Sachverhalt
Der als «Brian» bekannte Mann befand sich ab dem 1. April 2016 wegen des Vorwurfs der versuchten schweren Körperverletzung in verschiedenen Zürcher Gefängnissen in Untersuchungshaft, beziehungsweise im vorzeitigen Strafvollzug. Vom 6. bis 26. Januar 2017 wurde er nach wiederholten Problemen im Haftvollzug in der Sicherheitsabteilung des Bezirksgefängnisses Pfäffikon untergebracht.
Instanzenzug
2020 reichte er wegen der Haftbedingungen in diesem Zeitraum eine Klage gegen den Kanton Zürich ein und forderte 40’000 Franken Genugtuung. 2022 sprach ihm das Bezirksgericht Zürich eine Genugtuung von 1000 Franken zu (50 Franken pro Tag). Die Berufung ans Obergericht des Kantons Zürich blieb erfolglos.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_900/2022 vom 12. Juli 2024
Das Bundesgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde von «Brian» teilweise gut. Die Bemessung der Genugtuung erweist sich als willkürlich tief. Die Vorinstanz hat die Schwere des Verstosses gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, Verbot von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) nicht, beziehungs[1]weise unzutreffend gewürdigt. Die Sache wird zu neuem Entscheid ans Obergericht zurückgewiesen.
Ausgangspunkt für die Bemessung der Genugtuung bilden die konkreten Haftbedingungen sowie die Schwere und die Auswirkungen des Verstosses gegen Artikel 3 EMRK, beziehungsweise der daraus folgenden Persönlichkeitsverletzung. Der Beschwerdeführer trug während der 20 Tage Einzelhaft durchgehend Fussfesseln und verfügte über keinerlei Mobiliar (Tisch, Stuhl oder Bett). Er war nur mit einem sog. „Psychiatrie-Poncho“ bekleidet und verfügte über keine Unterwäsche. Weiter fehlten ihm wochenweise eine Matratze, eine Decke sowie Zugang zu Hygienemitteln, Beschäftigungsmöglichkeiten und Hofgang. Dass er in Einzelhaft verlegt wurde, ist angesichts seines äusserst aggressiven und unkooperativen Verhaltens und seiner wiederholten Drohungen gegen das Gefängnispersonal grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zudem ist anzuerkennen, dass das renitente Verhalten des Beschwerdeführers und die von ihm ausgehende Gefahr die Vollzugsbehörden vor grosse Schwierigkeiten stellten. Auch in einer solchen Situation sind die Behörden jedoch verpflichtet, alles Mögliche vorzukehren, um menschenrechtskonforme Haftbedingungen zu gewährleisten. Die Möglichkeit dazu hätte bestanden und die tatsächlichen Haftbedingungen liessen sich in verschiedener Hinsicht nicht rechtfertigen. Insgesamt liegt ein klarer Verstoss gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung vor. Daran ändert nichts, dass den Gefängnismitarbeitenden keine Absicht zur Demütigung oder zur Erniedrigung des Beschwerdeführers vorgeworfen werden kann. Die Haftsituation war zurückzuführen auf eine Überforderung im Umgang mit dem Inhaftierten sowie auf ungenügende Betriebsabläufe und eine ungenügende Gefängnisinfrastruktur. Das Bundesgericht hat eine Genugtuung von 50 Franken pro Tag als angemessen erachtet in einem Fall, wo lediglich ein Element der Haftbedingungen zu beanstanden war. Im vorliegenden Fall unterlag der Beschwerdeführer einer Reihe unzulässiger Einschränkungen. Die kantonalen Behörden haben der Vielzahl an unzulässigen Einschränkungen zu wenig Rechnung getragen und daher zu Unrecht eine Genugtuung von 50 Franken pro Tag festgesetzt. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass er Anspruch auf die von ihm geforderten 40’000 Franken hätte. Die kantonalen Behörden werden die Genugtuung unter Berücksichtigung sämtlicher Faktoren neu festzusetzen haben.
