Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt ein Strafverfahren gegen A. wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls und gewerbsmässigen Betrugs. Sie wirft ihm vor, zwischen Oktober 2023 und dem 30. Januar 2024 zusammen mit seinem Bruder B. und einer weiteren Person diverse E-Bikes, Fahrräder und Baumaschinen entwendet, zwischengelagert und im Anschluss gewinnbringend ins Ausland exportiert zu haben. Zudem soll A. zwischen dem 21. Juli 2022 und dem 17. März 2023 seinem Bruder B. diversen vergoldeten Schmuck („Königsketten“) übergeben haben, welche dieser, teilweise in Begleitung von A., bei verschiedenen Juwelier- und Schmuckgeschäften als Echtgoldschmuck beziehungsweise Echtgoldketten veräussert bzw. zu veräussern versucht haben soll.
Die Staatsanwaltschaft stellte bei einer Hausdurchsuchung am Wohnort von B. unter anderem ein Mobiltelefon sicher, wobei nicht feststeht, ob dieses A. gehört. A. verlangte am 31. Januar 2024 die Siegelung, sofern es sich dabei tatsächlich um sein Telefon handle.
Instanzenzug
Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Gesuch vom 14. Februar 2024 die Entsiegelung und Durchsuchung des Mobiltelefons beim Kantonsgericht Schaffhausen. Dieses hiess den Antrag auf Entsiegelung mit Verfügung vom 8. März 2024 gut und gab das am 31. Januar 2024 versiegelte Mobiltelefon zur Durchsuchung und weiteren Verwendung frei.
Weiterzug ans Bundesgericht
Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen vor Bundesgericht, die Verfügung vom 8. März 2024 sei aufzuheben und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, das versiegelte Mobiltelefon zwecks Identifizierung vorzulegen. Es sei auf das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft nicht einzutreten; eventualiter sei es abzuweisen. Eventualiter sei ihm in Hinblick auf die „weitere Substantiierung der Stichwortliste“ unter Beizug einer übersetzenden Person Einsicht in die gesiegelten Daten zu gewähren. Subeventualiter sei das sichergestellte Mobiltelefon durch eine Fachperson im Beisein von ihm und seiner Rechtsvertreterin zu untersuchen und es sei darüber zu befinden, welche Daten für das Strafverfahren freizugeben seien. Subsubeventualiter sei unter Bezug externer, unabhängiger IT-Forensiker ein Triageverfahren durchzuführen. In prozessualer Hinsicht beantragt er die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung von Rechtsanwältin Orly Ben-Attia als unentgeltliche Rechtsbeiständin für das bundesgerichtliche Verfahren. Es wurden die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_384/2024 vom 18. März 2025
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_384/2024 vom 18. März 2025 generell-abstrakt einleitend wie folgt:
«Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen dürfen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen (Art. 246 StPO). Darunter fallen insbesondere Gegenstände einer beschuldigten Person oder einer Drittperson, die voraussichtlich als Beweismittel gebraucht werden (vgl. Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO). Nach Art. 264 Abs. 1 StPO dürfen jedoch gewisse Gegenstände und Aufzeichnungen – ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden und des Zeitpunktes, in welchen sie geschaffen worden sind – nicht beschlagnahmt werden. Dazu gehören insbesondere Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach Art. 170-173 StPO das Zeugnis verweigern können (wie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte) und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind (lit. c) und Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt nach dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist (lit. d).
Macht die Inhaberin oder der Inhaber geltend, bestimmte Aufzeichnungen oder Gegenstände dürften aufgrund von Art. 264 Abs. 1 StPO nicht beschlagnahmt werden, so versiegelt die Strafbehörde diese. Die Inhaberin oder der Inhaber hat das Siegelungsbegehren innert drei Tagen seit der Sicherstellung vorzubringen. Während dieser Frist und nach einer allfälligen Siegelung darf die Strafbehörde die Aufzeichnungen und Gegenstände weder einsehen noch verwenden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Die zuständige Strafbehörde kann innert 20 Tagen ein Entsiegelungsgesuch stellen; andernfalls werden die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände der Inhaberin oder dem Inhaber zurückgegeben (vgl. Art. 248 Abs. 3 StPO). Wird die Entsiegelung beantragt, prüft das zuständige Gericht, ob schutzwürdige Geheimnisinteressen oder andere gesetzliche Entsiegelungshindernisse einer Durchsuchung entgegenstehen (Art. 248a StPO, vgl. BGE 144 IV 74 E. 2.2; 141 IV 77 E. 4.1).» (E.2).
