Eine Nacht in London 2014 mit «Entstehungsgeschichte» der Vorwürfe von Sexualdelikten

Im Urteil 7B_202/2022, 7B_203/2022 vom 18. Oktober 2023 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht nochmals mit einem aus den Medien bekannten Fall, primär mit dem Vorwurf von Sexualdelikten in einer Nacht des Jahres 2014 in London. Im Zentrum steht die Beweiswürdigung der Vorinstanz, des Obergerichts des Kantons Zürich (vgl. E.4.3.1), wo sich das Bundesgericht auch mit der «Entstehungsgeschichte» der belastenden Aussagen auseinandersetzt. Das Bundesgericht winkt die Beweiswürdigung der Vorinstanz dann doch, wohl knapp, durch: ««Auch wenn sie einzelne Elemente anders hätte gewichten können, ist es im Resultat nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz in einer Gesamtbetrachtung auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 abstellt und den angeklagten Sachverhalt als erstellt erachtet.» (E.4.3.3). Die durch Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich vorgebrachten Rügen betreffend Erfüllung von qualifizierten Tatbeständen, lehnt da Bundesgericht dann auch «knapp» ab. Da die Qualifikation der Grausamkeit auch vom subjektiven Tatbestand erfasst werden muss und nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist, ist sie mit der Vorinstanz, wenn auch knapp, zu verneinen (E.5.3 a.E.).

Sachverhalt

Mit Urteil vom 29. Juni 2017 verurteilte das Bezirksgericht Meilen A. wegen vorsätzlicher Tötung von C., begangen am 20. Dezember 2014 (Art. 111 StGB), qualifizierter Vergewaltigung, mehrfacher, teilweise qualifizierter sexueller Nötigung zum Nachteil von B., begangen am 17./18. Oktober 2014 (Art. 189 Abs. 3 und Art. 190 Abs. 3 StGB) und verschiedener Verkehrsdelikte zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 2’000.–. Vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung zum Nachteil von B. sprach es ihn frei. Das Bezirksgericht ordnete eine vollzugsbegleitende ambulante Suchtbehandlung nach Art. 63 StGB an.

Instanzenzug

Auf Berufung von A. sowie der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich hin erkannte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 27. November 2019 – soweit das erstinstanzliche Urteil nicht in Rechtskraft erwachsen war – auf einen Freispruch hinsichtlich der Sexualdelikte. Hingegen sprach es A. _ der Begehung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit (Art. 263 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 111 StGB) schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Nebst dem ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme zur Suchtbehandlung an (Art. 60 StGB).

Nachdem das Bundesgericht die hiergegen erhobenenen Beschwerden der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und von B. gutgeheissen hatte (Urteil 6B_257/2020, 6B_298/2020 vom 24. Juni 2021), entschied das Obergericht am 31. Mai 2022 in der Sache erneut. Es erklärte A. der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), der Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) und der mehrfachen sexuellen Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB) schuldig und bestrafte ihn mit 12 Jahren Freiheitsstrafe, wovon 2710 Tage durch Haft und vorzeitigen Straf- bzw. Massnahmenvollzug erstanden waren. Es ordnete wiederum eine stationäre therapeutische Massnahme zur Suchtbehandlung an (Art. 60 StGB). Weiter verpflichtete es A., B. eine Genugtuung von Fr. 18’000.– zuzüglich 5 % Zins ab 18. Februar 2014 zu bezahlen. Schliesslich auferlegte es ihm die Kosten des ersten Berufungsverfahrens im Umfang von ⅘.

Weiterzug ans Bundesgericht

Mit Beschwerde in Strafsachen verlangt A., das Berufungsurteil sei im Schuldspruch teilweise sowie hinsichtlich Strafzumessung, Genugtuung und Kostenverteilung vollständig aufzuheben. Er sei von den Vorwürfen der Vergewaltigung und der mehrfachen sexuellen Nötigung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nebst dem stellt er den prozessualen Antrag, seine Beschwerde sei durch Gerichtspersonen zu beurteilen, die ausserhalb der (I.) strafrechtlichen Abteilung institutionell und faktisch unabhängig seien (7B_203/2022).