Hier sind die wichtigsten Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_900/2022 vom 12. Juli 2024:
«Nach Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 EMRK und Art. 7 UNO-Pakt II ist Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung verboten. Haftbedingungen verstossen dann gegen diese Bestimmungen, wenn sie ein höheres Mass an Erniedrigung oder Entwürdigung erreichen, als der Freiheitsentzug üblicherweise mit sich bringt. Der Staat muss sicherstellen, dass die betroffene Person in Haft nicht mehr leidet, als dies aufgrund der angewendeten Massnahmen unvermeidlich ist, und dass die Gesundheit und das Wohlergehen der Personen in Anbetracht der praktischen Erfordernisse der Inhaftierung angemessen gewährleistet sind (BGE 147 IV 55 E. 2.5.1; 140 I 246 E. 2.4.1; 140 I 125 E. 3.5 m.w.H.; Urteil des EGMR Kudla gegen Polen vom 26. Oktober 2000 [Nr. 30210/96] § 94). Bei der Beurteilung der Haftbedingungen unter Art. 3 EMRK sind die kumulativen Auswirkungen der Haftbedingungen, die Strenge der Massnahme, ihre Dauer, ihr Ziel und ihre Folgen für den Betroffenen zu berücksichtigen (Urteil des EGMR Piechowicz gegen Polen vom 17. April 2012 [Nr. 20071/07] § 163 m.w.H.). Ob eine konkrete Behandlung eines Gefangenen mit der Absicht erfolgt, das Opfer zu demütigen oder zu erniedrigen, ist ein Faktor, der berücksichtigt werden muss. Das Fehlen einer solchen Absicht alleine vermag eine Verletzung von Art. 3 EMRK jedoch nicht auszuschliessen (Urteile des EGMR Svinarkeno und Slyadnev gegen Russland vom 17. Juli 2014 [Nr. 32541/08 und 43441/08] § 114; V. gegen Vereinigtes Königreich vom 16. Dezember 1999 [Nr. 24888/94] § 71).» (E.6.1).
«Gemäss Art. 235 Abs. 1 StPO darf die strafprozessual inhaftierte Person in ihrer persönlichen Freiheit nicht stärker eingeschränkt werden, als es der Haftzweck sowie die Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt erfordern. Je höher im Einzelfall die Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr erscheint oder je stärker die Ordnung oder Sicherheit (namentlich des Gefängnispersonals oder der Mithäftlinge) in der Haftanstalt gefährdet ist, desto restriktiver kann in den Schranken der verfassungsmässigen Individualrechte das Regime der strafprozessualen Haft grundsätzlich ausfallen (BGE 143 I 241 E. 3.4; 141 I 141 E. 6.3.4, je mit Hinweisen; Urteil 1B_235/2022 vom 12. Juli 2022 E. 3.1). Die Gefährlichkeit eines Untersuchungsgefangenen kann somit seine Unterbringung (auch gegen seinen Willen) in Einzelhaft erforderlich machen, was für sich allein noch keine unmenschliche, Art. 10 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK verletzende Behandlung darstellt. Eine lang andauernde und vollständige soziale Isolierung des Gefangenen, die mit der weitgehenden Unterdrückung seiner natürlichen Sinneswahrnehmungen verbunden ist, stellt hingegen eine grundrechtswidrige Behandlung dar, welche mit Sicherheitsinteressen nicht zu rechtfertigen wäre (vgl. Urteil 1B_235/2022 vom 12. Juli 2022 E. 3.1 unter Hinweis auf BGE 147 IV 259 E. 3.2 und E. 3.7-3.8). Überdies verlangt ein menschenrechtskonformer Haftvollzug auch bei Hochsicherheitshaft soziale Kontakte nach aussen wie auch im Innern der Anstalt sowie eine sinnvolle Gestaltung des Tagesablaufs mit geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten (Urteil 1B_574/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 5.3 m.H.). Generell sind die Vollzugsbehörden zur Deeskalation verpflichtet und müssen bestrebt sein, ständig Alternativen zur Hochsicherheitshaft zu suchen und diese nur für die kürzest mögliche Dauer anzuordnen bzw. aufrechtzuerhalten (Urteil 1B_574/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 5.5 m.H.).» (E.6.2).