Es wird nachfolgend nicht auf alle Rügen des Beschwerdeführers eingegangen.
Verletzung von Geheimhaltungsinteressen
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht u.a. geltend, durch den angefochtenen Entscheid würden seine Geheimhaltungsinteressen verletzt. Er rügt eine Verletzung von Art. 248a StPO und sinngemäss von Art. 264 Abs. 1 StPO (E.4).
Das Bundesgericht erklärt im Urteil 7B_384/2024 vom 18. März 2025 hierzu:
«Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts obliegt es der siegelungsberechtigten Person, die von ihr angerufenen Geheimhaltungsinteressen im Entsiegelungsverfahren ausreichend zu substanziieren, damit das Gericht eine sachgerechte und gezielte Triage vornehmen und die geheimnisgeschützten Gegenstände und Aufzeichnungen aussondern kann. Dazu muss sie ihre rechtlich geschützten Geheimnisse inhaltlich zwar nicht offenlegen, aber sie muss ihre Geheimhaltungsinteressen wenigstens kurz umschreiben und glaubhaft mache n (Urteile 7B_861/2023 vom 10. Juli 2024 E. 3.1; 7B_554/2023 vom 23. April 2024 E. 4.3; 7B_106/2022 vom 16. November 2023 E. 3.2; je mit Hinweisen; vgl. BGE 145 IV 273 E. 3.2; 142 IV 207 E. 7.1.5 und E. 11). Zudem muss sie dem Gericht mitteilen, welche Aufzeichnungen und Gegenstände im Einzelnen dem von ihr geltend gemachten Geheimnisschutz unterliegen (Urteil 7B_627/2024 vom 28. November 2024 E. 2.2.3 mit Hinweisen). Bei elektronischen Dateien muss sie dem Gericht den Speicherort der dem Beschlagnahmeverbot unterliegenden Daten mitteilen. Ruft sie Berufsgeheimnisse (wie etwa das Anwalts- oder Arztgeheimnis) an, ohne selbst Träger dieses Berufsgeheimnisses zu sein, hat sie dem Gericht in der Regel zumindest den Namen des Trägers des betreffenden Berufsgeheimnisses, also etwa ihres Rechtsanwaltes oder ihrer Ärztin, mitzuteilen und sie muss spezifizieren, in welchem Zeitraum sie mit diesem Geheimnisträger korrespondiert hat, damit die fraglichen Unterlagen ohne unverhältnismässigen Aufwand gefunden und aussortiert werden können (vgl. Urteile 7B_94/2022 vom 10. Oktober 2024 E. 4.1.1; 7B_875/2023 vom 14. Juni 2024 E. 3.3; je mit Hinweis). Kommt sie dieser Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit nicht nach, ist das Gericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen (statt vieler Urteil 7B_711/2024 vom 20. November 2024 E. 2).» (E.4.1).
«In der Regel ist davon auszugehen, dass die siegelungsberechtigte Person den Inhalt ihrer eigenen Aufzeichnungen und Gegenstände kennt. Nach der Rechtsprechung ist ihr deshalb (und aus Gründen der Kollusionsgefahr) nur zurückhaltend Einsicht in die sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände zu gewähren, und nur unter der Voraussetzung, dass sie begründet, weshalb sie ohne Durchsicht der sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen überhaupt nicht in der Lage wäre, ihre mit Anfangshinweisen bereits soweit möglich plausibilisierten Geheimnisinteressen ausreichend zu substanziieren (Urteile 7B_489/2023, 7B_491/2023, 7B_521/2023 vom 25. November 2024 E. 2.1; 7B_720/2023 vom 11. April 2024 E. 4.3.2; 1B_656/2021 vom 4. August 2022 E. 7.1; 1B_28/2021 vom 4. November 2021 E. 1.6; je mit Hinweisen).» (E.4.2).
«Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet: Nach der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer seine angeblichen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen nicht näher dargetan oder nur ansatzweise substanziiert; insbesondere – so die Vorinstanz – habe er keinerlei Suchbegriffe genannt, obschon er dazu ausdrücklich aufgefordert worden sei. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht, sondern bringt vor, er habe seine Geheimhaltungsinteressen nicht genauer substanziieren können, weil er dazu Einsicht in die gesiegelten Daten des Mobiltelefons hätte nehmen müssen. Es ist jedoch – wie die Vorinstanz zutreffend festhält – nicht ersichtlich, weshalb es ihm nicht möglich sein soll, die Namen seiner Rechtsanwälte und behandelnden Ärzte (oder die allenfalls verwendeten Pseudonyme) und den Speicherort der angeblich geheimnisgeschützten Daten anzugeben. Dass sein Mobiltelefon auf Serbisch eingestellt ist und er nur diese Sprache spricht, begründet jedenfalls keinen Anspruch auf Einsicht in die gesiegelten Daten. Die Vorinstanz durfte bei dieser Sachlage festhalten, dass der Beschwerdeführer kein Geheimhaltungsinteresse genügend dargetan hat, das der Entsiegelung entgegenstehen würde.» (E.4.3).
Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips
Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht weiter eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (E.5).
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_384/2024 vom 18. März 2025 hierzu:
«Strafprozessuale Zwangsmassnahmen müssen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren. Der mit einer Zwangsmassnahme verbundene Eingriff in die Grundrechte einer Person muss somit geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Zwangsmassnahmen können demnach nur ergriffen werden, wenn die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der untersuchten Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (Art. 5 Abs. 2, Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und lit. d StPO). Zunächst muss die Entsiegelung, um das Verhältnismässigkeitsgebot zu wahren, zur Klärung des Tatverdachts geeignet sein. Dies trifft zu, wenn die zu entsiegelnden Aufzeichnungen und Gegenstände für die Strafuntersuchung potentiell beweiserheblich sind. Grundsätzlich ist ein solcher Deliktskonnex nicht für jeden Gegenstand und jede Aufzeichnung einzeln, sondern gesamthaft zu prüfen. Weiter muss die Entsiegelung für die Klärung des Tatverdachts erforderlich sein, was grundsätzlich bedeutet, dass keine milderen Mittel zum selben Zweck führen dürfen. Die theoretische Möglichkeit, dass die Staatsanwaltschaft die auf den versiegelten Aufzeichnungen und Gegenständen gesuchten Informationen auch auf andere Weise erlangen könnte, steht der Entsiegelung allerdings nicht entgegen. Schliesslich muss die Entsiegelung, insbesondere im Verhältnis zur Bedeutung der untersuchten Straftat, angemessen sein. Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Entsiegelung ist deshalb auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Es ist zwischen dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse und den Interessen der betroffenen Person abzuwägen. Persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person dürfen deshalb nicht beschlagnahmt werden, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (siehe Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO). Das für die Entsiegelung zuständige Gericht verfügt bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit über einen gewissen Ermessensspielraum (Urteile 7B_94/2022 vom 10. Oktober 2024 E. 3.1; 7B_211/2023 vom 7. Mai 2024 E. 4.1; 7B_213/2023 vom 7. Mai 2024 E. 4.1; je mit Hinweis/en).» (E.5.1).
«Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht verletzt. Dass die Strafverfolgungsbehörden die auf dem sichergestellten Mobiltelefon gesuchten Informationen (teilweise) auch auf anderem Wege hätten finden können – etwa indem sie die beschlagnahmten Mobiltelefone anderer involvierter Personen durchsuchen, wie der Beschwerdeführer vorschlägt – steht der Entsiegelung nach der zitierten Rechtsprechung nicht entgegen. Ferner war die Vorinstanz in diesem konkreten Fall auch nicht gehalten, die Entsiegelung der sichergestellten Daten zeitlich auf den Zeitraum von 27. November 2023 bis dem 15. Dezember 2023zu beschränken, wie der Beschwerdeführer verlangt: Ihm wird banden- und gewerbsmässige Begehung (einerseits in der Zeit von Juli 2022 bis März 2023 und andrerseits in der Zeit von Oktober 2023 bis Januar 2024) vorgeworfen. Dies lässt vermuten, dass sich in den gesiegelten Daten über die fraglichen Zeiträume hinaus Hinweise auf Kommunikation unter Bandenmitgliedern und deren sowie seine eigene Arbeitsorganisation finden lassen könnten. Die vollständige Entsiegelung des Mobiltelefons erweist sich deshalb auch als angemessen. Schliesslich tut der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dar, dass sein Interesse an Geheimhaltung der auf seinem Mobiltelefon naturgemäss enthaltenen persönlichen Aufzeichnungen nach Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO wie die von ihm erwähnten Fotos das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten überwiegen soll. Die Rüge der Unverhältnismässigkeit der Entsiegelung erweist sich damit als unbegründet.» (E.5.2).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (E.6).