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt vor Bundesgericht ebenfalls die teilweise Aufhebung des Berufungsurteils, wobei A. nebst der vorsätzlichen Tötung der qualifizierten Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 und Abs. 3 StGB) und der mehrfachen, teilweise qualifizierten Nötigung (Art. 189 Abs. 1 und teilweise Abs. 3 StGB) schuldig zu sprechen sei. Er sei mit einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren zu bestrafen und es sei die mit Blick auf den geänderten Schuldspruch und die neu ausgefällte Freiheitsstrafe als am besten geeignet erachtete therapeutische Massnahme anzuordnen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (7B_202/2022).

Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde von A. (7B_203/2022). B. beantragt eine vollumfängliche Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Oberstaatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen. Im Verfahren 7B_202/2022 wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 7B_202/2022, 7B_203/2022 vom 18. Oktober 2023

Zum Ausstandbegehren gegenüber Bundesrichterinnen und Bundesrichtern (vom Beschuldigten)

Der A. (Beschwerdeführer 2) verlangt den Ausstand sämtlicher am Urteil 6B_257/2020, 6B_298/2020 vom 24. Juni 2021 (BGE 147 IV 409) beteiligter Gerichtspersonen. (E.2).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 7B_202/2022, 7B_203/2022 vom 18. Oktober 2023 wie folgt:

«Die am Bundesgericht tätigen Gerichtspersonen (Richterinnen und Richter, Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber) treten von Amtes wegen in den Ausstand, wenn einer der in Art. 34 Abs. 1 lit. a-e BGG genannten Gründe erfüllt ist.» (E.2.1).

«Der Beschwerdeführer 2 beruft sich auf Art. 34 Abs. 1 lit. e BGG. Dabei macht er geltend, die an BGE 147 IV 409 beteiligten Richterinnen, Richter und die Gerichtsschreiberin hätten sich hinsichtlich der Sexualdelikte bereits eine unverrückbare Meinung gebildet („Ein Freispruch wird nicht akzeptiert.“), indem sie der Vorinstanz über mehrere Seiten hinweg verbindliche Vorgaben erteilt hätten, die bei der erneuten Beweiswürdigung zu beachten seien. Damit sei auch der Ausgang des vorliegenden Verfahrens vorbestimmt und der Anschein der Befangenheit „zweifellos gegeben“.» (E.2.2)

«Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BGG). Nach Art. 34 Abs. 1 lit. e BGG liegt ein Ausstandsgrund vor, wenn Gerichtspersonen aus „anderen Gründen“, insbesondere wegen besonderer Freundschaft oder persönlicher Feindschaft mit einer Partei oder ihrem Vertreter befangen sein könnten. Die Norm konkretisiert die aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessende Garantie eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts. Der Anschein der Befangenheit besteht, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken (vgl. BGE 141 IV 178 E. 3.2.1; 138 IV 142 E. 2.1; Urteil 2C_62/2021 vom 8. März 2021 E. 4.3.2; je mit Hinweisen). Im Zusammenhang mit der Vorbefassung (Art. 34 Abs. 1 lit. b BGG) hat das Bundesgericht erkannt, es müssten konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die einzelne Gerichtsperson bereits in einer Art festgelegt hat, die einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage nicht mehr zugänglich ist und der Verfahrens-ausgang deshalb nicht mehr offen erscheint (BGE 131 I 113 E. 3.6 mit Hinweis). Dies gilt in analoger Weise, wenn zu beurteilen ist, ob eine Gerichtsperson aus „anderen Gründen“ befangen sein könnte (Verfügung 2C_466/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 2.3.1 mit Hinweisen).  

Die Mitwirkung in einem früheren, der gesuchstellenden Partei nicht genehmen Verfahren des Bundesgerichts bildet für sich allein keinen Ausstandsgrund (Art. 34 Abs. 2 BGG). Damit eine unzulässige Vorbefassung respektive Befangenheit vorliegt, müssen noch weitere tatsächliche Gesichtspunkte hinzukommen (vgl. BGE 131 I 113 E. 3.7.1; Urteile 2F_34/2022 vom 13. Dezember 2022 E. 2.2; 2C_62/2021 vom 8. März 2021 E. 4.3.2; 6F_28/2015 vom 15. Oktober 2015 E. 1.3; je mit Hinweisen).» (E.2.3.)