«Auch der EGMR anerkennt die Schwierigkeiten, die sich für die Vollzugsbehörden bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung einer Haftanstalt im Umgang mit Gefangenen ergeben können (vgl. Urteil des EGMR Shlykov und andere gegen Russland vom 19. Januar 2021 [Nr. 78638/11 etc.] § 90 m.w.H.). Entsprechend sind strengere Haftregime für gefährliche Gefangene, die auf einer Trennung dieser von der Gefangengemeinschaft in Verbindung mit verschärften Massnahmen basieren, nicht per se unvereinbar mit Art. 3 EMRK (vgl. Piechowicz gegen Polen, § 161 f.; EGMR Urteil Ramirez Sanchez gegen Frankreich vom 4. Juli 2006 [Nr. 59450/00] § 138). Die Vertragsstaaten müssen allerdings auch im Rahmen solcher Haftregime sicherstellen, dass das Leiden des Gefangenen nicht über das unvermeidliche Mass hinausgeht und die Gesundheit und das Wohlergehen der Personen in Anbetracht der praktischen Erfordernisse der Inhaftierung angemessen gewährleistet sind. Der EGMR nimmt dabei eine Art Interessenabwägung bei der Prüfung vor, ob ein staatliches Verhalten die für einen unter Art. 3 EMRK subsumierbaren Eingriff erforderliche Schwere erreicht (vgl. Piechowicz gegen Polen, § 162; vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Aufl. 2021, § 20 Rz. 54).» (E.6.3).
«Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II sowie Art. 13 der Anti-Folter-Konvention (SR 0.105) einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 141 IV 349 E. 3.4.2; 138 IV 86 E. 3.1.1). Dieser verlangt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR eine Kombination von präventiven und kompensatorischen Rechtsbehelfen: Der präventive Rechtsbehelf muss ermöglichen, einen andauernden Verstoss gegen Art. 3 EMRK zu beenden und eine Verbesserung der Haftbedingungen herbeizuführen. Nach Beendigung der beanstandeten Verletzung muss der betroffenen Person sodann ein Entschädigungsbehelf offenstehen (BGE 147 IV 55 E. 2.5.1 m.w.H.). Im Falle von rechtswidrigen Haftbedingungen muss somit insbesondere Zugang zu einer Behörde bestehen, die über die Frage der Entschädigung befindet (Urteil 6B_1097/2016 vom 13. September 2017 E. 3.4). Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang – in Anwendung von Art. 431 StPO (s. nachstehende E. 6.6) – befunden, dass aufgrund der fundamentalen Bedeutung des in Art. 3 EMRK statuierten Verbots der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung eine blosse Feststellung als Wiedergutmachung für eine Verletzung dieser Bestimmung kaum infrage kommt (BGE 140 I 246 E. 2.5.2).» (E.6.4).
«Nach Gesagtem trifft den Staat bei einem Verstoss gegen Art. 3 EMRK insbesondere eine sekundärrechtliche Folgenbeseitigungspflicht (Stefan Sinner, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Kommentar, 3. Aufl. 2022, Rz. 33 zu Art. 3 EMRK). Anders als Art. 5 Ziff. 5 EMRK, wonach eine inhaftierte Person bei Verstoss gegen die materiellen oder formellen Vorschriften von Art. 5 Ziff. 1-4 EMRK Anspruch auf Entschädigung hat, stellt Art. 3 EMRK indes keine eigenständige Haftungsnorm dar, die unabhängig des kantonalen oder bundesrechtlichen Staatshaftungsrechts zur Anwendung gelangt (vgl. BGE 129 I 139 E. 2; 125 I 394 E. 5a; Urteil 2C_523/2021 vom 25. April 2023 E. 4.2, nicht publiziert in: BGE 149 I 366). Auch Art. 41 EMRK vermittelt im innerstaatlichen Recht keine Anspruchsgrundlage für Staatshaftungsansprüche, sondern erlaubt es vielmehr dem EGMR (selbst) unter gewissen Voraussetzungen eine sog. gerechte Entschädigung zuzusprechen, wenn er eine Konventionsverletzung feststellt (vgl. BGE 142 I 42 E. 2.2; Rainer J. Schweizer, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender, Die schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, N. 33 zu Art. 35 BV).» (E.6.5).
