Sachverhalt
Die regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland führt ein Strafverfahren gegen B. und C. unter anderem wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, sexueller Handlungen mit einem Kind und Schändung, angeblich begangen zum Nachteil von A.
Mit Verfügung vom 2. September 2022 stellte die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen die beiden Beschuldigten hinsichtlich der erwähnten Delikte ein (Teileinstellung). Hingegen führt die Staatsanwaltschaft das Verfahren betreffend die Vorwürfe der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz weiter.
Instanzenzug
Mit Beschluss vom 22. März 2023 wies das Obergericht des Kantons Bern die hiergegen von A. erhobene Beschwerde ab.
Weiterzug ans Bundesgericht
Die A. führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der angefochtene Beschluss sowie die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 2. September 2022 seien aufzuheben. Die Sache sei zur Weiterführung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. A. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Zudem hat das Bundesgericht die Parteien am 3. Juli 2023 orientiert, dass das Verfahren infolge einer internen Reorganisation durch die II. Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts beurteilt werden wird.
Das Obergericht und die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. C. und B. beantragen die Abweisung der Beschwerde. Diese Vernehmlassungen wurden den jeweils anderen Parteien zur Kenntnisnahme zugestellt.
Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_105/2023 vom 5. Februar 2025
Die Beschwerdeführerin rügt, es fehle an den Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens. Betreffend den Vorwurf der sexuellen Handlungen mit einem Kind gehe die Vorinstanz in unzulässiger Weise davon aus, dass die Beschuldigten nicht über ihr Schutzalter Bescheid wussten bzw. hätten wissen müssen. Es sei unhaltbar, dass die Vorinstanz trotz divergierender Aussagen zu den Altersangaben (sowohl betreffend das Alter selbst, als auch die Frage, ob das Alter überhaupt thematisiert wurde) eine vorsätzliche und eine fahrlässige Tatbegehung klarerweise ausschliesse. Die Beurteilung der Aussagen zum Alter obliege dem Sachgericht. Hierbei sei eine erhöhte Sorgfalt angebracht, wenn eine Person nur wenig als 16 Jahre älter scheine, wobei sich die Beschwerdeführerin mit 13 Jahren deutlich im Schutzalter befunden habe. In Bezug auf den Vorwurf der Schändung macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz erachte in willkürlicher Weise als klar erstellt, dass ihre Widerstandsunfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Willensbildung trotz Alkoholintoxikation und ihrem schlechten physischen Zustand im Tatzeitpunkt nicht vollständig aufgehoben gewesen seien. Die Gesamtwürdigung der objektiven Beweismittel und der Aussagen ergebe ein anderes Bild. Insgesamt verletze die Vorinstanz damit die Pflicht zur Fortführung des Strafverfahrens (Grundsatz „in dubio pro duriore“), Art. 319 Abs. 1 lit a StPO und die Pflicht, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) (E.2.1).
Das Bundesgericht äussert sich dazu im Urteil 7B_105/2023 vom 5. Februar 2025 wie folgt:
«Eine Verfahrenseinstellung hat nach Art. 319 Abs. 1 lit. a und b StPO namentlich dann zu erfolgen, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt, oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist. Bei der Entscheidung über die Einstellung eines Verfahrens ist der Grundsatz „in dubio pro duriore“ zu beachten. Das Verfahren darf grundsätzlich nur bei offensichtlicher Straflosigkeit oder offensichtlichem Fehlen der Prozessvoraussetzungen eingestellt werden (BGE 146 IV 68 E. 2.1). Hingegen ist Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch und eine Erledigung durch Strafbefehl nicht in Betracht kommt. Halten sich Freispruch und Verurteilung in etwa die Waage, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schwereren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1). Bei der Prüfung dieser Fragen verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Beurteilungsspielraum, in den das Bundesgericht nur zurückhaltend eingreift (BGE 146 IV 68 E. 2.2; 143 IV 241 E. 2.3.3; 138 IV 186 E. 4.1).» (E. 2.2.1).
«Wie die Beweise nach dem Grundsatz „in dubio pro duriore“ zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft aber im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht wie etwa bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer „klaren Beweislage“ ausgegangen ist oder willkürlich bestimmte Tatsachen als „klar festgestellt“ angenommen hat. Dies ist dann der Fall, wenn von einer klaren Sachverhaltsfeststellung offensichtlich nicht gesprochen werden kann oder eine solche Schlussfolgerung schlechthin unhaltbar ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2 f.; Urteile 7B_163/2022 vom 30. August 2023 E. 2.2.2; 7B_153/2022 vom 20. Juli 2023 E. 3.3.3; 6B_790/2022 vom 15. Juni 2023 E. 4.2.3).» (E.2.2.2).
Keinen Anlass zur Kritik bildet für das Bundesgericht die vorinstanzliche Würdigung, dass sich die Vorwürfe der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Nötigung nach Art. 189 und Art. 190 StGB nicht mit einer für eine Anklage hinreichenden Sicherheit halten lassen. Für eine Gewaltanwendung bestehen weder objektive Anzeichen noch entsprechende Aussagen, die ein solches Geschehen nahe legen (E.2.4).
Hingegen ist für das Bundesgericht der vorinstanzlichen Würdigung nicht zu folgen, wonach hinsichtlich des Tatbestands der Schändung nach Art. 191 StGB kein Tatverdacht erhärtet sei, der eine Anklage rechtfertige (E.2.5).
