Sachverhalt
Der A. wurde von der Kantonspolizei Freiburg am 13. Februar 2022 um 1:50 Uhr beim Fahren eines Personenwagens in U. angehalten und kontrolliert. Nach zwei positiven Atem-Alkoholproben vor Ort und einer weiteren auf dem Polizeiposten wurde ihm unverzüglich ein provisorisches Fahrverbot auferlegt. Die damalige Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg (seit 1. Juli 2022: Amt für Strassenverkehr und Schifffahrt) verfügte am 16. Februar 2022 den vorsorglichen Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit. Gestützt auf ein ärztliches Attest ordnete sie am 3. März 2022 dessen provisorische Rückerstattung an. Als Bedingung sah sie jedoch vor, dass A. ein Gutachten eines Arztes bzw. eines Instituts mit der Anerkennungsstufe 4 einreiche, das seine Fahreignung bestätigt. Mit Strafbefehl vom 22. April 2022 wurde A. des Fahrens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand (0.94 mg/l; qualifizierte Atemalkoholkonzentration) für schuldig befunden. Diesen Strafbefehl focht er nicht an. Das Institut für Rechtsmedizin (IRM) in Bern erstattete am 27. September 2022 ein verkehrsmedizinisches Gutachten. Die Gutachterin kam darin zusammengefasst zum Schluss, die Fahreignung von A. könne aus verkehrsmedizinischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bejaht werden. Am 6. Dezember 2022 verfügte das Amt für Strassenverkehr und Schifffahrt den Sicherungsentzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch für drei Monate. Die Rückerstattung nach Ablauf der Sperrfrist machte es von der Einhaltung einer Alkoholabstinenz während mindestens sechs Monaten abhängig. Dagegen gelangte A. ans Kantonsgericht Freiburg, das seine Beschwerde mit Urteil vom 11. April 2023 jedoch abwies.
Weiterzug ans Bundesgericht
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 15. Mai 2023 beantragt A., das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und ihm sei der Führerausweis zurückzugeben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen und dieses anzuweisen, den Entzug des Führerausweises für maximal drei Monate zu verfügen und den Führerausweis zurückzuerstatten. Das Kantonsgericht und das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Amt für Strassenverkehr und Schifffahrt hat in der Sache keinen Antrag gestellt. Mit Präsidialverfügung vom 6. Juni 2023 hat das Bundesgericht den Antrag des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 1C_231/2023 vom 27. Mai 2024
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht geltend, das verkehrsmedizinische Gutachten sei weder schlüssig noch vollständig. Es sei deshalb willkürlich, darauf abzustellen. Weiter argumentiert er: «Die Annahme fehlender Fahreignung verletze Art. 16d Abs. 1 lit. a und b SVG. Wenn der erhobene EtG-Wert richtig wäre, müsste ein entsprechender Alkoholkonsum zwingend in der Krankengeschichte dokumentiert sein. Dieser seien jedoch keine Hinweise auf einen problematischen Alkoholkonsum zu entnehmen. Unvereinbar sei der EtG-Wert auch mit seiner erfolgreichen beruflichen Tätigkeit, seinem sportlichen Engagement und dem Fehlen von organischen Befunden. Er sei physisch und psychisch in einem ausgezeichneten Zustand. Für die Zeitspanne von zwei bis drei Wochen vor der Begutachtung hätten die alkoholrelevanten Parameter der Blutanalyse im jeweiligen Referenzbereich gelegen. Es bestünden somit objektive Zweifel an den Ergebnissen der Haaranalyse. Darüber hinaus fehle im Gutachten eine gründliche Aufarbeitung der Trunkenheitsfahrt und eine spezifische Alkoholanamnese (betreffend Trinkverhalten bzw. Muster und Motivationen des Alkoholkonsums). Da er keine Vorstrafen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand aufweise, sei davon auszugehen, dass es sich beim Vorfall vom 13. Februar 2022 um eine einmalige Entgleisung handle; allenfalls sei er damals nicht zurechnungsfähig gewesen. Damit bleibe als Grundlage für den Führerausweisentzug nur die Haaranalyse, was jedoch gemäss der Rechtsprechung nicht ausreiche. Schliesslich sei auch willkürlich, wenn die bei ihm bestehenden Hauterscheinungen (Teleangiektasien) von der Vorinstanz in ihrer Gesamtschau berücksichtigt worden seien, obwohl die Gutachterin in ihrem ergänzenden Bericht davon Abstand genommen habe.» (E.3.1).
