Sachverhalt
In der Zeit von Januar 2018 bis Januar 2019 forderte die B. AG mit Sitz in Chur mittels Zahlungsaufforderungen und Mahnungen insgesamt sieben natürliche und juristische Personen in der Schweiz zur Zahlung von Bussen (inkl. Kosten) wegen Verkehrsregelverletzungen in Italien auf. In den betreffenden Inkassoschreiben gab die B. AG an, dass sie von der C. S.r.l. mit dem Inkasso der Verkehrsbussen für italienische Polizeibehörden beauftragt worden sei. Dabei verlangte sie die Überweisung eines Geldbetrags für Bussen, Kosten und juristische Dienstleistungen auf ein Konto der B. AG. Für den Fall, dass keine Zahlung erfolgen sollte, wies sie darauf hin, dass die italienischen Behörden die Fahrzeughalter bei der nächsten Reise nach Italien anhalten und für den geschuldeten Betrag die Zwangsvollstreckung nach italienischem Recht durchführen könnten. Diesfalls wäre ein signifikant höherer Betrag geschuldet und würden die vorgesehenen Massnahmen weit drastischer ausfallen als in der Schweiz. Weitere Kosten würden nur durch die geforderte Geldüberweisung verhindert. Die so eingetriebenen Bussengelder leitete die B. AG abzüglich einer Provision von ca. 13 % an die C. S.r.l. zugunsten der italienischen Gemeindepolizeibehörden weiter. Die Bundesanwaltschaft wirft den Verwaltungsräten der B. AG, A. und D., vor, die Inkassohandlungen auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung vorgenommen zu haben.
Instanzenzug
Am 15. Juli 2021 erliess die Bundesanwaltschaft gegen A. und D. je einen Strafbefehl und erklärte sie der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 1 StGB) schuldig.
Der A. und der D. erhoben jeweils Einsprache gegen die sie betreffenden Strafbefehle. In der Folge bestätigte die Strafkammer des Bundesstrafgerichts mit Urteil vom 30. November 2021 die Schuldsprüche gemäss Strafbefehl. Sie verurteilte die beiden Beschuldigten je zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 300.– bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 9’000.–. Den Antrag der Bundesanwaltschaft auf Begründung einer Ersatzforderung wies sie ab und die von dieser verfügte Beschlagnahme eines Kontos der B.
Gegen dieses Urteil erhoben A. und D. Berufung. An der Berufungsverhandlung vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts vom 13. Mai 2022 erschienen die beiden Beschuldigten unentschuldigt nicht. Am 5. Oktober 2022 fand eine weitere Berufungsverhandlung statt, an welcher die Beschuldigten wiederum unentschuldigt nicht teilnahmen. Ihre Verteidiger waren bei beiden Verhandlungen anwesend. Mit Urteil vom 6. Oktober 2022 sprach die Berufungskammer A. und D. der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat schuldig und bestrafte beide mit einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.– (Probezeit zwei Jahre) und mit einer Busse von Fr. 3’000.–.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, in Aufhebung des Berufungsurteils sei er von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Bundesanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung. Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Im Übrigen verzichtet sie unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid ebenfalls auf eine Stellungnahme. Der beantragte Aktenbeizug ist praxisgemäss erfolgt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_686/2023 vom 23. September 2024