«Solche weiteren Gesichtspunkte vermag der Beschwerdeführer 2 nicht darzutun. Es ist Aufgabe des Bundesgerichts, bei Vorliegen entsprechender substanziierter Rügen die vorinstanzliche Beweiswürdigung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen. Wenn diese Überprüfung nicht im Sinne einer Partei ausfällt, lässt sich daraus noch keine Befangenheit ableiten. Es trifft denn auch nicht zu, dass aufgrund des Umstands, dass der Vorinstanz hinsichtlich der Würdigung einzelner Sachverhaltselemente Vorgaben gemacht wurden, der gesamte Verfahrensausgang vorbestimmt wäre (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 140 I 326 E. 5.1). Nach der Rechtsprechung erweist sich ein Ausstandsbegehren, welches letztlich allein mit der Mitwirkung von Gerichtsmitgliedern an einem Entscheid begründet wird, der für die gesuchstellende Partei negativ ausgefallen ist, als untauglich und unzulässig (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.1; 129 III 445 E. 4.2.2.2; je mit Hinweisen). Genau diese Art von Begründung liegt in casu vor. Auf das Ausstandsbegehren wird deshalb, soweit es angesichts der konkreten Gerichtsbesetzung nicht ohnehin gegenstandslos wird, unter teilweiser Mitwirkung der betroffenen Personen und ohne Durchführung des von Art. 37 BGG vorgesehenen Verfahrens nicht eingetreten (vgl. zum Vorgehen BGE 129 III 445 E. 4.2.2.2; Urteile 7B_188/2023 vom 24. Juli 2023 E. 1.2; 9C_248/2018 vom 19. September 2018 E. 1; Verfügung 2C_466/2010 vom 25. Oktober 2010 E. 2.3.3; je mit Hinweisen).» (E.2.4)

Zu den vorgeworfenen Sexualdelikten in London im Jahr 2014 (Rügen des Beschuldigten)

Die Schuldsprüche wegen Vergewaltigung und mehrfacher sexueller Nötigung beruhen auf dem Vorwurf, der Beschwerdeführer 2 habe seine damalige Partnerin B. (Beschwerdegegnerin 2) in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 2014 in einem Hotelzimmer in London vergewaltigt und mehrfach sexuell genötigt. Der Beschwerdeführer 2 wehrt sich hiergegen vor Bundesgericht und kritisiert die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz als willkürlich. Gleichzeitig rügt er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung. (E.4).

Inhaltlich wirft der Beschwerdeführer 2 der Vorinstanz vor Bundesgericht vor, die Beweise einseitig zu seinem Nachteil zu würdigen und entlastende Umstände ausser Acht zu lassen. Da der angefochtene Entscheid auf einer Vielzahl willkürlicher Annahmen beruhe, lasse er sich auch im Ergebnis nicht halten. (E.4.3).

Die Kritik des Beschwerdeführers 2 ist gemäss Bundesgericht teilweise rein appellatorisch. Im Bereich des Appellatorischen bleibt die Argumentation des Beschwerdeführers 2 u.a. gemäss Bundesgericht auch, soweit sie darauf baut, dass das Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 (keine Schilderung spezifischer Schmerzen, kein Arztbesuch, sich „100 Mal“ mit Duschgel einzureiben) angeblich nicht dem entsprechen solle, was vom Opfer einer gewaltsamen Analpenetration zu erwarten wäre. Damit ist für das Bundesgericht keine Willkür in der vorinstanzlichen Aussagewürdigung dargetan.   (E.4.3.1).

Im Weiteren kritisiert der Beschwerdeführer 2 vor Bundesgericht auch, dass die Vorinstanz verschiedene entlastende Umstände nicht berücksichtige bzw. „neutralisiere“. Dieser Vorwurf ist gemäss dem Bundesgericht ebenfalls unbegründet, denn die Vorinstanz berücksichtigt entlastende Momente sehr wohl. Wenn sie diesen im Ergebnis weniger Gewicht beimisst als den belastenden Indizien, lässt dies ihre Beweiswürdigung nicht als einseitig oder gar haltlos erscheinen, bemerkt das Bundesgericht (E.4.3.1).