Das Bundesgericht äussert sich zunächst generell-abstrakt im Urteil 1C_231/2023 vom 27. Mai 2024 wie folgt:
«Motorfahrzeugführer müssen über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen (Art. 14 Abs. 1 SVG). Die Fahreignung setzt unter anderem voraus, dass die Person frei von einer Sucht ist, die das sichere Führen von Motorfahrzeugen beeinträchtigt (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG). Führerausweise sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Wegen fehlender Fahreignung wird einer Person der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). In der Rechsprechung wird eine Trunksucht bejaht, wenn die betroffene Person regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass ihre Fahrfähigkeit vermindert wird und sie diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden oder zu kontrollieren vermag. Auf eine fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, Alkoholkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die naheliegende Gefahr besteht, dass sie im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Der Suchtbegriff des Verkehrsrechts deckt sich nicht mit dem medizinischen Begriff der Alkoholabhängigkeit. Auch bloss suchtgefährdete Personen, bei denen aber jedenfalls ein Alkoholmissbrauch vorliegt, können vom Führen eines Motorfahrzeugs ferngehalten werden (zum Ganzen: BGE 129 II 82 E. 4.1; Urteil 1C_284/2022 vom 13. September 2023 E. 2.1.2; je mit Hinweisen).Ist die Fahreignung nicht mehr gegeben, muss ein Sicherungsentzug zwingend angeordnet werden. Als schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich der betroffenen Person setzt er eine sorgfältige Abklärung aller wesentlichen Gesichtspunkte voraus (BGE 133 II 384 E. 3.1 mit Hinweisen). Der Umfang der Nachforschungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde (BGE 129 II 82 E. 2.2). Zu den Abklärungen, die sich vor einem allfälligen Sicherungsentzug regelmässig aufdrängen, gehören die einlässliche Prüfung der persönlichen Verhältnisse (die in begründeten Fällen auch die Einholung von Fremdberichten einschliessen kann), die gründliche Aufarbeitung allfälliger Trunkenheitsfahrten, eine spezifische Alkoholanamnese (betreffend Trinkverhalten bzw. Muster und Motivationen des Alkoholkonsums) sowie eine umfassende medizinische körperliche Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf mögliche alkoholbedingte Veränderungen oder gesundheitliche Störungen (zum Ganzen: Urteil 1C_284/2022 vom 13. September 2023 E. 2.1.2).» (E.3.2).
«Das Bundesgericht anerkennt die Haaranalyse als geeignetes Mittel sowohl zum Nachweis eines übermässigen Alkoholkonsums als auch der Einhaltung einer Abstinenzverpflichtung. Biochemische Analyseresultate von Haarproben betreffend das Trinkalkohol-Stoffwechselprodukt Ethylglucuronid (EtG) erlauben objektive Rückschlüsse auf den Alkoholkonsum eines Probanden während einer bestimmten Zeit. Die Haaranalyse gibt direkten Aufschluss über den Alkoholkonsum. Nach dem Alkoholgenuss wird das Abbauprodukt EtG im Haar eingelagert und erlaubt über ein grösseres Zeitfenster als bei einer Blutuntersuchung Aussagen über den erfolgten Konsum. Die festgestellte EtG-Konzentration korreliert mit der aufgenommenen Menge an Trinkalkohol. Aufgrund des Kopfhaar-Längenwachstums von rund einem Zentimeter pro Monat lassen sich Aussagen über den Alkoholkonsum während der entsprechenden Zeitspanne vor der Haarentnahme machen. EtG-Werte ab 7 pg/mg, aber unterhalb von 30 pg/mg sprechen für einen moderaten, Werte oberhalb von 30 pg/mg für einen übermässigen Alkoholkonsum. Das Ergebnis einer gutachterlichen Haaranalyse ist für die Behörden grundsätzlich verbindlich. Ein Abweichen davon ist nur zulässig, wenn die Zuverlässigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft in Frage gestellt wird (zum Ganzen: BGE 140 II 334 E. 3 und 7 mit Hinweisen).» (E.3.3).
