Der Erzeuger eines abgetriebenen Fötus ist nach dem Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 des Bundesgerichts nicht berechtigt, die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Mutter wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs mit Beschwerde anzufechten. Er ist nicht Träger des mit der fraglichen Strafbestimmung geschützten Rechtsguts und kann auch nicht als Opfer-Angehöriger gelten, weil dieses ungeborene Leben nie eine eigene Rechtspersönlichkeit erlangt hat. Das Bundesgericht äussert sich hierzu wie folgt: Nach der gesetzlichen Konzeption des Zivilgesetzbuchs beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode (Art. 31 Abs. 1 ZGB). „Die Persönlichkeit beginnt“ – so plastisch der Gesetzesredaktor – (durch das eigene Leben des Kindes) „ausserhalb des Mutterschosses“ […]. Vor der Geburt ist das Kind nur unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird (Art. 31 Abs. 2 ZGB). Das Kind, das tot geboren wird, erwirbt mithin keine Rechtsfähigkeit […]» (E.3.3.3). «Daraus lässt sich schliessen, dass das von Art. 118 StGB geschützte ungeborene Leben de lege lata keine Persönlichkeit im Rechtssinne aufweist. Wird dieses ungeborene Leben im Mutterschosse durch Schwangerschaftsabbruch beendet, konnte es nach Art. 31 ZGB niemals Persönlichkeit erlangen. Damit ist das ungeborene Leben aber auch keine geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und folglich auch kein Opfer gemäss Art. 116 Abs. 1 StPO)» (E.3.3.4). «Diese Grundsätze hat die Vorinstanz ihrem Entscheid zutreffend zugrunde gelegt. Sie ist gestützt darauf zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer weder selber Träger des geschützten Rechtsgutes von Art. 118 StGB ist, noch – mangels Opfereigenschaft des ungeborenen Lebens – als Angehöriger im Sinne von Art. 116 Abs. 2 StPO gelten kann. Sie trat damit mangels Parteistellung des Beschwerdeführers mit Bezug auf den Vorwurf des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Recht nicht auf die Beschwerde ein» (E.3.4).
Sachverhalt
Der Mann hatte seine ehemalige Freundin 2022 wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs und weiterer Delikte angezeigt. Nach verschiedenen Untersuchungshandlungen, namentlich einer Gegenüberstellung, stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg das Verfahren ein.
Instanzenzug
Das Freiburger Kantonsgericht trat auf die Beschwerde des Mannes nicht ein, soweit diese die Verfahrenseinstellung wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs betraf.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024
Das Bundesgericht weist im Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 die Beschwerde des Mannes ab. Er hatte geltend gemacht, er sei als Kindsvater des von seiner Freundin abgetriebenen Fötus als „Opfer“ anzusehen und damit in Bezug auf die Einstellung des Strafverfahren zur Beschwerde zuzulassen.
Zur Beschwerde gegen die Einstellung eines Strafverfahrens ist berechtigt, wer selber Träger des von der entsprechenden Strafbestimmung geschützten Rechtsguts ist oder wer Angehöriger des Opfers ist. Beides hat das Kantonsgericht zu Recht verneint. Artikel 118 Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt einen Schwangerschaftsa[1]bruch nach der zwölften Woche unter Strafe, soweit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Das geschützte Rechtsgut ist das menschliche Leben während der Schwangerschaft. Einbezogen sind damit Embryonen und Föten bis zu ihrer Geburt. Das von Artikel 118 Absatz 3 StGB geschützte ungeborene Leben besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Wird dieses ungeborene Leben im Mutterschoss durch Schwangerschaftsabbruch beendet, hat es niemals eine solche Persönlichkeit erlangt. Das ungeborene Leben ist deshalb auch kein Opfer im Rechtssinne. Der Beschwerdeführer ist somit weder selber Träger des geschützten Rechtsguts noch kann er mangels Opfereigenschaft des ungeborenen Lebens als Angehöriger gelten.
Detailausführungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht äussert sich im Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 zunächst wie folgt zur Beschwerdelegimation:
«Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Bei den Zivilansprüchen geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1 mit Hinweis; Urteile 7B_358/2024 vom 28. Mai 2024 E. 1.1; 6B_1026/2023 vom 13. Mai 2024 E. 2.1; 6B_467/2023 vom 26. Mai 2023 E. 2.2; vgl. BGE 148 IV E. 3.1.2 mit Hinweis). Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft – also diejenige Person, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist, und sich durch ausdrückliche Erklärung am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin beteiligt (Art. 115 Abs. 1 i.V.m. Art. 118 StPO) – nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (zum Ganzen: BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 7B_833/2023 vom 22. April 2024 E. 1.2; 7B_28/2023 vom 24. Oktober 2023 E. 1.1; 6B_790/2022 vom 15. Juni 2023 E. 1.1; 6B_582/2020 vom 17. Dezember 2020 E. 1, nicht publ. in: BGE 147 IV 47; 6B_961/2017 vom 18. Januar 2018 E. 1, nicht publ. in: BGE 144 IV 13; je mit Hinweis[en]).» (E.2.1).
«Was hingegen das Nichteintreten der Vorinstanz auf die Beschwerde hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs anbelangt, kann sich der Beschwerdeführer auf die sog. „Star-Praxis“ berufen. Danach kann die Privatklägerschaft ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache vor Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensrechten rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können (BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Nicht zu hören sind dabei Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (Urteil 7B_126/2024 vom 22. April 2024 E. 1.2.1 mit Hinweis; 7B_112/2022 vom 22. November 2023 E. 1.1)».