Der Beschwerdeführer wehrt sich vor Bundesgericht gegen die Verurteilung wegen mehrfacher verbotener Handlungen für einen fremden Staat und macht unter anderem eine Verletzung des Legalitätsprinzips geltend (E.2).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_686/2023 vom 23. September 2024 wie folgt:
«Gemäss Art. 271 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen. Durch die Bestimmung sollen die Ausübung fremder Staatsgewalt auf dem Gebiet der Schweiz verhindert und das staatliche Machtmonopol und die schweizerische Souveränität geschützt werden. Angegriffen wird mit einer Verletzung der Bestimmung der Anspruch der Schweiz, dass staatliches Handeln auf ihrem Gebiet allein durch ihre Institutionen vorgenommen wird (BGE 148 IV 66 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Eine einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung ist – unbekümmert, ob ein Beamter dabei tätig wurde – jede Handlung, die für sich betrachtet, nach ihrem Wesen und Zweck als Amtstätigkeit charakterisiert wird. Entscheidend ist mithin nicht die Person der Täterschaft, sondern der amtliche Charakter der Handlung. Bei der Bestimmung des strafbaren Charakters ist danach zu fragen, ob die betreffende Handlung geeignet ist, die „staatliche Herrschaftssphäre“ zu gefährden. Die Qualifikation einer Handlung als Amtshandlung hat dabei nach schweizerischer Rechtsauffassung zu erfolgen (BGE 148 IV 66 E. 1.4.1 und 1.4.2 mit Hinweisen). Die strafbare Handlung muss für einen fremden Staat, das heisst in dessen Interesse, erfolgen. Der Tatbestand erfasst schliesslich nur diejenigen Handlungen, die ohne staatliche Bewilligung vorgenommen werden. Über entsprechende Bewilligungen nach Art. 271 Ziff. 1 StGB zur Vornahme von Handlungen für einen fremden Staat entscheiden die Departemente und die Bundeskanzlei in ihrem Bereich (Art. 31 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 [RVOV; SR 172.010.1]; BGE 148 IV 66 E. 1.4.1 mit Hinweisen).» (E.2.1).
«Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt (Art. 1 StGB). Der Grundsatz der Legalität („nulla poena sine lege“) ist auch in Art. 7 EMRK ausdrücklich verankert und ergibt sich ferner aus Art. 5 Abs. 1, Art. 9 und Art. 164 Abs. 1 lit. c BV (BGE 138 IV 13 E. 4.1 mit Hinweis). Der Grundsatz ist verletzt, wenn jemand wegen eines Verhaltens strafrechtlich verfolgt wird, das im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet wird, wenn das Gericht ein Verhalten unter eine Strafnorm subsumiert, unter welche es auch bei weitestgehender Auslegung der Bestimmung nach den massgebenden Grundsätzen nicht subsumiert werden kann oder wenn jemand in Anwendung einer Strafbestimmung verfolgt wird, die rechtlich keinen Bestand hat (BGE 144 I 242 E. 3.1.2; 139 I 72 E. 8.2.1; 138 IV 13 E. 4.1; je mit Hinweisen).
Als Teilgehalt des Legalitätsprinzips verlangt das Bestimmtheitsgebot („nulla poena sine lege certa“) eine hinreichend genaue Umschreibung der Straftatbestände. Das Gesetz muss so präzise formuliert sein, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen können (BGE 144 I 242 E. 3.1.2; 138 IV 13 E. 4.1 mit Hinweisen). Das Gebot nach Bestimmtheit rechtlicher Normen darf indessen nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Er hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (BGE 139 I 72 E. 8.2.1; 138 IV 13 E. 4.1; je mit Hinweisen).» (E.2.2).