Fallbezogen fährt das Bundesgericht im Urteil 1C_231/2023 vom 27. Mai 2024 wie folgt weiter:
«Im Rahmen der verkehrsmedizinischen Begutachtung des Beschwerdeführers wurde eine Haaranalyse durchgeführt. Diese ergab für den Zeitraum von Anfang März bis Anfang Mai 2022 einen EtG-Wert von mehr als 100 pg/mg. Die Gutachterin hielt zudem im Gutachten vom 27. September 2022 fest, dass die beweissichere Atemalkohol-Messung vom 13. Februar 2022 0.94 mg/l ergeben habe, was einer Blutalkoholkonzentration von 1,88 Promille entspreche. In der Gesamtschau konstatierte sie, dass diagnostisch von einem persistierenden (d.h. andauernden), verkehrsrelevanten Alkoholmissbrauch ausgegangen werden müsse. Nachdem der Beschwerdeführer zum Gutachten Stellung genommen und verschiedene Einwände erhoben hatte, gab das Amt für Strassenverkehr und Schiffart der Gutachterin Gelegenheit mitzuteilen, ob sich gestützt darauf an ihren Schlussfolgerungen etwas änderte. Sie reichte am 30. November 2022 eine Stellungnahme ein, worin sie begründete, dass dies nicht der Fall sei. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob an der gutachterlichen Einschätzung, wie sie im Gutachten und seiner Ergänzung zum Ausdruck kommt, angesichts der Einwände des Beschwerdeführers ernsthafte Zweifel bestehen.» (E.3.4).
«Das Gutachten gibt unter dem Titel „Suchtmittelanamnese“ die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Trinkgewohnheiten und zur Motivation des Alkoholkonsums wieder. Diese fliessen auch in die Beurteilung mit ein. Dasselbe gilt für die Trunkenheitsfahrt vom 13. Februar 2022. Worin die vom Beschwerdeführer geforderte, darüber hinausgehende „gründliche Aufarbeitung“ bestehen sollte, ist nicht klar. Soweit er sich insofern auf die Möglichkeit einer Reduktion der Zurechnungsfähigkeit bezieht, ist zu betonen, dass es beim Sicherungsentzug – anders als im Strafverfahren – nicht darum geht, ob ein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten zu bejahen ist. Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit erübrigte sich deshalb. Zu Recht wies das Kantonsgericht in diesem Zusammenhang zudem darauf hin, dass im Administrativverfahren das Führen eines Motorfahrzeugs unter starkem Alkoholeinfluss vielmehr ein Hinweis auf Missbrauchstoleranz oder robuste Alkoholgewöhnung sein kann, was sich beweismässig für den Betroffenen ungünstig auswirkt (vgl. BGE 126 II 361 E. 3b mit Hinweisen). Das Vorbringen, ein übermässiger Alkoholkonsum müsste zwingend in der Krankengeschichte dokumentiert sein, hatte der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme zum Gutachten angeführt. Die Gutachterin hielt dem in ihrem ergänzenden Bericht in überzeugender Weise entgegen, dass nicht bekannt sei, ob der Beschwerdeführer mit den von ihm genannten Ärzten, die offenbar keine suchtspezifische Qualifikationen hätten, überhaupt über das Thema Alkohol gesprochen habe. In der Tat scheint keineswegs zwingend, dass ein Hausarzt Kenntnis vom übermässigen Alkoholkonsum seines Patienten hat. Weiter berücksichtigte die Gutachterin, dass der Beschwerdeführer zwei bis drei Wochen vor der Begutachtung nicht übermässig Alkohol konsumiert hatte, wobei sie diesem Umstand in ihrer Gesamtbetrachtung keine Bedeutung beimass. Auch ging sie auf die psychischen und körperlichen Untersuchungsbefunde