Weiter führt das Bundesgericht im Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 aus:
«Der Beschwerdeführer rügt vor Bundesgericht, die Vorinstanz habe ihm hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Unrecht die Parteistellung abgesprochen. Als Kindsvater des „abgetöteten Fötus“ sei er als „‚Opfer‘ im Sinne von Art. 115 StPO“ anzusehen und bereits aus diesem Grund legitimiert, Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu führen. Seine Beschwerdelegitimation ergebe sich auch aus Art. 116 Abs. 2 StPO, argumentiert der Beschwerdeführer» (E.3.1).
«Die geschädigte Person kann als Privatklägerin zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 1 StPO). Das gleiche Recht steht auch den Angehörigen des Opfers zu, soweit sie gegenüber der beschuldigten Person eigene Zivilansprüche geltend machen (Art. 122 Abs. 2 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, wer mithin Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 145 IV 433 E. 3.6; 143 IV 77 E. 2.1 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_1013/2020 vom 12. März 2024 E. 2.2 mit Hinweisen). Als Rechtsgutsträger kommen Personen im personenrechtlichen Sinne, d.h. natürliche und juristische Personen, in Frage (vgl. statt aller Annette Dolge, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., 2023, N. 53 zu Art. 122 StPO). Als Opfer gilt die geschädigte Person, die durch die Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Art. 116 Abs. 1 StPO). Machen die Angehörigen eines Opfers Zivilansprüche geltend, so stehen ihnen die gleichen Rechte zu wie dem Opfer (Art. 117 Abs. 3 StPO). Als Angehörige des Opfers gelten seine Ehegattin oder sein Ehegatte, seine Kinder und Eltern sowie die Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen (Art. 116 Abs. 2 StPO)» (E.3.2).
Gemäss den vorinstanzlichen Ausführungen erfolgte die am 17. Mai 2022 vorgenommene Abtreibung in der 15. oder 16. Schwangerschaftswoche aufgrund der von den Ärzten bejahten Gefahr einer schweren seelischen Notlage der beschuldigten Person, bemerkt das Bundesgericht (E.3.3.1).
«Nach Art. 118 Abs. 3 StGB wird die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 119 Abs. 1 erfüllt sind, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Gemäss Art. 119 Abs. 1 StGB ist der Abbruch einer Schwangerschaft straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. Geschütztes Rechtsgut des Art. 118 Abs. 3 StGB ist das menschliche Leben während der Schwangerschaft. Einbezogen sind grundsätzlich alle Embryonen und Föten bis zur Menschwerdung, auch solche, die nicht lebensfähig sind (Schwarzenegger/Heimgartner, in: Basler Kommentar, 4. Aufl., 2019, N. 1 vor Art. 118 StGB; Queloz/Munyankindi, in: Commentaire romand, 2017, N. 7 vor Art. 118-120 StGB; Trechsel/Geth, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., 2021, N. 2 vor Art. 118 StGB; Gian Ege, in: Damian Graf [Hrsg.], StGB, Annotierter Kommentar, 2020, N. 1 zu Art. 118 StGB)» (E.3.3.2).
«Die Rechtsordnung bestimmt, wer Person ist (Eugen Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bd. I, 2. Aufl. 1914, S. 45). Nach der gesetzlichen Konzeption des Zivilgesetzbuchs beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode (Art. 31 Abs. 1 ZGB). „Die Persönlichkeit beginnt“ – so plastisch der Gesetzesredaktor – (durch das eigene Leben des Kindes) „ausserhalb des Mutterschosses“ (Eugen Huber, a.a.O., S. 73; derselbe, Sten. Bull. Nationalrat, Sitzung vom 7. Juni 1905, S. 471, in: Berner Kommentar, Materialien zum Zivilgesetzbuch, Bd. IV, 2023, S. 61). Vor der Geburt ist das Kind nur unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird (Art. 31 Abs. 2 ZGB). Das Kind, das tot geboren wird, erwirbt mithin keine Rechtsfähigkeit (statt aller Bucher/Aebi-Müller, in: Berner Kommentar, 2. Aufl. 2017, N. 40 zu Art. 11 ZGB)» (E.3.3.3).
«Daraus lässt sich schliessen, dass das von Art. 118 StGB geschützte ungeborene Leben de lege lata keine Persönlichkeit im Rechtssinne aufweist. Wird dieses ungeborene Leben im Mutterschosse durch Schwangerschaftsabbruch beendet, konnte es nach Art. 31 ZGB niemals Persönlichkeit erlangen. Damit ist das ungeborene Leben aber auch keine geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und folglich auch kein Opfer gemäss Art. 116 Abs. 1 StPO)» (E.3.3.4).
«Diese Grundsätze hat die Vorinstanz ihrem Entscheid zutreffend zugrunde gelegt. Sie ist gestützt darauf zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer weder selber Träger des geschützten Rechtsgutes von Art. 118 StGB ist, noch – mangels Opfereigenschaft des ungeborenen Lebens – als Angehöriger im Sinne von Art. 116 Abs. 2 StPO gelten kann. Sie trat damit mangels Parteistellung des Beschwerdeführers mit Bezug auf den Vorwurf des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Recht nicht auf die Beschwerde ein» (E.3.4).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 ab (E.4).