Bundesgericht schreitet bei Überprüfung von Honorar von amtlicher Verteidigung nur zurückhaltend ein

Im Urteil 6B_433/2024 vom 4. September 2024 aus dem Kanton Zürich befasste sich das Bundesgericht mit der Honorarbeschwerde eines amtlichen Verteidigers, der eine Pauschale von CHF 9’000 anstatt der geforderten CHF 26’839.35 erhielt (Differenz: CHF 17’839.35). Das Bundesgericht erklärte, dass Pauschalen unter gewissen Umständen als zulässig (E.2.1.2). Das Bundesgericht weist darauf hin, dass den kantonalen Behörden bei der Festsetzung ein sehr grosser Spielraum zusteht: «Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Den Kantonen kommt bei der Bemessung des Honorars der amtlichen Verteidigung ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde und Bemühungen nicht honoriert wurden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten einer amtlichen Verteidigung gehören. Die Festsetzung des Honorars muss ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den geleisteten Diensten stehen und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstossen […]» (E.2.1.3). Sehr interessant sich auch verschiedene Details zum Plädoyer und anderen Punkten (E.2.3).

Sachverhalt

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beschuldigten B. am 1. Februar 2024 wegen mehrfachen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten. Seinem amtlichen Verteidiger Rechtsanwalt A. sprach es für das Berufungsverfahren ein Honorar von Fr. 9’000.– zu.

Weiterzug ans Bundesgericht

Der A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, ihm sei für das Berufungsverfahren ein Honorar von Fr. 26’839.35 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_433/2024 vom 4. September 2024  

Der Beschwerdeführer verlangt vor Bundesgericht, dass sein Honorar für das Berufungsverfahren um Fr. 17’839.35 auf Fr. 26’839.35 erhöht wird. Vor Vorinstanz machte er noch einen Aufwand von Fr. 26’342.66 geltend. Damit verlangt er vor Bundesgericht mehr als im vorinstanzlichen Verfahren (vgl. Art. 99 Abs. 2 BGG). Aufgrund des Ausgangs des Verfahrens ist darauf nicht weiter einzugehen (E.2).

Das Bundesgericht macht die folgenden Ausführungen:

«Gemäss Art. 135 Abs. 1 StPO wird die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Die Anwendung kantonaler Anwaltstarife überprüft das Bundesgericht nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 BGG; BGE 145 I 121 E. 2.1; 142 V 513 E. 4.2; 142 IV 70 E. 3.3.1).» (E.2.1.1).

«Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung Pauschalen vorzusehen. Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber dann als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall wiederum ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den von der amtlichen Verteidigung geleisteten Aufwänden stehen (BGE 143 IV 453 E. 2.5.1; 141 I 124 E. 4.3; Urteile 6B_1278/2020 vom 27. August 2021 E. 6.3.3; 6B_950/2020 vom 25. November 2020 E. 2.4; je mit Hinweisen).» (E.2.1.2).

«Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Den Kantonen kommt bei der Bemessung des Honorars der amtlichen Verteidigung ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde und Bemühungen nicht honoriert wurden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten einer amtlichen Verteidigung gehören. Die Festsetzung des Honorars muss ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den geleisteten Diensten stehen und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstossen (BGE 141 I 124 E. 3.2; Urteile 6B_707/2022 vom 20. Dezember 2022 E. 2.1; 6B_1115/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 4.3 mit Hinweisen).» (E.2.1.3).

«Massgebend für die Festsetzung des Honorars des Beschwerdeführers ist vorliegend die Verordnung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. September 2010 über die Anwaltsgebühren (AnwGebV/ZH; LS 215.3, vgl. dort § 23 Abs. 1).» (E.2.2.1).