«Nach den gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gab F. gegenüber der Staatsanwaltschaft an, die Beschwerdeführerin habe nach dem Beginn des Gesprächs mit den beiden Beschwerdegegnern innert kurzer Zeit anderthalb Gläser Wodka Red Bull getrunken und einen betrunkenen Eindruck gemacht. Dass die Beschwerdeführerin nach dem (ersten Verfahrensgegenstand bildenden) Sexualkontakt mit dem Beschwer-degegner 3 auf der Toilette gemäss F. noch ein „einigermassen funktionierendes“ Gespräch über die erfolgten sexuellen Handlungen führen konnte, lässt keinen zuverlässigen Schluss auf deren Urteils- und Widerstandsfähigkeit im Zeitpunkt der sexuellen Handlungen zu. Immerhin gab F. nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz auch an, die Beschwerdeführerin sei so betrunken gewesen, dass sie nicht mehr habe antworten können.» (E.2.5.1).
«Es bestehen weitere Aussagen, die gegen eine klare und eindeutige Straflosigkeit sprechen. Einerseits benötigte die Beschwerdeführerin gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz offenbar Hilfe beim Gehen, bevor ein weiterer (zweiter) Sexualkontakt auf der Toilette mit dem Beschwerdegegner 2 stattfand. Die Beschwerdeführerin war insoweit bereits in der Bar in einer schlechten körperlichen Verfassung. Die Vorinstanz geht diesbezüglich davon aus, trotz ihrer Betrunkenheit habe die Beschwerdeführerin ein zweites Mal zur Toilette gehen können, wo sie den Beschwerdegegner 2 oral befriedigt habe. Der Beschwerdegegner 2 sei gemäss eigenen Aussagen mitgegangen bzw. habe nach ihr geschaut, weil es ihr nicht gut gegangen sei. Weiter habe er ihr anschliessend nach eigenen Aussagen die Treppe hoch helfen müssen, weil es ihr noch immer nicht gut gegangen sei. Andererseits musste die Beschwerdeführerin kurz nach dem zweiten Vorfall auf der Toilette vom Beschwerdegegner 2 aus dem Lokal getragen werden, brach anschliessend auf der Strasse zusammen und übergab sich.» (E.2.5.2).
«Ob die Zustimmung zu beiden Sexualkontakten freiwillig war oder aber die Beschwerdegegner 2 und 3 eine allfällige Widerstandsunfähigkeit der Beschwerdeführerin ausnutzten, scheint unter diesen Umständen nicht von vornherein klar. Diese Frage wird ein Sachgericht in umfassender Würdigung sämtlicher Beweise entscheiden müssen. Hierbei wird auch die Frage zu klären sein, wo der Sexualkontakt der Beschwerdeführerin mit dem Beschwerdegegner 2 stattgefunden hat. Insoweit bestehen gemäss den Ausführungen der Vorinstanz gewisse Unsicherheiten, ob der Oralverkehr im Toilettenbereich der D. Bar oder bei einer Strassenkreuzung stattgefunden hat (siehe angefochtener Beschluss vom 22. März 2023 E. 7.3.4 f).» (E.2.5.3).
«Auch die Verfahrenseinstellung wegen des Vorwurfs der sexuellen Handlungen mit einem Kind lässt sich nicht halten. Die beiden Beschwerdegegner hatten gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz je einen sexuellen Kontakt mit der Beschwerdegegnerin, welche sie zuvor nicht kannten. Zuvor waren das Alter von F. und/oder der Beschwerdeführerin gemäss den Aussagen mehrerer Anwesender ein Thema im Gespräch mit den beiden Beschwerdegegnern. Auch ein Mitarbeiter der Bar fragte gemäss den Ausführungen der Vorinstanz offenbar nach dem Alter der beiden Mädchen. Soweit Altersangaben gemacht wurden, bewegten sich diese im Bereich von 16 bis 17 Jahren und damit im kritischen Bereich kurz nach dem Schutzalter. Daraus lässt sich schliessen, dass eine gewisse Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der Angaben der Mädchen zum Alter nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem Alkoholkonsum, dem Rauchen der Shisha und dem nächtlichen Aufenthalt in einer Bar kann im Hinblick auf das Alter der Barbesucherinnen nichts mit hinreichender Sicherheit abgeleitet werden. Ob das Alter ein Thema war und von welchem Alter der Beschwerdeführerin die Beschwerdegegner ausgegangen sind, wird das zuständige Sachgericht klären müssen. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.» (E.2.6).
«Soweit die Beschwerdeführerin sich auf das Recht der Unversehrtheit nach Art. 11 BV und das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK beruft, gehen ihre Rügen nicht über die Frage des Grundsatzes in dubio pro duriore und den Untersuchungsgrundsatz hinaus. Sie begründet diese auch nicht weiter (Art. 106 Abs. 2 BGG). Darauf ist nicht gesondert einzugehen.» (E.2.7).
Das Bundesgericht heisst im Urteil 7B_105/2023 vom 5. Februar 2025 die Beschwerde teilweise gut: «Insgesamt ist die Beschwerde hinsichtlich der Einstellung betreffend die gegenüber den Beschwerdegegnern 2 und 3 erhobenen Tatvorwürfe der Schändung und der sexuellen Handlungen mit einem Kind gutzuheissen. Hingegen ist sie in Bezug auf die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung abzuweisen.» (E.3.1).