Ebenso durfte die Vorinstanz gemäss Bundesgericht ohne in Willkür zu verfallen bei der Beschwerdegegnerin 2 einen gewissen Hang zur Übertreibung feststellen und ihre Aussagen, die sie als detailliert, stimmig und auch auf Nachfrage hin widerspruchsfrei einstuft, gleichwohl als glaubhaft erachten. Insbesondere folgt die Vorinstanz dabei, wie das Bundesgericht bemerkt, der Rechtsprechung, wonach bei der Aussagewürdigung die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage und nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit einer Person im Zentrum steht (vgl. (BGE 133 I 33 E. 4.3; Urteile 6B_1029/2021 vom 24. August 2022 E. 2.1.2, nicht publ. in: BGE 148 IV 385; je mit Hinweisen) (E.4.3.1).

Weiter berücksichtigt die Vorinstanz gemäss dem Bundesgericht auch den „beträchtlichen Belastungseifer“ der Beschwerdegegnerin 2. Sie verfällt nach dem Bundesgericht indes nicht in Willkür, wenn sie ungeachtet dessen auf deren Angaben abstellt, zumal sie diese Belastungsbemühungen, wenn auch in etwas missglückter Formulierung, im Folgenden doch nachvollziehbar relativiert. Dazu das Bundesgericht wörtlich: «Dabei scheint es nicht widersprüchlich, der Beschwerdegegnerin 2 zwar einen Belastungseifer – im Sinne eines Bestrebens, das Vorgefallene tendenziell pathetisch und leicht dramatisierend darzustellen – zu attestieren und gleichzeitig festzustellen, sie habe auf naheliegende Mehrbelastungen – im Sinne eines freien Erfindens von Begebenheiten oder Handlungen – verzichtet. In diesem Sinne hält es auch vor dem Willkürverbot stand, wenn die Vorinstanz eine eigentliche Schädigungsabsicht der Beschwerdegegnerin 2 verneint, auch weil die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers 2 einzig den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung betreffen und damit die hohen Hürden einer Willkürrüge nicht erreichen. Gleich zu urteilen ist schliesslich, soweit der Beschwerdeführer 2 in isolierter Weise und ohne Auseinandersetzung mit deren Aussageverhalten eine Behauptung der ehemaligen Haushälterin der Beschwerdegegnerin 2 zitiert, wonach Letztere ihr finanzielle Unterstützung angeboten habe, wenn sie im Gegenzug gegen ihn aussagen würde.» (E.4.3.1).

Das Bundesgericht geht schliesslich in der gleichen Erwägung im Urteil 7B_202/2022, 7B_203/2022 vom 18. Oktober 2023 auch auf die «Entstehungsgeschichte» der belastenden Aussagen ein:

«Näher einzugehen ist auf die Entstehungsgeschichte der belastenden Aussagen. Die Vorinstanz hält fest, die Beschwerdegegnerin 2 habe den Vorfall vor der Anzeigeerstattung mit Personen aus ihrem engen Umfeld wiederholt besprochen, was ein beträchtliches Risiko der Verfälschung ihrer ursprünglichen Wahrnehmung berge. Es könne nicht mehr rekonstruiert werden, welche Teile der Aussage im freien Bericht erfolgt seien und welche allenfalls später, etwa aufgrund suggestiver Nachfragen ihrer Gesprächspartnerinnen, hinzugekommen seien. Ein weiteres Verfälschungsrisiko liege dabei auch in der unbekannten Art der Nachfrage. Die Entstehungsgeschichte mahne deshalb zu erheblicher Vorsicht bei der Aussagewürdigung. In der Tat bringt das Vorliegen suggestiver Bedingungen bei der Aussagewürdigung Probleme mit sich (eingehend LUDEWIG/TAVOR/BAUMER, Zwischen Wahrheit und Lüge, Justice – Justiz – Giustizia [Richterzeitung], 2012/2, Rz. 65 ff.). Wie sich der vorinstanzlichen Aussagewürdigung entnehmen lässt, enthielten die Erstbekundungen der Beschwerdegegnerin 2 gegenüber ihren Freundinnen in der Zeit vor Weihnachten 2014 jedoch bereits einen sexuellen Übergriff (zur Würdigung von Aussagen vom Hörensagen siehe Urteile 6B_70/2023 vom 31. Juli 2023 E. 6.2.2; 6B_1362/2020 vom 20. Juni 2022 E. 12.2 mit Hinweisen). Zudem berichtete sie am 13. Januar 2015 ihrem Rechtsvertreter und dessen Substitutin, laut Vorinstanz in „ziemlich konkreter“ Weise, von einer „analen Vergewaltigung“ in London. Damit stand der Tatvorwurf in seiner Wesentlichkeit von Anfang an im Raum. Mit der Vorinstanz relativiert sich dadurch der Verdacht des Beschwerdeführers 2, die Beschwerdegegnerin 2 habe den beanzeigten Sachverhalt zusammen mit ihren Freundinnen über ein Jahr lang einstudiert, massiv. Hinweise auf explizite Erinnerungsbemühungen aus dem Umfeld der Beschwerdegegnerin 2 oder auf eine zunehmende Verdeutlichung ihrer Erinnerung sind sodann nicht erkennbar. Somit konnte die Vorinstanz entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers 2 auf die herkömmlichen Methoden zur Aussageanalyse zurückgreifen (vgl. BENDER/HÄCKER/SCHWARZ, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl. 2021, S. 87 Rz. 369; LUDEWIG/TAVOR/BAUMER, Rz. 75). Wenn sie dabei zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdegegnerin 2 ihre Geschichte nicht erfunden hat, sondern (auch ihren Freundinnen) die Wahrheit erzählte, hält dies insgesamt vor dem Willkürverbot stand. Insbesondere stehen die umstrittenen Angaben weitgehend in grundsätzlicher Übereinstimmung mit insgesamt fünf Zeuginnen, darunter vier Freundinnen und die Therapeutin der Beschwerdegegnerin 2. Es scheint entgegen der These des Beschwerdeführers 2 wenig wahrscheinlich, dass vier Freundinnen mit der Beschwerdegegnerin 2 belastende Aussagen eingeübt haben und in der Folge – unter Wahrheitspflicht und Hinweis auf die Strafbarkeit eines falschen Zeugnisses nach Art. 307 StGB befragt (Art. 177 Abs. 1 StPO) – entsprechende bewusste Falschaussagen zu seinen Lasten (und ihren Gunsten) tätigten. Schliesslich mag auf den ersten Blick zwar erstaunen, dass sich in der elektronischen Kommunikation der Beschwerdegegnerin 2 und ihren Freundinnen gemäss Vorbringen des Beschwerdeführers 2 offenbar keine Hinweise auf einen sexuellen Übergriff fanden. Daraus lässt sich jedoch nichts Entscheidwesentliches ableiten, auch weil umgekehrt bei einem gezielten Präparieren eines belastenden Konstrukts an Aussagen mit einer Geschicklichkeit, wie sie der Beschwerdeführer 2 der Beschwerdegegnerin 2 unterstellt, auch ein bewusstes Versenden kompromittierender Nachrichten hätte erwartet werden können.» (E.4.3.1)

Die Willkürrüge scheitert gemäss Bundesgericht im Weiteren daran, dass sich der Beschwerdeführer mit den nachfolgend aufgeführten Gründen, die laut Vorinstanz für die Glaubhaftigkeit der Darstellung der Beschwerdegegnerin 2 sprechen, nicht auseinandersetzt (E.4.3.2 a.A.).

Das Bundesgericht kommt im Urteil 7B_202/2022, 7B_203/2022 vom 18. Oktober 2023 zu folgendem Resultat:

«Auch wenn sie einzelne Elemente anders hätte gewichten können, ist es im Resultat nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz in einer Gesamtbetrachtung auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 abstellt und den angeklagten Sachverhalt als erstellt erachtet. Die Beschwerde des Beschwerdeführers 2 bleibt entsprechend ohne Erfolg.» (E.4.3.3)

Zur Rüge von qualifizierten Tatbeständen (der Oberstaatsanwaltschaft)

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 beschlägt vor Bundesgericht die rechtliche Würdigung der Geschehnisse. Sie verlangt eine Bestrafung wegen qualifizierter Vergewaltigung und qualifizierter sexueller Nötigung, da das Merkmal der Grausamkeit erfüllt sei. (E.5).

Da die Qualifikation der Grausamkeit auch vom subjektiven Tatbestand erfasst werden muss und nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist, ist sie mit der Vorinstanz, wenn auch knapp, zu verneinen, erklärt das Bundesgericht hierzu u.a. (E.5.3 a.E.).

Das Bundesgericht wies beide Beschwerden ab (E.6).

Kommentare (0)