe sich deshalb mit ihrer definitiven Ablösung per 5. August 2021 einverstanden erklärt.» (E.5.2).
Zur Substitution durch Anwaltspraktikantinnen und Anwaltspraktikanten erklärt das Bundesgericht im Urteil 1B_450/2022 vom 30. Mai 2023:
«Auch betreffend den Einsatz von zwei Anwaltspraktikanten und zwei Anwaltspraktikantinnen (nachfolgend: Praktikanten) ist kein schwerer Verfahrensfehler der amtlichen Verteidigerin dargetan. Wie das Bundesgericht bereits in seinem konnexen Urteil 1B_470/2020 vom 22. Dezember 2020 (E. 3.1-3.2) erwog, sind zur forensischen Berufsausübung zugelassene Praktikanten grundsätzlich befugt, unter Anleitung und enger Beaufsichtigung des mandatierten Anwaltes bzw. der Anwältin als Substituten der Offizialverteidigung tätig zu sein. Ergänzend weist die Vorinstanz insbesondere auf Folgendes hin: Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, die damalige Offizialverteidigerin habe sich an 19 Einvernahmen durch insgesamt vier verschiedene Rechtspraktikanten vertreten lassen; er habe sich daher ungenügend verteidigt gefühlt. Die Praktikanten seien seiner Ansicht nach unerfahren und „massiv unterqualifiziert“ gewesen, was sich darin manifestiert habe, dass sie an 11 von 19 Einvernahmen „keine bzw. kaum Ergänzungsfragen“ gestellt hätten. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht substanziiert, dass die fraglichen vier Praktikant (inn) en sowohl über eine abgeschlossene juristische Universitätsausbildung (MLaw) als auch über eine forensische Praktikantenbewilligung verfügten. Wie das Obergericht unter Hinweis auf die Akten feststellt, haben zwei der Praktikantinnen, die der Beschwerdeführer als unerfahren bezeichnet, vor dem Antritt ihres Anwaltspraktikums auch noch mehrmonatige Gerichtspraktika bzw. (in einem Fall) ein zusätzliches Praktikum bei der Staatsanwaltschaft Luzern absolviert. Alle vier Praktikant (inn) en wurden nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz durch die verfahrensleitende Nidwaldner Staatsanwaltschaft in den betroffenen Strafuntersuchungen zugelassen. Der Ansicht des Beschwerdeführers, alle Praktikanten seien in ihrer Funktion als juristische Mitarbeiter und Substituten der amtlichen Verteidigerin „massiv unterqualifiziert bzw. schlicht unqualifiziert“ gewesen, ist nicht zu folgen. Er stellt auch nicht in Abrede, dass die Offizialverteidigung, welche sich auf mehr als ein dutzend konnexe Strafuntersuchungen mit über hundert Einvernahmen erstreckte, ausserordentlich aufwändig war, was den gezielten Rückgriff auf geeignetes juristisches Personal für einzelne Verfahrenshandlungen nahe legte. Er räumt im Gegenteil ein, es habe sich um 14 Verfahren gehandelt, mit „sehr umfangreichen, separat geführten aber inhaltlich verwobenen Akten und komplexen rechtlichen Fragestellungen“. Dass die amtliche Verteidigerin ihr Mandat nicht in eigener Verantwortung koordiniert und ihre Praktikanten nicht fachlich angeleitet und beaufsichtigt hätte, ist weder ausreichend dargetan noch aus den Akten ersichtlich. Der Vorinstanz ist auch darin zuzustimmen, dass der blosse teilweise Verzicht auf Ergänzungsfragen (bzw. auf eine grössere Zahl von Ergänzungsfragen) noch kein prozessuales Versäumnis, geschweige denn eine Pflichtwidrigkeit der Praktikanten zu begründen vermöchte. Schliesslich räumt der Beschwerdeführer ausdrücklich ein, dass die Offizialverteidigerin spätestens „ab dem 25. November 2019“ keine Praktikant (inn) en mehr an Einvernahmen delegierte, sondern ihn ab diesem Zeitpunkt stets persönlich vertrat. Er legt allerdings nicht nachvollziehbar dar, inwiefern er ab dem 14. April 2020 dennoch nicht wirksam verteidigt worden sein sollte, weshalb seiner Ansicht nach eine Rückwirkung der neuen Offizialverteidigung geboten wäre.» (E.5.4)