«Die Vorinstanz hält fest, im Strafprozess richte sich die konkrete Bemessung der Entschädigung nach den §§ 16 ff. AnwGebV/ZH. Sie verweist auf § 17 Abs. 1 lit. b AnwGebV/ZH, wonach die Grundgebühr für die Führung eines Strafprozesses vor den Bezirksgerichten einschliesslich Vorbereitung des Parteivortrags und Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Regel Fr. 1’000.– bis Fr. 28’000.– beträgt. Diese Pauschalgebühr gelte auch für das Verfahren vor Obergericht. Denn gemäss § 18 Abs. 1 AnwGebV/ZH werde die Gebühr im Berufungsverfahren grundsätzlich nach den für die Bezirksgerichte geltenden Regeln bemessen, wobei auch berücksichtigt werde, ob das Urteil vollumfänglich oder nur teilweise angefochten worden sei. Zur Grundgebühr könnten gemäss § 17 Abs. 2 AnwGebV/ZH Zuschläge berechnet werden. Die Vorinstanz berücksichtigte, dass nur der Beschuldigte Berufung erhoben hatte. Es sei lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe von 17 Monaten in Betracht gekommen. Auch über die vor Erstinstanz noch beantragte Landesverweisung habe im Berufungsverfahren wegen des Verschlechterungsverbots nicht mehr entschieden werden müssen. Den Schwierigkeitsgrad des Falls stuft die Vorinstanz als „eher tief“ ein. Die Akten seien zwar umfangreich, doch stellten sich „keine komplexen formellen oder prozessualen Fragen“. Dies gelte auch für die Beweiswürdigung und die Rechtsfragen. Der notwendige Zeitaufwand für deren Analyse sei deshalb im unteren Drittel des Spektrums einzuordnen. In rechtlicher Hinsicht biete der Fall keine besonderen Anforderungen, was sich auch darin widerspiegle, dass das Plädoyer des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus Ausführungen zum Sachverhalt bestanden und kaum rechtliche Ausführungen enthalten habe. Aufgefallen seien beim Plädoyer „die teilweise redundanten und äusserst ausschweifenden Ausführungen“, die sich in einem beträchtlichen Ausarbeitungsaufwand niedergeschlagen hätten. Von insgesamt 109.58 geltend gemachten Stunden seien rund 80 Stunden darauf entfallen. Die Vorinstanz fasst zusammen, dass sowohl die Bedeutung des Falls, die Verantwortung der Verteidigung, der notwendige Zeitaufwand und die Schwierigkeit „nicht über dem unteren Wert“ lägen. Dementsprechend sei der Beschwerdeführer für das Berufungsverfahren unter Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwandspositionen und der Dauer der Berufungsverhandlung pauschal mit Fr. 9’000.– inkl. Barauslagen und MWST zu entschädigen.» (E.2.2.2).

Was der Beschwerdeführer im Urteil 6B_433/2024 vom 4. September 2024 dagegen vorbringt verfängt gemäss Bundesgericht nicht:

«Im Einzelnen macht er geltend, als er an der Berufungsverhandlung das Plädoyer verlesen habe, sei er vom Vorsitzenden unterbrochen worden, weil sich seine Ausführungen wiederholt hätten. Der Vorsitzende habe vorgeschlagen, dass er auf das Verlesen verzichte und das Plädoyer lediglich zu den Akten reiche. Offensichtlich habe das Richtergremium in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerschaft „nicht sonderlich Lust auf die Berufungsverhandlung [gehabt] und darauf, sich die berechtigten Rügen des Beschuldigten anzuhören“. Damit legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb die Bemessung seines Honorars willkürlich sein sollte. Im Gegenteil zeigt er auf, dass die Vorinstanz seine Ausführungen bereits an der Berufungsverhandlung als redundant und ausschweifend wahrnahm.» (E.2.3.1).

«Die Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpfen sich über weite Strecken in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid. So trägt er beispielsweise vor, dass die Vorinstanz offensichtlich der Auffassung sei, „der Fall des Beschuldigten sei derart klar und es sei somit derart obsolet, diesen zu verteidigen, dass der Beschwerdeführer sich jegliche Argumente, zumindest jedoch rund 2/3 davon, sparen konnte oder hätte sparen sollen“. Dies könne nicht der Ernst der Vorinstanz sein. Damit legt der Beschwerdeführer keine Willkür dar. Gleiches gilt, wenn er vorträgt, das erstinstanzliche Urteil umfasse 200 Seiten, zumal es nicht nur den von ihm vertretenen Beschuldigten betraf, sondern auch dessen Ehefrau und dessen Bruder. Weiter trägt der Beschwerdeführer vor, er sei wohl der einzige gewesen, der alle Observationsvideos des Beschuldigten geschaut habe. Denn es dürfe „mit gutem Grund in Frage gestellt werden, ob […] irgendjemand bei der Staatsanwaltschaft, der ersten Instanz oder der Vorinstanz überhaupt jemals alle Videos oder auch nur einen (grösseren) Teil davon gesehen und überprüft [habe]“. Der Beschwerdeführer selbst trägt vor, bereits die Erstinstanz habe ausgeführt, eine stichprobenweise Durchsicht der Observationsvideos hätte ausgereicht. Auch diesbezüglich legt er nicht ansatzweise dar, weshalb die Vorinstanz bei der Bemessung seines Honorars in Willkür verfallen sein sollte. Mit ihrer schlüssigen Begründung setzt er sich nicht hinreichend auseinander.» (E.2.3.2).

«Der Beschwerdeführer trägt vor, der Entscheid der Vorinstanz bedeute, dass beschuldigte Personen entgegen den klaren Vorgaben von Art. 12 lit. a des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) nicht mehr sorgfältig und gewissenhaft verteidigt werden sollen. Dies ist unzutreffend. Eine sorgfältige und gewissenhafte Verteidigung gebietet im Gegenteil, dass auf redundante und weitschweifige Ausführungen verzichtet wird.» (E.2.3.3).

Nach dem Gesagten legt der Beschwerdeführer gemäss Bundesgericht nicht dar, inwiefern die vorinstanzliche Bemessung seines Honorars willkürlich oder sonst mit verfassungsmässigen Rechten unvereinbar wäre (E.2.4).

Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_433/2024 vom 4. September 2024 die Beschwerde ab (E.3).

Kommentare (0)