«Mit Urteil 7B_72/2023 vom 29. April 2024 hatte das Bundesgericht einen ähnlich gelagerten Fall zu beurteilen, bei dem es ebenfalls um das Inkasso von Bussengeldern italienischer Gemeindebehörden durch ein privates Unternehmen auf schweizerischem Territorium ging. Nach einlässlicher Auseinandersetzung mit dem internationalen Rechtshilferecht kam das Bundesgericht dabei zum Schluss, dass der Schuldspruch wegen verbotener Handlungen für einen fremden Staat das Legalitätsprinzip verletze. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus was folgt:
Handlungen, die auf schweizerischem Hoheitsgebiet in Übereinstimmung mit dem internationalen Rechtshilferecht – sei es in Zivil- Straf- oder Verwaltungsrechtssachen – ausgeführt würden, gälten ipso facto als „bewilligt “ im Sinne von Art. 271 Ziff. 1 StGB (a.a.O., E. 3.2.3 und 3.4.1 mit Hinweisen). Ob die Zustellung von Schreiben, mit welchen die Adressaten zur Bezahlung italienischer Bussengelder aufgefordert werden, nach internationalem Rechtshilferecht zulässig sei, scheine nicht restlos klar. Dies hänge davon ab, ob die Schreiben als direkte Zustellung eines italienischen Urteils über eine Übertretung von Strassenverkehrsvorschriften (vgl. Art. 68 Abs. 2 des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981 [IRSG; SR 351.1] i.V.m. Art. 30 Abs. 2 der Rechtshilfeverordnung vom 24. Februar 1982 [IRSV; SR 351.11], siehe auch Art. XII Ziff. 1 des Vertrags zwischen der Schweiz und Italien vom 10. September 1998 zur Ergänzung des EUeR und zur Erleichterung seiner Anwendung [SR 0.351.945.41]) oder als – in der Schweiz verbotene – direkte Vollstreckung eines solchen Urteils (Exequatur, vgl. Art. 94 ff. IRSG) zu betrachten seien. In Ermangelung einer hinreichend klaren Antwort im internationalen Rechtshilferecht sei es für die Rechtsunterworfenen nicht möglich, die Folgen ihres Verhaltens mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen (a.a.O., E. 3.4 und 3.5; insbesondere E. 3.5.3).» (E.2.3).
«Gründe, den vorliegenden Fall anders zu behandeln, sind keine ersichtlich. Es ist umstritten und lässt sich ohne vertiefte juristische Abklärung nicht beurteilen, ob die Zahlungsaufforderungen bzw. Mahnungen als direkte Vollstreckung des italienischen Bussenbescheids oder lediglich als Fortsetzung der ursprünglichen Zustellung dieses Entscheids im Sinne eines Erinnerungsschreibens zu sehen sind. Insbesondere fehlt den umstrittenen Schreiben ein hinreichender Bezug zum Zwangsvollstreckungsrecht (vgl. Art. 35 Abs. 3 StGB und 442 Abs. 1 StPO); ein solcher lässt sich entgegen dem Dafürhalten der Vorinstanz aus den Begriffen „Inkasso“ und „einzuziehen“ allein nicht herleiten (so Urteil 7B_72/2023 vom 29. April 2024 E. 3.5.2). Für die Vollstreckung im Falle des Nichtbezahlens wird einzig auf das italienische Recht verwiesen, konkret auf die Vollstreckung „eventuell direkt vor Ort“ bei einer nächsten Einreise nach Italien. Angesichts dessen könnten die Schreiben unter Umständen auch als Wiederholung der Aufforderung, die Busse freiwillig zu bezahlen, interpretiert werden (a.a.O., E. 3.5.2). Dies gilt, wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, umso mehr, als auch im Ordnungsbussenverfahren bisweilen Mahnungen verschickt werden, bevor das ordentliche Verfahren eingeleitet wird (vgl. Urteil 6B_267/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 2.3). Diese unklaren, nur schwer zu überschaubaren rechtlichen Voraussetzungen stehen einem Schuldspruch entgegen. Daran ändert nichts, dass die B. AG vom Bundesamt für Justiz wiederholt darauf hingewiesen worden ist, dass das Busseninkasso zugunsten ausländischer Behörden in der Schweiz nicht erlaubt sei. Die entsprechenden Hinweise in Form dreier E-Mails vermögen die fehlende Bestimmtheit der Strafbestimmung nicht zu heilen. Das vorinstanzliche Erkenntnis verletzt demnach das Legalitätsprinzip gemäss Art. 1 StGB, was zum Freispruch des Beschwerdeführers führt.» (E.2.4).
Auf die weiteren Rügen im Urteil 7B_686/2023 vom 23. September 2024 wird hier nicht eingegangen (E.3).
Die Beschwerde ist durch das Bundesgericht teilweise gutzuheissen und der Beschwerdeführer ist vom Vorwurf der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat freizusprechen. […]. (E.4).