ein. Sie beschrieb den Beschwerdeführer dabei als einen 62-jährigen Mann in „erhaltenem Allgemein- und normalem Ernährungszustand“. Diesen Befund vermag der Beschwerdeführer durch die Hinweise auf seine berufliche und sportliche Tätigkeit und angeblich ausgezeichnete Verfassung nicht in Frage zu stellen. Ob sich seine Angaben zu seiner Tätigkeit mit der in einem wissenschaftlichen Verfahren erhobenen Werten zum Alkoholkonsum vereinbaren lassen, betrifft eine verkehrsmedizinische Fachfrage. Da auch unter der Annahme, dass diese Angaben vollumfänglich zutreffen, jedenfalls kein offensichtlicher Widerspruch zur Diagnose eines verkehrsrelevanten Alkoholmissbrauchs besteht, gibt es auch insofern keinen triftigen Grund, vom Gutachten abzuweichen (vgl. dazu auch Urteil 1C_131/2022 vom 18. April 2023 E. 4.7.2, wo der damalige Beschwerdeführer ebenfalls erfolglos vorgebracht hatte, ein übermässiger Alkoholkonsum wäre mit seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt, seinen Freizeitbeschäftigungen [u.a. Konzertpianist] und seinen politischen Ämtern unvereinbar). Nicht zu folgen ist zudem den Relativierungen der Bedeutung des Vorfalls vom 13. Februar 2022 und der Behauptung, damit bleibe als Grundlage für den Führerausweisentzug nur die Haaranalyse. Vielmehr ist insoweit zusammen mit der Gutachterin davon auszugehen, dass die Trunkenheitsfahrt des Beschwerdeführers die Verkehrsrelevanz seines Alkoholkonsums belegt. Das Kantonsgericht wies zudem zu Recht darauf hin, dass es sich in dieser Hinsicht anders verhalte als im bundesgerichtlichen Urteil 1C_128/2020 vom 29. September 2020, wo es zu einer spontanen Meldung durch einen Arzt gekommen war, ohne dass der damals vom Sicherungsentzug Betroffene durch ein verkehrsrechtliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit Alkohol aufgefallen wäre. Unzutreffend ist weiter der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe die bei ihm bestehenden Hauterscheinungen (Teleangiektasien) in ihrer Gesamtschau berücksichtigt, obwohl die Gutachterin in ihrem ergänzenden Bericht davon Abstand genommen habe. Vielmehr legte das Kantonsgericht dar, dass die Gutachterin die Fehldiagnose im Ergänzungsbericht eingeräumt, jedoch auch darauf hingewiesen habe, dass Teleangiektasien in Bezug auf übermässigen Alkoholkonsum ohnehin lediglich ein hinweisender und nicht ein beweisender Charakter zukomme.» (E.3.5).
Das Bundesgericht weist im Urteil 1C_231/2023 vom 27. Mai 2024 die Beschwerde mit der folgenden Begründung ab:
«Es besteht somit kein triftiger Grund, von den gutachterlichen Einschätzungen abzuweichen (vgl. BGE 133 II 384 E. 4.2.3 mit Hinweisen). Da an deren Zuverlässigkeit unter Berücksichtigung der Vorbringen des Beschwerdeführers keine ernsthaften Zweifel bestehen, erscheinen auch keine zusätzlichen Beweiserhebungen geboten. Die Vorinstanz durfte deshalb willkürfrei davon absehen, die den Beschwerdeführer behandelnden Ärzte einzuvernehmen, seine Krankengeschichte zu edieren, gestützt darauf einen ergänzenden Bericht einzuholen und einen vergleichenden Phosphatidylethanol-Test anzuordnen (vgl. BGE 147 IV 534, E. 2.5.1; 141 I 60 E. 3.3; je mit Hinweisen). Die Beweiswürdigung durch das Kantonsgericht und der daraus gezogene Schluss, die Fahreignung sei zu verneinen, verletzen kein Bundesrecht.» (E.3.6).