«Innerstaatlich garantiert in erster Linie Art. 431 StPO einen Entschädigungsbehelf im Falle von rechtswidrigen Haftbedingungen: Nach dessen Abs. 1 spricht die Strafbehörde eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu, wenn gegenüber der beschuldigten Person rechtswidrig Zwangsmassnahmen angewandt worden sind. Gestützt darauf kann eine inhaftierte Person, deren Haftbedingungen gegen Art. 3 EMRK verstossen, Entschädigung und Genugtuung verlangen (vgl. BGE 147 IV 55 E. 2.5.2; 140 I 246 E. 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 431 StPO stellen Fr. 50.– pro Tag eine angemessene Genugtuung für die immaterielle Unbill dar, die eine Person dadurch erlitten hat, dass sie in Verletzung von Art. 3 EMRK während zehn Tagen in einer fensterlosen und durchgehend beleuchteten Zelle festgehalten wurde (BGE 140 I 246 E. 2.6.1). Den Betrag von Fr. 50.– pro Tag befand das Bundesgericht auch in einem anderen Fall als angemessen, in dem ein Inhaftierter in seiner Zelle entgegen den Vorgaben von Art. 3 EMRK über 3,83 m2 anstatt 4m2 verfügte (Urteil 6B_1057/2015 vom 25. Mai 2016 E. 5.3.3). In diesem Zusammenhang hielt das Bundesgericht zudem fest, dass eine Inhaftierung unter rechtswidrigen Haftbedingungen nach Art. 3 EMRK grundsätzlich eine geringere immaterielle Unbill bewirkt, als wenn sich die Inhaftierung als solche als rechtswidrig erweist. Insofern durfte das kantonale Gericht im dortigen Fall eine Genugtuung zusprechen, die vom Tagessatz von Fr. 200.–, der in der Regel bei rechtswidriger Haft gilt, abweicht (Urteil 6B_1057/2015 vom 25. Mai 2016 E. 5.3.3).
Die besondere bundesrechtliche Haftungsnorm von Art. 431 StPO gelangt nicht zur Anwendung, wenn das Strafverfahren wie vorliegend bereits abgeschlossen ist. Diesfalls ist die Frage, ob aufgrund rechtswidriger Haftbedingungen ein Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung besteht, grundsätzlich eine solche des kantonalen Staatshaftungsrechts (vgl. BGE 149 IV 266 E. 6.2; 148 I 145 E. 3.2; je m.w.H; s. nachstehende E. 6.7). Gleichwohl kann die oben dargestellte Rechtsprechung auch in solchen Fällen analog herangezogen werden.» (E.6.6).
«Gemäss § 6 Abs. 1 HG/ZH haftet der Kanton für den Schaden, den ein Angestellter in Ausübung amtlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. § 11 HG/ZH sieht ferner vor, dass wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, Anspruch auf Feststellung der Verletzung, auf Schadenersatz und, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist, auch auf Genugtuung hat. Für die Bemessung der Genugtuung aufgrund einer Persönlichkeitsverletzung nach § 11 HG/ZH sind die Grundsätze des (Bundes) Zivilrechts heranzuziehen, die als subsidiäres kantonales Recht zur Anwendung gelangen (vorstehende E. 2.2) Nach diesen Grundsätzen bezweckt die Genugtuung den Ausgleich für erlittene immaterielle Unbill, indem das Wohlbefinden anderweitig gesteigert oder die Beeinträchtigung erträglicher gemacht wird. Bemessungskriterien sind vor allem die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen, der Grad des Verschuldens des Haftpflichtigen, ein allfälliges Selbstverschulden des Geschädigten sowie die Aussicht auf Linderung des Schmerzes durch die Zahlung eines Geldbetrags (BGE 146 IV 231 E. 2.3.1; 141 III 97 E. 11.2; 132 II 117 E. 2.2.2). Die Festlegung der Genugtuungssumme beruht auf der Würdigung sämtlicher Umstände und richterlichem Ermessen (Art. 4 ZGB). In dieses greift das Bundesgericht mit Zurückhaltung ein. Es schreitet nur ein, wenn das Sachgericht grundlos von den in bewährter Lehre und Rechtsprechung anerkannten Bemessungsgrundsätzen abweicht, oder wenn Tatsachen berücksichtigt worden sind, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen oder umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen worden sind, die in den Entscheid hätten einbezogen werden müssen. Ausserdem greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig bzw. als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 146 IV 231 E. 2.3.1; 143 IV 339 E. 3.1).» (E.6.7).
«Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die dem Beschwerdeführer zugesprochene Genugtuung von Fr. 1’000.– (Fr. 50.– pro Tag) liege im Rahmen des Ermessensspielraums des Bezirksgerichts. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die Vorinstanz hätte ihm Fr. 40’000.– (zzgl. Zins) zusprechen müssen. Er rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 3 i.V.m. Art. 41 EMRK, Art. 28 ZGB i.V.m. Art. 49 OR sowie Art. 8 EMRK und Art. 10 BV.» (E.7).
«Soweit sich der Beschwerdeführer unmittelbar auf Art. 41 EMRK berufen will, übersieht er, dass diese Bestimmung keinen innerstaatlichen Schadenersatzanspruch vermittelt, sondern Grundlage für die gerechte Entschädigung bildet, die der EGMR bei Feststellung einer Konventionsverletzung seinerseits zusprechen kann (vorstehende E. 6.5). Was Art. 3 EMRK anbelangt, so besteht bei einer Verletzung dieser Bestimmung zwar eine sekundärrechtliche Folgenbeseitigungspflicht und der betroffenen Person muss insbesondere ein kompensatorischer Rechtsbehelf zur Verfügung stehen (vorstehende E. 6.4 f.). Diese konventionsrechtlichen Vorgaben werden vorliegend allerdings durch das kantonale Staatshaftungsrecht konkretisiert (vorstehende E. 6.7), dessen Anwendung das Bundesgericht nur auf Willkür hin prüft (vorstehende E. 2.1). Zu beurteilen ist folglich, ob die Bemessung der dem Beschwerdeführer zugesprochenen Genugtuung von Fr. 1000.– auf einer willkürlichen Anwendung von § 11 HG/ZH beruht.» (E.7.1).
«Ausgangspunkt dafür bilden die Haftbedingungen des Beschwerdeführers sowie die Schwere und die Auswirkungen des Verstosses gegen Art. 3 EMRK bzw. der daraus resultierenden Persönlichkeitsverletzung (vorstehende E. 6.7). Zusammengefasst befand sich der Beschwerdeführer vom 6. bis 26. Januar 2017 20 Tage in Einzelhaft. Er trug durchgehend Fussfesseln und verfügte über keinerlei Mobiliar (wie Tisch, Stuhl oder Bett). Er war nur mit einem Poncho bekleidet und ihm fehlte wochenweise eine Matratze bzw. eine Decke sowie Zugang zu Hygienemitteln, Beschäftigungsmöglichkeiten und Hofgang (vorstehende E. 5.2). Diese Haftsituation war im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Vollzugsbehörden die Zelle des Beschwerdeführers aus Sicherheitsgründen nicht öffneten und zudem befürchteten, Gegenstände (wie z.B. eine Zahnbürste, weitere Kleidung oder eine Decke) würden zweckentfremdet oder beschädigt.» (E.7.2).
«Es ist ausgewiesen, dass sich der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum äusserst aggressiv verhielt, nicht kooperierte und den Mitarbeitenden des Gefängnisses immer wieder drohte (vorstehende E. 5.3 f.). Zum Schutz des Gefängnispersonals, der Mitgefangenen aber auch des Beschwerdeführers selbst ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Vollzugsbehörden ihn im fraglichen Zeitraum in Einzelhaft verlegten. In Anbetracht der Ausnahmesituation erscheint es zudem vertretbar, dass der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum mit Ausnahme seines Anwaltes zumindest vorübergehend keine Besuche empfangen konnte. Auch darüber hinaus ist grundsätzlich anzuerkennen, dass das renitente Verhalten des Beschwerdeführers und die von ihm ausgehende Gefahr die Vollzugsbehörden vor grosse Schwierigkeiten stellten. Gleichwohl sind die Behörden auch bei sich sehr aggressiv verhaltenden Gefangenen verpflichtet, alles Mögliche zur Realisierung von menschenrechtskonformen Haftbedingungen vorzukehren (so betreffend den Beschwerdeführer bereits das Urteil 1B_574/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 5.6). Vorliegend ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass Möglichkeiten für eine alternative Ausgestaltung der Haftbedingungen bestanden hätten. Insoweit lassen sich die restriktiven Haftbedingungen des Beschwerdeführers in der Sicherheitsabteilung vom 6. bis 26. Januar 2017 in verschiedener Hinsicht nicht rechtfertigen:
Die Gefahr einer Sachbeschädigung bzw. Zweckentfremdung wiegt nicht hinreichend schwer, um dem Beschwerdeführer selbst eine minimale Ausstattung mit einer Matratze, einer Wolldecke (insbesondere bei Heizungsproblemen im Gefängnis), mit Unterwäsche oder mit einer Zahnbürste zu verweigern. Aber auch aus Sicherheitsgründen bestand hierzu kein Anlass. Erstens wäre es möglich gewesen, die Zelle des Beschwerdeführers bereits vor dessen Verlegung entsprechend auszustatten oder aber z.B. eine Wolldecke oder Zahnbürste ohne Öffnen der Zelltüre (durch die Essensklappe) abzugeben. Zweitens hätte sich – wie die Vorinstanz zu Recht festhielt – ein Polizeieinsatz zur nachträglichen Ausrüstung der Zelle mit einer Matratze und einer Wolldecke, zum Wechseln des Ponchos sowie zum Anziehen von Unterwäsche aufgedrängt (angefochtenes Urteil Abschnitt IV., E. 3.2.1 S. 17 f.). Die Vorinstanz wies überdies zu Recht darauf hin, dass ein Beizug der Polizei auch Hof- und Spaziergänge sowie Zugang zur Körperhygiene (Duschen) hätte ermöglichen können. Zwar lehnte der Beschwerdeführer einmal ein Angebot zum Duschen ab, und es erscheint mit Blick auf sein Verhalten auch nicht gesichert, ob er die Möglichkeit von Hof- und Spaziergängen tatsächlich in Anspruch genommen hätte bzw. hätte nehmen können. Jedoch hätten zumindest regelmässig Versuche dahin gehend unternommen werden müssen. In Bezug auf die (fehlenden) Beschäftigungsmöglichkeiten in der Einzelhaft überzeugt es auch nicht, dass dem Beschwerdeführer Briefe offenbar (mit Verzögerung) ausgehändigt wurden, nicht aber bspw. Lesematerial. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum ferner durchgehend Fussfesseln tragen musste, erscheint ebenfalls als unverhältnismässig, da hierfür innerhalb der Zelle – jedenfalls unter Berücksichtigung des möglichen Beizugs der Polizei – keine Notwendigkeit bestand. Zu betonen bleibt schliesslich, dass die Vollzugsbehörden die restriktiven Haftbedingungen nicht als Disziplinarmassnahmen verfügten. Die Vorinstanz wies in diesem Zusammenhang (willkürfrei) darauf hin, dass sich die Vollzugsbehörden ausserhalb des kantonal-rechtlichen Rahmens bewegten, indem sie gestützt auf das Verhalten des Beschwerdeführers eigenmächtig handelten, ohne ein formelles Disziplinarverfahren mit entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu eröffnen (angefochtenes Urteil Abschnitt II., E. 4.8 S. 31).» (E.7.3).
«Bereits isoliert betrachtet erreichen einzelne der Aspekte der Haft, wie z.B. die permanenten Fussfesseln oder die fehlende Minimalausstattung der Zelle, die Schwelle einer unmenschlichen Behandlung gemäss Art. 3 EMRK. Unter Berücksichtigung aller ungerechtfertigten bzw. unverhältnismässigen Einschränkungen und deren kumulativen Auswirkungen liegt sodann ein klarer Verstoss gegen Art. 3 EMRK vor. Daran ändert nichts, dass den Gefängnismitarbeitenden gestützt auf die tatsächlichen Feststellungen keine Demütigungs- oder Erniedrigungsabsicht vorgeworfen werden kann, sondern die Haftsituation auf eine Überforderung im Umgang mit dem Beschwerdeführer sowie ungenügende Betriebsabläufe und eine ungenügende Gefängnisinfrastruktur zurückzuführen war (s. zu diesen Mängeln angefochtenes Urteil Abschnitt II., E. 3.4 S. 24).» (E.7.4).
«Zwar anerkennt auch die Vorinstanz eine Verletzung von Art. 3 EMRK, doch verweist sie auf die bezirksgerichtlichen Ausführungen, wonach die Haftbedingungen des Beschwerdeführers die Schwelle von Art. 3 EMRK „nur knapp“ überschritten hätten (angefochtenes Urteil Abschnitt II., E. 3.2.1 S. 18). Zudem lässt sie selbst offen, ob die Schwelle zur Persönlichkeitsverletzung nur knapp oder leicht bis mittelschwer erreicht worden sei (angefochtenes Urteil Abschnitt II. E. 3.7 S. 26). Damit würdigt die Vorinstanz einen zentralen Faktor zur Bemessung der Genugtuung nicht bzw. unzutreffend, zumal die Schwere der Verletzung gerade Ausgangspunkt für die Bemessung der Genugtuung bildet. Hinzu kommt, dass die Vorinstanz auf ein sachfremdes Kriterium abstellt, wenn sie das renitente Verhalten des Beschwerdeführers als genugtuungsherabsetzend berücksichtigt. Das Verhalten eines Gefangenen in Haft und die von ihm ausgehende Gefahr sind für die Beurteilung der Haftbedingungen sowie der Schwere eines allfälligen Verstosses gegen Art. 3 EMRK wesentlich: Je grösser die von ihm ausgehende Gefahr und die verursachten Schwierigkeiten, desto eher rechtfertigen sich restriktive Haftbedingungen und desto tiefer ist auch die Schwelle für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK anzusiedeln. Ist allerdings ein Verstoss gegen Art. 3 EMRK wie hier ausgewiesen, kann dasselbe Verhalten nicht (zusätzlich) Anlass bilden, die Genugtuung – im Sinne eines Selbstverschuldens – zu reduzieren.» (E.7.5).
«Zusammengefasst hat die Vorinstanz die Genugtuung ohne hinreichende bzw. in unzutreffender Würdigung der Schwere des Verstosses gegen Art. 3 EMRK bestimmt. Die damit bereits zu tief angesetzte Genugtuung wurde zudem gestützt auf das Verhalten des Beschwerdeführers zusätzlich zu Unrecht herabgesetzt. Mit Blick auf die relevanten Grundsätze erweist sich diese Bemessung, trotz Ermessensspielraum der kantonalen Behörden, als unhaltbar und damit willkürlich. Der zugesprochene Betrag von insgesamt Fr. 1000.– kann nämlich auch im Ergebnis nicht als willkürfrei gelten: Es trifft zu, dass das Bundesgericht den vorliegend angewandten Tagessatz von Fr. 50.– bisher als eine angemessene Genugtuung für rechtswidrige Haftbedingungen i.S.v. Art. 3 EMRK erachtete (vorstehende E. 6.6). Im Unterschied zu diesen Fällen, in denen lediglich ein Element der Haftbedingungen zu beanstanden war (knapp unzureichende Grösse der Zelle; permanent beleuchtete Zelle) unterlag der Beschwerdeführer vorliegend einer Reihe von unzulässigen Einschränkungen (vorstehende E. 7.3 f.). Die von ihm erlittene immaterielle Unbill wiegt damit ungleich schwerer als diejenige, die der Bemessung der Genugtuung in den bislang beurteilten Fällen zugrunde lag. Dies durfte die Vorinstanz im Rahmen der Bestimmung des Tagessatzes nach pflichtgemässem Ermessen nicht unberücksichtigt lassen, ohne dass damit die Genugtuung auch im Ergebnis als willkürlich erscheint.» (E.7.6).
«Nach Gesagtem basiert die zugesprochene Genugtuung von Fr. 1000.– auf einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Haftungsrechts. Umgekehrt folgt daraus indes nicht, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Fr. 40’000.– (zzgl. Zins) hat, wie er geltend macht. Praxisgemäss bildet der Tagessatz von Fr. 200.–, den der Beschwerdeführer mit seiner Forderung um ein zehnfaches überschreitet, nur für eine rechtswidrige Inhaftierung die Regel, kann im Falle von rechtswidrigen Haftbedingungen hingegen grundsätzlich unterschritten werden (vorstehende E. 6.6). Entsprechend rechtfertigt es sich, die Sache zur Neubemessung der Genugtuung im Sinne der Erwägung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit der Bemessung der Genugtuung muss damit nicht näher eingegangen werden.» (E.7.7).